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Hilliger, F. (2018). Das Rechtsdenken Karl Bindings und die »Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens«. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-55241-2
Hilliger, Fedja Alexander. Das Rechtsdenken Karl Bindings und die »Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens«. Duncker & Humblot, 2018. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-55241-2
Hilliger, F (2018): Das Rechtsdenken Karl Bindings und die »Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens«, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-55241-2

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Das Rechtsdenken Karl Bindings und die »Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens«

Hilliger, Fedja Alexander

Schriften zur Rechtsgeschichte, Vol. 182

(2018)

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About The Author

Fedja Alexander Hilliger studierte Rechtswissenschaft in München und Göteborg. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen in München (2010) war er bis 2013 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Römisches Recht und Deutsches Bürgerliches Recht an der LMU München (Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Alfons Bürge) tätig. Er absolvierte das Referendariat am Kammergericht in Berlin von 2013 bis 2015 und wurde 2017 von der Juristischen Fakultät der LMU München für eine strafrechtshistorische Arbeit zum Dr. jur. promoviert (Betreuung der Arbeit durch Prof. Dr. Petra Wittig). Er lebt in Berlin und arbeitet dort seit 2016 als Rechtsanwalt in einer bank- und kapitalmarktrechtlich ausgerichteten Kanzlei.

Abstract

Karl Binding gilt als einer der bedeutendsten deutschen Strafrechtler. Bekannt ist er vor allem für seine Normentheorie, in der er zwischen Sanktions- und Verhaltensnormen unterscheidet. Davon ausgehend lieferte er bedeutende Beiträge zur Strafrechtsdogmatik. Ungetrübt ist sein Ruhm jedoch nicht: In der »Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens« sprach er sich 1920 gemeinsam mit dem Psychiater Hoche für die Tötung kranker oder behinderter Menschen unter gewissen Bedingungen aus, was ihn in einen ideengeschichtlichen Kontext zu den Mordaktionen des NS-Staats wenige Jahre später setzt. Teilweise werden in der Literatur Zusammenhänge zwischen dieser Schrift und den juristischen Grundanschauungen Bindings gesehen.

Die Arbeit analysiert die methodischen Grundlagen Bindings und seine Normentheorie. Anschließend beschäftigt sie sich mit dem Inhalt Binding / Hoches, ordnet die Schrift ideengeschichtlich ein und untersucht etwaige Zusammenhänge mit dem Rechtsverständnis Bindings.
»Karl Binding's Legal Thinking and ›Allowing the Destruction of Life Unworthy of Life‹«

