Atomausstieg ins Grundgesetz?
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Atomausstieg ins Grundgesetz?
Zur politischen Grammatik von Verfassungsänderungen
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1326
(2016)
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Klaus Ferdinand Gärditz, geb. 1975. Studium der der Rechtswissenschaft in Bonn (1995–1998). Referendardienst im OLG-Bezirk Koblenz (1999–2001). Wiss. Mitarbeiter am Institut für Strafrecht der Universität Bonn (1999–2001). Promotion 2001 in Bonn. Verwaltungsrichter in Rheinland-Pfalz und Rechtsanwalt in Bonn (2002–2004); 2004–2009 Wissenschaftlicher Assistent bei Wolfgang Kahl, Universität Bayreuth. Habilitation 2009. Seit Sommersemester 2009 Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. Seit 2014 stellv. Richter am VerfGH Nordrhein-Westfalen; seit 2015 im Nebenamt Richter am OVG Nordrhein-Westfalen. Forschungsschwerpunkte: Verfassungsrecht, Allgemeines & Europäisches Verwaltungsrecht, Verwaltungsprozessrecht, Wissenschaftsrecht, Umweltrecht, Strafverfassungsrecht.Abstract
The survey discusses whether and how the German nuclear phase-out, initiated by statutory law in 2011, could be safeguarded by a special constitutional amendment. It analyses potential techniques of constitutional regulation, its advantages, and political or legal repercussions. Besides considering the practical implications, this requires to take into account aspects of democratic and constitutional theory, thus, affecting the very function of constitutional amendments in a liberal democracy.Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob und ggf. inwiefern der einfachgesetzlich erfolgte Atomausstieg im Grundgesetz abgesichert werden könnte bzw. sollte, welche Regelungstechniken zu diesem Zweck zur Verfügung stünden, welche Vor- bzw. Nachteile diese hätten und wie deren Steuerungswirkungen zu bewerten wären. Hierbei sind neben politisch-praktischen Folgen auch demokratie- und verfassungstheoretische Erwägungen in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen, die letztlich die Frage nach der Regelungsfunktion von Verfassungsänderungen berühren. Verfassungsänderungen stehen zudem in einem überstaatlichen Kontext. Namentlich die Vereinbarkeit einer Konstitutionalisierung des Atomausstiegs mit europäischem Unionsrecht und Völkerrecht muss in den Blick genommen und etwaige Konflikte müssen gelöst werden, soweit dies durch die unterbreiteten Regelungsvorschläge geboten erscheint. Eine Nachbetrachtung wendet sich allgemein der politischen Grammatik der Verfassungsänderung zu, um Bewegungsräume einer wissenschaftlichen Verfassungsrechtspolitik zu skizzieren.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Reflexionsrahmen und Prüfungsanlass | 11 | ||
B. Atomausstieg ins Grundgesetz? | 12 | ||
I. Verfassungsrechtliche Grenzen einer Konstitutionalisierung des Atomausstiegs | 12 | ||
1. Atomausstieg als Langzeitperspektive | 13 | ||
2. Herrschaft auf Zeit und Vorläufigkeit demokratischer Entscheidungen | 14 | ||
3. Demokratiegebot als invarianter Verfassungskern | 16 | ||
a) Zeitlichkeit von Herrschaft als unaufgebbarer Kern der Demokratie | 16 | ||
aa) Rechtsänderung nach Mehrheitsregeln | 17 | ||
bb) Keine Erweiterung des Katalogs des Art. 79 Abs. 3 GG | 17 | ||
cc) Konsequenz: Keine Unumkehrbarkeit des Atomausstiegs | 18 | ||
b) Vorläufigkeit jeder Verfassungsänderung | 19 | ||
c) Demokratieimmanente Grenzen für parlamentarische Zukunftsentscheidungen? | 20 | ||
aa) Kein allgemeines Verbot irreversibler Zukunftsbelastung | 20 | ||
bb) Fortwährende Politisierung der Zukunft in der Gegenwart | 21 | ||
cc) Konsequenzen für Entscheidungen über die Atomkraftnutzung | 23 | ||
II. Mögliche Ziele einer Konstitutionalisierung | 25 | ||
1. Regelungsfunktion der Verfassung | 26 | ||
2. Konstitutionalisierung als Instrument der Entpolitisierung | 27 | ||
a) Im Zweifel Verzicht auf Konstitutionalisierung | 28 | ||
b) Qualifizierte Politizität von Zukunftsentscheidungen | 29 | ||
c) Konsequenz: Entpolitisierung des Atomausstiegs kein sinnvolles Regelungsziel | 29 | ||
3. Konstitutionalisierung als Schaffung von Vetopositionen | 30 | ||
4. Verfassung als Symbolspeicher gesellschaftlicher Grundwertungen | 31 | ||
5. Semantische Klarstellung | 34 | ||
6. Konstitutionalisierung zur rechtlichen Armierung der Energiewende | 36 | ||
a) Gewichtungsregeln im Rahmen planerischer Abwägungen | 36 | ||
