Die Europäische Idee der Freiheit und die Etablierung eines Europäischen Strafrechts
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Die Europäische Idee der Freiheit und die Etablierung eines Europäischen Strafrechts
Zum Zusammenhang von freiheitlicher Rechtsverfassung und Strafe
Schriften zum Strafrecht, Vol. 311
(2017)
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Bettina Noltenius studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Trier und Nancy. Nach ihrer Promotion zu dem Thema »Kriterien der Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft« (2003) ging sie in den Referendardienst und legte 2004 in Hamburg ihr Zweites Staatsexamen ab. Anschließend habilitierte sie sich an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. Seit Oktober 2015 ist sie Universitätsprofessorin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.Abstract
Die Europäische Union begreift sich als ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Das Strafrecht greift in fundamentaler Weise in die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers ein. Soll auf ein Verbrechen nicht ein weiterer Gewaltakt folgen, sondern sich die Ausübung des Strafrechts als legitimes Handeln darstellen, bedarf die Befugnis zu strafen einer rechtlichen Begründung. Das gilt nicht nur für die Strafgewalt seitens des Staates, sondern auch und gerade dann, wenn es um die Ausübung strafrechtlicher Maßnahmen geht, die von europäischen oder internationalen Institutionen ausgehen. Betroffen sind dann keineswegs nur Fragen der zweckmäßigsten Kompetenzverteilung zwischen den Einzelstaaten und der supranationalen Ordnung. Die Arbeit untersucht vor dem Hintergrund der gemeinsamen europäischen Tradition der Aufklärung und aufbauend auf dem Rechts- und Freiheitsbegriff Immanuel Kants, ob die Schaffung eines Europäischen Strafrechts mit einem freiheitlichen Rechtsverständnis kompatibel ist.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 17 | ||
A. Einführung | 17 | ||
B. Überblick über die Europäisierung des Strafrechts | 23 | ||
I. Die Europäisierung des Strafrechts bis zum Vertrag von Lissabo | 23 | ||
1. Europäisierung des Strafrechts im engeren Sinne | 24 | ||
2. Europäisches Strafrecht im weiteren Sinne am Beispiel des Europäischen Kartellbußgeldverfahrens | 27 | ||
a) Befugnisse der Europäischen Kommission im Kartellbußgeldverfahre | 27 | ||
b) Einzelne Problemstellunge | 32 | ||
3. Zwischenergebnis | 37 | ||
II. Die weitere Europäisierung des Strafrechts durch den Vertrag von Lissabo | 40 | ||
1. Erlass von Mindestvorschriften im Bereich des materiellen Strafrechts, Art. 83 AEUV | 41 | ||
2. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und der Erlass von Mindestvorschriften im Bereich des Strafverfahrens, Art. 82 AEUV | 43 | ||
a) Grundsatz gegenseitiger Anerkennung, Art. 82 Abs. 1 AEUV | 43 | ||
b) Erlass von Mindestvorschriften im Bereich des Strafverfahrens, Art. 82 Abs. 2 AEUV | 45 | ||
3. Europol | 46 | ||
4. Eurojust und Europäische Staatsanwaltschaft | 48 | ||
5. Betrugsbekämpfung | 49 | ||
C. Zur Möglichkeit oder Notwendigkeit eines Europäischen Strafrechts | 52 | ||
I. Kulturgebundenheit des Strafrechts? | 53 | ||
II. Strafrecht als Ausdruck staatlicher Souveränität? | 55 | ||
III. Notwendigkeit eines Europäischen Strafrechts? | 57 | ||
D. Gang der Arbeit und ihr methodischer Ansatz | 60 | ||
1. Teil: Ideengeschichtlicher Hintergrund staatlicher Herrschaftsformen und ihre Bedeutung für das Strafrecht | 67 | ||
