Verfassungsmissbrauch durch Zweidrittelmehrheit?
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Verfassungsmissbrauch durch Zweidrittelmehrheit?
Verfassungstheoretische und demokratietheoretische Anforderungen an die verfassungsändernde Gewalt auf Grundlage eines dualistischen Rechtsverständnisses zwischen Sein und Sollen
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1354
(2017)
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About The Author
Johannes Natus studierte deutsches Recht (Schwerpunkt: Völker- und Europarecht) sowie anglo-amerikanisches Recht (FFA) an der Universität Trier. Nach dem Ersten juristischen Staatsexamen im Jahr 2012 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter von 2013 bis 2016 am Institut für Rechtpolitik an der Universität Trier bei Prof. Dr. Thomas Raab, Prof. Dr. Gerhard Robbers sowie Prof. Dr. Alexander Proelß. Seine dortige Tätigkeit umfasste die Organisation und Gestaltung von Tagungen und Vorträgen sowie Forschung und Lehre insbesondere im Öffentlichen Recht. Seit Mai 2016 ist Johannes Natus Rechtsreferendar am OLG Koblenz mit Stationen unter anderem in Trier, Speyer und Tel Aviv.Abstract
Die Arbeit geht der Frage nach, wie und durch wen das Grundgesetz und Verfassungsrecht im Allgemeinen geändert werden können. Der Untersuchung liegt die Grundperspektive: »Wie müsste es sein?« nicht: »Wie ist es (nach Art. 79 GG)?«, zugrunde. Dazu wird ein Verfassungsverständnis entwickelt, dessen theoretische und philosophische Wurzeln über Kelsen und Schmitt bis in die Vertragstheorien der Neuzeit reichen. Daraus zieht der Autor Konsequenzen für die Begriffe Volkssouveränität und Demokratie. Er untersucht, wie der Stufenbau der Rechtsordnung zustande kommt, was dem Recht seine Legitimation und seinen spezifischen Rang verleiht und in welchem Verhältnis das Mehrheits- und Demokratieprinzip zum Begriff des Rechts an sich stehen. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Kompetenz zur Verfassungsgebung und -änderung, an denen die durch das Grundgesetz positivierte Praxis kritisch gemessen wird. Das kontroverse Ergebnis: Die Normierung in Art. 79 GG genügt den verfassungs- und demokratietheoretischen Anforderungen nur bedingt.»Misuse of Constitution by a Two-Thirds Majority?«The exploration considers the question, whether constitutional law can be amended in the way laid down by Art. 79 Grundgesetz and if there are any non-normative and non-normable requirements. For that purpose, the author derives a fundamental understanding of constitutional law by discussing issues such as, inter alia, legal positivism, popular sovereignty and democracy. As a result, the study frames constitutional-theoretical and democratic-theoretical requirements which the Grundgesetz, the German Constitution, meets only to a limited extent.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 15 | ||
Kapitel 1: Recht | 24 | ||
A. Die äußere Betrachtung: Recht als Kategorie | 25 | ||
I. Die Norm | 27 | ||
1. Der Dualismus von Sein und Solle | 28 | ||
2. Die Natur schafft Fakten, der Mensch Norme | 29 | ||
3. Die Absage an das Naturrecht | 33 | ||
II. Der Zwang als Ausdruck spezifischer Legitimität | 33 | ||
1. Zwang und Strafe | 35 | ||
2. Recht und Moral | 37 | ||
3. Zwang inwieweit Teil der Norm? | 40 | ||
