Das Zitiergebot für die Abweichungsgesetzgebung
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Das Zitiergebot für die Abweichungsgesetzgebung
Rechtsstaatliche und demokratische Grundlagen sowie Anforderungen einer Kennzeichnungspflicht in Art. 72 Abs. 3 GG
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1345
(2017)
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Abstract
Die 2006 neu in das Grundgesetz aufgenommene Kompetenzart der Abweichungsgesetzgebung in Art. 72 Abs. 3 GG sieht auf Rechtsfolgenseite abweichend vom »Normalfall« des Art. 31 GG einen Anwendungsvorrang des späteren Rechts vor. Damit ist diese Gesetzgebungskompetenz auf unübersichtliche Gemengelagen von Bundes- und Landesrecht normativ angelegt. Die Verwobenheit von Bundes- und Landesrecht kann bei dieser Gesetzgebungsart ein Maß an normativer Komplexität erreichen, das mit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit nicht mehr zu vereinbaren ist. Die möglichen Gemengelagen stehen auch in Widerspruch zum Prinzip demokratischer Verantwortungsklarheit und demokratischer Repräsentation. Aus diesem Grund muss für die Abweichungsgesetzgebung eine Kompensation in Form eines ungeschriebenen Zitiergebots mitgedacht werden.»A Commandment of Quotation for Deviation Legislation«In the year of 2006 a new legislation competence for deviation legislation was implemented into the German Constitution, which is normatively created for a mélange of federal law and federal state law. The situation can reach such a complexity, that it would be incompatible with the commandments for norm clarity, for clarity of responsibilities and democratic representation. Therefore, there needs to be a compensation in terms of an unwritten commandment of quotation for deviation legislation.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsübersicht | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einführung | 17 | ||
A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung | 17 | ||
B. Gang und Vorgehensweise der Untersuchung | 23 | ||
Kapitel 1: Der deutsche Föderalismus und die Entstehung der Abweichungsgesetzgebung | 26 | ||
A. Der deutsche Föderalismus | 26 | ||
I. Idee des Föderalismus im Grundgesetz | 26 | ||
1. Begriffsklärung: Föderalimus und Bundesstaat | 28 | ||
a) Bundesverfassungsgericht | 30 | ||
b) Allgemeine Staatslehre | 32 | ||
c) Besondere Staatsrechtslehre | 34 | ||
2. Zwischenbilanz | 35 | ||
II. Entwicklungsstufen des deutschen Föderalismus | 35 | ||
1. Separativer Föderalismus | 38 | ||
2. Unitarischer Bundesstaat | 39 | ||
3. Kooperativer Föderalismus | 40 | ||
4. Reföderalisierter Bundesstaat? | 40 | ||
5. Erschütterter Bundesstaat | 41 | ||
6. Kompetitiver Föderalismus | 42 | ||
7. Entstehung und Bedeutung der verfolgten Leitbilder | 44 | ||
a) Entstehung föderalistischer Leitbilder | 45 | ||
b) Bedeutung föderalistischer Leitbilde | 48 | ||
c) Steuerungswirkung der Leitbilder | 50 | ||
d) Dogmatische Figuren als Kristallisatione | 53 | ||
III. Ziele der Föderalismusreform | 54 | ||
1. Neuaustarierung der föderalen Elemente | 55 | ||
a) Klare Verantwortlichkeiten | 56 | ||
b) Stärkung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern | 58 | ||
2. Ungeschriebenes Ziel: Rationale Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen | 58 | ||
B. Die Herkunft des Abweichungsgedankens und seine Umsetzung im Reformprozess | 59 | ||
I. Früher historischer Hintergrund des „Zugriffsgedankens“ | 60 | ||
