Grundrechte in der mobilen Gesellschaft
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Grundrechte in der mobilen Gesellschaft
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 717
(1997)
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Abstract
Der Automobilverkehr hat den Freiheits- und Wohlstandsvisionen unserer hochmobilen und individualistischen Gesellschaft in besonders anschaulicher Form Gestalt verliehen. Zugleich belasten die Folgen der Auto-Mobilität die auf sozialverträgliches Verhalten ausgelegte Freiheitsordnung des Grundgesetzes. In diesem Konflikt um Nutzen und Nachteil der Auto-Mobilität stehen nicht nur Fußgängern und Anwohnern, sondern auch den Autofahrern Grundrechte zur Seite.Der Mobilitätsgehalt der Grundrechte wird am Beispiel eines flächendeckenden Fahrverbots für den Kraftfahrzeugverkehr untersucht. Dazu wird zunächst ein Blick auf die verwaltungsrechtlichen Instrumentarien und ihre Rechtmäßigkeitsanforderungen geworfen. Am Ende steht die Frage, ob sich die aus den einzelnen Grundrechtsgarantien extrahierten Mobilitätsgehalte zu einer eigenständigen Mobilitätsgewähr, einem »Grundrecht auf Mobilität«, verdichten lassen.Auto-Mobilität spielt in die Freiheitsgehalte vieler Grundrechtsgarantien hinein. Beschränkungen der Auto-Mobilität können die Eigentumsgarantie, die Freizügigkeit, die Versammlungsfreiheit, die Berufsfreiheit und nicht zuletzt die allgemeine Handlungsfreiheit berühren. Bei der konkreten Bemessung des Grundrechtsschutzes der Auto-Mobilität treten zentrale Fragen der Grundrechtsdogmatik in den Vordergrund. Die vielfältigen Konkurrenzprobleme verlangen eine überzeugende Radizierung der grundrechtlichen Schutzbereiche. Nach dogmatisch konsequenten und zugleich praktikablen Lösungen rufen der Schutzgehalt und der Schutzumfang des Anliegerrechts, der Begriff des Grundrechtseingriffs sowie die Abgrenzung von Freiheit und Teilhabe. Schließlich rührt die Frage nach einem Grundrecht auf Mobilität als eigenständiger Freiheitsgewähr an die Grenzen der Grundrechtsfortbildung.Die abschließenden Überlegungen de constitutione ferenda gelangen zu einer rechtspolitischen und verfassungssystematischen Würdigung des Grundrechtsschutzes für die Auto-Mobilität.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Erster Teil: Vorbemerkungen | 19 | ||
A. Automobilverkehr in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion | 19 | ||
B. Automobilverkehr als (Grund-)Rechtsproblem | 25 | ||
Zweiter Teil: Die verwaltungsrechtlichen Instrumente | 29 | ||
A. Verkehrspolitik auf dem Weg zur „autofreien Innenstadt" | 29 | ||
B. Verwaltungsrechtliche Grundlagen der „autofreien Innenstadt" | 32 | ||
I. Immissionsschutzrecht | 32 | ||
1. Instrumente des gebietsbezogenen Immissionsschutzes (§§ 44 ff. BImSchG) | 33 | ||
2. Verkehrsbeschränkungen auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 und 2 BImSchG | 34 | ||
II. Straßenverkehrsrecht | 35 | ||
1. Der ordnungsrechtliche Charakter von § 45 StVO | 37 | ||
2. Der „Vorbehalt des Straßenrechts" | 39 | ||
a) Grundsatz | 39 | ||
b) Einzelne Schlußfolgerungen | 40 | ||
III. Straßen-und Wegerecht | 41 | ||
1. Umstufung in Form der Abstufung | 41 | ||
a) Voraussetzungen und Inhalt einer Abstufung | 42 | ||
b) Die Sonderregelung im BayStrWG und im SächsStrG | 44 | ||
2. Nachträgliche Widmungsbeschränkung durch Teileinziehung | 45 | ||
