Das Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 266a Abs. 2 StGB
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Das Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 266a Abs. 2 StGB
Eine Untersuchung zu den Anwendungsproblemen aufgrund der strukturellen Anlehnung an § 370 Abs. 1 AO und der Übernahme des »Vorenthaltens« von Beiträgen aus § 266a Abs. 1 StGB
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 275
(2017)
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Marcus Loose ist Staatsanwalt in Dresden und derzeit an das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung abgeordnet. Er studierte Rechtswissenschaft an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit dem Schwerpunkt Strafrecht/Strafverteidigung. Nach seinem Ersten Staatsexamen arbeitete Marcus Loose promotionsbegleitend als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht von Professor Dr. Volker Erb, Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Dissertation wurde mit dem Preis der »Alfred Teves-Stiftung« ausgezeichnet. Die Publikation wurde gefördert durch die inneruniversitäre Forschungsförderung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Das Rechtsreferendariat absolvierte er am Landgericht Mainz im OLG-Bezirk Koblenz.Abstract
Obwohl von Arbeitgebern regelmäßig zugleich die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung vorenthalten werden, existiert kein einheitlicher Straftatbestand für beide Beitragsteile. Während das Vorenthalten der Arbeitnehmeranteile in § 266a Abs. 1 StGB geregelt ist, wird das Vorenthalten der Arbeitgeberanteile von dem im Jahr 2004 neu eingeführten § 266a Abs. 2 StGB erfasst. Die Tatbestandsstruktur des Absatzes 2 wirft eine Reihe dogmatischer Fragen auf, da sie einerseits an die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO angelehnt ist, andererseits aber das Tatbestandsmerkmal des »Vorenthaltens« von Beiträgen aus § 266a Abs. 1 StGB übernommen wurde. Die daraus resultierenden Anwendungsprobleme wurden im Rahmen der Untersuchung aufgearbeitet und konnten im Wege der Auslegung weitgehend gelöst werden. Allein im Bereich der beitragsstrafrechtlichen Selbstanzeige ist eine Reform zwingend erforderlich, für die ein eigener Regelungsvorschlag unterbreitet wurde.Die Arbeit wurde mit dem Dissertationspreis der »Alfred Teves-Stiftung« ausgezeichnet.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
Einleitung und Gang der Untersuchung | 21 | ||
1. Teil: Entstehungsgeschichte und gesetzgeberische Beweggründe für die konkrete Ausgestaltung des § 266a Abs. 2 StGB | 25 | ||
A. Kein gesonderter Straftatbestand zum Schutz der Arbeitgeberbeiträge bis zum 1. August 2004 | 25 | ||
B. Lückenhafter Schutz der Arbeitgeberbeiträge über den Beitragsbetrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB | 27 | ||
C. Neufassung des § 266a Abs. 2 StGB | 30 | ||
I. Kein vollständiger Schutz der Arbeitgeberbeiträge über § 266a Abs. 2 StGB | 31 | ||
1. Strukturelle Anlehnung an § 370 Abs. 1 AO aufgrund notwendiger qualifizierender Unrechtselemente – keine Strafbewehrung des schlichten Nichtzahlens der Arbeitgeberbeiträge | 31 | ||
