Die Nichtabführung von Umsatzsteuer als Straftat
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Die Nichtabführung von Umsatzsteuer als Straftat
Die §§ 26b, 26c UStG im Spannungsfeld gesetzgeberischer Intention und praktischer Defizite
Schriften zum Strafrecht, Vol. 293
(2016)
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About The Author
Mareike Schmidt studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsstrafrecht an der Bucerius Law School in Hamburg und der Emory University School of Law in Atlanta, GA. Im Anschluss an das erste Staatsexamen entstand die vorliegende Arbeit. Das Referendariat absolvierte sie am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg mit Stationen in Hamburg und New York. Seit Abschluss des zweiten Staatsexamens ist sie als Rechtsanwältin in einer internationalen Sozietät in Hamburg tätig.Abstract
Dem Fiskus entgehen durch sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäfte Schätzungen zufolge jährlich Einnahmen im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich. Auch als Reaktion auf diese Kriminalität im Bereich der Umsatzsteuerkarussellgeschäfte wurden die §§ 26b, 26c UStG eingeführt, aufgrund derer die Nichtabführung von Umsatzsteuer als Ordnungswidrigkeit oder sogar als Straftat geahndet werden kann. Die Arbeit beschäftigt sich mit Intention, Praxistauglichkeit und Auslegungsfragen der §§ 26b, 26c UStG. Insbesondere wird der Fall mangelnder Leistungsfähigkeit des steuerpflichtigen Unternehmers in dogmatischer Hinsicht untersucht. Zudem geht die Arbeit der Frage der inneren Rechtfertigung einer strafrechtlichen Sanktionierung der Nichterfüllung einer eigenen Steuerschuld und damit verbundenen möglichen Friktionen im Gefüge des Steuerstrafrechts nach. Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung wird im Anschluss ein Reformvorschlag für die gesetzliche Regelung vorgestellt.»Non-Payment of Value Added Tax as a Criminal Offence«As a response to organised fraud relating to VAT, the legislator introduced sec. 26b, 26c of the German value added tax act according to which the non-payment of VAT can be a criminal offence. The dissertation deals with the interpretation of and practical approach to these provisions. Its key aspects are the analysis of cases of incapability to pay the tax as well as considerations regarding the justification of the provisions with regard to the general system of fiscal offences in German law.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
1. Kapitel: Einführung und Problemdarstellung | 15 | ||
A. Untersuchungsgegenstand | 16 | ||
B. Funktionsweise des Umsatzsteuersystems und daraus folgende systembedingte Schwachstellen | 16 | ||
I. Allgemeines Prinzip | 16 | ||
II. Besonderheiten des Binnenmarktes | 18 | ||
C. Die Problematik der Umsatzsteuerkarusselle | 20 | ||
I. Funktionsweise von Umsatzsteuerkarussellen und vergleichbaren „Geschäftsmodellen“ | 20 | ||
II. Wirtschaftliche Bedeutung der Umsatzsteuerkarussellgeschäfte | 24 | ||
III. Aktuelle Relevanz | 25 | ||
IV. Kritik und Alternativen bei der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung | 26 | ||
2. Kapitel: Strafrechtliche Problemstellungen außerhalb der §§ 26b, 26c UStG | 28 | ||