a) Rechtsgrundlagen | 45 | ||
b) Inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten | 46 | ||
c) Materielle Voraussetzungen | 48 | ||
IV. Bauplanungsrecht | 51 | ||
1. Zum Verhältnis von planungsrechtlicher Ausweisung und straßenrechtlicher Verfügung von Fußgängerbereichen | 52 | ||
2. Materielle Voraussetzungen | 53 | ||
V. Ergebnis | 54 | ||
Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer | 55 | ||
A. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG | 56 | ||
I. Autofahren als Nutzung verfassungsgeschützten Eigentums | 56 | ||
1. Zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentum | 56 | ||
2. Der grundrechtliche Schutz des Autofahrens als ein Problem der Grundrechtskonkurrenz | 58 | ||
3. Die „autofreie Innenstadt" als Nutzungsbeschränkung | 62 | ||
II. Zum eigentumsrechtlichen Schutz der gewerblichen Auto-Mobilität | 63 | ||
1. Autofahren als gewerbliche Nutzung von Kraftfahrzeugen | 65 | ||
2. Beschränkungen der Auto-Mobilität als Eingriff in den Unternehmensbestand | 65 | ||
3. Schutz des Vertrauens auf Fortbestand des Kraftfahrzeugverkehrs in der Innenstadt | 68 | ||
III. Auto-Mobilität als Ausübung des Anliegerrechts | 69 | ||
1. Eigentumsrechtlicher Schutz des Anliegerrechts | 69 | ||
a) Kernbereich und angemessene Grundstücksnutzung | 71 | ||
b) Grundlinien für die Bestimmung der „angemessenen" Grundstücksnutzung | 74 | ||
c) Der Kreis der Berechtigten | 74 | ||
d) Der eigentumsrechtlich geschützte Umfang des Anliegerrechts | 75 | ||
aa) Das Anliegerrecht der privaten Anlieger | 76 | ||
(1) Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen | 77 | ||
(2) Zumutbarkeit der Fußwege | 78 | ||
(3) Folgerungen | 79 | ||
bb) Das Anliegerrecht der gewerblichen Anlieger | 79 | ||
cc) Einzelne Aspekte der Ausgestaltung von Innenstadtsperrungen | 82 | ||
2. Qualifikation des grundrechtlichen Anliegerschutzes: vom Abwehrrecht zur institutionellen Garantie des Anliegerrechts | 83 | ||
a) Von der institutionellen Garantie des schlichten Gemeingebrauchs zur institutionellen Garantie des Anliegerrechts | 85 | ||
b) Übermaßverbot und institutionell gewährleisteter Kernbereich | 86 | ||
c) Fazit zur Anliegerrechtsprechung des BVerwG: Das „alles oder nichts"-Prinzip | 88 | ||
3. Verfassungsrechtliche Verwirklichung des Anliegerrechts | 89 | ||
4. Einfachgesetzliche Verwirklichung des Anliegerrechts | 90 | ||
B. Freizügigkeit, Art. 11 GG | 91 | ||
I. Der Schutzgehalt der Freizügigkeit | 92 | ||
II. Verkehrsmittelfreiheit als „Ausstrahlung" der Freizügigkeit? | 93 | ||
C. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG | 96 | ||
I. Auto-Mobilität im Vorfeld der Versammlung | 96 | ||
II. Auto-Mobilität als Ausfluß des Straßenbenutzungsrechts von Versammlungen | 97 | ||
1. Inhalt und Umfang des Straßenbenutzungsrechts: Kraftfahrzeug- Demonstration im Fußgängerbereich | 97 | ||
2. Schutzwirkung des Straßenbenutzungsrechts | 101 | ||
a) Der Geltungsanspruch des Straßenrechts | 102 | ||
b) Exkurs: Der Geltungsanspruch des Straßenverkehrsrechts | 103 | ||
III. Schlußbemerkung | 104 | ||
D. Berufsfreiheit, Art. 12 GG | 104 | ||
I. Schutzbereich | 105 | ||
1. Auto-Mobilität im Vorfeld der Berufsfreiheit: die Fahrt zur Arbeitsstätte | 105 | ||
2. Auto-Mobilität als Ausdruck der Berufsfreiheit | 107 | ||
II. Eingriff in den Schutzbereich | 109 | ||
