Der Rechtsstaat der Risikovorsorge
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Der Rechtsstaat der Risikovorsorge
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1381
(2018)
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Antonio Marques studierte Rechtswissenschaft an der Staatlichen Universität von Piauí (2005) und an der Päpstlichen Katholischen Universität von São Paulo (2009). Sein Referendariat absolvierte er bei der Staatsanwaltschaft im Bereich für jugendliche Straftäter. Im Jahr 2007 arbeitete er als Freiwilliger Mitarbeiter bei der NGO CONECTAS Human Rights. Nach einem DAAD-Trainingsprogramm in Bremen wurde er 2014 von der Republik Serbien in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Hochschulzentrum für Mittel-, Ost- und Südosteuropa (BAYHOST) für ein Stipendium in Belgrad ausgewählt. Sein Promotionsstudium schloss er an der Ludwigs-Maximilians-Universität München ab.Abstract
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Implikationen folgender Paradigmen: des Rechtsstaates der Gefahr- und Risikovorsorge und des Verfassungsstaates des Grundgesetzes. Die Analyse erfolgt vor dem Hintergrund der Entscheidung über den beschleunigten Atomausstieg Deutschlands. Anhand dieses Beispiels kann die Verbindung zwischen vorsorgendem Handeln und den Grundrechten überprüft werden. Mit der Entscheidung für eine gestaffelte Abschaltung aller Kernkraftwerke nahm der Staat die Rolle eines Vorsorgestaates ein. Diese Entscheidung führte neben der Beschränkung der Grundrechte der Kernkraftwerkbetreiber und damit einhergehender Relativierung der Verfassungsstaatlichkeit zur Entstehung hoher Schadensersatzansprüche, die aus der Änderung der politischen Richtlinien des Landes für Energieversorgung resultierten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit eine Harmonisierung staatlicher Paradigmen möglich ist, ohne dabei die Idee der Verfassungsstaatlichkeit zu riskieren.»The Constitutional State of Risk Prevention«The thesis focuses on the implications of the legal-political paradigm and the paradigm of risk prevention. The analysis is based on a risk society discourse as well as on the German dicision to discontinue the usage of nuclear power, which illustrates the connection between precautionary actions by the state and fundamental rights.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungen | 15 | ||
Einleitung | 17 | ||
I. Problemaufriss | 17 | ||
II. Gang der Untersuchung | 22 | ||
Erster Teil: Moderne Gesellschaft und Risiko | 26 | ||
Kapitel 1: Die Moderne als eine Risikokultur | 28 | ||
I. Philosophische Grundlagen der Moderne | 29 | ||
1. Hegel und die Neuzeit | 29 | ||
a) Eine neue Denkweise | 30 | ||
b) Grenzen der Hegel’schen Neuzeit und des cartesianischen Rationalismus | 31 | ||
c) Rationalismus und Vernunftherrschaft | 32 | ||
d) Die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt | 33 | ||
e) Der philosophische Diskurs der Postmoderne | 35 | ||
aa) Lyotard und das postmoderne Wissen | 35 | ||
bb) Postmoderne oder Radikalisierung der Moderne? | 36 | ||
II. Soziologische Grundlagen der Moderne | 37 | ||
