Die Rechtsbindung der Arbeitnehmer an Unfallverhütungsvorschriften gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VII
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Die Rechtsbindung der Arbeitnehmer an Unfallverhütungsvorschriften gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VII
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht, Vol. 181
(2000)
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Abstract
Aufgrund der Zersplitterung des Arbeitsschutzrechts in eine Vielzahl von Rechtsvorschriften, zu denen auch das Unfallverhütungsrecht der Berufsgenossenschaften zählt, ist es rechtsdogmatisch weniger erschlossen als andere Teilbereiche des Arbeitsrechts. Weitgehend ungeklärt ist die Frage, wie die Rechtsbindung der Arbeitnehmer an Unfallverhütungsvorschriften rechtsdogmatisch erklärt werden kann. Obwohl die Arbeitnehmer nicht Mitglieder der gewerblichen Berufsgenossenschaften sind, sind sie nach allgemeiner Ansicht, die oftmals nicht näher begründet wird, an Unfallverhütungsvorschriften gebunden. Der Autor entwickelt eine rechtsdogmatische Erklärung unter Einbezug des Gesamtzusammenhangs des Unfallverhütungsrechts.Zur Einführung in die Thematik zeichnet Jörg Vogel zunächst einen historischen Abriß. Sodann gibt er einen Überblick über die Einteilung des Arbeitsschutzrechts. Darauf werden die Unfallverhütungsvorschriften systematisiert und Folgen von Verstößen diskutiert. Ausführlich widmet sich der Autor der Frage nach der Rechtsnatur der Unfallverhütungsvorschriften, die er dem Satzungsrecht zuordnet. Diese Rechtsbindung ist jedoch nur unter der Bedingung legitim, wenn die Versicherten die Möglichkeit haben, paritätisch beim Erlaß der Satzungen mitzuwirken. Damit sind demokratisch legitimierte Wahlen erforderlich. In diesem Zusammenhang diskutiert Vogel die Problematik der Friedenswahlen, die entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts nicht in Einklang mit der Verfassung sind. Damit ist festzustellen, daß ein wesentlicher Teil der Unfallverhütungsvorschriften der gewerblichen Berufsgenossenschaften unwirksam ist, da die Vertreterversammlungen größtenteils in Friedenswahlen bestimmt wurden.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 15 | ||
A. Der historische Hintergrund der Unfallverhütungsvorschriften | 19 | ||
I. Sozialpolitische Hintergründe des Unfallversicherungsgesetzes | 19 | ||
1. Die Entwicklung eines staatlichen Arbeitsschutzes | 19 | ||
2. Die Notwendigkeit existentieller Absicherung der Arbeiter durch eine Unfallversicherung | 21 | ||
a) Die Knappschaften als Vorgänger der Unfallversicherung | 21 | ||
b) Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7.6.1871 | 22 | ||
c) Die Schwächen der Hilfskassen und des Reichshaftpflichtgesetzes | 23 | ||
II. Der erste Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes von 1881 | 24 | ||
1. Die Motive für die Einführung einer öffentlich-rechtlichen Unfallversicherung | 24 | ||
2. Die Regelungen des 1. Entwurfs des Unfallversicherungsgesetzes | 29 | ||
III. Der zweite Entwurf vom 8. Mai 1882 | 31 | ||
IV. Der dritte Entwurf vom 6. März 1884 | 33 | ||
1. Vorgeschichte | 33 | ||
2. Die Regelungen bezüglich der Organisation der Unfallversicherung und der Unfallverhütungsvorschriften | 34 | ||
a) Die Organisation der Unfallversicherung | 34 | ||
b) Die Arbeiterausschüsse | 35 | ||
3. Die Unfallverhütungsvorschriften | 36 | ||
4. Kritik am Entwurf | 37 | ||
a) Die Reaktion der Industrie | 37 | ||
b) Die Reaktion der Arbeiterschaft und der Sozialdemokratie | 38 | ||
V. Das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 | 39 | ||
1. Die Organisation der Unfallversicherung | 40 | ||
2. Die Beteiligung der Arbeiter nach dem Unfallversicherungsgesetz | 40 | ||
3. Die gesetzliche Regelung der Unfallverhütungsvorschriften | 42 | ||
VI. Die Entwicklung im Kaiserreich bis zum Ende des Kaiserreichs | 43 | ||
VII. Die Unfallversicherung in der Weimarer Republik | 44 | ||
VIII. Die Entwicklung im NS-Staat | 44 | ||
IX. Die Entwicklung der Unfallversicherung in der Nachkriegszeit bis zur Eingliederung in das Sozialgesetzbuch | 45 | ||