III. Rechtserzeugung und Geltungsgrund | 41 | ||
1. Begründung, Rechtfertigung und Legitimität des Zwangs | 41 | ||
2. Die Bedeutung von Wirksamkeit und Geltung | 44 | ||
B. Die innere Betrachtung: Recht als Inhalt von Normen, Normen als Inhalt von Recht | 46 | ||
I. Recht und Wert | 46 | ||
II. Rechtsnorm und Rechtssatz | 50 | ||
C. Die Person als Bezugspunkt allen Rechts | 52 | ||
D. Die Koordinationsordnung als primitive Form des Rechts | 53 | ||
E. Zwischenergebnis | 54 | ||
Kapitel 2: Die Rechtsordnung | 56 | ||
A. Die Charakteristika der Rechtsordnung | 56 | ||
B. Der Stufenbau der Rechtsordnung | 58 | ||
I. Die Hierarchie der Normgebe | 59 | ||
II. Keine Hierarchie der Norme | 60 | ||
III. Das Fehlerkalkül | 64 | ||
C. Die Einheit der Rechtsordnung und der Charakter der Kollisionsregeln | 66 | ||
I. Der Normkonflikt | 67 | ||
II. Lex superior derogat legi inferiori | 68 | ||
III. Lex posterior derogat legi priori | 70 | ||
IV. Lex specialis derogat legi generali | 70 | ||
V. Verbleibender Raum für Normkonflikte und deren Lösung | 72 | ||
D. Zwischenergebnis | 76 | ||
Kapitel 3: Die Spitze der staatlichen Rechtsordnung: Der Souverä | 77 | ||
A. Die Notwendigkeit eines souveränen Willens an der Spitze der Rechtsordnung | 79 | ||
I. Keine Geltung des Mehrheitsprinzips | 80 | ||
II. Das Volk im Konsens als verfassunggebende Gewalt? | 82 | ||
III. Ein Grundkonsens als Begründung des Souverän? | 83 | ||
IV. Zwischenergebnis | 84 | ||
B. Die Vertragstheorie | 85 | ||
I. Thomas Hobbes | 86 | ||
II. John Locke | 88 | ||
III. Jean-Jacques Rousseau | 90 | ||
IV. Bewertung der Vertragstheorie | 92 | ||
C. Die Identifikationstheorie | 94 | ||
I. Die Identifikationstheorie als Gesellschafts-„Vertrag“ der Moderne | 95 | ||
II. Das Wesen der Identifikatio | 97 | ||
III. Identifikation als Voraussetzung elementarer Staatlichkeit | 101 | ||
IV. Das Problem der tatsächlichen Identifikatio | 102 | ||
V. Identifikation als permanenter Prozess | 104 | ||
VI. Das spezifisch Nicht-Normative am Identifikationsmodell | 104 | ||
VII. Zusammenfassung | 106 | ||
D. Der Gemeinwille | 107 | ||
I. Die Natur des Gemeinwillens | 108 | ||
II. Der Gemeinwille in der Praxis | 110 | ||
III. Bedeutung und Tragweite des Konzepts eines Gemeinwillens als Souverä | 112 | ||
E. Zwischenergebnis | 113 | ||
Kapitel 4: Verfassung und Verfassungsrecht | 117 | ||
A. Keine Determiniertheit von Verfassungsrecht | 118 | ||
B. Formelle und materielle Abgrenzungskriterien | 119 | ||
I. Die formelle Abgrenzung | 120 | ||
1. Verfassungsdokument | 120 | ||
2. Erhöhte Geltungskraft | 121 | ||
3. Erhöhte Bestandskraft | 122 | ||
II. Die materielle Abgrenzung | 124 | ||
1. Bestimmte inhaltliche Kategorie | 124 | ||
2. Bestimmte konkrete Inhalte | 127 | ||
C. Eigener formeller und materieller Verfassungsbegriff | 127 | ||
I. Verfassung im materiellen Sinne | 128 | ||
II. Verfassung im formellen Sinne | 130 | ||
III. Zusammenfassung | 131 | ||
D. Materielles Verfassungsrecht und Gewohnheitsrecht | 131 | ||
I. Jellinek und die normative Kraft des Faktische | 132 | ||
II. Mögliche Geltungsgründe des „Gewohnheitsrechts“ | 133 | ||
1. Bloßes Vertragsrecht | 133 | ||
2. Positive Einsetzung als rechtsetzender Tatbestand | 134 | ||
3. Nicht-normative Regeln des Seins | 134 | ||
