Parteiautonomie
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Parteiautonomie
Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts
Schriften zur Rechtsgeschichte, Vol. 66
(1995)
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Abstract
Die Parteiautonomie im internationalen Schuldvertragsrecht, also die Möglichkeit der Vertragsschließenden, das auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Recht selbst zu bestimmen, ist im Schnittpunkt des materiellen und internationalen Privatrechts angesiedelt. Zur Rechtfertigung der Lehre von der Parteiautonomie wurde auch auf philosophische und wirtschaftliche Aspekte zurückgegriffen. Im ersten Teil der Arbeit werden daher der Begriff der Autonomie sowie deren philosophische und sozio-ökonomische Grundlagen, soweit sie für das deutsche Privatrecht des 19. Jahrhunderts maßgeblich sind, untersucht. Die Entstehung des "Schwellenbereichs" zwischen den beiden Arten der Parteiautonomie, die heute als materiellrechtliche und kollisionsrechtliche Rechtswahl bekannt sind, wird in einem zweiten Teil näher untersucht. Die Lehre von der Parteiautonomie ist dabei vor dem Hintergrund der Entwicklung des "ordre public" im 19. Jahrhundert zu sehen: Indem die Lehre diesem Institut schärfere Konturen im Rahmen des internationalen Privatrechts verlieh, konnte sich der Parteiwille von den Fesseln des zwingenden nationalen Rechts zunehmend befreien. Dabei wird auch die Rolle von Rechtsprechung und Gesetzgebungsvorhaben berücksichtigt. Neben einem primär positivistischen Verständnis der kollisionsrechtlichen Rechtswahl, das zunächst der tragende Pfeiler bei der Überwindung der Theorie einer rein materiellrechtlichen Rechtswahl war, ist die Berücksichtigung der anthropozentrischen Interessen angesichts der Bedeutung der Parteiautonomie unverzichtbar. Diese tiefere Grundlegung spiegelt auch der Wandel des Parteiwillens vom bloßen Anknüpfungselement im Rahmen der "Lokalisierung" von Schuldverträgen hin zu einem vielschichtigen Gestaltungsfaktor im Rechtsanwendungsrecht wider und ist Gegenstand des dritten Teils der Arbeit. Die Diversifikation des Parteiwillens und die Verlagerung der Schrankenproblematik sind die dogmatischen Ausdrucksformen dieses Funktionswandels, dem die Parteiautonomie im internationalen Schuldvertragsrecht unterliegt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungs- und Zeitschriftenverzeichnis | 12 | ||
Einleitung | 19 | ||
§ 1. Die Parteiautonomie als Thema | 19 | ||
§ 2. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung | 20 | ||
§ 3. Bemerkungen zur Methode | 21 | ||
A. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts | 24 | ||
§ 1. Der Begriff der Autonomie im Privatrecht | 24 | ||
I. Der weite und der enge Autonomiebegriff | 24 | ||
II. Der Begriff der Privatautonomie | 25 | ||
§ 2. Die Grundlegung des Autonomiegedankens | 26 | ||
I. Die Philosophie Kants | 27 | ||
1. Das Prinzip der Autonomie bei Kant | 27 | ||
2. Der Einfluß des Autonomie-Prinzips auf das Privatrecht und das Kollisionsrecht | 28 | ||
II. Weitere ideengeschichtlich orientierte Begründungsansätze der kollisionsrechtlichen Autonomie | 32 | ||
III. Die sozio-ökonomischen Aspekte der privatrechtlichen Freiheit | 33 | ||
§ 3. Die Autonomie des Willens und die Rechtsordnung | 35 | ||
I. Die positive, originäre Kraft des Willens | 35 | ||
