Gnade und Gesetz
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Gnade und Gesetz
Zum Verhältnis des Begnadigungsrechts zu seinen gesetzlichen Alternativregelungen
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 278
(2017)
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About The Author
Simon Funk studierte Rechtswissenschaften in Mainz und Nantes. An der Université de Nantes erwarb er den französischen Abschluss Maîtrise en droit. Sein Studium an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz schloss er neben dem Staatsexamen mit dem Magister des deutschen und ausländischen Rechts (Mag. iur.) ab. Nach seinem Referendariat am Kammergericht in Berlin war er am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jan Zopfs als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Mit seiner Dissertation »Gnade und Gesetz – Zum Verhältnis des Begnadigungsrechts zu seinen gesetzlichen Alternativregelungen« wurde er von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2016/17 zum Dr. iur. promoviert. Er ist seit 2016 Rechtsanwalt in Frankfurt am Main.Abstract
Aufgrund der mit dem Begnadigungsrecht verbundenen rechtsstaatlichen Probleme sind Bereiche, die einst allein der Gnade vorbehalten waren, inzwischen gesetzlich geregelt (z.B. Reststrafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe nach § 57a StGB). Die Arbeit untersucht das Verhältnis der Gnade zu diesen gesetzlichen Alternativregelungen. Dabei wird aufgezeigt, dass dem Gesetz gegenüber der Gnade ein rechtlich verbindlicher Vorrang zukommt. Es wird aufgezeigt, unter welchen konkreten Voraussetzungen dieser Vorrang des Gesetzes gegenüber der Gnade greift, ob das Gesetz insoweit abschließend ist und welcher Raum der Gnade heute nach geltendem Recht noch verbleibt. Hierzu wird das Verhältnis der Gnade zu ausgewählten gesetzlichen Alternativregelungen betrachtet (u.a. Reststrafaussetzung, Strafausstand, Wiederaufnahme des Verfahrens). Abschließend wird eine gesetzliche Alternativregelung de lege ferenda entwickelt, die den Raum, welcher der Gnade heute noch verbleibt, weitgehend schließt.»Pardon and Law«Due to the legal problems which the right to grant pardon involves, the German legislator has passed various legal provisions which serve as an alternative to this right (e.g., the release pursuant to Sec. 57a of the German Criminal Code). The author addresses the legal relationship between these provisions and the right to grant pardon and thereby examines to which extent the right to grant pardon still applies under German law.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
Einleitung | 19 | ||
§ 1: Entstehung und Entwicklung des Nebeneinanders von Gnade und gesetzlichen Strafvergünstigungen | 24 | ||
A. Rechtsentwicklung ab der Aufklärung | 24 | ||
I. Gewandeltes Verständnis von Wesen und Funktion des Begnadigungsrechts | 24 | ||
1. Misstrauen gegenüber dem Souverän | 24 | ||
2. Die Idee des „perfekten“ Gesetzes | 25 | ||
II. Ansatzpunkte zur „Verfeinerung“ des „starren“ Gesetzes | 27 | ||
1. Vorbemerkung | 27 | ||
2. Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten | 29 | ||
a) Die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten als gesetzliche Alternativregelung zum Begnadigungsrecht | 30 | ||
b) Die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten im akkusatorischen Strafverfahren vor Gründung des Deutschen Kaiserreichs | 31 | ||
