Der neue Rechtsrahmen der Arbeitnehmerüberlassung: Verfassungs- und unionsrechtliche Fragen
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Der neue Rechtsrahmen der Arbeitnehmerüberlassung: Verfassungs- und unionsrechtliche Fragen
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1347
(2017)
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Jörn Axel Kämmerer hat den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, in Hamburg inne. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und Aix-en-Provence wurde er 1993 promoviert und habilitierte sich 2000. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt auf dem Verfassungs- und Europarecht, v.a. ihren wirtschaftlichen Bezügen (Marktregulierung, Privatisierung, öffentlich-rechtliche Fragen der Ordnung des Berufs- und Arbeitslebens). Er ist Generalsekretär der Societas Iuris Publici Europaei sowie Mitglied im Wissenschaftlichen Arbeitskreis Berufsrecht bei der Bundessteuerberaterkammer und im Arbeitskreis Finanzmarktgesetzgebung beim BMF.Abstract
Mit der AÜG-Novelle vom 21.2.2017 hat der deutsche Gesetzgeber der Arbeitnehmerüberlassung abermals Zügel angelegt: Künftig darf ein Leiharbeitnehmer maximal 18 Monate lang beim gleichen Einsatzunternehmen tätig sein - und vom Gebot, ihn wie einen Stammarbeitnehmer zu entlohnen (Equal Pay), darf nach dem neunten Monat grundsätzlich nicht einmal durch Tarifvertrag abgewichen werden. Das Buch stellt diese Beschränkungen und auch ihre Wechselwirkungen auf den verfassungs- und unionsrechtlichen Prüfstand: Schießt der Gesetzgeber über die Verfolgung legitimer Ziele hinaus oder trägt er berechtigten Schutzinteressen Rechnung? Wie viel Koalitionsfreiheit verbleibt den Tarifparteien der Überlassungsbranche noch, wenn von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer nur durch Fremdtarifvertrag - der Einsatzbranche - abgewichen werden darf? Die Betrachtung schließt rechtsvergleichende Blicke auf die normative Behandlung von Arbeitnehmerüberlassung in anderen EU-Mitgliedstaaten ein.The 2017 amendment of the German Agency Work Act (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) imposes new restrictions on agency work insofar as the duration of an assignment may not exceed 18 months and as even collective agreements cannot usually waive equal pay after 9 months. The author assesses whether these rules are compatible with the German Constitution and EU Law and whether, separately or jointly, they are proportionate. To this end, agency work laws of other EU States are also taken account of.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
A. Einführung | 9 | ||
B. Empirische Befunde | 10 | ||
I. Die Koalitionsvereinbarungen über eine AÜG-Novelle und ihre Umsetzung | 11 | ||
II. Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung in anderen europäischen Staate | 13 | ||
1. Richtlinie über Leiharbeit als gemeinsamer Nenne | 14 | ||
2. Mitgliedstaaten, die vorwiegend dem „Arbeitgeberprinzip“ folge | 15 | ||
a) Irland | 16 | ||
b) Niederlande | 17 | ||
c) Österreich | 17 | ||
3. Mitgliedstaaten, die ganz oder vorwiegend dem Agenturprinzip folge | 18 | ||
a) Vereinigtes Königreich | 19 | ||
b) Luxemburg | 19 | ||
c) Frankreich | 21 | ||
4. „Gemischte“ Regime | 23 | ||
a) Spanie | 23 | ||
b) Portugal | 25 | ||
