Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung
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Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung
Schriften zum Europäischen Recht, Vol. 177
(2017)
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Nicolas Sölter studierte Rechtwissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Universität Hamburg. 2016 wurde er mit seiner von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderten Arbeit »Rechtsgrundlagen Europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung«, für die er auch einen Forschungsaufenthalt in Oxford absolvierte, an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg promoviert. Im Anschluss an das Referendariat in Hamburg mit Station im Bundeskanzleramt absolvierte er ein LL.M.-Studium an der Universität von Cambridge. Seit 2018 ist er als Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt öffentliches Wirtschaftsrecht im Hamburger Büro einer internationalen Wirtschaftskanzlei tätig.Abstract
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gestattet das Primärrecht die Schaffung von Agenturen mit umfangreichen Eingriffsbefugnissen. Die vorliegende Studie zeigt die vertragsimmanenten systematischen Widersprüche dieser Offenheit auf, insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung der Durchführungsrechtsakte der Kommission. Dabei wird die herrschende Einordnung des Agenturwesens anhand einer funktionalen Betrachtung ebenso hinterfragt wie die Anwendung anerkannter Auslegungstechniken bei der Ermittlung institutionell-rechtlicher Kompetenzen. Durch eine wortlautorientierte Interpretation einschlägiger Rechtsgrundlagen und Verfassungsstrukturprinzipien verlässt die Arbeit in weiten Teilen die ausgetretenen Pfade der seit langem diskutierten Meroni-Rechtsprechung. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse schlägt der Autor eine spezielle, in Anlehnung an die Regelung der Durchführungsrechtsakte unselbständige Rechtsgrundlage für »Agenturisierungen« vor.The openness of European primary law towards agencies with considerable authority contains contradictions. The present study challenges the prevailing view of the agency model and the application of classical methods of interpretation in search for competences of the European Union regarding institutional measures. Based on a textual interpretation of legal bases and structural principles, the author proposes a Treaty reform.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Widmung | 5 | ||
Danksagung | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 17 | ||
Einleitung | 23 | ||
A. Zur Thematik | 23 | ||
B. These und Gang der Untersuchung | 28 | ||
Erster Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund | 30 | ||
A. Agenturbegriff | 30 | ||
B. Typologie | 36 | ||
I. Regulierungs- und Exekutivagenturen | 36 | ||
II. Alternative Ansätze | 39 | ||
C. Entwicklung, Gründe und bisherige Rechtsgrundlagenwahl | 41 | ||
I. Das Aufkommen europäischer Agenturen | 41 | ||
II. Umstrittene Zweckmäßigkeit | 44 | ||
III. Der Wandel in der Wahl der Rechtsgrundlage | 46 | ||
D. Funktionale Betrachtung | 47 | ||
I. Errichtung und Befugniszuweisung | 47 | ||
II. Begriffsabgrenzung: Delegation/Übertragung – Attribution/Zuweisung | 50 | ||
III. Überblick über die Befugnisse von Agenturen | 54 | ||
1. Übergeordnete Begriffe | 54 | ||
2. Handlungsformen | 56 | ||
3. Die Funktionen im Einzelnen | 59 | ||
a) Informatorische, unterstützende und koordinierende sowie de facto rechtsetzende Tätigkeiten | 59 | ||
b) Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs | 63 | ||
c) Rechtsverbindliche Entscheidungen | 65 | ||
aa) Gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden | 65 | ||
bb) Gegenüber Privatsubjekten | 66 | ||
d) Exekutive Rechtsetzung | 69 | ||
e) Quasi-judizielle Handlungen | 70 | ||
4. Konsequenzen für den Gang der Untersuchung | 71 | ||
