Schätzungen im Rahmen der Schuldfeststellung am Beispiel der Rechtsprechung des BGH zu Vermögensdelikten und Serienstraftaten
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Schätzungen im Rahmen der Schuldfeststellung am Beispiel der Rechtsprechung des BGH zu Vermögensdelikten und Serienstraftaten
Schriften zum Strafrecht, Vol. 319
(2018)
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Dennis Federico Otto studierte Rechtswissenschaften in Mailand, Konstanz, Berlin und Bologna. Nach dem ersten Staatsexamen arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Kriminologie und Strafrecht von Herrn Professor Hoffmann-Holland an der Freien Universität Berlin sowie als Repetitor beim privaten Repetitorium von Lilien & Kraatz. Zurzeit ist er als Referendar mit einem Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht tätig.Abstract
Die zentrale Aufgabe des deutschen Strafprozesses besteht in der Ermittlung der materiellen Wahrheit. Gleichzeitig verlangt der Grundsatz der richterlichen Überzeugung für den Fall einer Verurteilung die (persönliche) Gewissheit des Richters in Bezug auf alle entscheidungserheblichen Tatsachen. Vor diesem Hintergrund muss die Tatsache, dass Schätzungen als Mittel der Wahrheitsfindung von der Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen des Strafprozesses anerkannt werden, aufhorchen lassen, versteht man doch unter dem Begriff der Schätzung einen Versuch der Annäherung an die Wirklichkeit aufgrund von Wahrscheinlichkeitserwägungen. Dies erscheint auf den ersten Blick als unauflösbarer Widerspruch. Der Autor untersucht in seiner grundlegenden Arbeit die Vereinbarkeit dieser Praxis mit den Strukturprinzipien des Strafprozessrechtes. Anders als dies bisher in der Fachdebatte um die Schätzung im Strafprozess der Fall war, wird dabei nicht die Methode der Schätzung, sondern die Natur des zu schätzenden Faktors in den Vordergrund gerückt.»Estimations as Means for Determining Guilt on the Basis of the Jurisdiction of the German Federal Court of Justice (Bundesgerichtshof) Using the Example of Criminal Offences against Property and Serial Criminal Offences«The core task of the German criminal court proceedings is the pursuit of substantive truth. Bearing this in mind, it is noteworthy that under specific circumstances estimations can be used by German criminal courts as legitimate means for determining guilt. This seems to violate the legal principal of establishing precise and objective facts. The author analyses the compatibility of this practice with the structural principles of German criminal procedural law.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsübersicht | 3 | ||
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
A. Einleitung und Gang der Bearbeitung | 13 | ||
B. Grundlagen | 16 | ||
I. Der Begriff der Schätzung | 16 | ||
1. Allgemeines Verständnis der Schätzung | 16 | ||
2. Aufwandsschätzungen in der Projektplanung | 16 | ||
a) PERT-Schätzung | 16 | ||
b) Constructive Cost Model (COCOMO) | 18 | ||
3. Schätzung im mathematischen Sinne, am Beispiel der Maximum-Likelihood-Methode | 19 | ||
4. Die Delphi-Methode | 21 | ||
5. Zusammenfassung | 24 | ||
a) Das Verhältnis des Schätzergebnisses zur Wirklichkeit | 24 | ||
b) Die der Schätzung zugrundeliegende Motivation | 24 | ||
c) Verhältnis zum Begriff der Prognose | 25 | ||
II. Freie Beweiswürdigung, subjektive Überzeugung und materielle Wahrheit im Spannungsverhältnis mit richterlichen Schätzungen | 26 | ||
1. Normbedeutung und Regelungsgehalt des § 261 StPO | 26 | ||
2. Die Freiheit der Beweiswürdigung | 26 | ||
