Mensch und »Person« – Probleme einer allgemeinen Rechtsfähigkeit
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Mensch und »Person« – Probleme einer allgemeinen Rechtsfähigkeit
Eine rechtshistorisch-kritische Untersuchung zu § 1 BGB
Schriften zur Rechtsgeschichte, Vol. 174
(2016)
Additional Information
Book Details
Pricing
About The Author
Hellen Hetterich studierte Rechtswissenschaft an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Nach der ersten juristischen Staatsprüfung war sie als Wiss. Mitarbeiterin an der dortigen Juristischen Fakultät am Lehrstuhl für Deutsche Rechtsgeschichte, Neuere Privatrechtsgeschichte und Bürgerliches Recht von Prof. Dr. Martin Lipp tätig. Die Promotion erfolgte im Juli 2015 in Gießen. Seit 2015 ist sie Referendarin am Landgericht Limburg a.d. Lahn.Abstract
Rechtsperson, Rechtsfähigkeit und Rechtssubjekt sind Elementarbegriffe unseres modernen Rechtsdenkens. Zugleich sind sie Gegenstand aktueller Diskussionsfelder. Insbesondere in den Grenzbereichen menschlichen Lebens zeigen Fragen um beispielsweise Nasciturus, Todesbegriff und Todeszeitpunkt ein Spannungsverhältnis auf, das sich regelmäßig zwischen rechtsethischen Prinzipien einerseits und rechtstechnischen Bedürfnissen andererseits bewegt. Vor diesem Hintergrund wird unser heutiges Verständnis von Person und allgemeiner Rechtsfähigkeit in seiner dogmengeschichtlichen Herkunft und Entwicklung untersucht und seine Umsetzung im System des BGB kritisch gewürdigt. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Schriften von Savigny und Puchta sowie die Kodifikationsmaterialien zu § 1 BGB. Die aus der rechtshistorischen Darstellung gewonnenen Erkenntnisse werden sodann genutzt, um ein eigenes dogmatisches Modell zum Themenkreis »Rechtsperson und Rechtsfähigkeit« vorzuschlagen.Ausgezeichnet mit dem Preis der Justus-Liebig-Universität Gießen für die beste Dissertation des akademischen Jahres 2016/2017 innerhalb der Sektion Rechts- und Wirtschaftswissenschaften.»Human and ›Legal Person‹ - Problems of a General Legal Capacity«Legal person and capacity are fundamental terms of modern legal theory. They are also subjects of actual debates, especially with regard to the beginning and the end of human life. This legal historical study asks for the origin and development of »person« and »legal personality« and for their implementation in the system of German BGB.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Danksagung | 5 | ||
Inhaltsübersicht | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 15 | ||
Kapitel 1: Person und Rechtsfähigkeit in der aktuellen Diskussion – Eine Bestandsaufnahme | 20 | ||
A. Grundlagen und heutiges Begriffsverständnis | 20 | ||
I. Grundprinzipien des gegenwärtigen Personenbegriffs | 20 | ||
1. Definitionen und Zusammenhänge | 20 | ||
2. Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit | 21 | ||
3. Allgemeine und gleiche Rechtsfähigkeit vs. konkrete Rechte und Pflichten | 23 | ||
II. Die Qualität des heutigen Personen- und Rechtsfähigkeitsbegriffs | 25 | ||