II. Die dogmatische Einbindung des Willens in die Rechtsordnung | 36 | ||
1. Der Standort des Willens | 36 | ||
a) Die derivative Stellung des Willens | 36 | ||
b) Husserl: Die geltungserzeugende Kraft der Verträge | 38 | ||
2. Das Problem einer Systematisierung der Schranken | 40 | ||
B. Der Parteiwille und die zwingenden Normen im System des internationalen Schuldvertragsrechts vor Etablierung der kollisionsrechtlichen Verweisung | 43 | ||
§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts | 43 | ||
I. Einführung | 43 | ||
1. Die Ansichten über das Erscheinen des Parteiwillens im Kollisionsrecht | 43 | ||
2. Die Terminologie und ihre Kritik | 45 | ||
a) Die kollisionsrechtliche Rechtswahl, die materiellrechtliche Rechtswahl | 46 | ||
b) Die unechte Rechtswahl | 49 | ||
c) Die mittelbare Rechtswahl | 49 | ||
II. Der methodologische Ausgangspunkt: Der Übergang von der Statutentheorie zur Lehre von den Kollisionsnormen | 51 | ||
1. Neuansatz und Elemente der Kontinuität bei v. Wächter | 51 | ||
2. v. Savigny | 56 | ||
a) Die Grundsätze | 56 | ||
b) Beurteilung durch die Lehre | 58 | ||
c) Stellungnahme und Folgerungen für den Parteiwillen als Grundsatz | 61 | ||
§ 2. Schranken | 64 | ||
I. Einführung | 64 | ||
II. Die Prohibitivgesetze als Schranken der Parteivereinbarungen | 65 | ||
III. Die Entdeckung des undifferenzierten ordre public als Element des kollisionsrechtlichen Systems: Die Lehre von den Prohibitivgesetzen bei v. Wächter und v. Savigny | 67 | ||
1.v. Wächter | 67 | ||
2. v. Savigny | 71 | ||
IV. Die romanische Schule des ordre public | 75 | ||
V. Die Konkretisierung zwingender Normen im Hinblick auf die Lehre vom ordre public | 77 | ||
VI. Zusammenfassung und Stellungnahme | 83 | ||
§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration des Parteiwillens im Obligationenrecht | 85 | ||
I. Der "Auslandsbezug" | 85 | ||
II. Die Vereinbarung über das anwendbare Recht | 90 | ||
1. Die "freiwillige Unterwerfung" bei v. Savigny | 90 | ||
a) Die Konzeption v. Savignys und ihre Offenheit für den Parteiwillen | 90 | ||
b) Die Kritik im Hinblick auf die Grenzen der Unterwerfung | 93 | ||
c) Die Kritik der "präsumtiven" Unterwerfung | 95 | ||
2. Die Verbreitung und Strukturierung der Unterwerfung | 98 | ||
a) Die Anerkennung und Rechtfertigung des Parteiwillens | 98 | ||
b) Der Verweisungsvertrag bei Zitelmann | 102 | ||
III. Der Parteiwille und die ihn beschränkenden Rechtsordnungen | 103 | ||
1. Die lex fori | 103 | ||
2. Die lex loci contractus | 106 | ||
3. Die lex loci solutionis | 108 | ||
4. Sonstige Lösungen | 109 | ||
IV. Die Bedeutung des gewählten Rechts bei der rein materiellrechtlichen Rechtswahl | 111 | ||
1. Die Geltung des vereinbarten Rechts | 111 | ||
a) Die Geltung als Vertragsbestandteil oder als "Recht" | 111 | ||
b) Der Geltungsumfang und die Spaltung des Vertragsstatuts | 113 | ||
2. Exkurs: Die Frage nach der Revisibilität | 114 | ||
3. Das Verhältnis des gewählten Rechts zu besonderen Instituten des IPR | 117 | ||
a) Das Formstatut und die lex causae | 117 | ||
b) Das Handeln in fraudem legis und der ordre public | 118 | ||
c) Der Renvoi | 120 | ||
d) Die Anwendung vertragsstatutsfremden zwingenden Rechts | 122 | ||
V. Ergebnis | 125 | ||
§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung | 126 | ||
