Transnationales »ne bis in idem« zwischen staatlicher Schutz- und Achtungspflicht
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Transnationales »ne bis in idem« zwischen staatlicher Schutz- und Achtungspflicht
Grundlagen der »ne bis in idem«-Problematik
(2016)
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Dimitrios Voulgaris, geboren in Athen. Von 1999 bis 2004 Studium der Rechtswissenschaft an der Kapodistrias-Universität Athen. Von 2004 bis 2005 Magisterstudium an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 2007–2012 Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dimitrios Voulgaris ist seit 2007 als Rechtsanwalt in Athen zugelassen.Abstract
Hauptanliegen der Arbeit ist die Begründung, Abgrenzung und Konkretisierung des »ne bis in idem«-Prinzips auf transnationaler Ebene, sowohl aus der Sicht des deutschen Verfassungs- und Prozessrechts als auch aus dem Blickwinkel des Völkerrechts. Gestützt wird das transnationale Doppelverfolgungsverbot nicht nur auf Art. 103 Abs. 3 GG, sondern auch direkt auf das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verfolgten. Das »ne bis in idem«-Prinzip (sowohl auf transnationaler als auch auf nationaler Ebene) wird als das Ergebnis einer Abwägung zwischen zwei Prinzipien betrachtet. Diese zwei Prinzipien sind nicht in dem Rechtssicherheits- und Gerechtigkeitsprinzip zu sehen, wie traditionell angenommen wird. Was hier konkurriert, sind die zwei im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Staatspflichten: einerseits die Pflicht zum Schutz von Rechtsgütern durch die Realisierung des Strafrechts mittels des (erneuten) Strafverfahrens und andererseits die Pflicht zur Achtung der Grundrechte des Verfolgten und konkreter sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, das durch die neue Strafverfolgung tangiert wird.Main target of the book is to establish the »ne bis in idem«-principle on a transnational level and clearly define its scope. The »ne bis in idem«-principle is regarded as the outcome of two main (competing) duties of the state: on the one hand the duty to protect certain rights through the application of criminal law in each case and on the other hand the duty to respect the rights of the accused person and especially the general right of personality.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
A. Einführung | 19 | ||
I. Allgemeines – Ziel der Arbeit | 19 | ||
II. Allgemeine begriffliche Konkretisierungen – Umgrenzung der Arbeit | 20 | ||
III. Überblick über die Meinungslage in Deutschland | 22 | ||
1. Rechtsprechung | 22 | ||
2. Theorie | 23 | ||
IV. Gang der Untersuchung | 24 | ||
B. Begründung im Deutschen Recht | 26 | ||
I. Art. 103 III GG | 26 | ||
1. Einführung | 26 | ||
2. Die (Doppel-)Natur des Art. 103 Abs. 3 GG | 27 | ||
3. Grundrechtsdogmatische Auslegung | 28 | ||
a) Schutzbereich | 28 | ||
aa) Wortlaut | 28 | ||
bb) Geschichte und vorverfassungsrechtliches Gesamtbild | 29 | ||
cc) Telos | 32 | ||
dd) Auswirkungen des grundrechtlichen Charakters | 33 | ||
b) Eingriffe | 37 | ||
4. Art. 103 Abs. 3 GG als Schranken-Schranke | 38 | ||
5. Zwischenergebnis: Transnationales „ne bis in idem“ in Art. 103 Abs. 3 GG | 40 | ||
II. Grundlagen des transnationalen „ne bis in idem“ (jenseits des Art. 103 Abs. 3 GG) | 40 | ||
1. Einleitung | 40 | ||
2. Ausgangspunkt | 41 | ||
3. Geschichtliche Darstellung der Grundlegungstheorien | 41 | ||
a) Billigkeitstheorie | 42 | ||
b) Verbrauch des staatlichen Strafklagerechts bzw. Strafanspruchs | 43 | ||
c) Fiktionstheorie | 45 | ||
d) Begründung durch den Prozesszweck | 46 | ||
4. Heutiger Meinungsstand: „ne bis in idem“ zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit | 48 | ||
a) Allgemeines zum heutigen Meinungsstand | 49 | ||
b) Analyse und Kritik | 52 | ||
aa) Rechtsstaatsprinzip | 52 | ||
bb) Gerechtigkeit | 54 | ||
cc) Rechtssicherheit | 56 | ||