1. Eingriffsqualität allgemein ausgesprochener Verkehrsbeschränkungen | 110 | ||
a) Berufsregelnde Tendenz als Eingriffsvoraussetzung des BVerfG | 110 | ||
b) Fortführung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für allgemeine Beschränkungen der Auto-Mobilität | 111 | ||
c) Grundrechtsrelevanter Eingriff in Art. 12 GG auch bei gleichzeitiger Beeinträchtigung von privater und beruflicher Freiheitsausübung | 113 | ||
aa) Finalität als Kriterium des Grundrechtseingriffs? | 113 | ||
bb) Der Kreis der Betroffenen als Kriterium für den Grundrechtseingriff? | 115 | ||
2. Eingriffsstufe | 117 | ||
III. Die Intensität des Grundrechtsschutzes für die berufliche Auto-Mobilität: zu den Maßstäben der verfassungsrechtlichen Eingriffsrechtfertigung | 119 | ||
1. Grundrechtskontrolle bei gesetzesgebundenen Exekutivakten: straßenrechtliche Inkorporierung der verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäbe | 120 | ||
2. Kontrollmaßstab für Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit: Stufentheorie oder Übermaßverbot? | 122 | ||
3. Zur Wirkungsweise des Übermaß Verbots zum Schutz beruflicher Auto-Mobilität gegen Verkehrsgestaltungsentscheidungen | 124 | ||
a) Geeignetheit | 124 | ||
aa) Zwecksetzungsfreiheit der Verwaltung für verkehrspolitische Gestaltungsentscheidungen | 124 | ||
bb) Vereinbarkeit der verkehrspolitischen Zweckoffenheit mit der Zwecksetzungstypik der Stufenlehre | 125 | ||
cc) Eignung der Innenstadtsperrung zur Verkehrsberuhigung: Verkehrsverlagerung und gerichtliche Kontrolldichte | 127 | ||
dd) Nachwirkungen des Prognosespielraums: Pflicht zum „Nachfassen" | 130 | ||
b) Erforderlichkeit | 131 | ||
aa) Das ordnungsrechtliche Verbot im Vergleich mit weniger zwingenden Handlungsformen | 132 | ||
bb) Der Anwendungsbereich des Fahrverbots | 133 | ||
c) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne | 135 | ||
aa) Schwere des Eingriffs | 135 | ||
bb) Zurückdrängung der Auto-Mobilität: Ordnungsziel als öffentliches Interesse oder Selbstzweck? | 136 | ||
cc) Öffentliche Interessen an der Aufrechterhaltung beruflicher Auto-Mobilität | 139 | ||
(1) Die Sonderrechte aus § 35 StVO | 139 | ||
(2) Das öffentliche Interesse am Gelegenheitsverkehr mit Taxen | 142 | ||
IV. Fazit: Der Grundrechtsschutz für die berufliche Straßennutzung als Einspruchsbefugnis und Aktualisierung der Gemeinwohlpflichtigkeit | 145 | ||
E. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG | 147 | ||
F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG | 148 | ||
I. Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 GG | 149 | ||
1. Sachliche Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG | 149 | ||
2. Persönliche Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG: Grundrechtsschutz für die berufliche Auto-Mobilität von Ausländern | 151 | ||
II. Schutzgehalt und Schutzrichtung von Art. 2 Abs. 1 GG | 152 | ||
1. Unbenannte Ausprägungen des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit | 152 | ||
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht | 153 | ||
b) Das „Grundrecht auf Mobilität" | 154 | ||
2. Freie Persönlichkeitsentfaltung und allgemeine Handlungsfreiheit: „Reiten im Walde" und Autofahren | 155 | ||
3. Grundrechtsschutz der Straßennutzung zwischen Freiheit und Teilhabe | 158 | ||
a) Gemeingebrauch in der Tradition des derivativen Teilhaberechts | 159 | ||
b) Gemeingebrauch zwischen Freiheit und Teilhabe | 160 | ||