5. Resümee: Bunte Vielfalt von Regelungsmodelle | 27 | ||
C. Rechtmäßigkeit der AÜG-Neuregelung: Prüfungsgegenstand und -maßstab | 28 | ||
D. Die zeitliche Begrenzung der Tarifdispositivität von Equal Pay | 30 | ||
I. Bisheriger Rechtsstand | 30 | ||
II. Neuer Rechtsstand | 32 | ||
III. Rechtsprobleme | 34 | ||
1. Vereinbarkeit mit Europarecht, insbesondere der Leiharbeit-Richtlinie | 34 | ||
2. Vereinbarkeit mit Grundrechten, insbesondere der Koalitionsfreiheit | 35 | ||
a) Deutsche oder EU-Grundrechte? | 35 | ||
b) Anwendbare Grundrechte | 40 | ||
aa) Koalitionsfreiheit, Art. 9 III GG | 40 | ||
bb) Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) | 42 | ||
c) Rechtfertigung der Eingriffe | 42 | ||
aa) Zum Prüfungsmaßstab | 42 | ||
bb) Potenzielle Rechtfertigungsgründe für Equal Pay ohne Abweichungsrecht | 44 | ||
(1) Das Spektrum möglicher Rechtfertigungsgründe | 45 | ||
(a) Schutz der Leiharbeitnehme | 45 | ||
(b) Schutz der Stammbelegschaft | 48 | ||
(2) Wechselseitige Konditionierung von Equal-Pay- und Befristungsvorgabe | 50 | ||
IV. Alternativbetrachtung: Tarifdispositivität von Equal Pay nach Maßgabe der Laufzeit des Arbeitsverhältnisses | 51 | ||
E. Beschränkung der Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmer | 53 | ||
I. Nicht-arbeitsplatzbezogene Befristung | 54 | ||
II. Rechtsprobleme | 55 | ||
1. Europarechtlicher Prüfungsmaßstab: Leiharbeit-Richtlinie | 56 | ||
a) Verschlechterungsverbot, Art. 9 II Leiharbeit-Richtlinie | 56 | ||
b) Befristung als Tatbestandsausfüllung oder rechtfertigungsbedürftiger Eingriff? Art. 1 I vs. Art. 4 I Leiharbeit-Richtlinie | 57 | ||
aa) Bisherige nationale Rechtsprechung und Vorlagen zum EuGH | 58 | ||
bb) Einordnung im Sinne einer Rechtfertigungslösung | 60 | ||
2. Die Befristungsregelung als Grundrechtseingriff | 62 | ||
a) Geltung deutscher Grundrechte | 62 | ||
b) Berufsfreiheit, Art. 12 I GG | 63 | ||
c) Positive und negative Koalitionsfreiheit | 63 | ||
d) Betrachtungen zur Rechtfertigung der Beschränkunge | 65 | ||
aa) Die anwendbaren Maßstäbe | 65 | ||
e) Erwägungen zu einer Rechtfertigung auf der Basis von Art. 4 I Leiharbeit-Richtlinie | 66 | ||
aa) Enge Auslegung in Betracht kommender Rechtfertigungsgründe | 66 | ||
bb) Verhinderung „eventuellen“ Missbrauchs | 67 | ||
(1) Begriff des „eventuellen Missbrauchs“ | 67 | ||
(2) Dauerhafte Überlassung als Missbrauch? | 69 | ||
(3) Kohärenzbetrachtung: Der Erkenntniswert des Teilzeit- und Befristungsgesetzes | 70 | ||
cc) Schutz des Arbeitsmarktes, der Stammbelegschaft und Schutz der Leiharbeitnehme | 74 | ||
(1) Schutz des Arbeitsmarktes | 74 | ||
(2) Schutz der Leiharbeitnehme | 75 | ||
(3) Schutz der Stammbelegschaft | 77 | ||
dd) Rechtfertigungserwägunge | 79 | ||
(1) Der Grundsatz des mildesten Mittels | 81 | ||
(2) Praktische Konkordanz und Übermaßverbot | 82 | ||
F. „Übersicherung“ durch Kumulation von Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer? | 85 | ||
I. Widersprüchliche Regelungsziele | 85 | ||
II. „Erdrosselung“ durch Übersicherung | 86 | ||
G. Ergebnis und Ausblick | 88 | ||
I. Leiharbeit in Europa | 88 | ||
II. Zwingendes Equal Pay nach neun (bzw. fünfzehn) Monate | 89 | ||
III. Befristung der Überlassung auf maximal 18 Monate | 89 | ||
IV. Kumulation von Equal Pay und Höchstüberlassungsdaue | 91 | ||
Literaturverzeichnis | 92 |