1. „Mensch“ und „Person“ als natürliche oder juristisch-normative Begriffe | 26 | ||
a) Natürlich-biologische Interpretation | 26 | ||
b) Juristisch-normative Interpretation | 28 | ||
2. Der juristische Personen- und Rechtsfähigkeitsbegriff im Einzelnen | 29 | ||
a) Abgrenzung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht | 29 | ||
b) Materiell-ethische Internalisierung der Rechtsfähigkeit natürlicher Personen | 33 | ||
c) Gesetzliche Normierung mit ethischer Vorgabe | 34 | ||
B. Problemfelder und aktuelle Entwicklungen | 42 | ||
I. Grenzen und Grenzbereiche der Rechtsfähigkeit | 42 | ||
1. Naturwissenschaftliche Grundlage unter juristisch-normativer Wertung | 42 | ||
2. Todeszeitpunkt und Todeskriterium | 45 | ||
a) Vom klinischen Tod zum Hirntodkriterium | 45 | ||
b) Der gespaltene Todesbegriff | 47 | ||
3. Problemfälle jenseits der gesetzlichen Rechtsfähigkeitsgrenzen | 51 | ||
a) Der Nasciturus | 51 | ||
aa) Sondervorschriften und deren analoge Anwendung | 51 | ||
bb) Formulierung einer allgemeinen Rechtsstellung des Nasciturus | 53 | ||
(1) Gesetzesmaterialien | 53 | ||
(2) Teilrechtsfähigkeit | 55 | ||
b) Das postmortale Persönlichkeitsrecht | 58 | ||
II. Tendenzen in anderen wissenschaftlichen Disziplinen | 61 | ||
Kapitel 2: Problemverdichtung und Erklärungsansätze | 66 | ||
A. Kritische Beobachtungen zum herrschenden Modell | 66 | ||
I. Ausstrahlungswirkung der Anerkennung von Teilrechtsfähigkeit | 66 | ||
II. Allgemeine und gleiche Rechtsfähigkeit des lebenden Menschen | 67 | ||
B. Grundsätzliche Ausrichtung des Rechtsfähigkeitsbegriffs zwischen Werteorientierung und Rechtstechnik | 73 | ||
C. Erklärungsansätze | 76 | ||
I. Herkunft des Personenbegriffs des BGB | 76 | ||
II. Spezifizierung auf zwei Fragenkreise | 90 | ||
1. Rechtsfähigkeit, Persönlichkeit, Handlungsfähigkeit | 90 | ||
2. Rechtsfähigkeit und Persönlichkeitsrecht im heutigen Bewusstsein | 93 | ||
a) Zwei unabhängige Institute | 93 | ||
b) Hinweise auf ein weitergehendes Persönlichkeitsrecht? | 95 | ||
3. Rechtsvergleichende Betrachtung (europäische Rechtsordnungen) | 97 | ||
D. Ergebnis: Historisch angelegte Aporien in § 1 BGB | 100 | ||
Kapitel 3: Historische Modelle zu Persönlichkeit, Person und Rechtsfähigkeit | 104 | ||
A. Friedrich Carl von Savigny – Konzeptionell gestufter Begriff von Rechtsfähigkeit | 104 | ||
I. Grundlagen in Savignys Rechts- und Personenbegriff | 105 | ||
1. Das Verhältnis von Sittlichkeit und Recht | 105 | ||
2. Vertiefte metaphysische Betrachtungen und Gottesbezug | 107 | ||
II. Die Ablehnung eines Rechts an der eigenen Person | 112 | ||
1. Savignys Ausführungen im „System“ | 112 | ||
2. Bemerkungen von Klenzes zur Ersten Redaktion des § 52 (04. Dezember 1836) | 114 | ||
III. Person, Rechtssubjekt und Rechtsfähigkeit („System“, §§ 60 ff.) | 116 | ||
1. Grundsätze | 116 | ||
2. Grenzen der natürlichen Rechtsfähigkeit | 118 | ||
3. Einschränkung der Rechtsfähigkeit | 119 | ||
a) Drei Fälle verminderter Rechtsfähigkeit | 119 | ||
b) Dreifache capitis deminutio und Lehre vom status | 124 | ||