A. Übersicht über die Strafbarkeit der einzelnen Beteiligten eines Umsatzsteuerkarussells vor Einführung der §§ 26b, 26c UStG | 28 | ||
I. Strafbarkeit des „buffers“ | 29 | ||
1. Fehlen von Warenbewegungen, fehlende Verfügungsbefugnis oder fehlende Unternehmereigenschaft | 29 | ||
2. Bloße Kenntnis von einem Mehrwertsteuerbetrug | 30 | ||
3. Exkurs: Die Rückgängigmachung umsatzsteuerpflichtiger Rechtsgeschäfte (insb. Leasing- und Mietkaufmodell), Rückgängigmachen der Option gemäß § 9 Abs. 1 UStG | 33 | ||
II. Strafbarkeit des „missing traders“ | 36 | ||
1. Erklärungspflichten des „Scheinunternehmers“ | 36 | ||
2. Unternehmereigenschaft | 37 | ||
3. Konsequenzen der neueren EuGH-Rechtsprechung | 38 | ||
4. Fazit | 39 | ||
III. Strafbarkeit des „distributors“ | 40 | ||
IV. Ergebnis | 41 | ||
B. Generelle Anmerkungen/Strafzumessung | 41 | ||
3. Kapitel: Die §§ 26b, 26c UStG | 43 | ||
A. Täterkreis/Gebotsadressat | 43 | ||
B. Allgemeine Kritik | 45 | ||
I. Zielsetzung der Norm | 45 | ||
II. Sanktionierung der Nichtabführung bei eigener Schuld | 46 | ||
1. Systematische Ungleichbehandlung durch Sanktionierung? | 46 | ||
2. Rechtfertigung der Sanktionierung aufgrund treuhandähnlicher Stellung des leistenden Unternehmers? | 49 | ||
a) Voraussetzungen eines treuhandähnlichen Verhältnisses nach Maßgabe des Zivilrechts oder eines Treueverhältnisses nach dem Vorbild des Untreuetatbestands | 50 | ||
b) Bestehen eines treuhandähnlichen Verhältnisses zwischen den am Umsatz beteiligten Parteien | 52 | ||
c) Bestehen eines treuhandähnlichen Verhältnisses zwischen leistendem Unternehmer und Fiskus? | 53 | ||
aa) Zeitpunkt der Entstehung eines treuhandähnlichen Verhältnisses | 54 | ||
(1) In Betracht kommende Zeitpunkte | 54 | ||
(2) Würdigung | 55 | ||
bb) Materielle Folgen einer besonderen Stellung des leistenden Unternehmers | 57 | ||
(1) Vergleich zur Einkommensteuer | 57 | ||
(2) Insolvenzrisiko | 58 | ||
(3) Fazit | 60 | ||
C. Tatbestandsmerkmale des § 26b UStG | 60 | ||
I. „Rechnung“ i. S. d. § 26b | 60 | ||
1. Einführung und Meinungsstand | 60 | ||
2. Auslegungshilfen | 61 | ||
a) Die grammatische Auslegung | 62 | ||
b) Die systematische Auslegung | 64 | ||
c) Die historische Auslegung | 66 | ||
d) Die teleologische Auslegung | 68 | ||
aa) Steuerrechtliche Grundlagen | 69 | ||
bb) Konsequenzen für die strafrechtliche Bewertung | 70 | ||
cc) Fazit | 72 | ||
3. Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis | 73 | ||
4. Ergebnis | 74 | ||
II. Fälligkeitszeitpunkt | 74 | ||
1. Allgemeines; Verfassungsmäßigkeit der Verweisung | 74 | ||
a) Fehlgehen der Verweisung in § 26b Alt. 1 UStG | 74 | ||
b) Bedeutung der Umsatzsteuerzahllast | 76 | ||
2. Anmeldung als Tatbestandsvoraussetzung/Konkurrenzverhältnis zu § 370 AO | 77 | ||
a) Übersicht über den Streitstand | 77 | ||
aa) Steueranmeldung in jedem Fall Voraussetzung für Fälligkeit | 77 | ||
bb) Steueranmeldung nur bei der Jahreserklärung Voraussetzung für Fälligkeit | 79 | ||
cc) Begrenzung der Anwendung auf angemeldete Steuer aus anderen Gründen | 82 | ||
dd) Anwendung der §§ 26b, 26c UStG unabhängig von der Steueranmeldung | 84 | ||