B. Deutsches Kaiserreich | 33 | ||
I. Begnadigungsrecht | 33 | ||
1. Allgemeines | 33 | ||
2. Praxis der bedingten Begnadigung | 35 | ||
II. Die gesetzlichen Strafvergünstigungen und ihr Verhältnis zum Begnadigungsrecht | 38 | ||
1. Regelungen im RStGB von 1871 | 38 | ||
a) Im Erkenntnisverfahren anwendbare Vorschriften | 38 | ||
b) Vorläufige Entlassung (§§ 23–26 RStGB) | 39 | ||
2. Regelungen in der RStPO von 1877 | 42 | ||
a) Strafaufschub (§§ 487, 488 RStPO) | 42 | ||
b) Sonstige Regelungen | 44 | ||
3. Zwischenfazit zum Rechtszustand im Kaiserreich | 45 | ||
C. Weimarer Republik | 46 | ||
I. Begnadigungsrecht | 46 | ||
1. Allgemeines | 46 | ||
2. Bedingte Begnadigung durch den Richter | 48 | ||
II. Die gesetzlichen Strafvergünstigungen und ihr Verhältnis zum Begnadigungsrecht | 49 | ||
1. Geldstrafengesetze von 1921 und 1923 | 49 | ||
2. Bedingte Verurteilung Jugendlicher (§§ 10–15 JGG 1923) | 51 | ||
D. NS-Zeit | 53 | ||
I. Begnadigungsrecht | 53 | ||
1. Gnadenkompetenz | 53 | ||
2. Gnadenordnung von 1935 | 54 | ||
II. Die gesetzlichen Strafvergünstigungen und ihr Verhältnis zum Begnadigungsrecht | 56 | ||
1. Regelungen bezüglich Maßregeln der Sicherung und Besserung | 56 | ||
2. Strafaussetzung und Entlassung Jugendlicher auf Probe (RJGG 1943) | 58 | ||
E. Rechtsentwicklung unter Geltung des Grundgesetzes | 59 | ||
I. Begnadigungsrecht | 59 | ||
II. Die gesetzlichen Strafvergünstigungen und ihr Verhältnis zum Begnadigungsrecht | 60 | ||
1. Das 3. StrÄndG von 1953 | 60 | ||
a) Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil (§§ 23–25 StGB 1953) | 60 | ||
b) Bedingte Entlassung (§ 26 StGB 1953) | 61 | ||
c) Verhältnis zwischen §§ 23–26 StGB 1953 und dem Begnadigungsrecht | 62 | ||
2. Jugendgerichtsgesetz von 1953 | 64 | ||
3. Das 1. und 2. StrRG von 1969 | 66 | ||
a) Ausweitung der Regelungen zur Straf(rest)aussetzung | 66 | ||
b) Absehen von Strafe (§ 60 StGB) | 67 | ||
4. Strafvollzugsgesetz von 1976 | 70 | ||
5. Reststrafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe (§ 57a StGB) | 73 | ||
a) Hintergrund der Neuregelung | 73 | ||
b) Die damaligen Ansichten zum Verhältnis des § 57a StGB zum Begnadigungsrecht | 75 | ||
aa) Hintergrund | 75 | ||
bb) Befürworter einer freien Anwendbarkeit des Begnadigungsrechts neben § 57a StGB | 76 | ||
cc) Befürworter einer Sperrwirkung des § 57a StGB für die Dauer der Mindestverbüßungszeit | 77 | ||
6. Ausweitung der Halbstrafenaussetzung (23. StrÄndG von 1986) | 78 | ||
7. Verkürzung der Mindestsperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 7 StGB) | 79 | ||
a) Rechtslage nach den Gesetzen zur Sicherung des Straßenverkehrs von 1952 und 1964 | 79 | ||
b) Die Reform im Jahr 1998 | 81 | ||
8. Sonstige Alternativregelungen | 82 | ||
F. Resümee | 85 | ||
I. Gewandeltes Verständnis von Gnade – Individualisierung durch Gesetz | 85 | ||
II. Gnade als Mittel der Kriminalpolitik | 87 | ||
§ 2: Überblick über das geltende Gnadenrecht | 89 | ||
A. Gegenstand und Wirkungen des Gnadenakts | 89 | ||
B. Gnadenkompetenz | 92 | ||
I. Verbandskompetenz | 92 | ||
II. Organkompetenz | 93 | ||
C. Gnadenverfahren | 96 | ||
I. Vorbemerkung: Wesen und Bedeutung nder Gnadenordnungen | 96 | ||
II. Ablauf des Gnadenverfahrens | 98 | ||
III. Gnadengründe der Gnadenpraxis | 102 | ||
1. Vorbemerkung | 102 | ||
2. Begnadigungsrichtlinien in den Gnadenordnungen | 104 | ||
3. Sonstige Begnadigungsrichtlinien | 106 | ||
