Sanktion, Norm, Vertrauen
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Sanktion, Norm, Vertrauen
Zur Bedeutung des Strafschmerzes in der Gegenwart
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 283
(2018)
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Markus Abraham studierte Rechtswissenschaften an der Universität Passau. Er ist Habilitand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie (Prof. Dr. Jochen Bung) an der Universität Hamburg.Abstract
Ist Strafe ohne Schmerzzufügung vorstellbar? Möglicherweise ist eine solche Strafpraxis sogar wünschenswert. Zwar stehen dagegen sowohl alltägliche Intuitionen wie auch elaborierte Rechtfertigungsversuche. Diese Intuitionen und Rechtfertigungen enthalten Richtiges, doch können sie die Notwendigkeit des Strafschmerzes nicht überzeugend begründen. Zu entwickeln ist daher, wie eine Transformation der gegenwärtigen Sanktionspraxis aussehen kann. Ein geeigneter Fluchtpunkt, so die vorgetragene Überlegung, liegt in der unserer Lebensform zugrunde liegenden Praxis des Gewährens und Entziehens von Vertrauen.Die Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Promotionspreis der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg zur Förderung herausragenden wissenschaftlichen Nachwuchses 2018.»Norm, Sanction, Faith«Is it possible to think criminal law without the pain of punishment? This book aims to spell out this contra-intuitive idea in a constructive manner and in view of the significant counter-arguments. The author argues for a transformation of the present system of punishment with regard to our very basic human practice: the practice of granting and withdrawing trust.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung | 11 | ||
I. Spiegelfechtereien | 11 | ||
1. Die Ausfallhaftung der Strafrechts-Schulen | 11 | ||
2. Fragwürdige Dualismen | 12 | ||
II. Gang der Bearbeitung | 16 | ||
III. Intuitive Begründungen für die Schmerzzufügung | 18 | ||
1. Wer nicht hören will, muss fühlen | 21 | ||
2. Ich hab’s dir doch vorher gesagt | 22 | ||
3. Eine ordentliche Abreibung hat noch niemandem geschadet | 23 | ||
4. Die Aussicht auf Schmerzen verhindert Verbrechen | 25 | ||
5. Willst du etwa Selbstjustiz? | 27 | ||
6. Strafe ist’s nur, wenn’s weh tut! | 28 | ||
7. Dem soll es doch nicht besser ergehen als den anderen Verbrechern | 31 | ||
8. Strafen ist eben eine hässliche Angelegenheit | 32 | ||
B. Straftheoretische Begründungsvorschläge | 33 | ||
I. Intrinsische Begründungen: Der Strafschmerz ist im Unrecht | 33 | ||
II. Strafschmerz im aufgeklärten Eigeninteresse (Norbert Hoerster) | 44 | ||
1. Eine interessenstheoretische Fundierung der Strafpraxis | 44 | ||
2. Probleme der generalisierenden Rechtfertigungsüberlegung | 50 | ||
a) Wie der Blick auf die gesamte Praxis immunisiert | 51 | ||
b) Das allseitige, hypothetische Interesse | 52 | ||
3. Ergebnis | 57 | ||
III. Klugheitsgrund und Opfersolidarisierung (Tatjana Hörnle) | 58 | ||
1. Hybride Theorie aus Abschreckung und Tadelausdruck | 58 | ||
2. Ankündigung von Nachteilen als Klugheitsgrund | 63 | ||
a) Die unterstellte Legitimität des Drohens | 63 | ||
b) Fairness | 65 | ||
3. Ernsthaftigkeit durch Handfestigkeit | 66 | ||
4. Ergebnis | 71 | ||
IV. Schmerz für die Wirklichkeit der Norm (Günther Jakobs) | 71 | ||
1. Konzeption von Individuum und Person in „Norm, Person, Gesellschaft“ | 71 | ||
2. Strafschmerz als objektivierter Widerspruch (1999) | 76 | ||
3. Kognitive Untermauerung (2008) | 79 | ||
a) Reformulierte, gespiegelte Abschreckungstheorie | 79 | ||
b) Intellektueller Schadensersatz (Theodor Welcker) | 85 | ||
c) Strafschmerz als notwendige kognitive Untermauerung | 90 | ||
4. Zur Zwei-Welten-Hypothese – Worte und Schmerzen | 92 | ||
a) Unterbelichtung des Einzelakteurs in der normativen Sphäre | 93 | ||
b) Normativität durch Anerkennung (Hegel) | 97 | ||
c) Schiffe und Anker | 105 | ||
d) Zweifelhafte Zweiteilung | 108 | ||
aa) Verzauberte Sprachverwendung | 108 | ||