c) Anomalien | 131 | ||
d) Bedeutung des römischen Rechts für Savignys Rechtsfähigkeitsbegriff | 132 | ||
4. Natürliche und juristische Person | 140 | ||
IV. Entstehung und Untergang der Rechtsverhältnisse. Die Handlungsfähigkeit | 143 | ||
V. Weitere Schriften Savignys | 146 | ||
1. Manuskripte zu Pandektenvorlesungen | 146 | ||
2. „Stimmen für und wider neue Gesetzbücher“ (1816) | 148 | ||
VI. Ergebnis: „Allgemeine Rechtsfähigkeit“ bei Savigny | 150 | ||
B. Georg Friedrich Puchta – Rechtsfähigkeit in der Erscheinungsform als Recht | 151 | ||
I. Grundlagen in Puchtas Rechts- und Personenbegriff | 151 | ||
1. Freiheit und Wille als Ausgangspunkte | 151 | ||
2. Rechtliche Freiheit | 152 | ||
3. Ethische Grundlagen | 153 | ||
II. Person, Persönlichkeit und Rechtsfähigkeit | 158 | ||
1. Grundbegriffe in Puchtas Personenrecht | 158 | ||
2. Das Personenrecht im System der Rechte | 162 | ||
3. Abstraktion als Grundsatz | 164 | ||
a) Persönlichkeit als kleinster gemeinsamer Nenner | 164 | ||
b) Bedeutung des Gleichheitsprinzips in Puchtas Personenbegriff | 166 | ||
c) Konsequenzen aus dem abstrakten Charakter der Person | 168 | ||
aa) Erster Fall: Nichtmenschliche Personen | 168 | ||
bb) Zweiter Fall: Rechtsfähigkeit und Willensunfähigkeit | 170 | ||
cc) Dritter Fall: Rechtsfähigkeit als allgemeine Rechtsregel ohne Ausnahme | 173 | ||
III. Recht an der eigenen Person und Recht der Persönlichkeit | 175 | ||
1. Fallgruppen | 175 | ||
2. Persönlichkeit als Gegenstand von Rechten | 179 | ||
a) Der Gegenstand des Rechts an der eigenen Person | 179 | ||
b) Persönlichkeit als Grundelement im Systemaufbau | 180 | ||
3. Qualifikation der Persönlichkeit als Recht | 182 | ||
a) Entwicklungsgeschichte als Streit um ein „Recht des Besitzes“ | 182 | ||
b) Stellungnahme Arndts („Recensionen. Cursus der Institutionen“, 1842) | 187 | ||
c) Stellungnahme Sintenis („Bemerkungen über Rechtssysteme“, 1844) | 189 | ||
d) Stellungnahme Unger („System des österreichischen allgemeinen Privatrechts. Band 1“, 1856) | 192 | ||
e) Stellungnahme Jhering („Rechtsschutz gegen injuriöse Rechtsverletzungen“, 1857) | 193 | ||
f) Zum Recht erhobene Rechtsfähigkeit oder inhaltliches Plus | 195 | ||
4. Inhaltliche Ausgestaltung über Stufen der Rechtsfähigkeit | 198 | ||
a) Römisches Recht | 198 | ||
aa) Lehre von libertas, civitas und familia | 198 | ||
bb) Lehre von der capitis deminutio | 201 | ||
b) Recht der Persönlichkeit nach geltendem Recht | 203 | ||
aa) Recht der Persönlichkeit überhaupt; Ehrenminderung | 203 | ||
bb) Recht der selbstständigen Persönlichkeit | 205 | ||
c) Zeitgenössischer Einfluss des römischen Rechts | 208 | ||
aa) Auffälligkeiten in der Darstellung | 208 | ||
bb) Parallelenbildung | 210 | ||
5. Puchtas Persönlichkeit und moderne Persönlichkeitsrechte | 213 | ||
6. Fortexistenz des Erblassers als juristische Person | 220 | ||
IV. Ergebnis: Rechtsfähigkeit als Recht bei Puchta | 223 | ||
Kapitel 4: BGB und 20. Jahrhundert | 226 | ||
A. Die Kodifizierung der Rechtsfähigkeit in § 1 BGB | 226 | ||
