Das Verhältnis von Achtungs- und Schutzpflichten in Ausnahmesituationen
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Das Verhältnis von Achtungs- und Schutzpflichten in Ausnahmesituationen
Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit, Vol. 8
(2018)
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Christoph Nicolaus Clausen studierte ab 2008 Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Université de Lausanne in der Schweiz und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Im Jahr 2013 legte er die Erste Juristische Prüfung ab. Anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter promotionsbegleitend bei einer amerikanischen Kanzlei in Berlin tätig. Anfang 2018 absolvierte er das Referendariat beim Kammergericht Berlin mit Stationen unter anderem beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, einer deutschen Großkanzlei und einer südafrikanischen Kanzlei in Kapstadt.Abstract
Das Verhältnis von Achtungs- und Schutzpflichten ist die grundrechtsdogmatische Übersetzung der Frage nach dem Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Sie stellt sich in mehrpoligen Verfassungsrechtsverhältnissen, in denen ein Bürger die Freiheit eines anderen verletzt, und ist demnach maßgeblich für die Koordination von Freiheitssphären durch den Staat. Die Arbeit widmet sich zunächst dem Verhältnis der beiden Pflichtenarten zueinander und analysiert dieses aus diversen Blickwinkeln. Es wird festgestellt, dass kein Primat der Achtungspflicht besteht, sondern die Pflichten grundsätzlich gleichwertig sind. Im Anschluss wird dieser Befund zur Auflösung von Ausnahmesituationen angewendet, in denen sich essenzielle Rechtsgüter wie Menschenwürde und Leben gegenüberstehen. Es stellt sich heraus, dass nur bei Pflichtenkollisionen im Bereich der Menschenwürde ein bereichsspezifischer Vorrang der Achtungspflicht besteht. In allen anderen Konstellationen sind die Pflichten gleichwertig.»On the Relationship between the State's Obligations to Respect and to Protect the Fundamental Rights in Exceptional Situations«The relationship between the state's obligations to respect and to protect the fundamental rights becomes relevant in situations in which one person violates the freedom of another person forcing the state to intervene and to coordinate the opposing positions. The thesis analyzes the relationship between the two obligations in general and declares them to be equal. Following this, it focuses on exceptional situations and comes to the conclusion that the obligation to respect prevails if the human dignity is involved.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
Einleitung | 17 | ||
A. Problemaufriss | 17 | ||
B. Ausnahmesituationen | 20 | ||
C. Gang der Untersuchung | 21 | ||
1. Kapitel: Grundrechtsdogmatische Einordung des Themas | 24 | ||
A. Verortung der Pflichten im Grundrechtssystem | 24 | ||
B. Die Achtungspflichten – das Spiegelbild der Abwehrrechte | 26 | ||
I. Achtungspflicht hinsichtlich der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 1. Alt. GG | 28 | ||
1. Die Menschenwürde: Ein Unikum | 28 | ||
a) Strukturelle Einzigartigkeit | 29 | ||
b) Normative Einzigartigkeit | 29 | ||
2. Der Mensch als Berechtigter der Achtungspflicht | 30 | ||
3. Inhalt der Achtungspflicht aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 1. Alt. GG | 31 | ||
a) Achtungspflicht trotz Unantastbarkeit? | 31 | ||
b) Schwierigkeit der Bestimmung des Schutzgutes | 32 | ||
c) Konsens im Dissens | 36 | ||
4. Wirkung der Achtungspflicht aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 1. Alt. GG | 37 | ||
II. Achtungspflicht hinsichtlich des Lebens aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG | 38 | ||
1. Inhalt der Achtungspflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG | 39 | ||
a) Der relativ(e) starke Schutz des Lebens | 40 | ||
b) Keine Identität der Achtungspflichten | 42 | ||
2. Wirkung der Achtungspflicht zugunsten des Lebens | 44 | ||