4. Rechtsetzung durch den Volksgeist – die historische Rechtsschule | 135 | ||
III. Zwischenergebnis | 136 | ||
E. Recht und Sprache – Parallelen zwischen zwei Kulturgütern | 137 | ||
F. Zwischenergebnis | 140 | ||
Kapitel 5: Verfassung und Volk | 141 | ||
A. Das Volk vor oder über der Verfassung | 141 | ||
B. Das Volk nach oder in der Verfassung | 143 | ||
C. Zwischenergebnis | 145 | ||
Kapitel 6: Verfassung und Staat | 147 | ||
A. Der Staat als Völkerrechtssubjekt | 147 | ||
I. Der Staat als Verkörperung des Ganze | 147 | ||
II. Souveränität nach innen und auße | 148 | ||
III. Die Analogie zum Mensche | 150 | ||
IV. Die Identität des Staates | 151 | ||
V. Entstehung und Untergang von Staate | 151 | ||
B. Der Staat im staatsrechtlichen Sinne | 154 | ||
I. Staatlichkeit als das durch die Rechtsordnung Vergemeinschaftete | 154 | ||
II. Staatlichkeit als Gegensatz zu Privatheit | 155 | ||
III. Gemeinwohlverpflichtung alles Staatliche | 156 | ||
C. Folgerung | 157 | ||
Kapitel 7: Recht und Demokratie | 159 | ||
A. Demokratie als Herrschaft des Volkes | 159 | ||
I. Demokratie als normatives Prinzip | 160 | ||
II. Streit um Begrifflichkeiten? | 163 | ||
III. Demokratische Legitimatio | 165 | ||
1. Kopplung allen Rechts an den Willen des Volkes | 166 | ||
2. Gleichwertigkeit aller Stimmen | 167 | ||
IV. Der Dualismus von rechtlicher und demokratischer Legitimatio | 168 | ||
V. Repräsentation und Parlamentarismus | 170 | ||
B. Das Majoritätsprinzip | 174 | ||
I. Grundlagen des Mehrheitsprinzips | 174 | ||
II. Die einfache Mehrheit als Wesensmerkmal der Demokratie – „demokratische Legitimität“ | 180 | ||
III. Bedeutung der relativen Mehrheit | 187 | ||
IV. Legitimitätsmittlung und Legitimitätsstufe | 190 | ||
C. Zwischenergebnis | 190 | ||
Kapitel 8: Die internationale Dimension – Die Europäische Union als Rechtsordnung? | 191 | ||
A. Der völkerrechtliche Hintergrund | 191 | ||
B. Umriss der Problematik | 193 | ||
C. Legitimation des EU-Rechts | 194 | ||
I. Allgemeines zum Verhältnis von EU-Recht und nationalem Recht | 194 | ||
II. Die Legitimation des Primärrechts | 195 | ||
III. Die Legitimation des Sekundärrechts | 197 | ||
D. Konsequenz für die Frage der Rechtsordnung – die no-demos-These | 200 | ||
E. Keine (Bürger-)Verfassung auf völkerrechtlichem Fundament | 204 | ||
F. Probleme der Demokratisierung der EU – Ausdruck des nicht vorhandenen europäischen Volkes | 204 | ||
G. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung – Ausdruck der einzelstaatlichen Souveränität | 208 | ||
H. Zwischenergebnis | 209 | ||
Kapitel 9: Die Änderung der Verfassung (abstrakt) | 211 | ||
A. Mögliche Objekte einer Änderung | 211 | ||
I. Austausch der verfassunggebenden Gewalt | 211 | ||
II. Austausch oder Änderung der Verfassung im materiellen Sinne | 212 | ||
III. Änderung lediglich der Verfassung im formellen Sinne | 213 | ||
IV. Gegenstand weiterer Betrachtung | 214 | ||
B. Die Begriffe: Verfassunggebung und Verfassungsänderung | 214 | ||
I. Verfassungsänderung gleich Verfassunggebung | 214 | ||
II. Die Möglichkeit der Delegierung einer Änderungskompetenz | 215 | ||
1. Normale delegierte Kompetenz | 216 | ||
2. Deklaratorischer Hinweis auf die eigene Änderungskompetenz | 216 | ||
3. Konstitutive Reglung der eigenen Kompetenz? | 217 | ||
4. Echte Änderungskompetenz | 217 | ||