3. Die subjektive Überzeugung des Richters als notwendige, aber nicht allein hinreichende Bedingung | 28 | ||
a) Die einseitig objektive Theorie | 30 | ||
aa) Rechtsprechung | 30 | ||
bb) Literatur | 31 | ||
b) Die einseitig subjektive Theorie | 32 | ||
aa) Rechtsprechung | 32 | ||
bb) Literatur | 33 | ||
c) Die objektivierende Theorie | 33 | ||
aa) Rechtsprechung | 33 | ||
bb) Literatur | 35 | ||
d) Bewertung und Konsequenzen für die richterliche Rechtspraxis der Schätzung | 37 | ||
4. Grundsatz „in dubio pro reo“ | 45 | ||
5. Konsequenzen für die Revisibilität der richterlichen Überzeugungsbildung | 47 | ||
C. Die Schätzklauseln im StGB | 52 | ||
I. Schätzung des Einkommens zur Bestimmung der Tagessatzhöhe gemäß § 40 III StGB | 52 | ||
1. Entstehungsgeschichte | 52 | ||
2. Das Tagessatzsystem | 54 | ||
3. Schätzungen nach § 40 III StGB | 59 | ||
a) Schätzung immensurabler Faktoren | 59 | ||
b) Schätzungen von theoretisch feststellbaren Faktoren, deren exakte Feststellung jedoch praktisch unmöglich ist | 60 | ||
c) Prozessökonomisch motivierte Schätzungen | 61 | ||
4. Schätzverfahren und Darstellung im Urteil | 64 | ||
5. Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der StPO | 66 | ||
a) Grundsatz der richterlichen Überzeugung und Amtsaufklärungspflicht nach §§ 261, 244 II StPO | 66 | ||
aa) Immensurable Faktoren und unüberwindbare Beweisschwierigkeiten | 66 | ||
bb) Prozessökonomisch motivierte Schätzung | 67 | ||
b) Zweifelsgrundsatz | 70 | ||
aa) Zweifelsgrundsatz und Schätzergebnis | 70 | ||
(1) Schätzung als rechtlicher oder tatsächlicher Vorgang | 70 | ||
(2) Zweifelssatz und Wahrscheinlichkeitsurteil | 71 | ||
(a) Immensurable Faktoren und unüberwindbare Beweisschwierigkeiten | 72 | ||
(b) Prozessökonomisch motivierte Schätzungen | 74 | ||
bb) Zweifelsgrundsatz und Schätzgrundlagen | 75 | ||
II. Schätzungen des Sachwertes bei der Wertersatzeinziehung nach § 74c III StGB | 76 | ||
1. Regelungsgehalt und allgemeine Voraussetzungen der Einziehung | 76 | ||
2. Rechtsnatur der Einziehung | 78 | ||
a) Einziehung nach § 74 II Nr. 1 StGB | 78 | ||
b) Einziehung nach § 74 II Nr. 2 StGB | 80 | ||
c) Einziehung nach § 74 III StGB | 80 | ||
d) Einziehung nach § 74a StGB | 81 | ||
3. Wertersatzeinziehung | 81 | ||
a) Allgemeine Voraussetzungen und ratio legis | 81 | ||
b) Rechtsnatur | 82 | ||
c) Schätzungsbefugnis nach § 74c III StGB | 83 | ||
d) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der StPO | 85 | ||
aa) Grundsatz der richterlichen Überzeugung nach § 261 StPO und Amtsermittlungsgrundsatz nach § 244 II StPO | 85 | ||
(1) Immensurable Faktoren und unüberwindbare Beweisschwierigkeiten | 85 | ||
(2) Prozessökonomisch motivierte Schätzungen | 86 | ||
bb) Grundsatz „in dubio pro reo“ | 88 | ||
4. Fazit | 89 | ||
III. Schätzung der Höhe sowie des Umfangs des Erlangten im Zusammenhang mit der Verfallsanordnung nach § 73b StGB | 90 | ||
1. Regelungsgehalt und allgemeine Voraussetzungen des Verfalls | 91 | ||
2. Rechtsnatur | 96 | ||
b) Rechtsnatur des Verfalls vor Einführung des Bruttoprinzips | 96 | ||
b) Rechtsnatur des Verfalls nach Einführung des Bruttoprinzips durch Art. 3 AWG / StGBÄndG | 98 | ||
aa) Rechtsprechung | 98 | ||
bb) Literatur | 99 | ||
(1) Änderung der Rechtsnatur | 99 | ||
(2) Beibehaltung der Rechtsnatur | 102 | ||
(3) Vermittelnde Auffassung | 103 | ||
cc) Stellungnahme | 104 | ||
(1) Die Bestimmung der Rechtsnatur im Allgemeinen | 104 | ||
(2) Die Bestimmung der Rechtsnatur des Verfalls | 107 | ||
c) Konsequenzen aus der partiellen Einordnung des Verfalls als Strafsanktion | 111 | ||
aa) Anrechnung des Verfalls auf die Hauptstrafe | 111 | ||
