Die Suche nach einem Legitimationsmaßstab für Pönalisierungsentscheidungen in der mehrkulturellen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland
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Die Suche nach einem Legitimationsmaßstab für Pönalisierungsentscheidungen in der mehrkulturellen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland
Schriften zum Strafrecht, Vol. 305
(2017)
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Ole-Steffen Lucke, geboren 1981 in Bremen, ist seit 2012 als Strafverteidiger primär im Wirtschaftsstrafrecht tätig. Er studierte Rechtswissenschaft in Heidelberg und absolvierte im Anschluss das Referendariat in Schleswig-Holstein. Neben der Veröffentlichung in Fachzeitschriften zu strafrechtlichen Fragen promovierte er im Jahr 2016 bei Prof. Dr. Manfred Heinrich mit einer Dissertation zu einem dogmatischen Aspekt der Thematik von Kultur und Strafrecht.Abstract
Die Arbeit betrachtet als dogmatischen Aspekt der Thematik von Kultur und Strafrecht die Suche nach einem Maßstab für legitime Strafgesetze in der kulturell pluralisierten deutschen Gesellschaft. Unter Herausarbeitung der Kulturabhängigkeit des Strafrechts analysiert sie die hergebrachte Diskussion um den materiellen Verbrechensbegriff als wenig zielführend, systematisiert die bisherigen Stellungnahmen in drei Kategorien möglicher Legitimationsfiguren und untersucht die Debatte um die kulturellen Maßstäbe in der Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe auf übertragbare Überlegungen. Sodann entwickelt die Abhandlung einen kulturrelativistischen Legitimationsmaßstab, der die effektive Einbindung sämtlicher kultureller Wertvorstellungen in den Strafgesetzgebungsprozess fordert. Zur Umsetzung dessen werden die Einführung des Ausländerwahlrechts, die Installation einer sog. Kulturkommission sowie das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für den Erlass eines Strafgesetzes vorgeschlagen.»Searching for Standards to Legitimize Penal Legislation within the Culturally Diverse Society of the Federal Republic of Germany«The dissertation deals with the interdependence of culture and criminal law and considers from a dogmatic point of view the standards for a legitimate penal legislation in a culturally diverse society. It systematizes the existing theories and opinions on the topic and develops its own criteria which demand the consideration of all cultural values in the legislation process, in particular through the establishment of a foreigners' right to vote, the participation of a culture commission and the requirement of a two thirds majority in the vote.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einleitung | 13 | ||
B. Begriffsbestimmunge | 17 | ||
I. Strafrecht | 17 | ||
1. Definitio | 17 | ||
2. Legitimation des Strafrechts | 19 | ||
II. Kultu | 21 | ||
1. Definitionsansatz | 21 | ||
2. Interne Verfasstheit von Kulture | 24 | ||
a) Kohärente Nationalkulture | 24 | ||
b) Dynamische, hybride und intern heterogene Nationalkulture | 25 | ||
c) Die kulturelle Pluralisierung in der Bundesrepublik Deutschland | 26 | ||
3. Das Problem der integrativen Gesamtkultu | 29 | ||