3. Der Staat als Verpflichteter der Achtungspflichten | 44 | ||
C. Die grundrechtlichen Schutzpflichten | 45 | ||
I. Begründung der grundrechtlichen Schutzpflichten | 46 | ||
1. Schutzpflicht zugunsten der Menschenwürde | 46 | ||
2. Schutzpflicht zugunsten des Lebens | 47 | ||
a) Herleitung des Bundesverfassungsgerichts | 48 | ||
b) Positive Rezeption der Rechtsprechung im Schrifttum | 52 | ||
c) Weitere Begründungsversuche der Schutzpflicht | 54 | ||
aa) Staatszweck Sicherheit | 54 | ||
bb) Die Menschenwürde als Ursprung der Schutzpflicht | 55 | ||
cc) Sozialstaatsprinzip | 57 | ||
dd) Die abwehrrechtliche Lösung | 59 | ||
d) Zwischenfazit | 61 | ||
II. Tatbestand der grundrechtlichen Schutzpflichten | 61 | ||
1. Objekt der Gefährdung – grundrechtliche Schutzgüter | 62 | ||
2. Gefahr | 62 | ||
a) Gefahrenquelle – „von Seiten anderer“ | 63 | ||
b) Art der Gefahr – „rechtswidriger Eingriff“ | 63 | ||
aa) Unerheblichkeit der „Rechtswidrigkeit“ des Übergriffs | 63 | ||
bb) Gefahrenbegriff und Gefahrenschwelle | 64 | ||
cc) Verursachung | 65 | ||
III. Der Staat als Verpflichteter der grundrechtlichen Schutzpflichten | 66 | ||
IV. Rechtsfolge der Schutzpflichten | 66 | ||
1. Umfang und Grenzen des Schutzes | 67 | ||
2. Art und Weise des Schutzes | 70 | ||
a) Legislative | 71 | ||
b) Exekutive | 72 | ||
c) Judikative | 73 | ||
V. Fazit zu den grundrechtlichen Schutzpflichten | 74 | ||
D. Das mehrpolige Verfassungsrechtsverhältnis | 74 | ||
I. Entstehung mehrpoliger Verfassungsrechtsverhältnisse | 75 | ||
II. Die Rolle des Staates im mehrpoligen Verfassungsrechtsverhältnis | 76 | ||
III. Auflösung mehrpoliger Verfassungsrechtsverhältnisse | 77 | ||
2. Kapitel: Primat der Achtungspflicht? | 80 | ||
A. Staatstheoretische Betrachtung | 84 | ||
I. Thomas Hobbes – Sicherheit als Staatslegitimation | 85 | ||
II. John Locke – Sicherheit vor dem Staat | 86 | ||
III. Gegenwartsbedeutung | 87 | ||
B. Abwehrrechtliche Formulierung des Grundrechtsabschnitts | 88 | ||
I. Textbefund | 89 | ||
II. Bewertung | 90 | ||
C. Größere Schwere der Verletzung der Achtungspflicht? | 91 | ||
I. Art der Verletzungshandlung | 92 | ||
1. Strafrechtliche Argumentation nach Saliger | 92 | ||
2. Verfassungsrechtliche Betrachtung | 93 | ||
3. Zwischenergebnis | 96 | ||
II. Art des Verletzungserfolgs | 97 | ||
III. Zwischenergebnis | 98 | ||
D. Spielraum bei Erfüllung der Schutzpflichten | 99 | ||
I. Unbestimmtheit der grundrechtlichen Schutzpflichten | 99 | ||
II. Nur retardierender Effekt des Spielraums | 100 | ||
III. Bestimmtheit als Kriterium der Geltungskraft | 101 | ||
IV. Stellungnahme | 101 | ||
E. Vorrang der Achtungspflicht wegen Eingriffsschwelle | 103 | ||
F. Manko der Mediatisierungsbedürftigkeit | 103 | ||
I. Ausnahmen vom Dogma der Mediatisierungsbedürftigkeit | 104 | ||
II. Fortgeschrittener Stand der Mediatisierung | 106 | ||
III. Zwischenfazit | 107 | ||
G. Subjektiv-rechtliche Dimension versus objektiv-rechtliche Dimension | 108 | ||
I. Objektives und subjektives Recht in der Rechtslehre | 109 | ||
II. Inkongruenz der überkommenen Bezeichnungen | 110 | ||
III. Zwischenfazit | 112 | ||
H. Keine reine Verstärkungsfunktion objektiver Gehalte | 113 | ||
I. Reine Verstärkungsfunktion | 114 | ||
II. Umkehrung der abwehrrechtlichen Funktion | 115 | ||
III. Determinierungshoheit | 118 | ||
IV. Zwischenfazit | 119 | ||
I. Historische Betrachtung | 119 | ||
I. Historische Auslegung | 120 | ||
1. Grundrechtsfunktionen im deutschen Konstitutionalismus | 120 | ||
a) Süddeutsche Verfassungen | 120 | ||
b) Paulskirchenverfassung | 122 | ||
c) Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat | 122 | ||
d) Reichsverfassung | 123 | ||
e) Zwischenfazit | 124 | ||
2. Weimarer Reichsverfassung | 125 | ||
3. Zwischenfazit | 126 | ||
II. Genese des Grundgesetzes | 127 | ||
III. Zwischenfazit | 129 | ||
J. Liberale Grundrechtstheorie: in dubio pro libertate? | 131 | ||
I. Liberale Grundrechtstheorie | 132 | ||