b) Würdigung und Stellungnahme | 85 | ||
3. Sonderfälle | 88 | ||
4. Verzögerte Zahlung, „nachlässige Nichtzahlung“ | 91 | ||
a) Zahlungen innerhalb der Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO | 91 | ||
b) Weitere Fälle der verspäteten Zahlung | 92 | ||
c) Fazit | 94 | ||
d) Opportunitätserwägungen der Finanzverwaltung | 96 | ||
III. Vorsatzerfordernis | 96 | ||
D. Der Fall mangelnder Leistungsfähigkeit | 98 | ||
I. Grundsatz der Möglichkeit der Vornahme der gebotenen Handlung | 100 | ||
II. Grundsätze der omissio libera in causa | 101 | ||
1. Ableitung der Modelle der omissio libera in causa von den Begründungsansätzen zur actio libera in causa | 103 | ||
a) Die unterschiedlichen Ausprägungen der Tatbestandslösung | 103 | ||
aa) Begründung | 103 | ||
bb) Voraussetzungen | 105 | ||
cc) Konsequenzen für die Voraussetzungen der omissio libera in causa | 106 | ||
dd) Kritik | 106 | ||
b) Die unterschiedlichen Ausprägungen des Ausnahmemodells | 107 | ||
c) Das Ausdehnungsmodell | 108 | ||
2. Eigenständige Begründungsansätze für die omissio libera in causa | 109 | ||
a) Dispositionsmöglichkeit über eigene Handlungen | 110 | ||
b) Ingerenzhaftung/Pflichtlösung | 110 | ||
c) Missbrauchslösung | 112 | ||
3. Generelle Ablehnung der Rechtsfigur der omissio libera in causa | 112 | ||
4. Fazit | 113 | ||
III. Konkrete Voraussetzungen an die Handlungsfähigkeit und das vorwerfbare Außerstandesetzen im Rahmen des § 266a StGB | 114 | ||
1. Tatsächlich fehlende Handlungsmöglichkeit | 115 | ||
2. Konkurrierende Zahlungsverpflichtungen | 117 | ||
a) Pflichten in Bezug auf die Mittelverwendung | 118 | ||
aa) Vorrangrechtsprechung des BGH | 118 | ||
bb) Kritik | 121 | ||
(1) Rechtsprechung des II. Zivilsenats | 121 | ||
(2) Ansichten im Schrifttum | 124 | ||
(3) Konsequenzen | 128 | ||
(4) Eigene Ansicht | 129 | ||
b) Konsequenzen für Anwendbarkeit und Umfang der omissio libera in causa | 131 | ||
aa) Mittelverwendung (omissio per commissionem) | 131 | ||
bb) Pflichten in Bezug auf die Mittelverschaffung (omissio libera in omittendo) | 134 | ||
c) Fazit | 135 | ||
aa) Fehlende Liquidität | 135 | ||
bb) Konkurrierende Zahlungsverpflichtungen | 136 | ||
cc) Strafbarkeit aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens im Vorfeld | 136 | ||
(1) Omissio per commissionem | 136 | ||
(2) Omissio libera in omittendo | 137 | ||
IV. Parallelen und Unterschiede im Rahmen der §§ 26b, 26c UStG | 137 | ||
1. Die Behandlung konkurrierender Zahlungsverpflichtungen im Rahmen der §§ 26b, 26c UStG | 138 | ||
a) Allgemeine Erwägungen | 138 | ||
b) Besondere Tilgungsreihenfolge innerhalb der öffentlich-rechtlichen Pflichten aus Gründen des Drittschutzes? | 140 | ||
aa) Rechtslage bei Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen | 141 | ||
bb) Rechtslage bei Nichtabführung von Lohnsteuer | 141 | ||
cc) Rechtsfolgen bei Nichtabführung von Umsatzsteuer | 142 | ||
dd) Fazit | 142 | ||
2. Strafbarkeit trotz fehlender Leistungsfähigkeit aufgrund der Grundsätze der omissio libera in causa | 142 | ||
a) Anwendbarkeit der Rechtsfigur | 142 | ||
b) Pflichtwidrigkeit im Vorfeld der Zahlungspflicht aus §§ 26b, 26c UStG | 144 | ||