5. Bewertung | 217 | ||
C. Begriffliche Alternativen für „Verfassunggebung“ und „Verfassungsänderung“ | 221 | ||
D. Zwischenergebnis | 222 | ||
Kapitel 10: Die Rechtsordnung des Grundgesetzes | 223 | ||
A. Das Grundgesetz zwischen Verfassung im materiellen Sinne und Verfassung im formellen Sinne | 223 | ||
B. Der materielle Verfassungsgehalt des Grundgesetzes | 226 | ||
I. Befund einzelner Gewährleistunge | 227 | ||
1. Menschenwürde | 228 | ||
2. Demokratieprinzip | 229 | ||
3. Rechtsstaatsprinzip | 229 | ||
4. Gewaltenteilung | 230 | ||
5. Grundrechte | 231 | ||
6. Sozialstaatsprinzip bzw. Solidaritätsgedanke | 231 | ||
7. Föderalismus-/Bundesstaatsprinzip | 231 | ||
8. Gesetzgebungsverfahre | 232 | ||
9. Verfahren der Verfassungsänderung | 232 | ||
II. Art. 79 Abs. 3 GG selbst? | 233 | ||
C. Die Setzung des materiellen Verfassungsrechts | 235 | ||
D. Die Legitimation des formellen Verfassungsrechts | 235 | ||
I. Legitimation aus eigener Kraft | 236 | ||
1. Die „verfassungsändernde Gewalt“ | 237 | ||
2. Das Ur-Grundgesetz | 238 | ||
II. Anforderungen des materielle Verfassungsrechts | 239 | ||
1. Ablehnung des Art. 79 Abs. 1, 2 GG als konstitutive Bestimmung | 239 | ||
2. Das Demokratieprinzip als konstitutive Bestimmung | 240 | ||
III. Anwendung auf die Genese des Grundgesetzes | 245 | ||
1. Ausarbeitung und Annahme durch den Parlamentarischen Rat | 246 | ||
2. Annahme durch die westdeutschen Lände | 248 | ||
3. Ausfertigung durch den Parlamentarischen Rat und Inkrafttrete | 250 | ||
4. Nachträgliche Legitimation durch Bundestagswahl und Verfassungskonsens | 251 | ||
IV. Anwendung auf die „verfassungsändernde Gewalt“ | 252 | ||
1. Das Problem der Zweidrittelmehrheit | 252 | ||
2. Subjektiver Tatbestand des Organs | 253 | ||
V. Ergebnis zur rechtlichen Legitimation des formellen Verfassungsrechts | 255 | ||
E. Das Verhältnis von formellem Verfassungsrecht und einfachem Parlamentsrecht | 256 | ||
I. Die Legitimation des einfachen Rechts aus der Verfassung im formellen Sinne | 257 | ||
II. Die zwei gesetzgebenden Funktionen des Bundestages | 258 | ||
F. Das einfache Parlamentsrecht und die Rechtsverordnung | 260 | ||
Kapitel 11: Der Dualismus von rechtlicher und demokratischer Legitimität in der Rechtsordnung des Grundgesetzes | 261 | ||
A. Die demokratische Legitimität des Verfassungsrechts im materiellen Sinne | 262 | ||
B. Das Verfassungsrecht im formellen Sinne | 262 | ||
I. Das Ur-Grundgesetz | 262 | ||
II. Art. 79-Recht | 263 | ||
III. Bewertung | 264 | ||
C. Das einfache Parlamentsrecht | 265 | ||
D. Die Rechtsverordnung | 266 | ||
E. Das Verhältnis von formellem Verfassungsrecht und einfachem Parlamentsrecht | 266 | ||
I. Geltungsvorrang bei gleicher demokratischer Legitimität | 266 | ||
II. Tatsächlicher und vermeintlicher Zusammenhang von Legitimation, erhöhter Geltungskraft und erhöhter Bestandskraft | 267 | ||
F. Ergebnis | 272 | ||
Fazit und Ausblick | 274 | ||
A. Der Charakter des formellen Verfassungsrechts | 274 | ||
B. Grenzen der Änderung des Verfassungsrechts | 274 | ||
C. Optionen | 275 | ||
I. Volksentscheid | 276 | ||
II. Volksversammlung (als zur Verfassungsänderung gewähltes Organ) | 277 | ||
III. Doppelte Parlamentsmehrheit | 278 | ||
Zusammenfassende These | 280 | ||
Literaturverzeichnis | 282 | ||
Sachwortverzeichnis | 291 |