II. Veränderung des Grundrechtsverständnisses | 133 | ||
III. Zwischenfazit | 136 | ||
K. Kein Primat der Achtungspflicht im Dreiecksverhältnis | 138 | ||
3. Kapitel: Auflösung der Ausnahmesituationen | 143 | ||
A. Leben gegen Leben | 145 | ||
I. Ausgangsposition | 145 | ||
II. Der Staat darf töten | 146 | ||
1. Tötungsverbot des Art. 102 GG | 147 | ||
2. Recht auf Leben aus Art. 2 EMRK | 149 | ||
3. Verbot der Antastung des Wesensgehalts gemäß Art. 19 Abs. 2 GG | 149 | ||
4. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG | 150 | ||
5. Grundrecht auf Leben unter Gesetzesvorbehalt | 150 | ||
6. Zwischenfazit | 151 | ||
III. Pflichtenfortfall | 151 | ||
1. Fortfall der Achtungspflicht | 152 | ||
a) Rechtsverlust | 152 | ||
b) Verwirkung | 153 | ||
c) Grundrechtsverzicht | 153 | ||
aa) Grundsätzliche Zulässigkeit des Grundrechtsverzichts | 153 | ||
bb) Dispositionsbefugnis über das Leben | 154 | ||
cc) Zwischenergebnis | 155 | ||
d) Zwischenfazit | 157 | ||
2. Fortfall der Schutzpflicht | 157 | ||
a) Subsidiarität staatlichen Schutzes | 157 | ||
b) Faktische Unmöglichkeit | 157 | ||
c) Verzicht auf Schutz | 158 | ||
d) Abwehrrechtliche Kautelen | 160 | ||
e) Vorbehalt des rechtlich Möglichen | 161 | ||
3. Zwischenergebnis | 162 | ||
IV. Auflösung durch Abwägung | 162 | ||
1. Absolutes Wertungsverbot von Leben | 163 | ||
2. Zulässige Abwägungskriterien | 165 | ||
a) Gefahrverantwortlichkeit des Übergriffigen | 165 | ||
b) Wahrscheinlichkeit der Pflichterfüllung | 167 | ||
c) Existenzbedrohung des Staates | 169 | ||
3. Zwischenergebnis | 169 | ||
V. Zwischenfazit | 169 | ||
B. Menschenwürde gegen Leben | 171 | ||
I. Ausgangsposition(en) | 171 | ||
II. Pflichtenfortfall im Würdebereich | 172 | ||
III. Unabwägbarkeit der Menschenwürde | 173 | ||
IV. Das Verhältnis von Achtungs- und Schutzpflicht | 174 | ||
V. Weitere Lösungsansätze | 175 | ||
1. Kloepfers These vom Leben als Höchstwert des Grundgesetzes | 175 | ||
2. Aufwertung des Lebensschutzes durch Gleichordnung | 176 | ||
3. Koppelung von Menschenwürde und Leben | 177 | ||
4. Bewertung der alternativen Deutungen | 177 | ||
VI. Zwischenfazit | 181 | ||
C. Menschenwürde gegen Menschenwürde | 181 | ||
I. Existenz der Würdekollision | 182 | ||
1. Keine Kollision im Würdebereich | 183 | ||
a) Faktische Unmöglichkeit der Pflichtenkollision | 183 | ||
b) Rechtliche Unmöglichkeit der Pflichtenkollision | 184 | ||
c) Alternative Konzepte von Art. 1 Abs. 1 GG | 184 | ||
2. Pro Pflichtenkollision | 188 | ||
a) Lebenswirklichkeit der Menschenwürdekollision | 188 | ||
b) Rechtliche Möglichkeit | 189 | ||
c) Kollisionsfähigkeit der Menschenwürde | 191 | ||
3. Zwischenergebnis | 195 | ||
II. Modi der Auflösung | 196 | ||
1. Einzelfallabhängige Abwägung | 197 | ||
2. Unbedingte Vorrangkonstruktion | 200 | ||
3. Unauflösbarkeit | 202 | ||
4. Bewertung | 203 | ||
III. Verhältnis von Achtungs- und Schutzpflicht im Würdebereich | 208 | ||
1. Auslegung | 209 | ||
a) Grammatische Auslegung | 209 | ||
b) Systematische Auslegung | 210 | ||
c) Historisch genetische Auslegung | 212 | ||
d) Teleologische Auslegung | 213 | ||
aa) Schutz der Menschenwürde | 213 | ||
bb) Menschenwürde als Legitimationsgrundlage des Staates | 215 | ||
cc) Rechtsstaatlichkeit als Gebot der Menschenwürde | 218 | ||
dd) Individuum vor Gemeinschaft | 221 | ||
2. Zwischenfazit | 223 | ||
IV. Grundrechtstheoretische Ausgestaltung des Vorrangs der Achtungspflicht | 224 | ||
D. Fazit | 227 | ||
E. Auswirkung auf die Konstellation Leben gegen Leben | 228 | ||
Schluss | 232 | ||
A. Die Gleichwertigkeit von Achtungs- und Schutzpflichten | 232 | ||
I. Keine Veränderung des grundrechtlichen Freiheitsverständnisses | 232 | ||
II. Kein Jurisdiktionsstaat | 234 | ||
B. Bewältigung von Ausnahmesituationen | 235 | ||
I. Leben gegen Leben | 235 | ||
II. Leben gegen Menschenwürde | 235 | ||
III. Menschenwürde gegen Menschenwürde | 236 | ||
C. Ausblick | 237 | ||
Literaturverzeichnis | 239 | ||
Stichwortverzeichnis | 257 |