Eine »Wissenschaft vom Menschen«
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Eine »Wissenschaft vom Menschen«
Max Weber und die Begründung der Sozialökonomik in der deutschsprachigen Ökonomie 1871 bis 1914
Sozialwissenschaftliche Schriften, Vol. 35
(1997)
Additional Information
Book Details
Pricing
Abstract
Die vorliegende Arbeit ist eine Diskursgeschichte der deutschsprachigen Ökonomie in der Zeit von 1871 bis 1914, in der anhand der Entwicklung des Konzepts der Sozialökonomik verschiedene, miteinander konfligierende Grundauffassungen ökonomischen Denkens in diesem Zeitraum dargestellt werden. Der Obertitel, "Eine 'Wissenschaft vom Menschen'", ist ein wörtliches Zitat aus der gedruckten Antrittsvorlesung Max Webers von 1895, mit dem er die Volkswirtschaftslehre seiner Zeit zu charakterisieren suchte. Dieser Titel dient gleichsam als Chiffre für den fundamentalen Wandel des Menschenbildes in der Ökonomie, wie er sich in jenem Zeitraum abzuzeichnen begann.Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Frage, warum eine in Deutschland vormals dominante kulturwissenschaftlich inspirierte Ökonomik, die versuchte, historisches und ökonomisches Denken aufeinander zu beziehen, heute kaum mehr gegenwärtig ist. An Hand der Herausbildung der methodologischen Ansätze von Gustav Schmoller (1838-1917), Carl Menger (1840-1921), Heinrich Dretzel (1858-1935) und Max Weber (1864-1920) wird geklärt, inwieweit sich das Profil der deutschsprachigen Ökonomik als einer selbständigen Disziplin in ihren Methodendiskussionen seit den 1870er Jahren schärfen konnte, welche einschneidenden Zäsuren verzeichnet wurden und in welchen neuen Kontext sich das Fach selbst verortet hat. Diese Autoren markieren als "opinion leaders" jeweils Positionen, die die langsame Emanzipation der Nationalökonomie aus den Staatswissenschaften bis 1914 anzeigen. Hierbei wurde erstmals umfassend der wissenschaftliche Nachlaß Max Webers ausgewertet, der eine eindeutige Verortung Webers in dieser Debatte erlaubt.Das Ergebnis des dargelegten Prozesses ist heute evident: Die kulturwissenschaftlich inspirierte Ökonomik wurde sukzessive von dem Konzept einer Sozialökonomik verdrängt, die sich dann ihrerseits zur Soziologie und zur Wirtschaftswissenschaft verselbständigte. Diesem Vorgang ist einerseits der Wandel des Menschenbildes in der Ökonomie - von einem in der praktischen Philosophie der aristotelischen Tradition verwurzelten zu einem positivistischen - geschuldet. Andererseits zeigt sich die beiläufige wissenschaftsorganisatorische Konsequenz dieser Entwicklung in der teilweisen Ausgliederung der Wirtschaftsgeschichte, die heute an einem häufig unbequemen Ort zwischen den Fakultäten plaziert ist, aus dem Kanon der Wirtschaftswissenschaften.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
I. Einleitung | 13 | ||
1. Das Verhältnis von ökonomischer Theorie und Geschichte in heutiger Sicht | 13 | ||
2. Problemstellung der Arbeit | 18 | ||
3. Forschungsstand | 29 | ||
3.1. Die neuere dogmengeschichtliche Literatur | 29 | ||
3.2. Neuere Forschungen zur Institutionalisierung der Nationalökonomie | 32 | ||
3.2.1. Die Ausbildung | 32 | ||
3.2.2. Die Gründung von Zeitschriften und Handbüchern | 39 | ||
3.3. Nationalökonomie in Deutschland: ein 'Sonderweg'? | 43 | ||
II. Gustav Schmoller: historisch-ethische Nationalökonomie als Sozialwissenschaft | 49 | ||
1. Das wissenschaftliche und politisch-praktische Ziel Schmollers | 55 | ||
2. Die Volkswirtschaftslehre als historisch-ethische Wissenschaft | 62 | ||