1. Erwägungen hinsichtlich einer „subsidiären Bundesgesetzgebung“ für die Weimarer Republik | 60 | ||
2. Die Überlegungen Hans Dichgans’ zu einer umfassenden Revision der Verfassung | 62 | ||
3. Vorschlag eines „Rückholverfahrens“ für die Länder nach Lenz | 63 | ||
4. Heinsens Sondervotum zum Schlussbericht der Enquete-Kommission „Verfassungsreform“ 1976 | 64 | ||
II. Der „Zugriffsgedanke“ innerhalb der Reformbemühungen der Landesparlamente in den 1980er Jahren bis zur Jahrtausendwende | 66 | ||
III. Aufleben des „Zugriffsgedankens“ seit dem Jahr 2000 | 69 | ||
1. Bertelsmann-Kommission „Verfassungspolitik & Regierungsfähigkeit“ 2000 | 69 | ||
2. Reformvorschlag der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags 2002 | 70 | ||
3. Lübecker Erklärung der deutschen Landesparlamente 2003 | 71 | ||
IV. Der „Zugriffsgedanke“ in der Gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung | 72 | ||
1. Vorschlag der Länder – umgekehrt konkurrierende Gesetzgebung | 73 | ||
2. Vorschlag Steenblock – verfassungsrechtlich verankerte Öffnungsklausel | 75 | ||
3. Vorschlag Stünker-Röttge | 76 | ||
V. Weitere Entwicklung nach dem Scheitern der Kommissio | 77 | ||
VI. Aufnahme des Reformvorhabens in den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD 2005 | 78 | ||
VII. In der Föderalismuskommission diskutierte Zitiergebote | 80 | ||
VIII. Grundgesetzänderung mit Wirkung zum 1. September 2006 | 82 | ||
C. Zusammenfassung | 83 | ||
Kapitel 2: Das materielle Abweichungsrecht nach Art. 72 Abs. 3 GG und seine verfassungsrechtliche Ausgestaltung | 85 | ||
A. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz | 85 | ||
B. Abweichungsgesetzgebung | 87 | ||
I. Inhaltliche Abmessungen der neuen Gesetzgebungskategorie | 90 | ||
1. Normqualität der abweichenden Norm | 91 | ||
2. „Abweichende“ Regelung | 91 | ||
a) Negativgesetzgebung | 95 | ||
b) Inhaltsgleiche Landesgesetzgebung | 96 | ||
c) Abweichungsrecht und absichtsvoller Regelungsverzicht des Bundes | 97 | ||
II. Wirkungen der neuen Gesetzgebungskategorie | 98 | ||
1. Art. 72 Abs. 3 GG als lex specialis zu Art. 72 Abs. 1 GG | 98 | ||
2. Ermessensentscheidung der Länder und des Bundes | 99 | ||
3. Abweichungsfeste Kerne | 102 | ||
4. Die sog. „lex posterior-Regel“ des Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG | 103 | ||
a) Kollisionsvermeidungs- oder Kollisionsentscheidungsnorm | 103 | ||
b) Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG als lex specialis zu Art. 31 GG | 107 | ||
c) Die Einordnung des Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG und die Rolle eines Zitiergebots | 109 | ||
C. Zusammenfassung | 110 | ||
Kapitel 3: Ausdrückliche Zitiergebote im Grundgesetz und im Recht der Europäischen Unio | 112 | ||
A. Die Bezeichnung des eingeschränkten Grundrechts nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG | 113 | ||
I. Geschichtlicher Hintergrund des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG | 116 | ||
II. Funktionen des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG | 118 | ||
1. Warn- und Besinnungsfunktion | 118 | ||
2. Klarstellungs-, Hinweis- und Informationsfunktion | 119 | ||
3. Anforderungen an die Art der Grundrechtsnennung | 121 | ||
a) Der Ort und die Form der Grundrechtsnennung | 121 | ||
aa) Einzelzitat | 123 | ||
bb) Artikelnummer oder Inhaltsangabe? | 125 | ||
b) Änderungsgesetz | 126 | ||
4. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG | 129 | ||
a) Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung | 129 | ||
b) Materielle Bedeutung des Zitiergebots | 131 | ||
c) Dogmatische Konsequenzen des Verstoßes gegen das Zitiergebot | 133 | ||
B. Die Bezeichnung der Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG | 136 | ||
I. Geschichtlicher Hintergrund des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG | 138 | ||
II. Funktionen des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG | 141 | ||
1. Qualifikationshilfe | 141 | ||
2. Kontrollfunktion | 142 | ||
3. Rechtsschutzfunktion | 143 | ||
III. Anforderungen an die Angabe der Rechtsgrundlage | 144 | ||
1. Zitierdichte | 145 | ||
2. Amtliche Fundstelle | 146 | ||
3. Mehrere Rechtsgrundlagen | 148 | ||
4. Der Ort des Zitats in der Rechtsverordnung | 150 | ||
5. Sammelverordnungen | 151 | ||
IV. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG | 154 | ||
C. Zitiergebot bei der Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union | 156 | ||
D. Zusammenfassung | 159 | ||
Kapitel 4: Aspekte der Rechtsstaatlichkeit | 161 | ||
A. Rechtssicherheit als Element des Rechtsstaatsprinzips | 162 | ||
I. Bestimmtheit und Normklarheit | 163 | ||
1. Gemeinsamkeite | 165 | ||
2. Unterschiede | 166 | ||
3. Elemente des Klarheitsgrundsatzes | 167 | ||
a) Verständlichkeit | 168 | ||
b) Widerspruchsfreiheit | 169 | ||
c) Systemgerechtigkeit als Widerspruchsfreiheit der Gesamtrechtsordnung | 171 | ||
d) Übersichtlichkeit | 171 | ||
aa) Der Grundsatz der Übersichtlichkeit in ausgewählten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts | 172 | ||
(1) Entscheidung zu den Apothekenstoppgesetze | 173 | ||
(2) Zwischenergebnis | 175 | ||
(3) Entscheidung zur Anrechnung des Kindergeldes auf Unterhaltszahlunge | 175 | ||
(4) Zwischenergebnis | 177 | ||
(5) Präventivüberwachung durch das Zollkriminalamt | 177 | ||
(6) Zwischenergebnis | 178 | ||
bb) Gebot der Übersichtlichkeit als Komplexitätskontrolle | 179 | ||
(1) Parameter normativer Komplexität | 179 | ||
(2) Effekte normativer Komplexität | 181 | ||
cc) Adressatenfrage | 184 | ||
II. Zwischenergebnis | 188 | ||
B. Gemengelage von Bundes- und Landesrecht bei der Abweichungsgesetzgebung | 188 | ||
I. Entstehung einer Gemengelage | 189 | ||
II. Rechtsunsicherheit auf Grund der Gemengelage | 195 | ||
1. Maßstab für die Beurteilung normativer Komplexität | 197 | ||
2. Überschreitung der Grenze verfassungsrechtlich zulässiger normativer Komplexität | 198 | ||
3. Zwischenergebnis | 201 | ||
4. Transaktionskosten überregional agierender Unternehme | 201 | ||
III. Gemengelagen schon zu Zeiten der früheren Rahmen- und konkurrierenden Gesetzgebung | 203 | ||
1. Konkurrierende Gesetzgebung | 204 | ||
2. Rahmengesetzgebung | 205 | ||
3. Vorteil der Abweichungsgesetzgebung gegenüber früherem Recht? | 208 | ||
4. Ergebnis | 209 | ||
C. Folgerung eines ungeschriebenen Zitiergebots für die Abweichungsgesetzgebung | 209 | ||
I. Zitiergebot für Landes- und Bundesrecht | 212 | ||
1. Offenlegung der gezielten Betätigung des Abweichungsrechts | 213 | ||
2. „Einfärbung“ des Art. 72 Abs. 1 GG mit den Vorgaben des Art. 72 Abs. 3 GG | 214 | ||
3. Entwirrung sich überlappender Rechtsschichte | 215 | ||
4. Zitierung abweichungsfester Kerne im Bundesrecht? | 216 | ||
II. Funktionen des Zitiergebots | 216 | ||
1. Besinnungs- und Offenlegungsfunktio | 217 | ||
2. Warnfunktio | 218 | ||
3. Informations- und Rechtsschutzfunktion | 220 | ||
