Die strafrechtliche Aufarbeitung der Wirtschafts- und Finanzkrise
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Die strafrechtliche Aufarbeitung der Wirtschafts- und Finanzkrise
Eine Analyse der Rolle des Strafrechts vor und zu Zeiten der Krise anhand der zentralen Norm des § 266 StGB
Schriften zum Strafrecht, Vol. 306
(2017)
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About The Author
Steffen Löwer studierte von 2009 bis 2013 Rechtwissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ab Anfang 2013 war er für eine internationale Wirtschaftskanzlei tätig. Im Anschluss absolvierte er ein LL.M.-Aufbaustudium an der University of Edinburgh, welches er Ende 2014 erfolgreich abschloss. Von Ende 2014 bis Mitte 2015 arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für eine internationale Wirtschaftskanzlei. Seit Anfang 2016 ist er Rechtsreferendar am Landgericht Frankfurt am Main. Im Januar 2017 promovierte er im Wirtschaftsstrafrecht. Er wurde während seines Studiums, Aufbaustudiums und seiner Promotion jeweils durch eine Begabtenförderung unterstützt.Abstract
Der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 liegt ein multifaktorieller Ursachenkomplex zugrunde. Die vorliegende Arbeit analysiert die Möglichkeiten, die komplexen Sachverhalte mit den Mitteln des Strafrechts aufzuarbeiten. In diesem Zusammenhang wird vor allem auf ein Defizit im Hinblick auf ein strafrechtliches Abschreckungs- und Normintegrationspotential im Vorfeld der Krise hingewiesen. Eine detaillierte Darstellung der strafrechtlichen Subsumtion der krisenursächlichen Sachverhalte unter § 266 StGB führt zu dem Ergebnis, dass mehrere evidente und gravierende Pflichtverletzungen der Verantwortlichen vorliegen. Insbesondere wird dargelegt, ob Entscheidungen auf Grundlage ausreichender Informationen getroffen worden sind, Existenzgefährdungen vorlagen, ein ausreichendes Risikomanagement stattfand, das Schaffen von Klumpenrisiken pflichtwidrig war, welche Rolle Bonizahlungen spielten und ob Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder ihre Überwachungspflichten verletzt haben.»The Economical and Financial Crisis from a Criminal Law Perspective«The causes of the economical and financial crisis of 2008 are multifactorial. This dissertation is looking into the possibilities to analyse these causes from a criminal law perspective. A detailed record is presented and this record is analysed with Section 266 of the German Criminal Code (breach of trust). As a result certain violations of duty are identified like for e.g. a deficient risk management and acting without having a sufficient basis of information.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
Einleitung | 17 | ||
1. Teil: Die Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes durch Straftheorie | 21 | ||
A. Die Rolle des Strafrechts: Zum Sinn und Zweck von Strafe | 21 | ||
I. Absolute Straftheorie | 21 | ||
II. Relative Straftheorie | 24 | ||
III. Vereinigungstheorie | 28 | ||
IV. Konkretisierung der Rolle des Strafrechts | 28 | ||
V. Strafrecht als Mittel zum Zweck der Einflussnahme auf die Wirtschaft? | 31 | ||
B. Strafrecht und Wirtschaft | 33 | ||
I. Die politische Wirtschaftsstraftat nach Naucke als Konkretisierungsansatz der vorzunehmenden Untersuchung | 33 | ||
1. Die „praktische Ebene“ des Strafrechts als die Ebene der vorzunehmenden Untersuchung | 33 | ||
2. Ausblick auf die möglichen Konsequenzen einer Ohnmacht des Strafrechts | 35 | ||