The author provides an analysis of Karl Binding's (1841-1920) legal methodology and his »Norm Theory«. Ideas distributed in Binding's last book, a collaboration with the psychiatrist Alfred Hoche named »Allowing the Destruction of Life Unworthy of Life« (»Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens«), have been associated with Binding's fundamental legal views. The author examines these claims, analyses Binding/Hoche and puts the work in its historical context.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
Einleitung 17
I. Einführung in die Thematik 17
II. Der Untersuchungsgegenstand 20
1. Teil: Bindings methodische Grundlagen 26
A. Bindings Rechtsverständnis zwischen „Begriffsjurisprudenz“ und juristischem Zweckdenken 28
I. Der historische Rahmen einer Einordnung Bindings 29
1. Die „Begriffsjurisprudenz“ 29
a) Klassische Darstellungsweise 30
b) Neubewertung der „Begriffsjurisprudenz“ 33
aa) Grundlagen der „höheren Jurisprudenz“ innerhalb der Historischen Rechtsschule 33
bb) Die unvollständige Induktion als Merkmal der „begriffsjuristischen“ Arbeitsweise 38
2. Der Voluntarismus als Grundlage neuer Rechtsbegriffe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 42
II. Grundzüge des Bindingschen Voluntarismus 46
1. Programmatische Abschottung des Rechtsbegriffs gegenüber den Einflüssen anderer Fachwissenschaften 47
2. Ideale als Maßstab oder Geltungsgrund des Rechts 52
3. Vernunft und Teleologie des Rechts 57
4. Vorläufige Einordnung 61
B. Eigengesetzlichkeit des Rechts 63
I. Die ideelle Eigenart des Rechts als Grundlage des Bindingschen Rechtsbilds 65
1. Die „esoterische Psychologie“ des Rechts 66
a) Zur Herkunft des Begriffs 66
b) Bindings Beschreibung der „esoterischen Psychologie des Rechts“ 68
2. Rein juristische Begriffsbildung 71
3. Ausschluss formaler Einschränkungen des Rechtsbegriffs 76
a) Imperativentheorie 77
b) Sanktionstheorie 79
4. Fazit 82
II. Grenzen juristischer Eigengesetzlichkeit 83
1. Das „Lückenlosigkeitsdogma“ 83
2. Rechtsexternes in Bindings Methodenverständnis 85
C. Eigenständigkeit des Rechts: die objektive Auslegungstheorie 88
I. Entwicklung der objektiven Auslegungstheorie 89
1. Objektive Auslegung im wissenschaftlichen Recht des 19. Jahrhunderts 90
2. Genese der Idee eines eigenständigen „Rechtswillens“ 91
a) Zurückweisung der subjektiven Auslegung bei Schaffrath 91
b) Abstraktion eines eigenen „Rechtswillens“ bei Thöl 93
c) Schlesinger und die theoretische Begründung des Rechtswillens 94
3. Begründung eines eigenständigen „Rechtswillens“ bei Binding, Wach und Kohler 97
a) Mangelnde Wiedergabe des Gesetzgeberwillens im Gesetz 98
b) Unvereinbarkeit subjektiver Auslegung mit der logischen Systematik des Rechts 100
c) Gleichheit vor dem Gesetz 102
d) Fortentwicklung des Rechts 103
e) Natürliche Durchsetzungskraft des „Rechtswillens“ 104
4. Zusammenfassung und Einordnung 105
II. Objektive Auslegung bei Binding im Einzelnen 106
1. Zweistufigkeit der Auslegung 108
2. Die einzelnen Auslegungsarten 110
a) Grammatische Auslegung (1. Auslegungsakt) 110
b) „Logische“ Auslegung (2. Auslegungsakt) 113
aa) Systematische Auslegung 114
bb) Teleologische Auslegung 115
3. Historische Rechtsanalyse bei Binding 120
4. Procedere und Gefahren der objektiven Auslegung Bindings: ein Beispiel 121
a) Die Befriedigung dogmatischer Bedürfnisse jenseits methodischer Grenzen als spezifische Gefahr des Bindingschen Rechtsdenkens 122
b) Geklärtes und Ungeklärtes in der Auslegung von § 59 RStGB 123
c) Bindings Vorsatzdogmatik 125
d) Bindings Auslegung von § 59 RStGB im Sinne seiner Vorsatzdogmatik 127
5. Zusammenfassung und Einordnung 134
III. Philosophische Voraussetzungen in Bindings Auslegungsmethodik 134
D. Bindings Selbstbild als Verteidiger der überkommenen Jurisprudenz 138
I. Anschluss an eine Jurisprudenz in der Tradition Wächters 138
II. „Höhere“ Jurisprudenz als Grundlage einer besonderen Würde des Juristenstandes 141