a) Strafbarkeit der Nichtzahlung einer den eigenen Vermögensbereich betreffenden Schuld? | 33 | ||
aa) Andere Tatbestände des Strafgesetzbuches | 34 | ||
bb) Nichtzahlung von Steuern | 36 | ||
cc) Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung | 38 | ||
b) Fazit | 40 | ||
2. Nichteinbeziehung von geringfügigen Beschäftigungen im Privathaushalt – „Putzfrauenklausel“ | 41 | ||
a) Nicht angemeldete Haushaltshilfen als Massenphänomen | 43 | ||
b) Regelungstechnik | 44 | ||
c) Inhaltliche Bewertung | 45 | ||
aa) Sozialversicherungsrechtliche Detailfragen | 47 | ||
bb) Wiederaufleben der Betrugsstrafbarkeit | 48 | ||
d) Fazit | 51 | ||
e) Bedeutungsverlust durch Änderung des Rentenversicherungsrechts | 51 | ||
3. Ergebnis | 54 | ||
II. Umfassenderer Schutz der Arbeitgeberbeiträge über § 266a Abs. 2 StGB | 54 | ||
1. Schließung bestehender Schutzlücken durch § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB | 55 | ||
2. Senkung des Schutzniveaus dagegen an anderer Stelle? | 55 | ||
a) Keine Versuchsstrafbarkeit | 56 | ||
b) Kein besonders schwerer Fall bei gewerbsmäßigem Handeln | 58 | ||
aa) Bewertung | 58 | ||
bb) § 266a Abs. 2 StGB als das mildeste Gesetz gemäß § 2 Abs. 3 StGB | 59 | ||
3. Ergebnis | 61 | ||
D. Zusammenfassung der Ergebnisse | 62 | ||
E. Reformvorschlag für eine alternative strukturelle Ausgestaltung des § 266a StGB | 63 | ||
2. Teil: Überblick über den Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB | 66 | ||
A. Praktische Bedeutung | 66 | ||
B. Schutzgut | 70 | ||
I. Sozialversicherungsaufkommen | 71 | ||
II. Vermögen des einzelnen Arbeitnehmers | 73 | ||
III. Wettbewerbsordnung und Geschäftspartner des Arbeitgebers | 76 | ||
IV. Ergebnis | 77 | ||
C. Deliktscharakter | 77 | ||
I. Erfolgsdelikte oder schlichte (Un-)Tätigkeitsdelikte | 77 | ||
1. Aktuelles Meinungsbild in Literatur und Rechtsprechung | 78 | ||
2. Eigener Standpunkt | 82 | ||
II. Begehungs- oder Unterlassungsdelikte | 84 | ||
III. Ergebnis | 86 | ||
D. Tatbestandsvoraussetzungen (Überblick) | 86 | ||
I. Täterkreis – insbesondere Arbeitgeber | 86 | ||
II. Tathandlungen: Meldepflichtverletzungen | 88 | ||
1. Exkurs: Beitragsnachweis gemäß § 28f Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB IV | 89 | ||
2. Unrichtige oder unvollständige Angaben – § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB | 90 | ||
a) Weder Irrtum noch Unkenntnis der zuständigen Stelle erforderlich | 92 | ||
b) Notwendigkeit von rechtlichen Bewertungen und Subsumtionen – Umgang mit von der herrschenden Rechtspraxis abweichenden Bewertungen | 95 | ||
3. Pflichtwidriges In-Unkenntnis-Lassen – § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB | 100 | ||
4. Verhältnis der verschiedenen Tathandlungen | 103 | ||
III. Taterfolg: Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen | 103 | ||
1. Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung | 103 | ||
a) Geringfügige Beschäftigungen | 105 | ||
b) Umlagen – insbesondere Beiträge zur Unfallversicherung | 107 | ||
2. Fälligkeit der Arbeitgeberbeiträge | 108 | ||
