Freiheit von Furcht

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Freiheit von Furcht
Zur grundrechtsdogmatischen Bedeutung von Einschüchterungseffekten
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1348
(2017)
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Johanna Zanger studierte von 2006 bis 2011 Rechtswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit dem Schwerpunkt Staat und Verwaltung (Verfassungsrecht). Anschließend war sie dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht und Politik bei Prof. Dr. Bodo Pieroth und später bei Prof. Dr. Fabian Wittreck tätig. Von 2015 bis 2017 war sie Rechtsreferendarin beim Oberlandesgericht Köln, mit Stationen u.a. in der Kulturabteilung des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW und bei den Bühnen der Stadt Köln. 2016 wurde sie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster promoviert.Abstract
»Freedom from Fear«Fear can seriously affect the exercise of individual rights. This work deals with the concept of »freedom from fear« in constitutional law. It explores the historical and theoretical background of freedom from fear as well as case-law of the Federal Constitutional Court on chilling effects. The term describes a deterring or discouraging effect on the legitimate exercise of natural or legal rights. The work analyses the significance of chilling effects from the perspective of fundamental rights.Furcht und Einschüchterung können die unbefangene Freiheitsausübung auf empfindliche Weise treffen. Ursprünglich von Franklin D. Roosevelt geprägt, hat das Konzept »Freiheit von Furcht« Eingang in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gefunden. Das Bundesverfassungsgericht verwendet die Figur der »Einschüchterungseffekte«, um nachteilige Wirkungen von Furcht auf die Grundrechtsausübung zu beschreiben.Die vorliegende Arbeit untersucht historische Ursprünge und staatstheoretisches Fundament einer Freiheit von Furcht und analysiert davon ausgehend die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Im Fokus steht die Frage, welche Bedeutung die Figur der Einschüchterungseffekte im deutschen Verfassungsrecht hat. Die Untersuchung orientiert sich dabei an der gängigen Grundrechtsdogmatik. Ziel ist es, einschüchternde Wirkungen auf den Grundrechtsgebrauch zu systematisieren und dogmatisch handhabbar zu machen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Einleitung | 17 | ||
I. „Freisein von Furcht“ | 17 | ||
II. Themeneingrenzung und -abgrenzung | 18 | ||
III. Stand der rechtswissenschaftlichen Forschung | 20 | ||
IV. Gang der Untersuchung | 21 | ||
Teil 1: (Rechts-)historische Ursprünge und staatstheoretisches Fundament | 23 | ||
A. (Rechts-)historische Ursprünge | 23 | ||
I. Franklin D. Roosevelt: „Four Freedoms Speech“ und Atlantik-Charta | 23 | ||
II. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte | 27 | ||
III. „Freedom from fear“ | 30 | ||
1. Furcht vor Krieg und dessen Folgen | 30 | ||
2. Weitergehendes Verständnis | 32 | ||
IV. Rechtliche Bedeutung | 34 | ||
V. Freiheit von Furcht als „vergessene Freiheit“ | 37 | ||
VI. Zwischenergebnis | 38 | ||
B. Staatstheoretisches und ideengeschichtliches Fundament | 39 | ||
I. Thomas Hobbes: Furcht als „Ausgangspunkt“ des Staates | 39 | ||
1. Der Mensch im Naturzustand | 40 | ||
2. Furcht als Ursprung des Staates | 41 | ||
3. Furcht vor dem übermächtigen Leviathan? | 42 | ||
II. John Locke: Furcht als Grund für Staatsmachtbegrenzung | 43 | ||
1. Vom Naturzustand als Zustand „voll von Furcht“ zum Eintritt in den Staat | 43 | ||
2. Der Staat als Bedrohung: Freiheit vom Staat | 45 | ||
III. Montesquieu: Freiheit von Furcht im Sinne „geistiger Beruhigung“ | 47 | ||
1. Bedingtheit von Recht als zentrale These | 47 | ||
2. Subjektivität von Sicherheit | 48 | ||
IV. Zwischenergebnis | 50 | ||
C. Aussagekraft und Anschlussfähigkeit | 51 | ||
Teil 2: Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 53 | ||
A. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 53 | ||