IV. Die Meroni-Rechtsprechung | 72 | ||
1. Sachverhalt | 72 | ||
2. Die „Doktrin“ des Gerichtshofs | 73 | ||
3. Übertragbarkeit auf Agenturen | 77 | ||
V. Das Romano-Urteil: Erlass von Rechtsakten normativen Charakters durch Agenturen | 81 | ||
E. Einordnung: Institutionengefüge der Europäischen Union/Normenhierarchie | 83 | ||
F. Einordnung: direkter/indirekter Vollzug | 86 | ||
G. Zusammenfassende Thesen | 92 | ||
Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen | 94 | ||
A. Zur primärrechtlichen Begründungsbedürftigkeit der Agenturen | 94 | ||
I. Generelle Zulässigkeit und Verhältnis zur Organverfassung | 95 | ||
1. Institutionelle Betrachtung | 95 | ||
2. Kompetenzielle Betrachtung | 98 | ||
II. Rechtspersönlichkeit und Organisationsautonomie | 99 | ||
1. Stellen ohne eigene Rechtspersönlichkeit | 100 | ||
2. Stellen mit eigener Rechtspersönlichkeit | 102 | ||
III. Gegenstand der Kompetenzabgrenzung und Wahl der richtigen Rechtsgrundlage | 105 | ||
B. Umstrittene Meilensteine: Die Rechtssachen ENISA und Leerverkaufsverordnung | 107 | ||
I. Die Rechtssache ENISA | 107 | ||
1. Sachverhalt | 108 | ||
2. Vorbringen der Beteiligten | 109 | ||
3. Würdigung durch den Gerichtshof | 110 | ||
4. Kritik und Betrachtung der Schlussanträge | 112 | ||
a) Aufgaben ohne Harmonisierungsfunktion | 112 | ||
b) Bezug zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bei präventiver Angleichung | 113 | ||
c) Abgrenzung von Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV) zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz | 113 | ||
d) Erlass rechtsverbindlicher Entscheidungen | 114 | ||
e) Agenturisierung als implied power von Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV) | 115 | ||
II. Die Leerverkaufsentscheidung | 116 | ||
1. ESMA- und LeerverkaufsVO im Kontext des ESFS | 117 | ||
2. Art. 28 LeerverkaufsVO | 119 | ||
3. Zulässigkeit hinsichtlich der Meroni-Rechtsprechung | 119 | ||
4. Art. 290 f. AEUV als Attributionsbeschränkung | 124 | ||
5. Art. 114 AEUV und die rechtsverbindliche Adressierung von Privatsubjekten | 126 | ||
a) Schlussanträge von Generalanwalt Jääskinen | 126 | ||
b) Würdigung durch den Gerichtshof | 128 | ||
III. Zusammenfassung | 129 | ||
C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen | 130 | ||
I. Zur Bedeutung des Effektivitätsprinzips bei der Ermittlung institutionell-rechtlicher Kompetenzen | 131 | ||
II. Abgrenzung und Verbindung von Rechtsgrundlagen | 135 | ||
1. Konstellationen | 136 | ||
2. Schwerpunktermittlung und Verfahrenskombination | 137 | ||
3. Aufspaltung von Befugnisbündeln | 140 | ||
4. Auseinanderfallen von Gründungsrechtsakt und weiteren Befugniszuweisungen | 142 | ||
5. Ergänzende und vorsorgliche Abstützung auf Art. 352 AEUV | 144 | ||
6. Ergebnis | 147 | ||
III. Art. 114 AEUV als geschriebene Kompetenz | 148 | ||
1. Anwendungsbereich | 148 | ||
2. Errichtung und Funktionieren des Binnenmarktes | 150 | ||
a) Allgemeines | 150 | ||
b) Binnenmarktbezug und Entscheidungskompetenzen | 151 | ||
3. „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ | 153 | ||
a) Abgrenzung zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz und Verhältnis zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung | 153 | ||
b) Wahl der Handlungsform | 156 | ||
c) Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung | 157 | ||
d) Keine Beschränkung auf materielle Rechtsakte | 159 | ||
e) Zur Gleichsetzung von sekundärrechtlicher Attribution und potenzieller tertiärer Angleichungsmaßnahme | 160 | ||
f) Angleichungswirkung administrativer Einzelfallmaßnahmen | 166 | ||
g) Vorbeugende Harmonisierungsmaßnahmen | 171 | ||
4. Ergebnis | 174 | ||
IV. Art. 114 AEUV i. V. m. ungeschriebenen Kompetenzen | 175 | ||
1. Ungeschriebene Kompetenzen im Unionsrecht | 176 | ||
2. Implied-Powers-Lehre als Auslegungsmethode | 178 | ||
3. Typologie | 180 | ||
a) Breite und Tiefe der Ausdehnung geschriebener Kompetenzen | 181 | ||