bb) Weitergeltung des Nettoprinzips | 112 | ||
d) Zwischenergebnis | 113 | ||
3. Schätzungsklausel in § 73b StGB | 114 | ||
b) Hintergrund und Allgemeine Voraussetzungen | 114 | ||
b) Umfang der Schätzungsbefugnis | 116 | ||
c) Vereinbarkeit der Schätzung mit den Grundsätzen des Strafprozessrechtes | 116 | ||
aa) Grundsätzliches | 116 | ||
bb) Verfahrensökonomie als Legitimation der Schätzbefugnis aus § 73b StGB? | 117 | ||
IV. Schätzungen im Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO i. V. m. § 287 ZPO | 119 | ||
1. Grundsätze und Regelungsgehalt | 119 | ||
2. Anwendbare Verfahrensgrundsätze | 120 | ||
3. Die Schätzung im Adhäsionsverfahren | 122 | ||
b) Keine Einschränkung der fundamentalen Verteidigungsgarantien des Angeklagten durch Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Adhäsionsverfahren | 122 | ||
c) Die Frage des Schuldspruchs und der Haftungsbegründung | 124 | ||
d) Die Frage der Schadenshöhe | 125 | ||
e) Stellungnahme | 126 | ||
V. Zusammenfassung | 127 | ||
D. Schätzungen im Rahmen des Schuldumfanges | 129 | ||
I. Grundsätzliches | 129 | ||
II. Ausgewählte Rechtsprechung zur Schätzung des Schuldumfanges | 129 | ||
1. Schätzungen zur Feststellung der Schadenshöhe bei Vermögensdelikten | 129 | ||
a) BGH, 36, 320 („Kassenarztfall“) | 129 | ||
aa) Sachverhalt | 130 | ||
bb) Das Vorgehen des Landgerichtes | 130 | ||
cc) Die Urteilsbegründung des BGH | 131 | ||
b) BGHSt 38, 186 („Arbeitsgemeinschaft Rheinausbau I“) | 134 | ||
aa) Sachverhalt | 134 | ||
bb) Das Vorgehen des Landgerichtes | 135 | ||
cc) Die Urteilsbegründung des BGH | 136 | ||
c) BGH, Beschl. v. 31.8 1994 – 2 StR 256 / 94 („Arbeitsgemeinschaft Rheinausbau II“) | 138 | ||
d) BGH, Urt. v. 11. Juli 2000 – 1 StR 93 / 00 (Missbrauchstatbestand) | 139 | ||
aa) Sachverhalt | 139 | ||
bb) Das Vorgehen des Landgerichtes | 140 | ||
cc) Die Urteilsbegründung des BGH | 142 | ||
e) BGHSt 54, 69 und BVerfG, Beschl. v. 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500 / 09, 2 BvR 1857 / 10 (Al-Qaida-Fall) | 143 | ||
aa) Sachverhalt | 143 | ||
bb) Das Vorgehen des OLG | 144 | ||
cc) Die Entscheidungsbegründung des BGH | 144 | ||
dd) Urteilsbegründung des BVerfG | 145 | ||
2. Schätzungen bei Serienstraftaten | 149 | ||
a) BGH, Beschl. v. 16.5.1994 – 3 StR 118 / 94 („sexueller Missbrauch 1“) | 149 | ||
aa) Sachverhalt und Vorgehen des Landgerichtes | 149 | ||
bb) Die Urteilsbegründung des BGH | 149 | ||
b) BGHSt 40, 374 („Beihilfe zur Hehlerei“) | 150 | ||
aa) Sachverhalt | 150 | ||
bb) Das Vorgehen des Landgerichtes | 151 | ||
cc) Die Urteilsbegründung des BGH | 152 | ||
c) BGH, Urt. v. 19.7.1995 – 2 StR 758 / 94 („Weinpanscher-Fall“) | 153 | ||
aa) Sachverhalt | 153 | ||
bb) Das Vorgehen des Landgerichtes | 154 | ||
cc) Die Entscheidungsbegründung des BGH | 154 | ||
d) BGH Urt. v. 16.10.1996 – 2 StR 204 / 96 („sexueller Missbrauch 2“) | 156 | ||
aa) Sachverhalt und Vorgehen des Landgerichtes | 156 | ||
bb) Die Urteilsbegründung des BGH | 157 | ||
e) BGH Beschl. v. 12.11.1997 – 3 StR 559 / 97 („sexueller Missbrauch 3“) | 158 | ||
aa) Sachverhalt und Vorgehen des Landgerichtes | 158 | ||
bb) Die Entscheidungsbegründung des BGH | 158 | ||
f) BGH, Urt. v. 12.8.1999 – 5 StR 269 / 99 („Zigarettenschmuggel“) | 159 | ||
aa) Sachverhalt | 159 | ||
bb) Das Vorgehen des Landgerichtes | 160 | ||
cc) Die Urteilsbegründung des BGH | 160 | ||
g) BGH, Urt. v. 28. Mai 2002 – 5 StR 55 / 02 („Sexueller Missbrauch 4“) | 161 | ||
E. Schlussbetrachtungen | 272 | ||
Anhang 1: Ergebnis der Maximum-Likelihood-Schätzung | 277 | ||
Literaturverzeichnis | 280 | ||
Stichwortverzeichnis | 302 |