3. Konkretisierung des Fortgangs der Untersuchung | 36 | ||
II. Die strafrechtliche Überprüfbarkeit wirtschaftlicher Entscheidunge | 37 | ||
1. Sind wirtschaftliche Entscheidungen strafrechtlich überprüfbar? | 37 | ||
2. Auswirkungen einer strafrechtlichen Überprüfbarkeit wirtschaftlicher Entscheidunge | 39 | ||
a) Negative Aspekte einer strafrechtlichen Überprüfbarkeit von wirtschaftlichen Entscheidunge | 39 | ||
b) Die Begrenzung des Strafrechts durch verfassungsrechtliche Prinzipie | 41 | ||
aa) Ultima-ratio-Prinzip | 41 | ||
bb) Strafrechtliche Akzessorietät | 42 | ||
cc) Subsidiarität | 43 | ||
dd) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz | 43 | ||
ee) Bestimmtheitsgrundsatz | 45 | ||
ff) Zwischenergebnis | 46 | ||
III. Die Anforderungen an Strafrechtsnorme | 47 | ||
1. Der historische Kontext zur strafrechtlichen Bestimmtheit von Normen: Die unterschiedlichen Ansichten in der Literatu | 47 | ||
2. Die Gesetzgebung zur Bestimmtheit von Strafnormen der letzten Jahrhunderte: Ein kursorischer Überblick | 51 | ||
3. Aktuelle Diskussione | 53 | ||
4. Ein soziologischer Exkurs mit Niklas Luhma | 54 | ||
5. Die Psychologie der Abschreckung | 55 | ||
6. Wirtschaftswissenschaftliche Modelle einer Täterrationalität | 56 | ||
7. Zusammenfassende Betrachtung und Stellungnahme | 57 | ||
2. Teil: Konnte das Strafrecht die hier zugewiesene Rolle erfüllen? | 62 | ||
A. Hintergrund(untersuchung) zur Rolle des Strafrechts | 62 | ||
I. Die Hintergründe der Wirtschafts- und Finanzkrise | 62 | ||
1. Globale Betrachtung | 62 | ||
a) Kapitalzufluss | 63 | ||
b) Leitzinse | 64 | ||
c) Wertpapiere und Zweckgesellschafte | 64 | ||
d) Die Rolle der Ratingagenture | 66 | ||
e) Der Ausbruch der Krise | 67 | ||
2. Auswirkungen in Deutschland | 69 | ||
a) IKB Deutsche Industriebank AG | 69 | ||
b) Landesbank Sachsen (heute: Sachsen Bank) | 70 | ||
c) Landesbank Baden-Württemberg | 71 | ||
d) Bayerische Landesbank | 73 | ||
e) Westdeutsche Landesbank Girozentrale AG | 74 | ||
f) Hamburgisch-Schleswig-Holsteinische Nordbank AG | 75 | ||
g) Hypo Real Estate Holding AG | 77 | ||
h) Andere Kreditinstitute | 79 | ||
3. Zwischenergebnis | 80 | ||
II. Die „Allzweckwaffe“ § 266 StGB | 81 | ||
1. Die Problematik des § 266 StGB | 81 | ||
a) Vermögensbetreuungspflicht und pflichtwidriges Verhalte | 81 | ||
b) Vermögensnachteil | 85 | ||
c) Subjektiver Tatbestand | 87 | ||
d) Verschleifung der Tatbestandsmerkmale | 87 | ||
e) Zu den Risikogeschäften und Fällen der Wirtschafts- und Finanzkrise | 88 | ||
2. Restriktionsansätze | 89 | ||
a) Strengere Prüfung des subjektiven Tatbestandes | 90 | ||
b) Billigung der Realisierung einer Gefah | 90 | ||
c) Gravierende Pflichtverletzung | 92 | ||
d) Die Mannesmann-Entscheidung | 94 | ||
e) Restriktion nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts | 95 | ||
f) Umsetzung der Vorgaben des BVerfG | 96 | ||
aa) Keine Neuerung in der Rechtsprechungspraxis des Bundesgerichtshofs für Strafsachen? | 97 | ||
bb) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Strafsachen nach dem 23.06.2010 | 98 | ||
3. Zwischenergebnis | 101 | ||
4. Die Folgeproblematik des § 257c StPO | 103 | ||
a) Der Zusammenhang von § 266 StGB und § 257c StPO | 103 | ||
b) Die verfassungsrechtlichen Bedenken bzgl. § 257c StPO | 104 | ||
aa) Die Wahrheitserforschung im Strafprozess | 105 | ||
bb) Das Legalitätsprinzip | 107 | ||
cc) Das Öffentlichkeitsprinzip | 108 | ||