dd) Kritik an der Rolle von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit im Strafprozessrecht allgemein | 58 | ||
ee) Kritik an der Anwendung auf das „ne bis in idem“ | 60 | ||
(1) Die Rolle der Rechtssicherheit | 61 | ||
(2) Die Rolle der Gerechtigkeit | 64 | ||
(3) Fehlende Funktionalität | 64 | ||
(4) Ergebnis | 65 | ||
5. „Ne bis in idem“ im Widerstreit zwischen staatlicher Schutzpflicht und Achtungspflicht | 65 | ||
a) Allgemeines zum Doppelauftrag des Staates | 66 | ||
b) Der Dipol im Strafverfahrensrecht | 68 | ||
c) Der Konflikt beim innerstaatlichen und transnationalen „ne bis in idem“ | 71 | ||
6. Zusammenfassung: Grundlagen der „ne bis in idem“-Problematik | 72 | ||
III. Begriffliche Konkretisierungen | 73 | ||
1. Achtungspflicht | 73 | ||
a) Begriffsfassung der Achtungspflicht | 73 | ||
b) Einwände | 74 | ||
c) Achtungspflicht und Justizförmigkeit | 75 | ||
2. Die staatliche Schutzpflicht | 76 | ||
a) Grundlagen und Begriffsgehalt der staatlichen Schutzpflicht | 76 | ||
b) Bedeutungsinhalt der Schutzpflicht im Strafprozessrecht | 78 | ||
c) Schutzinteresse und „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ | 79 | ||
IV. Abwägung beim transnationalen „ne bis in idem“ | 81 | ||
1. Methodologische Bemerkungen | 81 | ||
a) Abwägung als Methode – Verhältnismäßigkeitsprinzip | 81 | ||
b) Rechtsstaatliches Verteilungsprinzip – Die prima facie Ablehnung des transnationalen „ne bis in idem“ als Umkehrung dieses Prinzips | 83 | ||
c) In dubio pro libertate? | 85 | ||
d) Vorgang | 88 | ||
2. Das Achtungsinteresse im Falle einer erneuten Verfolgung nach ausländischer Aburteilung derselben Straftat | 88 | ||
a) Die Einleitung eines Strafverfahrens als Grundrechtseingriff | 88 | ||
aa) Die Inkulpationshandlung | 88 | ||
bb) Grundrechtseingreifende Merkmale der Inkulpation | 90 | ||
(1) Inkulpation und Tatverdacht | 90 | ||
(2) Inkulpation und Beschuldigtenstatus | 92 | ||
(3) Inkulpation und Bestrafungsmöglichkeit | 92 | ||
cc) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht | 93 | ||
(1) Verankerung und Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 93 | ||
(2) Eingriffscharakter der Inkulpation | 96 | ||
dd) Zwischenergebnis | 97 | ||
b) Die Eingriffsintensität der Verfolgung im Falle einer vorherigen ausländischen Aburteilung der Straftat | 98 | ||
3. Das Schutzinteresse bei der Verfolgung von im Ausland abgeurteilten Straftaten | 100 | ||
a) Konkretisierung anhand der Anknüpfungsprinzipien | 101 | ||
aa) Territorialitätsprinzip | 103 | ||
bb) Flaggenprinzip | 105 | ||
cc) Aktives Personalitätsprinzip | 109 | ||
dd) Staatsschutzprinzip | 115 | ||
ee) Passives Personalitätsprinzip | 118 | ||
ff) Von deutschen Amtsträgern sowie gegen sie begangene Delikte | 121 | ||
gg) Stellvertretende Strafrechtspflege | 124 | ||
hh) Weltrechtspflegeprinzip | 127 | ||
ii) Vertragsprinzip | 134 | ||
jj) Zwischenergebnis | 136 | ||
b) „lex loci“ und „ne bis in idem“ | 137 | ||
4. Grenzen des transnationalen Doppelverfolgungsverbots – „ordre public“ | 141 | ||
5. Zusammenfassung in Thesen | 145 | ||
V. Exkurs: Transnationales „ne bis in idem“ und Internationales Strafprozessrecht | 146 | ||
1. Allgemeines | 146 | ||
2. Rechtshilferecht | 147 | ||
a) Auslieferungsrecht | 147 | ||
b) Vollstreckungshilfe | 148 | ||
3. Individuumsorientierte Betrachtungsweise | 149 | ||
VI. Zwischenergebnis zu der Begründung des transnationalen „ne bis in idem“ im Deutschen Recht | 149 | ||
C. Begründung im Völkerrecht | 151 | ||
I. Allgemeines | 151 | ||
1. Internationale Erscheinungsformen des „ne bis in idem“-Prinzips | 151 | ||
2. Kriminalpolitische Aspekte | 152 | ||
3. Rechtsquellen des Völkerrechts | 154 | ||
II. Begründungsansätze | 155 | ||
1. Internationale Rechtsverträge | 155 | ||
a) EMRK | 156 | ||
aa) Art. 6 EMRK und Art. 4 des 7. ZP | 156 | ||
bb) Erniedrigende Behandlung ‒ Art. 3 EMRK | 160 | ||
b) Art. 14 Abs. 7 IPbpR | 163 | ||
2. Völkergewohnheitsrecht | 167 | ||