aa) Literaturansichten zu den konkreten Pflichten im Vorfeld der Fälligkeit der Umsatzsteuer | 144 | ||
bb) Konkretisierung des pflichtwidrigen Verhaltens im Vorfeld der §§ 26b, 26c UStG | 146 | ||
(1) Aktives Vorverhalten | 146 | ||
(2) Pflichtwidriges Unterlassen | 147 | ||
cc) Abweichende Beurteilung im Rahmen der §§ 26b, 26c UStG wegen treuhandähnlicher Stellung? | 147 | ||
3. Fazit | 148 | ||
V. Verbleibender Anwendungsbereich für die Opportunitätsregelungen | 149 | ||
1. Zahlungsunfähigkeit | 150 | ||
2. Weitere Fälle der Anwendung des Opportunitätsprinzips | 152 | ||
E. Die besonderen Merkmale des § 26c UStG | 152 | ||
I. Bandenmäßige Begehung | 153 | ||
1. Der Bandenbegriff im Strafrecht allgemein | 153 | ||
2. Der Bandenbegriff im Steuerstrafrecht | 154 | ||
3. Der Bandenbegriff im Rahmen des § 26c UStG | 156 | ||
a) Der Inhalt der Bandenabrede im Rahmen des § 26c UStG | 157 | ||
b) Die Möglichkeit eines „bandenmäßigen Unterlassens“ | 158 | ||
c) § 26c UStG als Sonderdelikt | 160 | ||
d) Der Fall der mangelnden Leistungsfähigkeit im Rahmen des Bandendelikts | 161 | ||
e) Mehrpersonenkonstellationen bei juristischen Personen | 162 | ||
f) Fazit/eigene Ansicht | 162 | ||
II. Der Begriff der Gewerbsmäßigkeit | 164 | ||
1. Relevanz der Vorschrift | 164 | ||
2. Besonderheit in Bezug auf die wiederholte Begehung im Steuerstrafrecht? | 166 | ||
3. Ersparnis von Aufwendungen als Einnahmequelle | 167 | ||
4. Fazit/eigene Ansicht | 168 | ||
F. Rechtsfolgen | 169 | ||
I. Rechtsfolgen des § 26b UStG | 169 | ||
II. Rechtsfolgen des § 26c UStG | 170 | ||
G. Möglichkeit der Selbstanzeige? | 173 | ||
I. Rechtspolitisches Bedürfnis | 173 | ||
1. Zweck und Rechtfertigung des Instituts der Selbstanzeige | 175 | ||
2. Schlussfolgerungen/methodische Begründbarkeit der Analogiebildung | 178 | ||
II. Praktische Durchführbarkeit | 180 | ||
H. Verjährung | 181 | ||
I. Meinungsstand | 182 | ||
II. Würdigung | 183 | ||
4. Kapitel: Steuerrechtliche Lösungsansätze | 186 | ||
A. Reverse Charge I (Reverse-Charge-Verfahren mit Vorsteuerverrechnung) | 187 | ||
B. Reverse Charge II (Reverse-Charge-Verfahren mit Gesamtschuldnerhaftung) | 190 | ||
C. „Mittler-Modell“ – Modell der Vorstufenbefreiung | 191 | ||
D. Ist-Versteuerung bzw. Ist-Versteuerung mit Cross-Check | 195 | ||
E. „Ifo-Modell“ | 201 | ||
F. Vorsteueranrechnungsmodell (auch „Vorsteuerüberrechnung“) | 204 | ||
G. Die Vorschläge des „Bundessteuergesetzbuchs“ von Paul Kirchhof | 206 | ||
H. „Umsatzsteuer-Audit“ | 208 | ||
I. Fazit | 209 | ||
5. Kapitel: Reformbedürftigkeit und Reformfähigkeit | 212 | ||
A. Ausgangsproblem | 212 | ||
B. Bestehende Lösungsansätze | 214 | ||
C. Eigener Reformvorschlag | 216 | ||
I. Herleitung/Begründung | 216 | ||
1. Erhöhte Anforderungen an die subjektiven Tatbestandsmerkmale | 216 | ||
a) Zeitliche Voraussetzungen | 216 | ||
b) Qualitative Voraussetzungen | 217 | ||
2. Parallele zu Sachverhaltskonstellationen beim Eingehungsbetrug | 218 | ||
3. Praktische Aspekte/Nachweisbarkeit | 222 | ||
4. Fazit | 222 | ||
II. Formulierungsvorschlag | 222 | ||
6. Kapitel: Fazit/Wesentliche Thesen | 224 | ||
Literaturverzeichnis | 233 | ||
Stichwortverzeichnis | 246 |