Zur Legitimation des Kulturstaats
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Zur Legitimation des Kulturstaats
Eine verfassungsrechtliche Untersuchung staatlicher Kunstförderung
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1370
(2018)
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Peter Haversath studierte Rechtswissenschaften in Jena, Göttingen, Córdoba, Lausanne und Berlin sowie Steuerwissenschaften in Münster. Nach dem ersten Staatsexamen war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Christian Calliess – zunächst Universität Göttingen, dann Freie Universität Berlin. Sein Referendariat absolvierte er am Kammergericht. 2012 trug er auf der Assistententagung im Öffentlichen Recht in Hamburg vor. Im selben Jahr wurde er in Berlin als Rechtsanwalt zugelassen. Inzwischen arbeitet er als Richter beim Finanzgericht Münster. Im Jahr 2016 wurde er von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Berlin zum Dr. iur. promoviert.Abstract
Nach vorherrschender Meinung ist staatliche Kulturförderung zwar legitimationsbedürftig, im Ergebnis aber gerechtfertigt. Beides wird mit Eigentümlichkeiten der Kunst und einem besonderen Verhältnis von Kunst und Staat begründet. Die Arbeit untersucht diese Postulate in verfassungsrechtlicher und rechtstatsächlicher Hinsicht. Im ersten Teil der Arbeit wird die Rechtfertigungsbedürftigkeit auf das Demokratieprinzip und das Gebot der Staatsfreiheit des öffentlichen Diskurses gestützt. Dieser Neuansatz führt zu einer veränderten verfassungsrechtlichen Bewertung der Wirkungen staatlicher Kunstförderung. Im zweiten Teil werden die bestehenden Rechtfertigungsansätze kritisch untersucht. Dabei wird gezeigt, dass der kulturverfassungsrechtliche Diskurs von einer gewissen dogmatischen Unbekümmertheit und einer Vielzahl rechtlich und tatsächlich zweifelhafter Annahmen über Kultur und Kulturstaat geprägt ist. Der Schlussteil enthält Überlegungen zu einem veränderten Verhältnis von Staat und Kunst.»On the Legitimacy of the ›Cultural State‹«The work examines the constitutional legitimacy of public arts funding. It proposes to apply the principle of democracy as a central starting point. The application of this principle requires a constitutional re-evaluation of certain effects of art promotion. This leads to an increased need for justification. Against this background, the study analyzes the existing attempts to justify public funding for the arts.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsübersicht | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung: Das Wahre, Gute und Schöne | 15 | ||
§ 1 Kulturstaat und Verfassungsrecht | 15 | ||
§ 2 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand | 17 | ||
A. Der Begriff des Kulturstaats | 17 | ||
I. Verwendung und Abgrenzung des Begriffs | 17 | ||
II. Befugnisse und Grenzen des kunstfördernden Kulturstaats nach herrschendem Kulturverfassungsrecht | 20 | ||
B. Stand der Forschung zur Legitimation des Kulturstaats | 24 | ||
I. Die Bedeutung des Verfassungsrechts für die Legitimation | 24 | ||
II. Die Bedeutung der tatsächlichen gesellschaftlichen Bedingungen der Kunst für die Legitimation | 26 | ||
III. Defizite bei der Behandlung der Legitimationsbedürftigkeit | 27 | ||
IV. Defizite bei der Behandlung der Legitimationsfähigkeit | 29 | ||
C. Zwischenergebnis | 30 | ||
D. Gang der Untersuchung | 31 | ||
Erster Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung | 33 | ||
§ 3 Grundlagen der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats | 33 | ||
A. Die Allzuständigkeit des Staates | 33 | ||
B. Ansätze einer Rechtfertigungsbedürftigkeit im Schrifttum | 34 | ||
I. Staatsfreiheitsgebot der Kunstfreiheit | 34 | ||
II. Der Gleichheitssatz | 39 | ||
III. Die Verwendung öffentlicher Mittel | 40 | ||
C. Zwischenergebnis | 41 | ||