§ 3: Zum Verhältnis von Gnade und Gesetz | 107 | ||
A. „Gnade im Recht“: Zur Verankerung der Gnade innerhalb des Rechts | 107 | ||
I. Vorbemerkung | 107 | ||
II. Entwicklung der Rechtsprechung zum Verhältnis von Gnade und Recht | 109 | ||
III. Die Auffassungen in der Literatur | 112 | ||
IV. Stellungnahme | 116 | ||
1. Gnade als Bestandteil des Rechts | 116 | ||
2. Zur Rechtsbindung im Einzelnen | 118 | ||
a) Vorbemerkung: Irrelevanz subjektiv-öffentlicher Rechte für das Verhältnis von Gnade und Gesetz | 118 | ||
b) Rechtsbindung der Gnade durch Rechtsbindung des Gnadenträgers | 119 | ||
c) Vergleich mit Amnestie und gesetzlichen Strafvergünstigungen | 122 | ||
aa) Vergleich der Gnade mit der Amnestie | 122 | ||
bb) Vergleich der Gnade mit den gesetzlichen Strafvergünstigungen | 126 | ||
3. Zwischenergebnis | 128 | ||
B. „Gnade nach Gesetz“: Zum Vorrang des Gesetzes gegenüber der Gnade | 128 | ||
I. Vorbemerkung | 128 | ||
II. Das Verhältnis von originärer Gnade und Gesetz nach den Gnadenordnungen | 132 | ||
III. Meinungsstand in der Literatur | 133 | ||
IV. Dogmatische Grundlage des Vorrangs des gesetzlichen Wegs gegenüber der originären Gnade | 134 | ||
1. Gnadenordnungen | 135 | ||
2. Selbstbindung der Verwaltung | 136 | ||
3. Funktion des Begnadigungsrechts | 136 | ||
a) Überkommenes „Wesen“ der Gnade | 137 | ||
b) Erfordernis eines rational nachvollziehbaren Gnadengrundes | 139 | ||
c) Beschränkung der Gnade auf die Eigenschaft als Korrektiv zur Vermeidung von Gesetzeshärten? | 141 | ||
d) Folgen für das Verhältnis der Gnade zu ihren gesetzlichen Alternativregelungen: „Subsidiarität“ der Gnade bzw. „Vorrang“ des Gesetzes? | 146 | ||
4. Rechtsmethodische Konkurrenzregeln | 149 | ||
5. Allgemeiner Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) | 151 | ||
a) Vorbemerkung | 151 | ||
b) Anwendbarkeit | 152 | ||
c) Anwendung | 153 | ||
6. Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der gesetzlichen Alternativregelungen | 156 | ||
7. Gewohnheitsrecht | 159 | ||
8. Zwischenergebnis | 160 | ||
V. Durchbrechung des Vorrangs des gesetzlichen Verfahrens durch Antrag auf alleinige Entscheidung im Gnadenweg? | 161 | ||
1. Vorbemerkung | 161 | ||
2. Anspruch des Einzelnen auf Sachentscheidung über das Gnadengesuch ohne vorherigen Verweis auf den gesetzlichen Weg? | 163 | ||
a) Verfassungsrechtliche Vorschriften zum Begnadigungsrecht | 163 | ||
b) Petitionsrecht (Art. 17 GG) | 163 | ||
c) Rechtsstaatsprinzip (Beschleunigungsgebot) | 164 | ||
d) Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung | 165 | ||
3. Zwischenergebnis | 166 | ||
C. Konkretisierung des Vorrangs des gesetzlichen Wegs | 167 | ||
I. Vorbemerkung | 167 | ||
1. Gegebenenfalls: Auslegung des Gnadengesuchs | 167 | ||
2. Inhaltliche Ausgestaltung durch die Gnadenordnungen? | 168 | ||
II. Systematische Betrachtung der gesetzlichen Vorschriften: Unterscheidung zwischen „formellen“ und „materiellen“ Merkmalen | 169 | ||
III. Zur Prüfung der formellen Merkmale | 171 | ||
1. Meinungsstand in der Literatur | 171 | ||
2. Stellungnahme | 172 | ||
a) Sonderstellung der §§ 455 ff., 459a StPO | 172 | ||
b) Zur Prüfung der formellen Merkmale im Übrigen | 173 | ||
IV. Zur Prüfung der materiellen Merkmale | 176 | ||
1. Meinungsstand | 176 | ||
2. Stellungnahme | 178 | ||
a) Argumente gegen die Prüfung materieller Merkmale | 178 | ||