a) Das Modell der kulturellen Differenz | 29 | ||
b) Das Kohäsions-Modell | 29 | ||
c) Das Subkultur-Konzept | 30 | ||
d) Zwischenergebnis | 31 | ||
e) Das Aufeinandertreffen von Kulture | 31 | ||
aa) Multikulturalität und Multikulturalismus | 32 | ||
(1) Multikulturalität | 32 | ||
(2) Multikulturalismus | 32 | ||
bb) Interkulturalität | 34 | ||
cc) Transkulturalität | 34 | ||
dd) „Leitkultur“ und „Parallelgesellschaft“ | 34 | ||
ee) Zwischenergebnis | 36 | ||
4. Das zu vermeidende Simplifizierungsrisiko | 37 | ||
C. Einfluss der Kultur auf die Pönalisierungsentscheidung | 40 | ||
I. Kulturabhängigkeit des Rechts? | 40 | ||
1. These von der Unbeachtlichkeit der Kultu | 40 | ||
2. These von der Übereinstimmung der Rechtsnormen mit den Kulturnorme | 41 | ||
II. Abhängigkeit des Strafrechts von der Kultur? | 42 | ||
1. These von der besonderen Kulturabhängigkeit des Strafrechts | 42 | ||
2. Thesen zu den Ausnahmen von der Kulturabhängigkeit des Strafrechts | 42 | ||
a) Differenzierung nach Teilbereichen des Strafrechts | 43 | ||
b) Ausnahmen nach Maye | 43 | ||
aa) Verwaltungsstrafrecht | 43 | ||
bb) Kulturfremde Gesetze | 44 | ||
III. Abhängigkeit der Pönalisierung von kulturellen Wertvorstellunge | 45 | ||
1. Pönalisierung als Auswahlentscheidung | 45 | ||
2. Abhängigkeit der Auswahl von den kulturellen Wertvorstellunge | 47 | ||
3. Zwischenergebnis | 50 | ||
IV. Abgrenzungen und Konkretisierunge | 51 | ||
1. Von den bisherigen kulturellen Wertvorstellungen abweichende Strafnorme | 51 | ||
2. Völkerrechtliche Vorgabe | 51 | ||
3. Wirkung des Strafrechts auf kulturelle Wertvorstellungen – Das Theorem von Legalität und Moralität | 52 | ||
D. Der Pönalisierungsmaßstab in einer mehrkulturellen Gesellschaft | 55 | ||
I. Allgemeine Diskussion um den materiellen Verbrechensbegriff | 56 | ||
1. Rechtsgutslehre | 58 | ||
a) Wertungsbedürftigkeit des Rechtsgutsbegriffs | 59 | ||
b) Rechtsgutslehre | 60 | ||
aa) Schünema | 60 | ||
bb) Hassemer und Neuma | 61 | ||
cc) Roxi | 63 | ||
dd) Weigend | 64 | ||
ee) Jäge | 65 | ||
ff) Hefendehl | 67 | ||
gg) Wohlers | 69 | ||
hh) Kahlo | 70 | ||
c) (Fehlende) Erkenntnisgewinne aus der Rechtsgutslehre | 71 | ||
2. Maßstab des Bundesverfassungsgerichts (Verhältnismäßigkeitsprinzip) | 74 | ||
3. Inklusion des Rechtsgüterschutzes in den verfassungsrechtlichen Prüfungsrahme | 76 | ||
4. Sozialethische Strafrechtslehre | 76 | ||
5. Sozialschädlichkeitstheorie | 78 | ||
6. Strafrechtlicher Funktionalismus | 80 | ||
7. Die Lehre von den fundamentalen Verhaltensnorme | 82 | ||
8. Einflüsse aus dem angloamerikanischen Raum | 83 | ||
a) Harm Principle | 83 | ||
b) Offense to Others | 85 | ||
c) System prinzipiengestützter Strafnormlegitimatio | 86 | ||
9. Gesamtbetrachtung | 87 | ||
II. Die kulturelle Bedingtheit jedes materiellen Legitimationsmaßstabs für die Pönalisierung | 89 | ||
III. Mögliche Ansätze für eine legitime Pönalisierung in einer mehrkulturellen Gesellschaft | 91 | ||
1. Strafrechtspluralismus | 92 | ||
2. Lösungsansätze für eine legitime absolute Strafnormgeltung in einer mehrkulturellen Gesellschaft | 97 | ||
a) Materielle Maßstäbe | 97 | ||