2.1. Schmollers holistischer Ansatz einer 'Wissenschaft vom Menschen' | 62 | ||
2.2. Idee und Funktion der Gerechtigkeit | 68 | ||
3. Wissenschaftlicher Fortschritt, Wahrheit und Methode | 80 | ||
3.1. Die Ausdeutung des Ganzen gesellschaftlicher Zusammenhänge | 80 | ||
3.2. Das Verhältnis von wissenschaftlicher Wahrheit und Werturteilen | 84 | ||
3.3. Das Verhältnis von deduktiver und induktiver Methode | 87 | ||
4. Historisch-ethische Nationalökonomie als Sozialwissenschaft | 89 | ||
4.1. Die psychologischen Grundkräfte gesellschaftlicher Bewegung | 91 | ||
4.2. Die Idee von Fortschritt und Entwicklung | 92 | ||
5. Sozialwissenschaft als Kulturwissenschaft | 94 | ||
6. Resümee | 99 | ||
III. Carl Menger: Sozialwissenschaften als Menschheitswissenschaften | 103 | ||
1. Die Relevanz der Grenznutzenschule für die Sozialwissenschaften | 103 | ||
2. Das Ziel sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Forschung | 108 | ||
3. Der Ausgangspunkt: Kritik an der klassischen und historischen Schule | 113 | ||
4. Mengers Systematik sozialwissenschaftlicher Forschung | 118 | ||
4.1. Innere Systematik und äußere Klassifikation der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften | 118 | ||
4.2. Der Zusammenhang von theoretischer, historischer und praktischer Forschung | 121 | ||
5. Die zwei Grundrichtungen der theoretischen Forschung | 125 | ||
5.1. Die realistisch-empirische Richtung theoretischer Forschung | 128 | ||
5.2. Die exakte Richtung theoretischer Forschung | 130 | ||
5.3. Der Zusammenhang zwischen der realistisch-empirischen und der exakten Richtung theoretischer Forschung | 133 | ||
6. Mengers Methodenlehre und die geistigen Strömungen seiner Zeit | 138 | ||
7. Mengers Gesellschaftstheorie | 142 | ||
8. Resümee | 150 | ||
IV. Der Methodenstreit und die Folgen | 153 | ||
1. Probleme der historischen Einordnung | 153 | ||
2. Das Vorspiel: Wagner versus Schmoller | 160 | ||
3. Der Verlauf: Schmoller versus Menger | 166 | ||
4. Die Folgediskussion | 173 | ||
5. Die Ergebnisse | 190 | ||
V. Heinrich Dietzel: Der Weg zur Sozialökonomik | 196 | ||
1. Volkswirtschaftslehre versus Sozialökonomik | 198 | ||
2. Theoretische Sozialökonomik als Wissenschaft | 200 | ||
2.1. Das Modell einer wirtschaftlichen Verkehrsgesellschaft | 202 | ||
2.2. Die Prämisse des wirtschaftlichen Prinzips | 204 | ||
VI. Max Weber: Sozialökonomik zwischen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftssoziologie | 216 | ||
1. Max Weber als Nationalökonom in den 1890er Jahren | 219 | ||
2. Max Webers Rekurs auf die Methodendiskussion vor 1900 | 223 | ||
3. Die Kritiken Max Webers | 226 | ||
3.1. Die Kritik an Wilhelm Roscher und Karl Knies | 226 | ||
3.2. Die Kritik an Gustav Schmoller und Carl Menger | 231 | ||
4. Der Idealtypus und die Lösung des Problems der Begriffsbildung | 235 | ||
5. Funktionen der Sozialökonomik | 252 | ||
5.1. Sozialökonomik als Kulturwissenschaft | 252 | ||
5.2. Sozialökonomik zwischen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftssoziologie | 255 | ||
6. Politische Implikationen einer 'nationalen' Wissenschaft | 271 | ||
6.1. Ökonomischer Nationalismus als volkswirtschaftspolitisches Ideal | 283 | ||
6.2. Volkswirtschaftspolitik als eine 'nationale' Wissenschaft und der 'Sinn' der Werturteilsfreiheit | 288 | ||
6.3. Das Postulat der Wertfreiheit als Ethos empirischer Wissenschaften | 301 | ||
7. Resümee | 303 | ||
VII. Die Sozialökonomik als entzauberte Wissenschaft vom Menschen | 310 | ||
Quellen- und Literaturverzeichnis | 322 | ||
Personenregister | 381 | ||
Sachregister | 390 |