b) Argumente für die Prüfung materieller Merkmale | 181 | ||
c) Harmonisierung der widerstreitenden Argumente: Evidenzkontrolle bezüglich der materiellen Merkmale | 183 | ||
V. Zwischenergebnis | 185 | ||
VI. Sonderproblem: Fehlender Antrag bzw. fehlende Einwilligung des Verurteilten | 186 | ||
D. Resümee und Konsequenzen | 189 | ||
I. Vorrang des Gesetzes als geltendes Recht | 189 | ||
II. Schicksal des Gnadenakts bei Verstoß ngegen den Vorrang des Gesetzes | 190 | ||
III. Strafbarkeit des Gnadenträgers wegen Vollstreckungsvereitelung im Amt (§§ 258a Abs. 1, 258 Abs. 2 StGB)? | 192 | ||
IV. Keine einfach-gesetzliche Abschaffung der Gnade | 194 | ||
§ 4: Welcher Raum verbleibt der Gnade? | 196 | ||
A. Zum prinzipiellen Anwendungsbereich der Gnade | 196 | ||
I. Gnade als Einzelfallentscheidung | 196 | ||
II. Gnade als Korrektiv zu „Gesetzeshärten“ | 200 | ||
1. Zum Begriff der „unbilligen Härte“ im Kontext der Gnade und seiner Maßgeblichkeit für die Gnadenausübung | 200 | ||
a) Gnade als Mittel der Zweckmäßigkeit | 202 | ||
aa) Verhältnismäßigkeitsprinzip im Strafrecht | 203 | ||
bb) Gnade als Korrektiv zwecks Wahrung der Verhältnismäßigkeit von Strafurteil und Strafvollstreckung | 205 | ||
b) Zur „Unbilligkeit“ und „Individualgerechtigkeit“ im Kontext der Gnade | 210 | ||
2. Gnade als Korrektiv zu sonstigen Gesetzeshärten? | 212 | ||
3. Indes: kein „Anspruch auf Gnade“ | 215 | ||
III. Abschließender Charakter der gesetzlichen Alternativregelungen? | 219 | ||
IV. Zwischenergebnis | 222 | ||
B. Besondere Einschränkungen für Gnade nach zuvor ablehnender gesetzlicher Entscheidung? | 223 | ||
I. Vorbemerkung | 223 | ||
II. Meinungsstand in der Literatur | 224 | ||
III. Stellungnahme | 225 | ||
1. Vorbemerkung: Erneuter Vorrang des gesetzlichen Verfahrens? | 225 | ||
2. Zur Frage der Bindungswirkung | 228 | ||
C. Gnade im Anwendungsbereich ausgewählter gesetzlicher Alternativregelungen | 232 | ||
I. Reststrafaussetzung zur Bewährung | 232 | ||
1. Reststrafaussetzung bei zeitiger Freiheitsstrafe (§ 57 StGB) | 233 | ||
a) Raum für originäre Gnadenentscheidungen | 233 | ||
b) Gnade nach ablehnender Entscheidung i. S. v. § 57 StGB | 236 | ||
2. Reststrafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe (§ 57a StGB) | 236 | ||
a) Raum für originäre Gnadenentscheidungen | 237 | ||
b) Gnade nach ablehnender Entscheidung i. S. v. § 57a StGB | 239 | ||
II. Strafausstand nach §§ 455, 456 StPO | 240 | ||
1. Raum für originäre Gnadenentscheidungen | 241 | ||
2. Gnade nach ablehnender Entscheidung i. S. v. §§ 455, 456 StPO | 244 | ||
III. Strafvollzugslockerungen | 244 | ||
IV. Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis | 245 | ||
1. Raum für originäre Gnadenentscheidungen | 245 | ||
a) Entziehung der Fahrerlaubnis | 245 | ||
b) Fahrverbot | 246 | ||
2. Gnade nach ablehnender Entscheidung i. S. v. § 69a Abs. 7 StGB | 249 | ||
V. Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten (§§ 359 ff. StPO) | 250 | ||
1. Raum für originäre Gnadenentscheidungen | 250 | ||
a) Raum unter Zugrundelegung des Vorrangs des Gesetzes | 250 | ||
aa) Fallgruppe 1 | 251 | ||
bb) Fallgruppe 2 | 252 | ||
cc) Fallgruppe 3 | 255 | ||
b) Einschränkungen wegen abschließenden Charakters der §§ 359 ff. StPO? | 256 | ||
2. Gnade nach ablehnender Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren | 261 | ||
Ergebnis und Ausblick | 262 | ||
Literaturverzeichnis | 272 | ||
Sachregister | 288 |