aa) Freiheit auf der Basis von Teilhabe | 160 | ||
bb) Gemeingebrauch als „natürliche" Freiheit | 161 | ||
cc) Unterschiedliche Gewährleistungsdimensionen des Gemeingebrauchs | 162 | ||
c) Straßennutzung als Grundrechtsvoraussetzung der Fortbewegungsfreiheit | 164 | ||
aa) Straßennutzung im Spiegel der speziellen Freiheitsgrundrechte | 164 | ||
bb) Zur Einbeziehung von Grundrechtsvoraussetzungen in den grundrechtlichen Abwehranspruch | 165 | ||
cc) Straßenbenutzung als von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrechtsvoraussetzung für die Auto-Mobilität | 168 | ||
d) Fazit | 169 | ||
4. Umweltnutzung zwischen Freiheit und Teilhabe | 169 | ||
5. Nachtrag: „Umweltpflichtigkeit" und „Polizeipflichtigkeit" der Auto- Mobilität? | 172 | ||
6. Ergebnis | 175 | ||
III. Zur Einschränkbarkeit der Auto-Mobilität | 175 | ||
1. Absolute Grenzen für die verkehrspolitische Gestaltungsfreiheit | 176 | ||
a) Kernbereich privater Lebensgestaltung | 176 | ||
b) Institutionelle Garantie des Gemeingebrauchs | 177 | ||
2. Das Übermaßverbot als Schranken-Schranke für Eingriffe in die private Auto-Mobilität | 179 | ||
a) Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität über Art. 2 Abs. 1 GG im Spiegel der Rechtsprechung | 179 | ||
b) Beschränkungen der Auto-Mobilität in der abstrakten Rechtsgüterabwägung zwischen individuellem Freiheitsanspruch und Gemeinwohl | 182 | ||
c) Zumutbarkeitserwägungen | 183 | ||
aa) Zumutbarkeit von Fußwegen | 184 | ||
bb) Berücksichtigung von Sonderbetroffenheiten: Die Rechtstellung Gehbehinderter | 184 | ||
G. Resümee: „Autofreie Innenstadt" und Grundrechtsschutz für die Auto- Mobilität | 187 | ||
Vierter Teil: „Grundrecht auf Mobilität"? | 189 | ||
A. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität - eine Bestandsaufnahme | 189 | ||
I. Grundrechte und Multifunktionalität der Auto-Mobilität | 189 | ||
II. Auto-Mobilität im Spektrum der grundrechtlichen Schutzbereiche | 191 | ||
1. Mobilität und Auto-Mobilität im Vorfeld grundrechtlicher Freiheitsausübung | 191 | ||
2. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität als Verkehrsmittelwahlfreiheit | 193 | ||
III. Rechtfertigungsfähigkeit staatlicher Eingriffe in die Auto-Mobilität | 194 | ||
B. Vom Grundrechtsschutz für die Mobilität zum „Grundrecht auf Mobilität" | 195 | ||
I. „Grundrecht auf Mobilität" und induktive Grundrechtsbegründung nach Ronellenfitsch | 195 | ||
II. Begründung neuer Grundrechtsgehalte im Spiegel von Rechtsprechung und Schrifttum | 196 | ||
1. Methodische Bedenken der Literatur gegen das „Grundrecht auf Mobilität" | 197 | ||
2. Unbenannte Freiheitsrechte und Grundrechtsfortbildung | 199 | ||
a) Überblick | 199 | ||
b) Versuch einer Systematisierung | 201 | ||
aa) Allgemeine Handlungsfreiheit und „unbenannte" Freiheitsrechte | 201 | ||
(1) „Unbenannte" Freiheitsrechte und Handlungsbeschreibungen bei Art. 2 Abs. 1 GG | 202 | ||
(2) „Unbenanntes" Freiheitsrecht auf Mobilität und Autofahren? | 204 | ||
bb) Grundrechtsschöpfung aus mehreren Grundrechten | 205 | ||
(1) Das „einheitliche Grundrecht" | 206 | ||
(2) Zusammenwirken idealkonkurrierender Grundrechte zum „Wirkungsverbund" | 207 | ||
(3) Verklammerung von Grundrechtsvoraussetzungen | 208 | ||
c) Ausblick: Grundrecht auf Mobilität de constitutione ferenda? | 210 | ||
Literaturverzeichnis | 213 | ||
Sachverzeichnis | 241 |