I. Terminologie und Definition | 54 | ||
1. Uneinheitliche Terminologie | 54 | ||
2. Einschüchterungseffekte als nachteilige Wirkungen auf die Freiheitsausübung | 55 | ||
3. Einschüchterungseffekte als gesamtgesellschaftliche Auswirkungen | 56 | ||
II. Staatliche Maßnahmen als Auslöser für Einschüchterungseffekte | 57 | ||
1. Staatliche Sanktionen | 57 | ||
a) Unsicherheit über drohende Nachteile | 58 | ||
b) Straf- und zivilrechtliche Sanktionen | 58 | ||
c) Zivilrechtliche Unterlassungsansprüche | 61 | ||
d) Verwaltungsrechtliche Sanktionen | 61 | ||
2. Staatliche Überwachung und Informationstätigkeit | 61 | ||
a) „Unsicherheit, wer wann was und bei welcher Gelegenheit weiß“ | 62 | ||
b) Überwachung von Kommunikation | 64 | ||
c) Massenhafte und heimliche Überwachung | 65 | ||
3. Sonstige Maßnahmen | 66 | ||
III. Bedeutung für die Grundrechtsprüfung | 66 | ||
1. Einschüchterungseffekte und Gewährleistungsgehalt einzelner Grundrechte | 66 | ||
a) Herleitung und Begründung eines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung | 68 | ||
b) Spezielle Gewährleistungen von Privatheit | 69 | ||
c) Kommunikationsgrundrechte, einschließlich Versammlungsfreiheit | 71 | ||
d) Allgemeine Wahrnehmung von Grundrechten | 71 | ||
e) Zwischenergebnis | 72 | ||
2. Einschüchterungseffekte und Eingriff: Freiheitsverkürzende Wirkung | 73 | ||
3. Einschüchterungseffekte und verfassungsrechtliche Rechtfertigung, insbesondere Verhältnismäßigkeitsgrundsatz | 74 | ||
a) Einschüchterungseffekte als Aspekt zur Bestimmung der Eingriffsintensität | 75 | ||
b) Betonung gesamtgesellschaftlicher Auswirkungen | 75 | ||
c) Zwischenergebnis | 76 | ||
4. Einschüchterungseffekte und Prüfungsmaßstab bei Urteilsverfassungsbeschwerden | 77 | ||
5. Zwischenergebnis | 78 | ||
B. Kritik der Rechtsprechung | 78 | ||
I. Begriffliche und dogmatische Unklarheiten | 79 | ||
1. Einschüchterungseffekte als „verfassungsrechtlicher Joker“? | 79 | ||
2. Willkürliche Thematisierung | 79 | ||
3. Abweichende Beurteilung in Sondervoten | 81 | ||
II. Wertungswidersprüche | 83 | ||
1. Sog. Nichttrefferfälle | 83 | ||
2. Videoüberwachungsmaßnahmen, insbesondere Kameraattrappen | 84 | ||
3. Heimliche Maßnahmen | 85 | ||
4. Zwischenergebnis | 86 | ||
C. Zwischenfazit: Argumentationsfigur ohne ausgearbeitete Dogmatik | 87 | ||
Teil 3: Freiheit von Furcht im Grundgesetz | 89 | ||
A. Einschüchterungseffekte – eine erneute Annäherung | 89 | ||
I. Zentrale Begriffe | 89 | ||
1. Angst und Furcht | 90 | ||
2. Freiheit von Furcht und Sicherheit | 90 | ||
3. Einschüchterungseffekte | 91 | ||
4. „Chilling Effects“ | 92 | ||
5. Weitergehende Differenzierungen | 93 | ||
a) Positive und negative Einschüchterung | 93 | ||
b) Auswirkungen auf den Grundrechtsträger und die Gesellschaft | 93 | ||
c) Konkrete und allgemeine Einschüchterungseffekte | 94 | ||
II. Wirkungsweise von Einschüchterungseffekten: tatsächliche, psychologische und sozialwissenschaftliche Bedingungen | 94 | ||
1. Verhaltensänderungen durch psychischen Druck | 94 | ||
2. Erkenntnisse der Psychologie und sozialwissenschaftliche Erhebungen | 97 | ||
III. Zwischenergebnis | 100 | ||
B. Grundrechtsrelevanz von Freiheit von Furcht | 100 | ||
I. Der Wert von Freiheit von Furcht | 101 | ||
1. Individuelle Persönlichkeitsentfaltung und Privatheit | 102 | ||
2. Kommunikation | 105 | ||
3. Freiheitliche Demokratie | 106 | ||
a) Die Schutzbedürftigkeit von Minderheitsmeinungen | 107 | ||
b) Die Bedeutung sog. Meinungsführer | 108 | ||
4. Zwischenergebnis | 108 | ||
II. Ansätze zu einem eigenständigen Grundrecht auf Freiheit von Furcht | 109 | ||
1. Herleitung aus der Menschenwürde oder dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht | 109 | ||
a) Furcht vor unbeherrschbaren technischen Gefahren | 110 | ||
b) Menschenwürde als Elementarschutz | 111 | ||
2. Herleitung aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit | 112 | ||
3. Herleitung aus dem Recht auf Freiheit der Person | 113 | ||