3. Allgemeine Rechtsgrundsätze | 170 | ||
a) Begriff | 170 | ||
b) Subsidiarität | 172 | ||
c) Allgemeines Erzeugungs- bzw. Feststellungsverfahren | 172 | ||
d) Zwischenstaatliches Doppelverfolgungsverbot als allgemeiner Rechtsgrundsatz | 174 | ||
e) Menschenrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze und transnationales „ne bis in idem“ | 175 | ||
f) Methodologische Analogie zum Fremdenrecht | 176 | ||
g) Die allgemeinen Rechtsgrundsätze im deutschen Recht | 178 | ||
III. Geltungsumfang | 179 | ||
1. Keine grenzenlose Anerkennung fremder Strafentscheidungen | 179 | ||
2. Das Souveränitätsprinzip als Schranke des transnationalen „ne bis in idem“ | 180 | ||
a) Souveränitätsbegriff | 181 | ||
b) Souveränität und „ne bis in idem“ | 182 | ||
3. Völkerrechtliche Prinzipien des Internationalen Strafrechts als (völkerrechtliche) Grenze des transnationalen „ne bis in idem“ | 184 | ||
IV. Zwischenergebnis | 185 | ||
D. Einwände | 188 | ||
I. Misstrauen gegenüber der fremden Rechtsordnung | 188 | ||
1. Problemdarstellung | 188 | ||
2. Lösung | 190 | ||
II. Forum-Shopping | 192 | ||
III. „Wettrennen“ | 193 | ||
IV. Zwischenergebnis | 195 | ||
E. Einbau des Konzepts in die deutsche StPO – Rechtsstaats- und völkerrechtskonforme Auslegung des § 153c StPO | 196 | ||
I. Einleitung | 196 | ||
II. Opportunitätsprinzip und Ermessen | 197 | ||
1. Entscheidungsspielraum der Staatsanwaltschaft bei § 153c StPO | 197 | ||
2. Exkurs: Opportunitätsregelungen als Ermächtigung zur Abwägung nach vorgeschriebenen Kriterien | 201 | ||
III. § 153c StPO und transnationales „ne bis in idem“ | 203 | ||
1. Analyse des § 153c StPO | 203 | ||
a) § 153c Abs. 1 Nr. 1 (Alt. 1) StPO | 204 | ||
b) § 153c Abs. 2 | 205 | ||
2. Anpassung der Ergebnisse an §153c StPO | 206 | ||
3. Fälle, in denen die Doppelverfolgung im Ermessen der Staatsanwaltschaft liegt | 209 | ||
a) Auswirkungsgrundsatz | 209 | ||
b) Teilnahmehandlungen | 211 | ||
c) Minderschwere Straftaten | 212 | ||
4. Gerichtliche Nachprüfbarkeit | 213 | ||
IV. Zwischenergebnis | 217 | ||
F. Charakteristika des transnationalen Doppelverfolgungsverbots | 219 | ||
I. Einleitung | 219 | ||
II. Tatidentität (das „idem“) | 220 | ||
1. Bestimmung durch den Erstverfolgerstaat | 221 | ||
2. Dasselbe Delikt | 222 | ||
3. Derselbe historische Lebenssachverhalt (faktische Betrachtungsweise) | 224 | ||
4. Faktisch-normative Betrachtungsweise | 225 | ||
5. Kritik | 227 | ||
6. Stellungnahme – prozessuale Tat als Handlung | 230 | ||
7. Bedeutung für das transnationale ne bis in idem | 234 | ||
III. Vorherige Aburteilung (das „bis“) | 236 | ||
1. Entscheidendes Organ bzw. Urteilsform | 237 | ||
2. Rechtskraft nach dem Recht des Ersturteilsstaats | 239 | ||
3. Meistbegünstigungstheorie | 240 | ||
4. Wiederaufnahme „propter nova“ (Minimal-Niveau-Lösung) | 240 | ||
5. Vertrauen des Angeklagten (Qualifizierte Verfahrensbeendigung) | 241 | ||
6. Kritik | 242 | ||
7. Stellungnahme | 245 | ||
IV. Vollstreckungselement | 247 | ||
V. Zwischenergebnis | 249 | ||
G. Weitere Lösungsversuche | 250 | ||
I. Vermeidung von positiven Kompetenzkonflikten | 250 | ||
1. Hierarchisierung der Anknüpfungspunkte | 251 | ||
a) Meinungsdarstellung | 251 | ||
b) Kritik | 253 | ||
2. Einzelfallorientierte Lösung | 254 | ||
a) Kriterien | 255 | ||
aa) Charakteristisches Unrecht | 255 | ||
bb) Qualitätsprinzip | 256 | ||
cc) Deliktischer Schwerpunkt | 256 | ||
b) Entscheidungszuständigkeit | 257 | ||
3. Kompetenzverteilungsprinzip | 258 | ||
4. Kritik und Stellungnahme | 259 | ||
a) Vorrang des Hierarchisierungsmodells | 259 | ||
b) Vermeidung von positiven Kompetenzkonflikten | 260 | ||
II. Vertragsvorschläge zur Vermeidung einer Doppelverfolgung | 262 | ||
1. Initiative der Hellenischen Republik vom 13.2.2003 | 263 | ||
2. Freiburg-Proposal | 264 | ||
3. Kritik | 265 | ||
H. Gesamtergebnis | 266 | ||
Literaturverzeichnis | 271 | ||
Sachverzeichnis | 301 |