IV. Zusammenhang zwischen den Meldepflichtverletzungen und dem Vorenthalten der Arbeitgeberbeiträge („dadurch“) | 109 | ||
V. Subjektiver Tatbestand | 109 | ||
E. Zusammenfassung der Ergebnisse | 113 | ||
3. Teil: Spezifische Anwendungsprobleme des § 266a Abs. 2 StGB | 114 | ||
A. Auslegung des „Vorenthaltens“ von Beiträgen | 114 | ||
I. Herrschende Auslegung bei § 266a Abs. 1 StGB | 114 | ||
II. Übertragbarkeit auf § 266a Abs. 2 StGB? | 115 | ||
1. Aktuelles Meinungsbild in Literatur und Rechtsprechung | 116 | ||
2. Eigener Standpunkt | 117 | ||
III. Konkrete Bestimmung des Vorenthaltungserfolges | 118 | ||
1. Verkürzung fälliger Beitragsansprüche | 119 | ||
2. Erweiternde Auslegung entsprechend § 370 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 AO? | 119 | ||
IV. Gespaltene Auslegung des „Vorenthaltens“ von Beiträgen in § 266a StGB? | 121 | ||
V. Ergebnis | 125 | ||
B. Tatbestandlicher Zusammenhang („dadurch“) | 126 | ||
I. Aktueller Stand der Diskussion | 126 | ||
1. Funktionaler Zusammenhang | 127 | ||
2. Kausalzusammenhang | 128 | ||
a) „Äquivalenztheorie“ | 128 | ||
b) „Verfügungsadäquates Verhalten“ der Einzugsstelle (betrugsähnliche Auslegung) | 129 | ||
c) Zeitpunkt der „hypothetischen Vollstreckung“ | 130 | ||
3. Differenzierender Ansatz | 131 | ||
II. Eigener Standpunkt | 132 | ||
1. Erfordernis eines Kausalzusammenhangs | 132 | ||
2. Nachweis des Kausalzusammenhangs | 135 | ||
a) Kein „verfügungsadäquates Verhalten“ der Einzugsstelle erforderlich | 136 | ||
b) Kein Rückgriff auf den Zeitpunkt der „hypothetischen Vollstreckung“ | 137 | ||
c) Fazit | 139 | ||
3. Beweis- bzw. Rechtsanwendungsprobleme? | 139 | ||
III. Ergebnis | 141 | ||
C. Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Beitragsentrichtung | 142 | ||
I. Fallgruppen der unmöglichen und unzumutbaren Beitragsentrichtung | 143 | ||
II. Auswirkungen auf eine Strafbarkeit gemäß § 266a Abs. 1 StGB | 144 | ||
III. Auswirkungen auf eine Strafbarkeit gemäß § 266a Abs. 2 StGB | 146 | ||
1. Aktueller Stand der Diskussion | 146 | ||
a) Vollständige Übertragung der bei § 266a Abs. 1 StGB geltenden Grundsätze | 146 | ||
b) Teilweise Übertragung der bei § 266a Abs. 1 StGB geltenden Grundsätze | 147 | ||
c) Tatbestandsausschluss aufgrund des fehlenden kausalen bzw. funktionalen Zusammenhangs („dadurch“) | 147 | ||
d) Regelmäßig keine tatbestandsausschließende Wirkung | 148 | ||
2. Eigener Standpunkt | 149 | ||
a) Fehlender Kausalzusammenhang? | 150 | ||
b) Kein Rückgriff auf „omissio libera in causa“ bzw. „omissio libera in omittendo“ möglich | 154 | ||
c) Relativierung der praktischen Auswirkungen dieses Ansatzes | 155 | ||
IV. Illegale Beschäftigungsverhältnisse | 157 | ||
1. Rechtsprechung des BGH zu illegalen Beschäftigungsverhältnissen | 157 | ||
a) Einordnung dieser Rechtsprechung | 158 | ||
b) Kritik | 160 | ||
2. Einheitliche Anwendung der beiden Absätze des § 266a StGB bei Charakterisierung des Absatzes 1 als Erfolgsdelikt? | 162 | ||
V. Ergebnis | 164 | ||
D. Verjährung | 165 | ||
I. Anknüpfung der Tatbeendigung an das Erlöschen der Beitragspflicht | 166 | ||
1. Erschütterung des Verjährungssystems | 169 | ||