4. Herleitung aus der Gewissensfreiheit | 115 | ||
5. Herleitung aus sonstigem Verfassungsrecht | 116 | ||
6. Zwischenergebnis | 117 | ||
III. Die Gewährleistung von Freiheit von Furcht durch bestehende Grundrechte | 117 | ||
1. Zuordnungen zur subjektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension | 118 | ||
a) Genereller Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht | 119 | ||
aa) Erweiterung des grundrechtlichen Schutzes? | 119 | ||
bb) Kein losgelöster Schutz vor Einschüchterungseffekten | 121 | ||
cc) Schutz vor Einschüchterungseffekten als Zweck des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung | 123 | ||
b) Schutz durch einzelne Freiheitsrechte | 125 | ||
aa) Schutz der Entschließungsfreiheit durch einzelne Freiheitsrechte | 125 | ||
bb) Dogmatische Stringenz | 128 | ||
2. Zuordnungen zur objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension | 129 | ||
3. Zwischenergebnis | 133 | ||
IV. Fundamentale Kritik an der Grundrechtsrelevanz von Einschüchterungseffekten | 134 | ||
1. Subjektivität von Furcht | 134 | ||
a) Irrationale Furcht, Hypersensibilität, Paranoia | 135 | ||
b) Begründete, nachvollziehbare Furcht; „objektiviertes“ Verständnis von Einschüchterungseffekten | 135 | ||
2. Mangelnde Empirie | 137 | ||
3. Mangelnde Schutzbedürftigkeit | 137 | ||
a) Abschreckung von verbotenem Verhalten | 138 | ||
b) Im Rechtsstaat besteht kein Grund zur Sorge | 138 | ||
c) Freiwillige Selbstentblößung | 140 | ||
4. Eigenständiger Bedeutungsgehalt neben dem Bestimmtheitsgebot | 141 | ||
V. Zwischenergebnis | 142 | ||
C. Grundrechtseingriffe durch Einschüchterungseffekte, sog. Einschüchterungseingriffe | 143 | ||
I. Der Grundrechtseingriff | 145 | ||
1. Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte | 145 | ||
2. Klassischer Eingriffsbegriff | 146 | ||
3. Moderner oder erweiterter Eingriffsbegriff | 146 | ||
II. Grundrechtsbeeinträchtigung durch Einschüchterungseffekte | 148 | ||
1. „Subjektiver Eingriffsbegriff“? | 148 | ||
2. Einschüchterungseffekte als Fall des modernen Eingriffsbegriffs | 149 | ||
a) Nachteilige Wirkung auf ein grundrechtliches Schutzgut | 150 | ||
b) Einschüchterungseffekte als Fall mittelbarer Selbstbeeinträchtigung | 152 | ||
c) Betroffensein in individueller Grundrechtsposition | 154 | ||
3. Zurechenbarkeit von Beeinträchtigungen durch Einschüchterung | 155 | ||
a) Kausalität staatlichen Handelns | 156 | ||
b) Zurechnungskriterien | 157 | ||
aa) Finale Verhaltensbeeinflussung | 158 | ||
bb) Objektive Vorhersehbarkeit | 159 | ||
cc) Nicht-finale Verhaltensbeeinflussung | 160 | ||
c) Zurechnungsunterbrechung bei freiwilliger Selbstbeeinträchtigung | 162 | ||
aa) Freie Willensentscheidung des Grundrechtsträgers | 162 | ||
bb) Abgrenzungen im Einzelfall | 164 | ||
4. Erheblichkeitsschwelle | 168 | ||
III. Zwischenergebnis | 169 | ||
1. Leistungsfähigkeit der modernen Eingriffsdogmatik | 169 | ||
2. Begrenzter Anwendungsbereich | 170 | ||
D. Einschüchterungseffekte als Faktor der Eingriffsintensität | 171 | ||
I. Eingriffsintensität und Grundrechtsschutz | 172 | ||
1. Anforderungen an die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen, insbes. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit | 172 | ||
2. Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts bei Urteilsverfassungsbeschwerden | 174 | ||
II. „Eingriffsintensivierender Einschüchterungseffekt“: Einschüchterungseffekte als Kriterium der Eingriffsintensität | 175 | ||
1. Überblick über Rechtsprechung und Literatur | 175 | ||
2. Kritik und Stellungnahme | 177 | ||
III. Zwischenergebnis | 180 | ||
E. Zusammenfassung: Freiheit von Furcht im Grundgesetz | 181 | ||
Teil 4: Fazit, Konsequenzen und Zusammenfassung in Thesen | 183 | ||
A. Fazit und Konsequenzen | 183 | ||
I. Freiheit von Furcht als wesentliches Element der Freiheit | 183 | ||
II. Konsequenzen für staatliches Handeln | 183 | ||
B. Zusammenfassung in Thesen | 185 | ||
Literaturverzeichnis | 189 | ||
Sachwortverzeichnis | 203 |