D. Bedenken gegen ein ungeschriebenes Zitiergebot für die Abweichungsgesetzgebung | 221 | ||
I. Zitiergebot nur für bereits bestehende Gemengelagen? | 221 | ||
II. Zitiergebot nur für bestimmte Kompetenztitel? | 223 | ||
III. Transparenz durch Notifikation? | 224 | ||
IV. Kompensation durch Dokumentation? | 225 | ||
1. Veröffentlichung der Abweichung im Bundesgesetzblatt | 227 | ||
2. Hinweis auf abweichendes Recht in juristischen Datenbanken etwa bei „juris“ und „beck-online“ | 229 | ||
3. Bundesrechtsdatenbank im Internet | 231 | ||
4. Zwischenergebnis | 231 | ||
V. Problem der nachträglichen Veränderung von Bundes- oder Landesnorme | 232 | ||
VI. Vertikale Kooperation im bundesstaatlichen Gefüge | 233 | ||
VII. Horizontale Kooperationsformen zwischen den Ländern | 234 | ||
VIII. Bundestreue als Grenze der Abweichungsgesetzgebung? | 237 | ||
IX. Synopse | 238 | ||
X. Mehr Unklarheit durch ein Zitiergebot? | 239 | ||
XI. Gefahr der Überforderung des Gesetzgebers? | 242 | ||
XII. Einschränkung der Gesetzgebungskompetenz | 244 | ||
XIII. Problem der Gewaltenteilung | 246 | ||
E. Konkrete Ausgestaltung eines Zitiergebots | 250 | ||
I. Ort der Zitierung | 251 | ||
II. Sammelzitate und salvatorische Klausel | 252 | ||
III. Zitierdichte | 253 | ||
IV. Angabe der amtlichen Fundstelle? | 255 | ||
V. Entstehungdaten einzelner Vorschriften? | 255 | ||
VI. Zitierung durch den Bund | 256 | ||
VII. Ergebnis | 257 | ||
F. Zusammenfassung | 257 | ||
Kapitel 5: Aspekte der Demokratie | 260 | ||
A. Volkssouveränität und repräsentative Demokratie als Staats- und Regierungsform | 260 | ||
I. Demokratische Legitimatio | 264 | ||
1. Demokratische Verantwortlichkeit | 266 | ||
a) Verantwortungsklarheit durch das parlamentarische Gesetz | 268 | ||
b) Mangel an demokratischer Verantwortungsklarheit bei der Abweichungsgesetzgebung in Art. 72 Abs. 3 GG | 268 | ||
2. Ungeschriebenes Zitiergebot als Kompensation für den Mangel an demokratischer Verantwortungsklarheit bei der Abweichungsgesetzgebung | 270 | ||
II. Demokratische Repräsentation | 271 | ||
1. Vorgang demokratischer Repräsentation | 274 | ||
2. Gefährdung demokratischer Repräsentation durch das Defizit an eigener Urteilsbildung und Überschaubarkeit politischer Entscheidungsfragen bei den Repräsentanten | 276 | ||
3. Ungeschriebenes Zitiergebot als Kompensation für die Gefährdung demokratischer Repräsentatio | 278 | ||
B. Zusammenfassung | 279 | ||
Kapitel 6: Konsequenzen eines Zitiergebots für die Abweichungsgesetzgebung | 282 | ||
A. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Zitiergebot | 282 | ||
I. Das hergebrachte Nichtigkeitsdogma | 284 | ||
II. Zwischenergebnis | 291 | ||
III. Abkehr von der Nichtigkeit bei einem Verstoß gegen das Zitiergebot im Rahmen der Abweichungsgesetzgebung | 291 | ||
1. Verfassungsrechtlich verankerte Abkehr von der Nichtigkeitsfolge des Art. 31 GG für die Abweichungsgesetzgebung | 294 | ||
2. Rechtsschutzfunktion des Zitiergebots | 295 | ||
3. Gesamtnichtigkeit bzw. Gesamtunanwendbarkeit einer Bundesregelung bei Verstoß gegen das Zitiergebot? | 296 | ||
4. „Föderale Teilnichtigkeit“ von Bundesrecht? | 297 | ||
5. „Föderale Teilunanwendbarkeit“ von Bundesrecht | 297 | ||
6. Ergebnis | 298 | ||
B. Abweichungswille | 299 | ||
C. Prozessuale Geltendmachung | 301 | ||
D. Hinreichende Sanktionswirkung der Unanwendbarkeit | 304 | ||
E. Zusammenfassung | 304 | ||
Zusammenfassung | 306 | ||
Literaturverzeichnis | 316 | ||
Sachverzeichnis | 350 |