A. Einleitung | 67 | ||
B. Die Bedeutung des Inquisitionsprozesses nach dem gemeinen Recht | 71 | ||
C. Die Zeit der absoluten Monarchie und die Reformen des Inquisitionsprozesses | 73 | ||
I. Ideengeschichtlicher Hintergrund: Aufgeklärter Absolutismus – Hobbes und Beccaria | 74 | ||
1. Hobbes’ Staats- und Strafverständnis | 75 | ||
2. Die Bedeutung des Strafzwecks der Abschreckung für das Strafverfahren nach Beccaria und seine Forderung nach Reformen des Strafverfahrens | 81 | ||
II. Die Zeit der absoluten Monarchie und ihr Strafrecht: Zur Entwicklung des Strafrechts in Preuße | 85 | ||
1. Zur Kriminalpolitik Friedrichs II. | 86 | ||
2. Das Preußische Allgemeine Landrecht (1794) und die Preußische Kriminalordnung (1805) | 89 | ||
D. Die konstitutionelle Monarchie und ihr Strafrecht – Reformbewegunge | 91 | ||
I. Ideengeschichtlicher Hintergrund: Politischer Liberalismus – Locke und Montesquieu | 92 | ||
1. Locke – „Zwei Abhandlungen über die Regierung“ (1689) | 93 | ||
2. Montesquieu – „Vom Geist der Gesetze“ (1748) | 97 | ||
II. Die konstitutionelle Monarchie als Übergang vom Absolutismus zur Volkssouveränität | 105 | ||
III. Reformen im Strafrecht | 110 | ||
1. Zu einzelnen Entwicklungen im materiellen Strafrecht | 110 | ||
2. Zur Entwicklung des Strafprozessrechts | 113 | ||
E. Der demokratisch-republikanische Rechtsstaat und sein Strafrecht | 116 | ||
I. Ideengeschichtlicher Hintergrund: Demokratie und freiheitliche Rechtsverfassung – Rousseau und Kant | 118 | ||
1. Rousseau – Ungeteilte Souveränität des Volkes | 118 | ||
a) „Diskurs über die Ungleichheit“ (1755) | 119 | ||
b) „Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts“ (1762) | 121 | ||
2. Kant – Die republikanische Verfassung | 127 | ||
a) Die Autonomie des Einzelnen und die Notwendigkeit der Staatskonstitutio | 128 | ||
b) Der republikanische Staat | 133 | ||
c) Die Begründung der Strafe bei Kant | 136 | ||
II. Grundzüge im Strafrecht unter der Weimarer Reichsverfassung | 140 | ||
1. Die Weimarer Reichsverfassung | 141 | ||
2. Entwicklungstendenzen im Strafrecht | 144 | ||
III. Grundzüge des Strafrechts unter dem Grundgesetz | 152 | ||
1. Das Grundgesetz | 152 | ||
2. Zu einzelnen Entwicklungen im Strafrecht | 156 | ||
F. Ergebnis und Übergang zum 2. Teil der Arbeit | 163 | ||
2. Teil: Das Aufbrechen der Rechtsform des Staates durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf Europäische Institutione | 167 | ||
A. Einleitung | 167 | ||
B. Zur Entwicklung der Europäischen Integration bis zum Vertrag von Lissabon und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 168 | ||
I. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Solange I- und II-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts | 169 | ||
II. Der Vertrag von Maastricht und das „Maastricht-Urteil“ vom Bundesverfassungsgericht | 176 | ||
1. Der Vertrag von Maastricht vom 7.2.1992 und Art. 23 n. F. GG | 176 | ||
2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Maastricht) vom 12.10.1993 | 180 | ||
a) Grenzen der Art. 38 und Art. 23 GG | 183 | ||
b) Wahrung der Grenzen durch EUV | 185 | ||
III. Der Vertrag von Amsterdam und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sog. Europäischen Haftbefehlsgesetz | 188 | ||
1. Bestimmungen über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsache | 190 | ||
2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „Europäischen Haftbefehlsgesetz“ | 193 | ||