I. Vorbemerkung | 126 | ||
II. Die Stellung des Parteiwillens in der Rechtsprechung | 127 | ||
1. Die Priorität des Parteiwillens | 127 | ||
2. Die Schranken der Parteivereinbarungen | 130 | ||
III. Die Bedeutung der Rechtsprechung für die Entwicklung der Willensdogmatik | 135 | ||
1. Die allgemeine Einschätzung durch die Literatur | 135 | ||
2. Die Bewertung durch die Spezialliteratur zum internationalen Obligationenrecht | 136 | ||
3. Eigene Stellungnahme | 137 | ||
§ 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts | 140 | ||
I. Die bestehenden Kodifikationen auf der Ebene der Einzelstaaten | 140 | ||
II. Die privaten Entwürfe | 141 | ||
1. Mommsen | 141 | ||
2. Rocholl | 141 | ||
3. Niemeyer | 142 | ||
4. Neumann | 142 | ||
III. Die Entwürfe und Beratungen in den Kommissionen | 143 | ||
1. Die Entwürfe bis zur Einsetzung der IPR-Kommission | 143 | ||
a) Die Vorentwürfe Gebhards | 143 | ||
b) Die Beratungen und der Entwurf der 1. Kommission | 145 | ||
c) Die Beratungen und der Entwurf der 2. Kommission | 147 | ||
2. Die "IPR-Kommission" | 147 | ||
IV. Zusammenfassung und eigene Stellungnahme | 149 | ||
C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie im neueren IPR der Schuldverträge | 151 | ||
§ 1. Die Überwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung | 151 | ||
I. Die positivistische Rechtfertigung der kollisionsrechtlichen Verweisung | 152 | ||
1. Das Zurückstellen logischer Bedenken | 152 | ||
2. Die Distanzierung vom hypothetischen Parteiwillen als Ausdrucksform der Parteiautonomie | 155 | ||
II. Die Interessen des Kollisionsrechts als Rechtfertigung | 157 | ||
1. Die Rechtssicherheit | 157 | ||
2. Die Praktikabilität | 158 | ||
III. Die Interessen der Parteien als Rechtfertigung | 159 | ||
1. Die ökonomischen Interessen | 159 | ||
2. Die antropozentrischen Interessen | 161 | ||
§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik | 164 | ||
I. Der Auslandsbezug | 164 | ||
1. Der Auslandsbezug als Kriterium zur Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen | 164 | ||
a) Von der objektiven Verknüpfung zum legitimen Interesse | 164 | ||
b) Der Gleichlauf von Gerichtsstand und gewähltem Recht | 167 | ||
2. Der Auslandsbezug als Kriterium der Beschränkung der Rechtswahl selbst | 168 | ||
a) Der Auslandsbezug als Voraussetzung des Kollisionsrechts | 168 | ||
b) Der Auslandsbezug als Voraussetzung der kollisionsrechtlichen Verweisung | 169 | ||
c) Die Parteiautonomie in Art. 27 Absatz 1 EGBGB | 172 | ||
II. Die Diversifikation der Rechtswahl und der Rückgriff auf die materiellrechtliche Verweisung | 176 | ||
1. Die Teilverweisung | 176 | ||
2. Die zeitliche Arretierung oder Veränderung des Vertragsstatuts | 178 | ||
3. Der "rechtsordnungslose" Vertrag | 180 | ||
4. Die Wahl eines Kollisionsrechts | 184 | ||
III. Sonderanknüpfungen und Eingriffsnormen als inhaltliche Schranken der Rechtswahl | 186 | ||
1. Sonderanknüpfungen | 186 | ||
a) Allgemeine Wirkung | 186 | ||
b) Die Anwendungsgrenzen der Sonderanknüpfungen und das Verhältnis der Anknüpfungen zwingender Bestimmungen am Beispiel des Art. 29 I EGBGB | 189 | ||
2. Eingriffsnormen | 192 | ||
Schluß | 196 | ||
Literaturverzeichnis | 198 | ||
Personenregister | 220 | ||
Chronologisierte Auswahlbibliographie | 222 | ||
Personenindex zur Auswahlbibliographie | 231 |