1. Die Moderne als eine post-feudale Ordnung | 37 | ||
2. Modernisierungsprozesse | 38 | ||
3. Die Dichotomie zwischen Tradition und Moderne | 39 | ||
4. Modernisierung bei Giddens | 40 | ||
a) Hauptaspekte und Dynamik | 40 | ||
b) Die Moderne als eine Risikokultur | 42 | ||
5. Die Moderne bei Luhmann | 43 | ||
a) Unterscheidung zwischen Sozialstruktur und Semantik | 43 | ||
b) Eine Kritik an der Rolle der Soziologie | 44 | ||
6. Beck und die reflexive Moderne | 45 | ||
a) Erste und zweite Moderne | 45 | ||
b) Der „cosmopolitan turn“ | 46 | ||
c) Periphere Moderne | 47 | ||
d) Beck-Grande-Korrektur | 47 | ||
7. Baumans Interpretation der Moderne | 48 | ||
III. Fazit | 50 | ||
Kapitel 2: Risiko im Überblick: Terminologie, Paradigmen und die Blickwinkel des Risikodiskurses | 52 | ||
I. Soziale Grundlagen des Risikos | 53 | ||
1. Entwicklungsgeschichte des Risikobegriffs | 53 | ||
2. Die Risikoterminologie | 55 | ||
a) Risikodefinition | 55 | ||
b) Risiken als Ungewissheiten | 56 | ||
c) Epistemische und aleatorische Ungewissheiten | 57 | ||
d) Ungewissheit und Unsicherheit | 57 | ||
e) Risiko und Gefahr | 58 | ||
aa) Unterscheidung von Risiko und Gefahr bei Bonß | 58 | ||
bb) Unterscheidung von Risiko und Gefahr bei Luhmann | 59 | ||
3. Klassifizierungen des Risikos | 60 | ||
a) Risiko im umfassenden und engeren Sinne | 60 | ||
b) Individuelle und übertragene Risiken | 61 | ||
c) Fabrizierte Unsicherheiten | 61 | ||
4. Paradigmen des Risikos | 62 | ||
a) Risikowahrnehmung am Beispiel neuer Risiken | 62 | ||
aa) Die Standardposition: das subjektivistische Paradigma | 65 | ||
bb) Die konsequentialistische Position oder das objektivistische Paradigma | 66 | ||
cc) Das partizipatorische Paradigma | 67 | ||
II. Die Risikogesellschaft: Grenzen und Perspektiven | 68 | ||
1. Historischer Kontext | 68 | ||
2. Bedeutung | 69 | ||
3. Hauptthesen | 70 | ||
4. Kritiken | 72 | ||
a) Die Kritik von Luhmann | 72 | ||
b) Die Kritik von Joas und Knöbl | 74 | ||
III. Fazit | 75 | ||
Zweiter Teil: Der Rechtsstaat der Gefahr- und Risikovorsorge | 77 | ||
Kapitel 3: Der Zusammenhang von Staat und Gesellschaft und seine Bedeutung für die heutige Identität des öffentlichen Rechts | 79 | ||
I. Die heutige Funktion des Staatsbegriffs im Rechtsdiskurs | 81 | ||
1. Staat als „Brückenbegriff“ | 82 | ||
2. Staat als dichotomischer Fixbegriff | 83 | ||
II. Die Historie des Staates | 83 | ||
1. Begriffsgeschichte des Staates | 83 | ||
a) Begriffsgeschichten | 83 | ||
b) Die Unterscheidung zwischen Wort und Begriff | 84 | ||
c) Semantische Änderungen aus dem allgemeinen Staatswortschatz | 85 | ||
2. Die Entstehungsgeschichte des modernen Staates | 85 | ||
III. Der Zusammenhang von Staat und Gesellschaft | 87 | ||
1. „Staat und Gesellschaft“ oder „Staat der Gesellschaft“? | 87 | ||
2. Die Dichotomie von Staat und Gesellschaft | 88 | ||
a) Historischer und theoretischer Hintergrund | 88 | ||
b) Hegels Verständnis der Beziehung | 89 | ||
c) Das Verständnis der Dichotomie in der Aufklärung | 91 | ||
d) Die Dichotomie in der deutschen staatsrechtlichen Diskussion des 20. Jahrhunderts | 92 | ||