C. Die Stellung des Strafrechts in der Europäischen Union nach dem Vertrag von Lissabon und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 200 | ||
I. Der Vertrag von Lissabon und seine Entstehung | 200 | ||
II. Möglichkeit der Konstituierung eines Europäischen Strafrechts nach dem Vertrag von Lissabo | 203 | ||
III. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabo | 206 | ||
IV. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.2015 (Europäischer Haftbefehl II) | 211 | ||
D. Die Erweiterung der Staatsstrukturprinzipien zu unionalen Grundsätzen und ihre Bedeutung für das Strafrecht | 215 | ||
I. Zum Demokratieprinzip der Europäischen Union: „Unionale Demokratie“? | 215 | ||
II. Zum Gleichgewicht der Institutionen in der Europäischen Union: „Unionale Gewaltenteilung“? | 220 | ||
1. Rechtssetzungsbefugnisse europäischer Institutione | 221 | ||
2. Exekutivbefugnisse seitens der Europäischen Kommissio | 223 | ||
3. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs | 226 | ||
4. Zur „Unionalen Gewaltenteilung“ | 229 | ||
III. Bedeutung des Aufbrechens staatlicher Strukturen für die Bestimmung des Strafrechts: „Unionale Strafzwecke“? | 233 | ||
E. Ergebnis und Übergang zum 3. Teil der Arbeit | 238 | ||
3. Teil: Die Legitimationsbedingungen einer freiheitlichen Rechtsverfassung und ihres Strafrechts | 240 | ||
A. Einleitung: Die Freiheit des Einzelnen als Grund des Rechts | 240 | ||
B. Der Begriff der Freiheit und seine Bedeutung für das Recht | 243 | ||
I. Der kategorische Imperativ als Seins- und Erkenntnisgrund von Freiheit | 244 | ||
II. Freie Handlung und praktischer Vernunftschluss | 250 | ||
III. Der Begriff des Rechts | 255 | ||
IV. Zusammenfassung | 260 | ||
C. Freiheitliche Staatsbegründung und Rechtsverfassung | 261 | ||
I. Der Übergang vom Naturzustand zum bürgerlichen Zustand | 262 | ||
1. Das Privatrecht und seine drei Hauptstücke | 264 | ||
2. Übergang von dem Mein und Dein im Naturzustande zu dem im rechtlichen Zustande überhaupt | 268 | ||
3. Zusammenfassung und Bedeutung der Erkenntnisse für den weiteren Gang der Arbeit | 271 | ||
II. Der Staat als „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ | 274 | ||
1. Der Begriff des Staates | 275 | ||
2. Volkssouveränität und Gewaltenteilung | 277 | ||
a) Gesetzgebende Gewalt | 281 | ||
b) Exekutive Gewalt | 283 | ||
c) Richterliche Gewalt | 285 | ||
III. Zusammenfassung | 286 | ||
D. Staatliche Rechtsstrafe | 288 | ||
I. Der Begriff der Strafe | 289 | ||
II. Un-Recht (Verbrechen) und Strafe | 294 | ||
1. Zum Begriff des Strafunrechts (Verbrechen) | 296 | ||
2. Zur Denknotwendigkeit der Rechts-Strafe | 297 | ||
3. Zur Notwendigkeit staatlicher Rechtsstrafe | 299 | ||
III. Rechtsgrund der Strafe | 301 | ||
IV. Einwände gegenüber dem vorgestellten Begründungszusammenhang | 304 | ||
V. Zu einzelnen Bedingungen staatlicher Rechtsstrafe | 311 | ||
1. Zur Bedeutung des Vorbehalts des Gesetzes und des Bestimmtheitsgrundsatzes im Strafrecht | 312 | ||
2. Die Stellung der Exekutivgewalt im Strafrecht | 314 | ||
3. Die Stellung des Richters im Strafrecht | 317 | ||
E. Ergebnis und Übergang zum 4. Teil der Arbeit | 319 | ||
4. Teil: Zum rechtlichen Verhältnis der Staaten zueinander und ihrer Bürger untereinande | 321 | ||
A. Einleitung | 321 | ||
B. Zum Verhältnis souveräner Staaten und einzelner Staatsbürg | 322 | ||
I. Das Völkerstaatenrecht | 323 | ||
1. Der Übergang vom Kriegszustand (Naturzustand) zum rechtlichen Zustand | 325 | ||