b) Beeinflussung der finanziellen Folgen des Atomausstiegs | 37 | ||
c) Zwischenergebnis | 38 | ||
7. Zwischenbilanz Regelungsziele | 38 | ||
III. Konstitutionalisierungsrisiken und -herausforderungen | 38 | ||
1. Technizität des Regelungsgegenstandes | 39 | ||
a) Politische Regelungsfunktion statt Verfassungsästhetik | 40 | ||
b) Disparater Duktus des Grundgesetzes | 43 | ||
d) Zwischenergebnis | 43 | ||
2. Abhängigkeit von gesellschaftlichem Grundkonsens? | 44 | ||
3. Bindungsdichte der Verfassung | 45 | ||
a) Regelungsdichte und erhöhter Bedarf nach Verfassungsanpassung | 46 | ||
b) Konstitutionalisierung, Interpretationsmacht und Interpretationsrisiken | 46 | ||
c) Konsequenz | 47 | ||
4. Eigenwert des Verzichts auf eine Verfassungsänderung | 48 | ||
a) Politische Sinnstiftung durch potentielle Änderbarkeit | 50 | ||
b) Erhalt der Politizität | 50 | ||
c) Volatilität politischer Entscheidungen | 51 | ||
d) Vorrang offener Regelungen | 52 | ||
e) Konsequenzen | 52 | ||
5. Entbehrlichkeit kraft Faktizität? | 53 | ||
6. Dysfunktionale Entpolitisierung | 54 | ||
7. Zwischenbilanz Konstitutionalisierungsrisiken | 56 | ||
IV. Regelungstechniken | 57 | ||
1. Allgemeine Vorüberlegungen | 58 | ||
a) Offenheit und Legitimationsstruktur | 58 | ||
b) Systematische Integration | 60 | ||
2. Staatszielbestimmung | 61 | ||
a) Allgemeines | 61 | ||
b) Referenznorm Art. 20a GG | 63 | ||
c) Bewertung | 64 | ||
aa) Klimaschutz ins Grundgesetz? | 65 | ||
bb) „Energiewende“ ins Grundgesetz? | 66 | ||
cc) Akzessorische Anpassung der Gesetzgebungskompetenz? | 67 | ||
d) Formulierungsvorschlag | 67 | ||
3. Materielle Verpflichtung auf ein Phasing-Out | 69 | ||
a) Mangelnde Flexibilität und Differenzierungshindernis | 70 | ||
b) Verfassungsrechtlicher Exzeptionalismus | 71 | ||
c) Bewertung | 71 | ||
d) Formulierungsvorschlag | 72 | ||
4. Legalisierung | 73 | ||
a) Konstitutionelle Legalisierungsoption | 73 | ||
b) Änderungsbedarf? | 74 | ||
c) Folgen einer zu erwartenden Entscheidung des BVerfG | 75 | ||
d) Formulierungsvorschlag | 76 | ||
5. Normierung von Folgefragen des Atomausstiegs | 77 | ||
a) Kostenlasten | 77 | ||
aa) Mangelnder Regelungsbedarf | 78 | ||
bb) Formulierungsvorschlag | 79 | ||
b) Standortauswahl bei der atomaren Endlagerung | 80 | ||
aa) Konfliktpotentiale | 80 | ||
bb) Regelungskoordinaten zur Absicherung der Standortauswahl | 82 | ||
cc) Äußere Regelungsgrenzen | 83 | ||
dd) Formulierungsvorschlag | 84 | ||
V. Supranationale Regelungsschranken | 85 | ||
1. Warenverkehrsfreiheit | 86 | ||
a) Ausfuhrbeschränkung? | 87 | ||
b) Importbeschränkung | 88 | ||
c) Zwischenergebnis | 89 | ||
2. Versorgungssicherheit im Energiebinnenmarkt | 89 | ||
a) Primärrecht | 89 | ||
b) Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie | 90 | ||
c) Zwischenergebnis | 92 | ||
3. EURATOM-Vertrag | 92 | ||
a) Keine Verpflichtung zur Techniknutzung | 92 | ||
b) Systematischer Gesamtkontext | 94 | ||
c) Kein Konstitutionalisierungsverbot | 95 | ||
d) Keine abweichenden Vorgaben aus dem Sekundärrecht | 95 | ||
e) Zwischenergebnis | 96 | ||
VI. Völkerrechtliche Regelungsschranken | 96 | ||
1. Vereinbarkeit mit der EMRK | 97 | ||
a) Schutzbereich und Eingriff | 97 | ||
b) Eingriffsrechtfertigung | 98 | ||
aa) Enteignung oder Nutzungsregelung? | 98 | ||
bb) Verhältnismäßigkeit | 99 | ||
c) Ergebnis | 100 | ||
2. Investitionsschutz | 100 | ||
3. Zwischenergebnis | 101 | ||
C. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse | 102 | ||
I. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen | 102 | ||
II. Regelungsziele | 103 | ||
III. Konstitutionalisierungsrisiken | 104 | ||
IV. Regelungstechnik | 106 | ||
V. Supranationale Grenzen einer Verfassungsänderung | 107 | ||
VI. Völkerrechtliche Grenzen einer Verfassungsänderung | 108 | ||
D. Nachbetrachtung: Anmerkungen zur politischen Grammatik von Verfassungsänderungen | 109 | ||
I. Verfassungsänderung zwischen Verfassungspolitik und Systemansprüchen | 109 | ||
II. Verfassungsänderung und Verfassungsrechtsprechung | 113 | ||
III. Außerjuristischer Verfassungsraum und die Option einer De-Bürokratisierung der Verfassung | 117 | ||
IV. Die Verfassungsänderung als politisches Instrument: Zur Notwendigkeit einer Entidealisierung | 119 | ||
V. Die internationale Offenheit und der Umgang mit Verfassungsänderungen | 122 | ||
VI. Perspektiven | 125 | ||
Literatur | 129 | ||
Sachwortverzeichnis | 149 |