a) Vergleich mit der Lohnsteuerhinterziehung gemäß § 370 AO | 171 | ||
b) Sinn und Zweck der Verjährung | 174 | ||
2. Ungleichbehandlungen | 175 | ||
a) Schlechterstellung von Einzelunternehmern | 176 | ||
b) Teilweise Besserstellung der Täterschaft gegenüber der Teilnahme | 178 | ||
3. Fazit | 180 | ||
II. Spezifische Ungereimtheiten der aktuellen Rechtsprechung zu § 266a Abs. 2 StGB | 181 | ||
1. Heterogene Verjährungslage innerhalb des § 266a Abs. 2 StGB | 181 | ||
2. Die § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB zugrunde liegende Handlungspflicht | 182 | ||
III. Verjährungsbeginn im Fälligkeitszeitpunkt | 183 | ||
1. Vorzüge eines solchen Verjährungsbeginns | 183 | ||
2. Begründungsansätze in der Literatur | 185 | ||
3. Eigener Standpunkt | 186 | ||
4. Einheitliche Lösung für § 266a StGB? | 188 | ||
IV. Ergebnis | 189 | ||
E. Selbstanzeige gemäß § 266a Abs. 6 StGB | 190 | ||
I. Überblick über die Regelung § 266a Abs. 6 StGB | 190 | ||
1. Systematische Einordnung und Voraussetzungen | 190 | ||
2. Sinn und Zweck | 191 | ||
3. Praktische Bedeutung | 192 | ||
II. Selbstanzeige bei Taten gemäß § 266a Abs. 2 StGB | 195 | ||
1. Lebensfremder zeitlicher Anwendungsbereich | 196 | ||
2. Teilweises Leerlaufen aufgrund der erforderlichen „nicht möglichen“ fristgemäßen Beitragszahlung | 197 | ||
3. Konflikt mit Regelungszweck des § 266a Abs. 6 StGB | 201 | ||
4. Ergebnis | 202 | ||
III. Versuche einer erweiternden Auslegung des § 266a Abs. 6 StGB in Fällen des Absatzes 2 | 203 | ||
1. Zeitliche Öffnung der Regelung in Fällen des § 266a Abs. 2 StGB | 203 | ||
2. Zweiwöchige Frist zur Nacherklärung und Verzicht auf Darlegungserfordernis in Fällen des § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB | 207 | ||
3. Ergebnis | 210 | ||
IV. Reformvorschläge zur beitragsstrafrechtlichen Selbstanzeige | 210 | ||
1. Regelung entsprechend § 371 AO ausschließlich für Taten gemäß § 266a Abs. 2 StGB | 210 | ||
2. Regelung entsprechend § 371 AO für Taten gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 StGB | 212 | ||
3. Ergebnis | 215 | ||
V. Eigener Reformvorschlag: Zweigliedrige Neuregelung der beitragsstrafrechtlichen Selbstanzeige | 215 | ||
1. Konkrete Ausgestaltung | 215 | ||
2. Begründung | 217 | ||
a) Verfolgter Sinn und Zweck | 218 | ||
aa) Straffreiheit in betrugsähnlich gelagerten Fällen (Beitragshinterziehungen) | 218 | ||
bb) Straffreiheit in Fällen des schlichten Nichtzahlens | 220 | ||
b) Vergleichbare Regelung im österreichischen Strafgesetzbuch | 223 | ||
aa) Tätige Reue bzw. Selbstanzeige in Österreich | 223 | ||
bb) Schlüsse aus der österreichischen Regelung | 226 | ||
c) Zusammentreffen von Beitrags- und Lohnsteuerhinterziehung bei illegaler Beschäftigung | 227 | ||
aa) Aktuelle Problematik | 227 | ||
bb) Erzielter Gleichlauf durch vorgeschlagene Neuregelung | 228 | ||
VI. Ergebnis | 229 | ||
F. Zusammenfassung der Ergebnisse | 230 | ||
4. Teil: Gesamtergebnis und Schlussbetrachtung | 234 | ||
Anhang: Gesetzestexte des österreichischen Strafgesetzbuches | 239 | ||
Literaturverzeichnis | 242 | ||
Sachverzeichnis | 258 |