aa) Die erste Phase | 92 | ||
(1) Jellineks Staatsverständnis | 92 | ||
(2) Zwei-Seiten-Theorie | 93 | ||
(3) Der faktische Staatsbegriff | 94 | ||
bb) Die zweite Phase | 94 | ||
(1) Kelsens Staatsverständnis | 94 | ||
(2) Der Staat als ein System von Normen | 95 | ||
3. Die Dichotomie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts | 96 | ||
a) Luhmanns Ablehnung der Dichotomie | 98 | ||
aa) Die Wiederbelebung alter Diskussionen | 98 | ||
bb) Die Überwindung der Dichotomie durch die Systemtheorie | 99 | ||
cc) Luhmanns Staatsverständnis | 100 | ||
dd) Der Staat der Weltgesellschaft | 100 | ||
b) Praktische Aspekte der Diskussion | 101 | ||
aa) Auflösung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft | 101 | ||
bb) Beibehaltung der Unterscheidung | 102 | ||
4. Gerüchte über das Ende des Staates | 103 | ||
5. Konsequenzen der Änderung des Staatsverständnisses für das Recht | 104 | ||
a) Die Identität des öffentlichen Rechts | 104 | ||
b) Recht ohne Staat | 106 | ||
IV. Fazit | 107 | ||
Kapitel 4: Die Herausbildung der Rechtsstaatlichkeit und die Neuorientierung des Rechts in der Risikogesellschaft: Hauptaspekte des Wechsels vom Gefahr- zum Risikoparadigma | 109 | ||
I. Die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland | 110 | ||
1. Der liberale Rechtsstaat | 111 | ||
2. Der soziale Rechtsstaat | 112 | ||
3. Der vorsorgende Rechtsstaat | 114 | ||
II. Der Rechtsstaat als (Risiko-)Vorsorgestaat | 114 | ||
1. Vorsorgestaat und Risikogesellschaft | 114 | ||
2. Vorsicht statt Nachsicht | 115 | ||
3. Rechtsstaatlichkeit und Umweltstaatlichkeit | 116 | ||
a) Verschiedene Auffassungen von einem Umweltstaat | 117 | ||
aa) Der Umweltstaat nach Kloepfer | 117 | ||
bb) „Green State“ gemäß Eckersley | 118 | ||
cc) Der ökologische Rechtsstaat nach Bosselmann | 118 | ||
dd) Der ökologische Verfassungsstaat gemäß Steinberg | 119 | ||
b) Die Rechtsordnung im Licht der ökologischen Diskussion | 119 | ||
III. Wirkungen der staatlichen Paradigmenwechsel auf das öffentliche Recht und seine Dogmatik | 120 | ||
1. Das Paradigma der Gefahrenabwehr | 121 | ||
a) Die Geschichte der Gefahrenabwehr | 121 | ||
b) Grundstrukturen des Rechts der Gefahrenabwehr | 122 | ||
aa) Das Recht der Gefahrenabwehr des klassischen Polizeirechts | 123 | ||
(1) Staatstheoretische Überlegungen | 123 | ||
(2) Gefahrenverständnis im deutschen Polizeirecht | 124 | ||
(3) Gefahrenmodalitäten im Polizeirecht | 125 | ||
(a) Konkrete und abstrakte Gefahr | 126 | ||
(b) Gefahrverdacht und Anscheinsgefahr | 127 | ||
c) Subjektivität und Objektivität des Gefahrenbegriffs | 128 | ||
aa) Normativ-subjektives Gefahrverständnis | 128 | ||
bb) Das objektive Gefahrverständnis | 129 | ||
2. Das Risikovorsorgeparadigma | 131 | ||
a) Risikobegriff im Recht | 131 | ||
b) Modelle zum Risikoverständnis | 132 | ||
aa) Drei-Stufen-Modell | 133 | ||
bb) Zwei-Stufen-Modell | 133 | ||
c) Vorsorgendes Handeln | 134 | ||
aa) Grundsätze des vorsorgenden Handelns | 134 | ||
(1) Vorsorge als Rechtsbegriff | 134 | ||
(2) Zweck der Vorsorge | 135 | ||
IV. Fazit | 137 | ||