bb) Anders auffangbare Intuitionen | 109 | ||
cc) Personalität von Gruppen | 111 | ||
5. Der Einzelne, die Schuld und Fichte | 112 | ||
6. Ergebnis | 116 | ||
V. Die Pflicht zur Mitwirkung am gemeinsamen Projekt der Freiheit (Michael Pawlik) | 118 | ||
1. Die Sekundärpflicht des illoyalen Bürgers | 118 | ||
2. Mitwirken durch Strafschmerzen? | 122 | ||
a) Das Verhältnis zwischen Mitwirkung und Freiheitsgenuss | 123 | ||
b) Ermöglichung und Entzug von Freiheit: kein actus contrarius, sondern Demonstration | 125 | ||
c) Substantialisierte Supraindividualität | 127 | ||
3. Ergebnis | 131 | ||
VI. Der Schmerz, der richtig stellt (Jean Hampton) | 131 | ||
1. Strafe als Beseitigung des falschen Anscheins | 131 | ||
2. Unterjochung des Unterjochers | 136 | ||
VII. Strafschmerz als Einlösung der Notwehrpflicht (Victor Tadros) | 139 | ||
1. Pflicht zur Notwehrduldung | 139 | ||
2. Notwehr – Strafe: Übertragungshürden | 142 | ||
3. Die Probleme, den Notwehrschmerz in den Strafschmerz zu transponieren | 145 | ||
a) Kein erzwingbarer „Pflichtentauschvertrag“ | 146 | ||
aa) Normtheoretische Inkorrektheit des Pflichtentauschvertrages | 147 | ||
bb) Intuitives Ergebnis auch ohne Pflichtentauschvertrag | 149 | ||
cc) Zwischenergebnis: kein erzwingbarer Pflichtentauschvertrag vor Tatbegehung | 151 | ||
b) Der Instrumentalisierungs-Erlaubnis-Erhaltungssatz | 152 | ||
c) Kriminelle Intentionen sanft und sorgfältig vermeiden | 155 | ||
d) Organhandel als unerwünschte Konsequenz | 156 | ||
4. Ergebnis | 157 | ||
VIII. Der Strafschmerz als Reue (Antony Duff) | 158 | ||
1. Eine ideale politische Gemeinschaft | 158 | ||
2. Probleme der schmerzlichen Reue | 166 | ||
a) Ist das Abzielen auf Reue moralisch intrusiv? | 166 | ||
b) Das Verhältnis von Reueschmerz und Strafschmerz | 168 | ||
c) Zur Möglichkeit, Strafe als Buße zu interpretieren | 171 | ||
3. Ergebnis | 172 | ||
C. Strafen ohne Schmerzzufügung | 173 | ||
I. Konventionalität des Strafschmerzes und Bindung der Worte | 173 | ||
II. Sanktionalität und Normativität (Robert Brandom) | 178 | ||
1. Was uns auszeichnet | 178 | ||
2. Deontische Kontoführer | 181 | ||
3. Interne Sanktionen: die Hütte und das Blatt | 186 | ||
4. Am Grunde der Normen | 188 | ||
5. Ergebnis zu Brandom | 193 | ||
6. Locke und das ursprüngliche Strafrecht | 194 | ||
III. Was es heißt, normativer Kontoführer zu sein | 197 | ||
1. Kontoführen als Feststellen und Beobachten | 197 | ||
a) Multiperspektivität und Vagheit | 198 | ||
b) Die Leistung des Rechts | 201 | ||
2. Kontoführen als Vertrauen: Warum ein guter Syllogist zu sein, nicht alles ist | 204 | ||
a) Noch mehr Vertrauen beim Versprechen | 207 | ||
b) Misstrauen als Sanktion – Sieben Fürsten | 208 | ||
c) Spiel des Vertrauens | 209 | ||
d) Staatliche Zertifikation | 212 | ||
e) Rechtliches Misstrauen als Strafe | 212 | ||
f) Zwischenergebnis | 215 | ||
IV. Inklusion durch Gründe | 216 | ||
V. Elektroschock | 222 | ||
1. Körperstrafe im internationalen Recht | 223 | ||
2. Die verlorene Kunst des Strafschmerzes? | 226 | ||
VI. Stellung des Verletzten in der Straftheorie | 230 | ||
1. Nicht: Opfer im Strafprozess | 232 | ||
2. Opfer in der Straftheorie | 233 | ||
3. Strafrecht des Opfers – Anspruch des Opfers auf Bestrafung | 234 | ||
4. Zur Neutralisierung des Opfers – Zwei Narrative | 237 | ||
5. Durchbrechung des Trennungsdogmas | 240 | ||
VII. Praktische Entwicklungschancen | 247 | ||
1. Idealisiert: Genereller Perspektivenwechsel | 248 | ||
2. Konkrete Sanktionspraxis | 250 | ||
a) Feststellungsfunktion | 251 | ||
aa) Absehen von Strafe, § 60 StGB | 251 | ||
bb) Verwarnung nach § 59 StGB | 254 | ||
b) Verletzteninteressen | 255 | ||
c) Bewährung | 257 | ||
3. Abschied vom Strafschmerz | 260 | ||
VIII. Schlussbetrachtung | 262 | ||
1. Gründefolger, Kooperationsentzieher, Vertrauenssucher | 262 | ||
2. Zwei offensichtliche Einwände | 265 | ||
3. Refiduzierung | 267 | ||
Literaturverzeichnis | 270 | ||
Stichwortverzeichnis | 288 |