§ 4 Kunstförderung und Demokratieprinzip | 42 | ||
A. Die öffentliche Willensbildung als Schutzobjekt des Demokratieprinzips | 42 | ||
I. Materielles oder formelles Verständnis des Demokratieprinzips? | 42 | ||
II. Zur Reichweite des Begriffs der öffentlichen Meinung | 45 | ||
B. Die Kunst als Teil der öffentlichen Meinung | 47 | ||
I. Die These der (politischen) Funktionslosigkeit der Kunst | 47 | ||
1. (Ideen-)Geschichtliche Entwicklung von Autonomie und Funktionslosigkeit der Kunst | 48 | ||
2. Wandel des Kunstverständnisses in der Verfassungslehre | 53 | ||
II. Besonderheiten und Normalität der Kunst im öffentlichen Diskurs | 55 | ||
1. Besonderheiten | 55 | ||
2. Normalität | 57 | ||
C. Beeinträchtigung des Staatsfreiheitsgebots durch staatliche Kunstförderung | 59 | ||
I. Inhalt des Staatsfreiheitsgebots | 60 | ||
II. Wirkungen staatlicher Kunstförderung und Staatsfreiheitsgebot | 61 | ||
1. Untersuchungsbedingungen und Normalfall | 61 | ||
2. Die Folgen der Förderung im Verhältnis von Künstlern und Gesellschaft | 63 | ||
a) Entfremdung von Künstler und Publikum | 63 | ||
b) Verhinderung sozialer Gruppenbildung im Bereich der Kunst | 66 | ||
3. Die Folgen der Förderung im Verhältnis von Künstler und Staat | 67 | ||
a) Kulturelle Staatsleistungen als Geschenke | 67 | ||
b) Folgen des Schenkungscharakters der Förderleistungen | 70 | ||
(1) Geringere Bereitschaft zur Machtkritik | 70 | ||
(2) Nähe zum Leistungsstaat | 73 | ||
4. Gefahr bewusster Lenkung | 75 | ||
a) Das Machtinteresse staatlicher Organe | 76 | ||
b) Die Kulturpolitik als Instrument zur Verfolgung staatlicher Interessen | 79 | ||
D. Zwischenergebnis | 81 | ||
§ 5 Anforderungen des Demokratieprinzips an die Legitimation | 83 | ||
A. Gegenstand der Rechtfertigungsbedürftigkeit | 83 | ||
B. Einschränkbarkeit des Demokratieprinzips | 84 | ||
C. Ungeeignetheit pauschaler Rechtfertigungsansätze | 85 | ||
I. Demokratische Legitimation und staatlicher Gestaltungsspielraum | 86 | ||
II. Kulturstaatlichkeit aus einer verfassungsrechtlichen Gesamtschau | 87 | ||
III. Kultur als Staatszweck, Staatsziel oder Staatsaufgabe | 89 | ||
1. Kultur als Staatszweck | 89 | ||
2. Kultur als Staatsziel; Kulturförderung als Staatsaufgabe | 91 | ||
D. Zwischenergebnis | 91 | ||
Zweiter Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung | 93 | ||
§ 6 Angewiesenheit der Kunst auf den Staat | 93 | ||
A. Freiheit der Kunst als Ziel der Kunstförderung | 93 | ||
I. Förderauftrag aufgrund einer historischen Auslegung der Kunstfreiheit | 94 | ||
1. Die Kunstfreiheit als Verkörperung einer Kulturstaatstradition | 94 | ||
a) Kulturstaatliche Begriffstradition | 95 | ||
b) Kulturstaatliche Ideentradition | 95 | ||
c) Tradition kulturstaatlicher Praxis | 98 | ||
2. Fortgeltung des Art. 142 Satz 2 WRV | 100 | ||
II. Objektiv-rechtliche Gehalte der Kunstfreiheit | 101 | ||
1. Das Grundrecht der Kunstfreiheit als Handlungsbefugnis des Staates | 102 | ||
a) Grundrechtsspezifische Bedenken gegen die Kunstfreiheit als Befugnisnorm des Kulturstaats | 103 | ||
b) Grundrechtstheoretische Bedenken gegen die Kunstfreiheit als Befugnisnorm des Kulturstaats | 104 | ||
c) Die Rolle der Grundrechtsdogmatik | 106 | ||
2. Kunstförderung als Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht | 107 | ||
a) Freiheit von wirtschaftlicher Verwertung der Kunst als Schutzgut der Kunstfreiheit | 107 | ||
(1) Schutz des Wirkbereichs | 108 | ||
(2) Schutz des Werkbereichs | 109 | ||
b) Vorliegen einer schutzpflichtenbegründenden Gefahr | 112 | ||
(1) Der Markt als Gefahr für die Freiheit der Kunst | 112 | ||
(2) Das Verhalten der Konsumenten als Gefahr für die Freiheit der Kunst | 113 | ||
3. Die Kunstfreiheit als originäres Teilhaberecht | 115 | ||
a) Ausmaß staatlicher und privater Finanzierung der Kunst | 116 | ||