2. „Das Völkerrecht soll auf einen Föderalism freier Staaten gegründet sein“ | 328 | ||
II. Das Verhältnis der Bürger untereinander und ihr Verhältnis zu anderen Staaten (Weltbürgerrecht) | 338 | ||
C. Zusammenfassung und Übergang zum 5. Teil der Arbeit | 342 | ||
5. Teil: Die Europäische Union als supranationale Rechtsordnung und die Etablierung eines Europäischen Strafrechts | 344 | ||
A. Einleitung | 344 | ||
B. Der Begriff der Freiheit als Sicherheitsgewährleistung im Spannungsverhältnis zum Begriff der Freiheit als Selbstbestimmung | 347 | ||
I. Zur Problematik der Bezeichnung der Menschenwürde und der Freiheit als „Werte“ (Art. 2 EUV) | 347 | ||
II. Kritische Würdigung der Bestimmung des Freiheitsbegriffs im „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ | 350 | ||
C. Europäische Strafrechtssetzung im Spannungsverhältnis zu rechtsbegründenden Strukturprinzipie | 354 | ||
I. Die Europäische Union als supranationale Rechtsordnung | 355 | ||
1. Die Europäische Union: Souverän ohne Volk | 357 | ||
2. Folge des Legitimationsdefizits: Aufhebung der Gewaltenteilung | 362 | ||
II. Europäische Strafrechtssetzung im Spannungsverhältnis zur Souveränität der Staate | 364 | ||
1. Zur grundlegenden Problematik europäischer Strafrechtssetzung | 365 | ||
2. Probleme der Bestimmbarkeit der Grenzen europäischer Strafrechtssetzung | 367 | ||
D. „Unionale“ Strafzwecke im Spannungsverhältnis zu einer freiheitlichen Strafrechtsbegründung | 372 | ||
I. Die unionalen Strafzwecke am Beispiel des Richtlinienentwurfs „über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug“ | 372 | ||
II. Der funktionale Strafbegriff des Unionsrechts im Spannungsverhältnis zu einem freiheitlichen Begriff der Rechtsstrafe | 374 | ||
E. Unionale Strafverfolgungsmaßnahmen im Spannungsverhältnis zu einem rechtsstaatlichen Strafverfahre | 379 | ||
I. Übersicht über den Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft | 380 | ||
1. Ziele des Verordnungsvorschlages zur Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft | 380 | ||
2. Status und Organisation der Europäischen Staatsanwaltschaft | 381 | ||
3. Aufgaben und Zuständigkeiten der Europäischen Staatsanwaltschaft | 382 | ||
4. Ermittlungsbefugnisse der Europäischen Staatsanwaltschaft und die Zulässigkeit von Beweismittel | 384 | ||
5. Verfahrensgarantien des Verdächtigen, Beschuldigten oder sonstiger Beteiligte | 385 | ||
II. Effektive Verbrechensbekämpfung durch eine Europäische Staatsanwaltschaft im Spannungsverhältnis zu einem rechtsstaatlich ausgestalteten Strafverfahren und zum Strafverfahrensrecht der Mitgliedstaate | 386 | ||
F. Ergebnis | 395 | ||
Folgerungen: Möglichkeiten einer legitimen europäischen Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts | 398 | ||
A. Einleitung | 398 | ||
B. Die Union als Verbund souveräner Rechtsstaaten | 399 | ||
C. Koordinierungsmöglichkeiten mitgliedstaatlicher Rechtsetzung im Bereich des materiellen Strafrechts | 401 | ||
I. Mögliche Handlungsform: Rahmenverträge | 401 | ||
II. Bestimmung möglicher Europäischer Rechtsgüter unter Beachtung materieller Rechtsprinzipie | 402 | ||
D. Die vertragliche Zusammenarbeit der Unionsstaaten im Bereich des Strafverfahrens | 406 | ||
I. Europäische Rechtshilfe als Teil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens | 406 | ||
II. Einzelne materielle Grenzen des unionalen Zusammenwirkens im Rahmen des Strafverfahrens | 408 | ||
E. Schluss | 413 | ||
Literaturverzeichnis | 415 | ||
Personen- und Sachwortverzeichnis | 448 |