dd) Weitere Kritikpunkte | 109 | ||
c) Zwischenergebnis im Hinblick auf § 257c StPO | 110 | ||
aa) § 257c StPO contra einer Generalprävention vor dem 19.03.2013 | 111 | ||
bb) § 257c StPO contra einer Generalprävention nach dem 19.03.2013 | 111 | ||
5. Staatsanwaltschaftliche Ermittlunge | 113 | ||
III. Zwischenergebnis: Grundsätzliches zur Nichtverhinderung der Krise mit strafrechtlichen Mittel | 117 | ||
B. Die Mitursächlichkeit | 117 | ||
3. Teil: Zu den strafrechtlichen Mitteln als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise | 119 | ||
A. Das strafrechtliche Arsenal | 119 | ||
I. Die bereits vorgenommenen Subsumtionen der Krisensachverhalte unter § 266 StGB | 119 | ||
1. Die Subsumtion von Kasiske | 120 | ||
2. Die Subsumtion von Schünema | 121 | ||
3. Die Subsumtion von Bermel | 122 | ||
II. Die materiell-rechtliche Subsumtion unter § 266 StGB | 123 | ||
1. Täterkreis und Vermögensbetreuungspflicht | 123 | ||
2. Pflichtwidriges Verhalte | 126 | ||
a) Die der nachfolgenden Untersuchung zugrundeliegenden Sachverhalte | 126 | ||
b) Der Pflichtwidrigkeitsmaßstab | 127 | ||
c) Zu den unterschiedlichen Aufgaben von Vorstandsmitgliedern und Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmitgliedern: Das strafrechtlich zu beurteilende Verhalte | 129 | ||
d) Verstoß gegen den öffentlichen Zweck | 130 | ||
e) Der Geschäftszweck der einzelnen Kreditinstitute | 133 | ||
aa) SachsenLB | 133 | ||
bb) BayernLB | 136 | ||
cc) WestLB | 137 | ||
dd) IKB | 139 | ||
ee) LBBW | 141 | ||
ff) HSH Nordbank | 143 | ||
f) Zwischenergebnis zum Verstoß gegen den öffentlichen Zweck | 144 | ||
g) Entscheidungen auf Grundlage ausreichender Informatione | 144 | ||
aa) Die Sorgfaltspflicht | 145 | ||
(1) Der Fall Rudolf Münema | 146 | ||
(2) Zinsen und Risike | 148 | ||
(3) Die mediale Bekanntheit der Risike | 148 | ||
(4) Zwischenergebnis | 149 | ||
bb) Vertrauen auf Informationen Dritte | 150 | ||
cc) Die Rolle der Ratingagenture | 151 | ||
dd) Zwischenergebnis | 154 | ||
h) Existenzgefährdung als Pflichtverletzung | 154 | ||
aa) Maßstab | 155 | ||
bb) Einzelfallbetrachtung | 157 | ||
cc) Zwischenergebnis | 160 | ||
i) Risikomanagement | 161 | ||
aa) Risikoerkennung | 162 | ||
bb) Risikobewertung | 163 | ||
cc) Risikosteuerung | 164 | ||
dd) Risikokontrolle | 165 | ||
ee) Basel II, § 25a KWG a.F. und BaFin Rundschreiben 18/2005 (MaRisk) | 166 | ||
j) Klumpenrisike | 168 | ||
aa) Portfoliotheorie | 168 | ||
bb) Gesetzgeberische Wertunge | 171 | ||
cc) Stellungnahme | 172 | ||
dd) Einzelfallbetrachtung | 174 | ||
k) Bonizahlunge | 175 | ||
aa) Die Rolle von Bonizahlungen für die Wirtschafts- und Finanzkrise | 175 | ||
bb) Die Bedeutung der Mannesmannentscheidung im Kontext von Bonizahlunge | 177 | ||
cc) Zwischenergebnis | 180 | ||
l) Ermessens- und Beurteilungsspielraum | 180 | ||
aa) Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung | 181 | ||
bb) Betrachtung der einzelnen Pflichte | 181 | ||
m) Überwachungspflichten von Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmitglieder | 183 | ||
aa) Die Pflichten der Aufsichts- und Verwaltungsratsmitgliede | 183 | ||
bb) Pflichtenverstoß | 185 | ||
n) Zwischenergebnis | 187 | ||
aa) Das Verhalten der Vorstandsmitgliede | 188 | ||
(1) Zu g): Entscheidungen auf Grundlage ausreichender Informatione | 188 | ||
(2) Zu h): Existenzgefährdung als Pflichtverletzung | 189 | ||
(3) Zu i): Risikomanagement | 189 | ||
(4) Zu j): Klumpenrisike | 190 | ||