b) Der Begriff des Annexes als logischer Fallstrick | 181 | ||
c) Die Resulting-Powers-Doktrin | 182 | ||
d) Ergebnis | 183 | ||
4. Das Verhältnis ungeschriebener Kompetenzen zu Art. 352 AEUV | 183 | ||
5. Maßstab der Auslegung | 185 | ||
6. Dienende Funktion in Bezug auf instrumentale Begrenzungen | 187 | ||
7. Prüfung der einzelnen Aspekte | 189 | ||
a) Errichtung | 189 | ||
b) Befugniszuweisungen | 191 | ||
aa) Informatorische, unterstützende, koordinierende sowie rechtsetzende Tätigkeiten | 191 | ||
bb) Rechtsverbindliche Entscheidungen und Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs | 193 | ||
8. Ergebnis | 195 | ||
V. Sonstige Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen | 197 | ||
1. Institutionell-rechtliche Maßnahmen als Rechtsfolge | 198 | ||
2. Einzelne Politiken und ausgewählte Rechtsgrundlagen | 202 | ||
a) Verkehrspolitik, Art. 90 ff. AEUV | 203 | ||
b) Wettbewerbspolitik, Art. 103 AEUV | 205 | ||
c) Gesundheitspolitik, Art. 168 AEUV | 206 | ||
d) Umweltpolitik, Art. 192 AEUV | 209 | ||
e) Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Art. 85, 88 AEUV | 209 | ||
3. Ergebnis | 211 | ||
D. Art. 290 f. AEUV als Ermächtigungen zur Schaffung unabhängiger Einrichtungen | 212 | ||
E. Agenturisierung als Vertragsabrundung | 218 | ||
I. Voraussetzungen und Rechtsfolge | 219 | ||
1. Erforderlichkeit eines Tätigwerdens | 219 | ||
2. Rechtsfolge: „geeignete Vorschriften“ | 223 | ||
3. Ergebnis | 225 | ||
II. Institutionelle Neuschöpfung zwischen Vertragsabrundung und Vertragsänderung | 225 | ||
1. Art. 352 AEUV als begrenzte Einzelermächtigung | 225 | ||
2. Abgrenzung gegenüber Art. 48 EUV | 227 | ||
a) Keine Unterschiede zu sonstigen Rechtsgrundlagen | 227 | ||
b) Quantitative Betrachtung | 231 | ||
3. Ergebnis | 232 | ||
III. Demokratische Qualität | 232 | ||
IV. Ergebnis | 235 | ||
F. Zusammenfassung | 235 | ||
Dritter Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien | 237 | ||
A. Subsidiarität | 238 | ||
I. Anwendbarkeit | 240 | ||
II. Normativer Gehalt | 242 | ||
1. Die Formulierung des Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV und der Topos des einheitlichen Vollzugs | 242 | ||
2. Prozedurale Absicherung als Aufgabe von Normativität | 248 | ||
3. Transnationaler Bezug des Regelungsgegenstands | 249 | ||
III. Subsidiarität und Rechtsangleichung | 251 | ||
IV. Agenturen als subsidium | 255 | ||
V. Ergebnis | 257 | ||
B. Verhältnismäßigkeit | 258 | ||
I. Der Maßstab des EuGH | 259 | ||
II. Erforderlichkeit und Angemessenheit – fehlende Operabilität jenseits von Subsidiaritätserwägungen | 260 | ||
III. Abschließende Bewertung | 263 | ||
C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs zwischen Direktive, Sammelbegriff und Bestandsaufnahme | 265 | ||
I. Normative Anhaltspunkte | 266 | ||
1. Art. 291 AEUV | 267 | ||
a) „Durchführung“ als Handlungsform mit begrenztem Trägerkreis | 267 | ||
b) Mehrwert einer analogen Anwendung auf Agenturen | 273 | ||
2. Art. 197 AEUV | 275 | ||
3. Rechtsprechung | 276 | ||
4. Ergebnis | 277 | ||
II. „Trennungsprinzip“ als Beschreibung der kompetenziellen Gesamtschau | 277 | ||
III. Ergebnis | 279 | ||
D. Institutionelles Gleichgewicht | 279 | ||
I. Erlass- und Entwicklungsmonopol der Kommission nach Art. 290 f. AEUV | 281 | ||
1. Art. 290 AEUV | 282 | ||
2. Art. 291 AEUV | 285 | ||
3. Ergebnis | 286 | ||
II. Art. 17 EUV als Zuständigkeitsvermutung zulasten von Agenturen | 287 | ||
III. Spezielle primärrechtliche Vollzugsbefugnisse der Kommission | 289 | ||
IV. Weitere Abgrenzung zu Organen und Gebot der Spezialität | 290 | ||
V. Rückbindung an die Organe | 293 | ||
VI. Ergebnis | 294 | ||
Gesamtbewertung | 296 | ||
A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata in Thesen | 296 | ||
B. Reformvorschlag | 300 | ||
C. Summary of Results | 305 | ||
Anhang | 309 | ||
Literaturverzeichnis | 318 | ||
Sachverzeichnis | 344 |