I. Überblick zum Kodifikationsverlauf (1873–1900) | 226 | ||
II. Auswertung der Materialien unmittelbar zu § 3 BGB-E I bzw. § 1 BGB | 227 | ||
1. Gesetzesmaterialien und die Redaktoren Gebhard und Planck | 228 | ||
a) Qualität menschlicher Rechtsfähigkeit im Gesamtbild | 228 | ||
b) Verhältnis von Rechtsfähigkeit, Person und Persönlichkeit | 230 | ||
c) Allgemeinheit, Gleichheit und der Umgang mit Unterscheidungsfaktoren | 234 | ||
2. Kritik am Ersten Entwurf (1888–1890) | 239 | ||
a) „Person“ | 239 | ||
b) Unzulänglichkeit der Gesetzesfassung | 240 | ||
c) Rechtsstellung des Nasciturus | 242 | ||
III. Auswertung der Materialien zu verwandten Normkomplexen | 244 | ||
1. Juristische Personen | 245 | ||
2. Rechte und Rechtsgüter im Deliktsrecht | 247 | ||
3. Rechts- und Handlungsfähigkeit im Internationalen Privatrecht | 250 | ||
IV. Ergebnis: Das Rechtsfähigkeitsbild um 1900 | 253 | ||
B. Relativierungen des Rechtsfähigkeitsbegriffs im 20. Jahrhundert | 256 | ||
I. Die Lehre Binders als Muster eines Gegenmodells | 256 | ||
1. „Das Problem der juristischen Persönlichkeit“ (1907) | 256 | ||
2. Rezension zu Stammler (1911) | 261 | ||
3. „Philosophie des Rechts“ (1925) | 262 | ||
4. Grundstruktur der Argumentation | 264 | ||
II. Kriterien und Schwerpunktsetzung im Rahmen der Neuausrichtung | 265 | ||
1. Unmittelbare Bezugnahme auf die Figur der Handlungsfähigkeit | 265 | ||
a) Hölder | 266 | ||
b) Hanke | 269 | ||
c) Fabricius | 272 | ||
2. Element des „Könnens“ im weiteren Sinne (Husserl) | 273 | ||
3. Abkehr von einem abstrakten Rechtsfähigkeits- und Personenbegriff | 278 | ||
a) Fabricius (nachfolgend Heinze, Gitter) | 278 | ||
b) John | 280 | ||
c) Pawlowski | 281 | ||
4. Differenzierungen zwischen Rechtssubjekt und Rechtsperson | 284 | ||
5. Rechtsfähigkeit aus übergeordnetem Persönlichkeitsrecht (Leuze) | 285 | ||
6. Demontage allgemeiner Rechtsfähigkeit im Nationalsozialismus | 287 | ||
a) Larenz | 288 | ||
b) Michaelis | 292 | ||
c) Stellung des NS-Personenbegriffs | 294 | ||
III. Ergebnis: Relativierung und Flexibilisierung von Rechtsfähigkeit | 295 | ||
Kapitel 5: Eigene Perspektiven | 297 | ||
A. Erkenntnisse aus der historischen Analyse | 297 | ||
B. Entwicklung der Eckpunkte eines eigenen Modells | 300 | ||
I. Werte- und Ordnungsbereich | 300 | ||
II. Inhaltliche Komponenten | 301 | ||
1. Angeborene Rechte und Rechtsgüter (Wertebereich) | 301 | ||
a) Lebensgüter als Rechtsgüter | 301 | ||
b) Allgemeines Persönlichkeitsrecht als angeborenes Recht | 302 | ||
2. Subjektive Rechte und Pflichten (Ordnungsbereich) | 304 | ||
3. „Rechtsfähigkeit“ (Werte- und Ordnungsbereich) | 305 | ||
a) Eigenschaft oder Recht | 305 | ||
b) Rechtsgutsfähigkeit (Wertebereich) | 306 | ||
c) Rechtserwerbsfähigkeit und Rechtsträgerschaft (Ordnungsbereich) | 306 | ||
III. Fallgruppen und Ertrag des vorgeschlagenen Modells | 310 | ||
IV. Terminologie und Auswirkungen auf § 1 BGB | 314 | ||
Zusammenfassung und Ausblick | 318 | ||
Quellen- und Literaturverzeichnis | 320 | ||
Personen- und Stichwortverzeichnis | 341 |