b) Staatliche Kunstförderung zur Kompensation früherer Mäzene | 118 | ||
4. Die Kunstfreiheit als soziales Grundrecht | 121 | ||
5. Die Kunstfreiheit als Staatszielbestimmung | 125 | ||
a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 125 | ||
b) Grundrechtsdogmatische Anforderungen an eine kunstfreiheitliche Staatszielbestimmung | 127 | ||
c) Freiheitsfördernde Eigenschaften staatlicher Kunstfinanzierung | 129 | ||
(1) Das Kulturstaatskonzept Ernst Rudolf Hubers | 130 | ||
(2) Kritik | 131 | ||
d) Freiheitsgefährdende Eigenschaften staatlicher Kunstfinanzierung | 134 | ||
III. Zwischenergebnis | 136 | ||
B. Qualität der Kunst als Ziel der Kunstförderung | 137 | ||
I. Institutioneller Schutz der Eigengesetzlichkeit | 137 | ||
1. Enge institutionelle Deutung der Kunstfreiheit | 137 | ||
2. Institutionelle Deutung der Kunstfreiheit als Gewährleistung der Autonomie der Kunst | 138 | ||
II. Kunst als meritorisches Gut | 142 | ||
III. Hochwertige Kunst als öffentliches Gut | 144 | ||
1. Voraussetzungen der Theorie der öffentlichen Güter als Rechtfertigung der Kulturförderung | 144 | ||
2. Kunst als öffentliches Gut; externe Effekte der Kunst | 145 | ||
a) Der Gütercharakter des einzelnen Kunstwerks | 145 | ||
b) Externe Effekte der Hochkultur | 146 | ||
(1) Innovativität als Definiens der Hochkultur | 146 | ||
(2) Die Rolle des Konsumenten für die Entstehung externer Effekte | 147 | ||
(3) Externe Effekte geförderter Kultur als stillschweigende Prämisse | 149 | ||
3. Erforderlichkeit staatlicher Kunstförderung | 149 | ||
a) Mangelnde Innovativität nicht geförderter Kunst | 149 | ||
(1) Das Publikum als Hemmnis der Innovation | 150 | ||
(2) Tatsächliche Gleichförmigkeit nicht geförderter Kunst | 153 | ||
(3) Mangelnde Innovationskraft der Kunst durch kulturindustrielle Strukturen der Gegenwart | 156 | ||
b) Gezielte Förderung innovativer Kunst | 159 | ||
(1) Feststellung innovativer Kunst | 160 | ||
(2) Strukturelle Grenzen des Staates bei der Förderung innovativer Kunst | 160 | ||
(3) Innovative Kunst und nationale Kunst | 164 | ||
4. Nutzungsvorteil der Konsumenten von Populärkultur | 164 | ||
5. Bereitstellung innovativer Kunst als verfassungsrechtliches Gebot der Menschenwürde | 166 | ||
a) Bereitstellung von Kultur zur Sicherung des kulturellen Existenzminimums | 166 | ||
b) Bereitstellung von Kultur zur Ermöglichung der individuellen Entfaltung | 168 | ||
IV. Zwischenergebnis | 170 | ||
§ 7 Angewiesenheit des Staates auf die Kunst | 171 | ||
A. Kultureller Zusammenhalt als Voraussetzung des (demokratischen) Staates | 172 | ||
I. Staatstheoretische Plausibilität | 173 | ||
II. Demokratietheoretische Plausibilität | 175 | ||
1. Die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen | 176 | ||
2. Homogenität als Diskursbedingung | 178 | ||
B. Verfassungsrechtliche Geltung eines unterstellten Homogenitätserfordernisses | 180 | ||
I. Grundgesetzliche Integrationsklausel | 181 | ||
II. Identitätsstiftung, Demokratie und Menschenwürde | 183 | ||
III. Kultur als „Gelingensvoraussetzung“ der Verfassung | 185 | ||
C. Kunstförderung als Mittel einer staatlichen Integrationsaufgabe | 188 | ||
D. Kulturelle und politische Integration | 191 | ||
E. Zwischenergebnis | 193 | ||
§ 8 Legitimation durch Einfügung einer Kulturklausel in das Grundgesetz? | 194 | ||
A. Politische Vorstöße in der Vergangenheit | 194 | ||
B. Stellungnahmen in der Verfassungslehre | 196 | ||
C. Bewertung im Licht der Ergebnisse dieser Untersuchung | 197 | ||
Schluss: Vom Kulturstaat zum Kulturstaatsdiskurs | 199 | ||
§ 9 Reflexion | 199 | ||
§ 10 Perspektiven | 201 | ||
A. Perspektiven für eine Kunst ohne Kulturstaat | 201 | ||
B. Perspektiven für eine Kunstpolitik ohne Kulturstaat | 202 | ||
Zusammenfassung in Thesen | 205 | ||
Literaturverzeichnis | 212 | ||
Sachwortverzeichnis | 234 |