Dritter Teil: Vorsorgendes Handeln und Grundrechte am Beispiel des beschleunigten Atomausstiegs Deutschlands | 138 | ||
Kapitel 5: Die informale Exekutive als Provokation des Verfassungsstaates: vorsorgendes Handeln und Grundrechte am Beispiel des beschleunigten Atomausstiegs Deutschlands | 140 | ||
I. Die informelle Energiewende | 141 | ||
1. Atomkonsens I | 141 | ||
2. Atomkonsens II | 142 | ||
3. Das Atom-Moratorium | 143 | ||
a) Wieviel Entformalisierung durch die Exekutive verträgt ein Verfassungsstaat? | 143 | ||
b) Vorsorgendes Handeln in der (Welt-)Risikogesellschaft | 145 | ||
c) Die fehlende Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrats bei der 11. AtG-Novelle | 146 | ||
d) Das Atom-Moratorium 2011: ein verfassungswidriger Akt der Exekutive | 148 | ||
aa) Hauptbestandteile eines Moratoriums | 149 | ||
(1) Definition | 149 | ||
(2) Ultima-Ratio-Maßnahme | 150 | ||
bb) Rechtsgrundlagen | 150 | ||
(1) Der Gefahrbegriff im Atomrecht | 152 | ||
(2) Das Verständnis des Gefahrverdachts | 154 | ||
cc) Entscheidungen zum Atom-Moratorium | 154 | ||
e) Vergleich zwischen dem Atom-Moratorium und der 13. AtG-Novelle | 156 | ||
f) 11. AtG-Novelle und 13. AtG-Novelle | 156 | ||
II. Grundrechte der Kernkraftwerkbetreiber und Schadensersatz | 158 | ||
1. Die Verfassungsbeschwerden von E.ON, RWE und Vattenfall / Krümmel | 159 | ||
a) Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2821/11 von E.ON | 160 | ||
b) Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 321/12 von RWE | 162 | ||
c) Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1456/12 von Krümmel / Vattenfall | 164 | ||
2. Die Stellungnahme der Bundesregierung hinsichtlich der Verfassungsbeschwerden | 165 | ||
3. Hauptaspekte der Entscheidung des BVerfG hinsichtlich der 13. AtG-Novelle | 167 | ||
a) Mündliche Verhandlung vor der Entscheidung des BVerfG | 167 | ||
b) Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden | 167 | ||
aa) Die Beschwerdefähigkeit von E.ON und RWE | 168 | ||
bb) Die Beschwerdefähigkeit von Vattenfall / Krümmel | 168 | ||
c) Die Begründetheit der Verfassungsbeschwerden | 168 | ||
aa) Eigentumsfreiheit gem. Art. 14 GG | 169 | ||
(1) Eingriff in den Schutzbereich | 169 | ||
(2) Rechtfertigung | 171 | ||
bb) Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG | 171 | ||
cc) Einzelfallgesetz, Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG | 172 | ||
d) Rechtliche Konsequenzen der Entscheidung | 173 | ||
III. Facetten der Energiewende | 173 | ||
1. Historische Einordnung | 174 | ||
a) Rückblick auf die deutsche Atompolitik | 174 | ||
b) Die Wahrnehmung der Kernenergie in der Nachkriegszeit | 175 | ||
c) Der Manichäismus in der deutschen Kernenergiedebatte | 177 | ||
d) Das heutige Verständnis des Atomausstiegs | 179 | ||
2. Energiewende als Politikwechsel | 179 | ||
3. Rolle des Staates | 181 | ||
4. Symbolische Bedeutung der Wende | 183 | ||
IV. Der Zusammenhang zwischen vorsorgendem Handeln und den Grundrechten | 183 | ||
V. Fazit | 186 | ||
Zusammenfassung der Ergebnisse | 189 | ||
Literaturverzeichnis | 196 | ||
Sachwortverzeichnis | 211 |