aa) Der Rekurs auf die „höherwertige“ Kultur nach Maye | 98 | ||
bb) Multikulturelles Strafrecht im Sinne des Assimilationsmodells | 99 | ||
(1) Schutz der abendländischen Kultu | 100 | ||
(2) Schutz der grundlegenden Wertentscheidunge | 101 | ||
(3) Verfassungspatriotismus | 102 | ||
(a) Grünewald | 103 | ||
(b) Radbruch | 103 | ||
(c) Hilgendorf und Steffe | 103 | ||
(d) Zwischenergebnis | 104 | ||
(e) Hörnle | 105 | ||
(f) Kritik | 107 | ||
cc) „Echtes“ multikulturelles bzw. transkulturelles Strafrecht | 111 | ||
(1) Appellfunktion des Straftatbestandes | 112 | ||
(2) Interkulturelle Normbegründung nach Köhle | 114 | ||
(3) Kulturindifferente Menschenrechte als Pönalisierungsmaßstab nach Höffe | 116 | ||
(4) Interkulturelles Kernstrafrecht nach Rössne | 119 | ||
dd) Zwischenergebnis | 120 | ||
b) Der prozessuale Maßstab | 120 | ||
aa) Legitimation durch Zuständigkeit | 120 | ||
bb) Prozedurale Inklusion nach Dreie | 123 | ||
c) Zwischenergebnis | 124 | ||
IV. Die Übertragbarkeit der Diskussion zur Berücksichtigung fremder kultureller Wertvorstellungen bei der Entscheidung über das Vorliegen niedriger Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB | 126 | ||
1. Wertepluralität | 128 | ||
a) Diskussion anhand des Definitionsmerkmals der „allgemeinen sittlichen Wertung“ | 129 | ||
b) Diskussion anhand der juristischen Problembeschreibung der Ehrenmorde und der Blutrache | 132 | ||
2. Die Berücksichtigung abweichender, fremdkultureller Wertvorstellunge | 134 | ||
a) Dogmatisch uneinheitliche Berücksichtigung | 134 | ||
b) Objektive Berücksichtigung | 136 | ||
aa) Begründung aus der Idee eines (interkulturellen) sozialethischen Minimums | 138 | ||
bb) Gegenargumentation zu der Idee eines (interkulturellen) sozialethischen Minimums | 139 | ||
(1) Beschränkung auf strikt rechtliche Vorgabe | 139 | ||
(2) Aufweichung des gesetzlichen Normbefehls | 140 | ||
cc) Begründung über die Privilegierung des Konflikts zwischen Gesamtkulture | 142 | ||
dd) Begründung über das Schuldprinzip | 143 | ||
ee) Zwischenergebnis | 144 | ||
c) Pathologisierende Berücksichtigung | 144 | ||
aa) Der Maßstab der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland | 146 | ||
bb) Die Pathologisierungstendenz | 148 | ||
d) Zwischenergebnis | 149 | ||
V. Eigener Lösungsvorschlag | 150 | ||
1. Ausländerwahlrecht | 152 | ||
2. Die Installation einer Kulturkommissio | 154 | ||
a) Sachverständige Interessenvertretung | 155 | ||
b) Loslösung von der Rationalitätsdoktri | 157 | ||
c) Besetzung der Kommissio | 158 | ||
d) Formalisierung | 159 | ||
e) Zulässigkeit der beratenden Einflussnahme | 160 | ||
f) Verteidigung der Institutionalisierung einer Kulturkommissio | 161 | ||
3. Erfordernis einer 2/3-Mehrheit für die parlamentarische Schlussabstimmung über ein Strafgesetz | 164 | ||
4. Kulturrelativismus versus wehrhafte Demokratie | 165 | ||
5. Die gesetzgeberische Diskussion um die Pönalisierung der Beschneidung von Jungen als Indiz für die praktische Umsetzbarkeit | 171 | ||
6. Schlussbetrachtung | 177 | ||
E. Zusammenfassung | 178 | ||
Literaturverzeichnis | 182 | ||
Stichwortverzeichnis | 192 |