bb) Das Verhalten von Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmitglieder | 190 | ||
(1) Zu k): Bonizahlunge | 190 | ||
(2) Zu m): Überwachungspflichten von Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmitglieder | 190 | ||
o) Die business judgment rule | 191 | ||
aa) Unternehmerische Entscheidung | 192 | ||
bb) Handeln zum Wohle der Gesellschaft | 193 | ||
cc) Keine Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse | 194 | ||
dd) Handeln auf Grundlage angemessener Informatione | 194 | ||
ee) Handeln in gutem Glaube | 195 | ||
ff) Ergebnis zur business judgment rule | 195 | ||
p) Evidenz | 196 | ||
q) Gravierende Pflichtverletzung | 197 | ||
aa) Fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand | 197 | ||
bb) Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage | 198 | ||
cc) Fehlende innerbetriebliche Transparenz | 199 | ||
dd) Vorliegen sachwidriger Motive | 199 | ||
ee) Abwägung zur Schwere der Pflichtverletzung | 199 | ||
(1) Das Verhalten der Vorstandsmitgliede | 200 | ||
(2) Das Verhalten von Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmitglieder | 206 | ||
ff) Ergebnis zur gravierenden Pflichtverletzung | 207 | ||
r) Ergebnis zum pflichtwidrigen Verhalte | 208 | ||
3. Vermögensnachteil | 208 | ||
a) Gefährdungsschade | 208 | ||
b) Das Bilanzrecht zur Quantifizierung eines Vermögensnachteils | 210 | ||
c) Die Bedeutung der Normativität für die Einzelfälle | 212 | ||
d) Ergebnis | 214 | ||
4. Kausalität und objektive Zurechnung | 215 | ||
5. Vorsatz | 216 | ||
6. Ergebnis | 217 | ||
III. Bewertung der Ausführungen von Kasiske, Schünemann und Bermel anhand der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung | 218 | ||
1. Die Bewertung der einzelnen Ausführunge | 218 | ||
2. Zur Erfassung der Krisensachverhalte durch § 266 StGB und den Problembereichen im Rahmen der Untersuchung der Krisensachverhalte | 221 | ||
IV. Ist ein „Mehr“ von Strafrecht notwendig? | 222 | ||
1. Die Forderung nach mehr Strafrecht | 222 | ||
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Argumentationsmuste | 224 | ||
a) Die Gefahren einer Expansion des Strafrechts | 227 | ||
aa) Die Forderung nach mehr Strafrecht unter dem Blickwinkel einer rechtsgutstheoretischen Betrachtung – ein Problemaufriss | 227 | ||
(1) Risikogesellschaft | 230 | ||
(2) Zum funktionalen Strafrecht, Gefährdungsdelikten und Überlegungen zur Beschränkung strafrechtlicher Expansio | 231 | ||
bb) Das Verhältnis von Individualrechtsgütern und kollektiven Rechtsgütern zueinande | 235 | ||
cc) Der rechtstheoretische Hintergrund einer Notwendigkeit der Begrenzung funktionalen Strafrechts: Der Vorrang der Person? | 236 | ||
dd) Zwischenergebnis | 240 | ||
b) Die Bedeutung der Strafzwecke | 241 | ||
aa) Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts | 242 | ||
bb) Zur Bedeutung der Strafzwecke und der Bestimmtheit von Norme | 243 | ||
cc) Zwischenergebnis | 245 | ||
c) Das Beispiel: Die Strafnormen des KWG und VAG | 246 | ||
aa) Überblick zu den Strafnormen des KWG und VAG | 246 | ||
bb) Zur verfassungsrechtlichen Kritik im Einzelne | 247 | ||
cc) Das Verhältnis von § 54a KWG und § 266 StGB zueinande | 250 | ||
3. Stellungnahme: Ist ein „Mehr“ von Strafrecht als Reaktion auf die Krise erforderlich? | 251 | ||
B. Zur Illusion der Notwendigkeit eines „Mehr“ an Strafrecht | 253 | ||
4. Teil: Resümee | 255 | ||
Literaturverzeichnis | 262 | ||
Stichwortverzeichnis | 297 |