E. Zusammenfassung und weitergehende historische Einordnung des Bindingschen Rechtsbilds 145
I. Zusammenfassung 145
II. Der Schulenstreit als strafrechtliche Manifestation eines Konflikts der Rechtsverständnisse 149
III. Bindings Sichtweise als Ausdruck allgemeiner Immunisierungstendenzen gegenüber den empirischen Wissenschaften 152
2. Teil: Bindings Normentheorie 154
A. Einführung 156
B. Das Strafgesetz 159
I. Das Volk als Adressat 160
II. Der Richter als Adressat 162
III. Der Staat als Adressat 163
IV. Das Strafgesetz als einfacher Gesetzesbefehl 165
C. Nachweis der Norm als eigenständiger Rechtssatz 167
I. Mittelbarer Nachweis der Norm aus dem Strafgesetz 169
1. Rechtsfolgenteil des Strafgesetzes als Grundlage eines Imperativs 170
2. Imperativ als Zusammenhang zwischen Rechtsfolgenteil und Tatbestand des Strafgesetzes 172
a) „Du sollst nicht, wenn du nicht willst, dass ich dich strafe.“ 172
b) „Du sollst nicht bei Strafe.“ 173
3. Imperativ allein unter Beachtung des Tatbestandsteiles des Strafgesetzes 176
4. Zusammenfassung und Einordnung der bisherigen Ergebnisse 177
II. Mittelbarer Nachweis der Norm „aus dem Bedürfnisse“ 178
1. Nachweis der unbedingt-imperativistischen Form der Norm 179
2. Nachweis des weiten Umfangs der Norm 180
a) Die Norm richtet sich gegen Zuwiderhandlungen in beiden Schuldformen 181
b) Die Norm richtet sich auch gegen den „Urheber“ 183
III. Unmittelbarer Nachweis der Norm aus dem Gesetz 187
IV. Weitere Möglichkeiten der Normherleitung und ihre Grenzen 188
V. Selbständigkeit der Norm 189
1. Die Norm als eigene Art von Rechtssätzen 189
a) Das gesetzte Recht als Beleg der Selbständigkeit der Norm 189
b) Unterschiedlicher Zweck von Norm und Strafgesetz 190
2. Selbständige Entstehung und Geltungsdauer der Norm 194
3. Selbständigkeit der Norm als bloße Voraussetzung des Strafgesetzes 195
VI. Zusammenfassung und weitergehende Einordnung: die Norm als echter und selbständiger Rechtssatz 198
1. Nachweis der Norm als selbständiger Rechtssatz 198
2. Schnittstellen zu Bindings allgemeinem Rechtsbild 200
D. Die Rechtsgutslehre Bindings 201
I. Die unmittelbare Unverletzlichkeit subjektiver Rechte 202
II. Rechtsgüter als tatsächliches Angriffsobjekt der Delikte 203
1. Rechtsgut und subjektives Recht 204
a) Etatistische Kritik an subjektiven Rechten wider den Staat 208
b) „Recht am Leben“ als Versachlichung des Menschen 209
c) Konflikt mit den Zwecken des Rechts 210
2. Abgrenzung von Rechtsinteressen 211
3. Etatistisch-monistisches Rechtsgutsverständnis bei Binding? 213
4. Eignung der Rechtsgutslehre zur Bestimmung des materiellen Verbrechensinhalts und zur Strafrechtslegitimation 216
E. Rechtliche Wertungskategorien 218
I. Rechtmäßigkeit 219
II. Unverbotenheit 220
III. Rechtswidrigkeit 222
IV. Die Notwendigkeit „rechtsfreier Räume“ bei Binding 223
F. Kritik an der Normenlehre 226
I. Argumentationen mit rechtsrealistischen Tendenzen 227
1. Implizite Kritik in Ansätzen zu Normentheorien mit rechtsrealistischer Tendenz 227
a) Die Imperativentheorie Thons 227
b) Die Kulturnormentheorie M. E. Mayers 232
2. Rechtsrealismus als schlüssige Form einer Kritik der Normentheorie 235
II. Mangelnde Rechtssatzqualität der Normen 238
1. Verständnis des logischen Vorangehens der Norm als ein zeitliches 239
2. Die Bindingsche Norm als „Sozialnorm“ 241
3. Sanktion als Verbindlichkeitsmerkmal 247
III. Mangelnde Selbständigkeit der Normen 252
1. Eingrenzung des Problems der Selbständigkeit der Norm 253
a) Blankettkonstruktionen als Argumentation für die Normselbständigkeit 254
b) Verankerung der Norm außerhalb eines vollständigen Strafgesetzes 255
2. Die Selbständigkeit der Norm aus heutiger Perspektive 258
a) Normselbständigkeit in der Literatur 258
b) Prämissen der Normselbständigkeit 262
IV. Formalismus 265
1. Verletzung einer „Gehorsamspflicht“ als formalistischer Verbrechenskern 265
2. Materielle Verbrechensmerkmale und Strafrechtslegitimation 267
3. Die Kritik Liszts 272
G. Zusammenfassung 279
3. Teil: „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ 281
A. Die „Euthanasie“-Debatte und ihr historischer Rahmen 282
I. Der Szientismus des 19. Jahrhunderts und seine Folgeentwicklungen 283
1. Entstehung einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung 283
2. Positivismus und Materialismus 285
3. Monismus 289
4. Utilitarismus als Moralphilosophie der naturwissenschaftlichen Weltanschauung 291
II. Der biologistische Blick auf den Menschen 293
1. Darwinismus 294
2. Sozialdarwinismus und Eugenik 295
3. Die sogenannte „Rassenhygiene“ 299
4. Zusammenfassung 300
III. Die „Euthanasie“-Debatte vor Binding/Hoche 301
1. Frühe neuzeitliche Schriften zur „Euthanasie“ 301
2. Adolf Josts „Das Recht auf den Tod“ (1895) 303
3. „Euthanasie“ als negative Eugenik: Haeckel und Ploetz 310
4. Schriften mit juristischem Fokus 315
IV. Reaktionen auf die Forderungen nach Zulassung der „Euthanasie“ 318
1. Religiöse Erwiderungen 318
2. Areligiöse Argumentationen mit dem Wert des menschlichen Lebens 319
3. Missbrauchsgefahr und Feststellbarkeit der Tatbestandsvoraussetzungen 321
V. Abschließende Bemerkungen zum Streitstand vor Binding/Hoche 322
B. Entstehung der „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ 323
C. Inhalt der „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ 324
I. Einleitung: Die bisherige Einordnung der „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ 325
1. De lege lata freigegebene Tötungen 325
2. Eugenik in der Freigabeschrift 327
3. Die Autorität Bindings und Hoches und ihre Bedeutung für die historische Einordnung der Freigabeschrift 327
II. Bindings „Rechtliche Ausführung“ 328
1. Nach geltendem Recht „unverbotene“ Tötungen 329
a) Notstand 329
b) Selbsttötung 332
aa) Der Suizid als rechtswidrige, aber straflose Handlung 333
bb) Der Suizid als rechtmäßige Handlung 335
cc) Der Suizid als „unverbotene“ Handlung 338
(1) Strafbarkeit des „Mittäters“ 339
(2) Strafbarkeit des „Urhebers“ 341
(3) Qualitative Abstufung des Rechtsguts „Leben“ in Bindings Ausführungen zur „Teilnahme am Suizid“ 343
c) „Euthanasie in richtiger Begrenzung“ 345
d) Möglichkeiten einer methodengerechten Ermittlung weiterer Fälle unverbotener Tötungen in der lex lata 350
2. Bereits verbotene Tötungen: Bindings Stellungnahme zum § 216 RStGB 352
3. Zwischenergebnis: „Leben“ und „Lebenswille“ bei Binding 355
4. „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ als rechtspolitische Forderung 357
a) Grundlagen der Freigabeentscheidung 358
b) Die einzelnen Fallgruppen in der Darstellung Bindings 360
aa) Physisch unheilbar Kranke, die in ihre Tötung einwilligen 360
bb) Psychisch kranke und geistig behinderte Menschen 362
cc) Physisch Kranke ohne Möglichkeit der Einwilligung 366
c) Verfahrenstechnisches zur konkreten Entscheidung über die „Freigabe“ der Tötung eines Menschen 367
d) Irrtümliche Annahmen der Freigabevoraussetzungen 370
III. Hoches „Ärztliche Bemerkungen“ 371
1. Inhalt 371
a) Das „relative Verhältnis“ des Arztes zur Lebenserhaltung 372
b) Zur medizinischen Möglichkeit objektiver Wertlosigkeit menschlichen Lebens 373
c) Fehlendes Selbstbewusstsein als maßgebliche Eigenschaft des „geistigen Todes“ 376
d) Die Verknüpfung von Selbstbewusstsein und subjektivem Recht 377
2. Vergleich mit Bindings „Rechtlicher Ausführung“ 378
D. Das Verständnis Binding/Hoches in der nachfolgenden Debatte 381
I. Die Frage der Zulässigkeit der „Euthanasie in richtiger Begrenzung“ 382
II. Tötungsfreigaben nach geltendem Recht 383
III. „Recht auf Leben“ 387
E. Historische Einordnung der Freigabeschrift 387
I. Die Freigabeschrift als rechtspolitische Forderung 387
II. Bisherige Einordnungsversuche 388
III. Die Freigabeschrift als Impulsgeber ohne inhaltliche Neuheiten 392
Zusammenfassung und Fazit 397
Literaturverzeichnis 405
Personen- und Sachverzeichnis 426