1. Die Entwicklung in der DDR | 45 | ||
2. Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland | 46 | ||
a) Vorbemerkung | 46 | ||
b) Das Selbstverwaltungsgesetz vom 22. Februar 1951 und die Entwicklung bis zum SGB VII | 46 | ||
X. Bewertung | 47 | ||
B. Die Unfallverhütungsvorschriften im System des Arbeitsschutzrechts | 48 | ||
I. Der privatrechtliche Arbeitsschutz | 48 | ||
II. Der öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz | 50 | ||
1. Das staatliche Arbeitsschutzrecht | 51 | ||
a) Begriff | 51 | ||
b) Sozialer Arbeitsschutz | 51 | ||
c) Technischer Arbeitsschutz | 51 | ||
aa) Arbeitsstätten | 52 | ||
bb) Geräte- und Anlagensicherheit | 52 | ||
cc) Gefahrstoffe | 53 | ||
2. Das autonome Arbeitsschutzrecht | 53 | ||
a) Begriff | 53 | ||
b) Dualismus des technischen Arbeitsschutzrechts | 54 | ||
3. Arbeitsschutzrecht auf europäischer Ebene | 54 | ||
III. Die Einordnung der Unfallverhütungsvorschriften in das System des technischen Arbeitsschutzrechts | 56 | ||
C. Systematisierung der Unfallverhütungsvorschriften nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VII | 58 | ||
I. Allgemeines | 58 | ||
II. Systematisierung nach dem Geltungsbereich und Verfahren bei Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften | 58 | ||
III. Systematisierung der Unfallverhütungsvorschriften nach den darin den Arbeitnehmern auferlegten Rechtspflichten | 59 | ||
1. Regelungsinhalte der Unfallverhütungsvorschriften und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands | 60 | ||
2. Einteilung nach dem Grad der Verbindlichkeit der die Arbeitnehmer treffenden Rechtspflichten | 60 | ||
a) Beispiele für nicht bußgeldbewehrte Unfallverhütungsvorschriften | 61 | ||
b) Bußgeldbewehrte Unfallverhütungsvorschriften | 62 | ||
aa) Das persönliche Verhalten der Arbeitnehmer betreffende Vorschriften | 62 | ||
bb) Das technische Verhalten der Arbeitnehmer betreffende Unfallverhütungsvorschriften | 63 | ||
D. Folgen von Verstößen der Arbeitnehmer gegen Unfallverhütungsvorschriften | 65 | ||
I. Auswirkungen auf den Versicherungsschutz | 65 | ||
II. Arbeitsvertragliche Konsequenzen einer Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers gegen Unfallverhütungsvorschriften | 66 | ||
1. Einfluß der Unfallverhütungsvorschriften auf die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer | 66 | ||
a) Die Lehre von der Doppelwirkung öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzvorschriften | 66 | ||
b) Die Ansicht Hanaus | 68 | ||
c) Kritik und eigener Lösungsversuch | 69 | ||
aa) Kritik an der Ansicht Hanaus | 69 | ||
bb) Kritik an der Subsidiaritätskonzeption Wlotzkes | 72 | ||
cc) Alternativer Lösungsansatz | 73 | ||
2. Arbeitsvertragliche Konsequenzen bei Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften | 77 | ||
a) Entfallen der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers | 77 | ||
b) Verlust des Entgeltfortzahlungsanspruchs | 78 | ||
c) Verpflichtung zu Schadensersatz | 78 | ||
d) Abmahnung und Kündigung des Arbeitsverhältnisses | 79 | ||
III. Bußgeld- und strafrechtliche Auswirkungen von Verstößen gegen Unfallverhütungsvorschriften | 80 | ||
1. Verstoß des Arbeitnehmers gegen Unfallverhütungsvorschriften als Ordnungswidrigkeit | 80 | ||
2. Strafrechtliche Folgen bei Verstößen gegen Unfallverhütungsvorschriften | 81 | ||
E. Die Rechtsnatur von Unfallverhütungsvorschriften | 83 | ||
I. Problemstellung und ähnliche Problematik bei den Neutralitätsanordnungen der Bundesanstalt für Arbeit | 83 | ||
II. Mögliche Lösungsansätze | 86 | ||
1. Unfallverhütungsvorschriften als Rechtsverordnungen | 86 | ||
a) Begriff und Voraussetzungen der Rechtsverordnung | 86 | ||
b) Unfallverhütungsvorschriften als Rechtsverordnungen | 87 | ||
2. Unfallverhütungsvorschriften als Rechtsakte sui generis in Analogie zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen | 88 | ||
a) Parallelen von § 15 SGB VII und § 5 TVG | 88 | ||
b) Rechtsnatur und Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung | 88 | ||
aa) Zweck, Verfahren und Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung | 88 | ||
(1) Zweck der Allgemeinverbindlicherklärung | 88 | ||
(2) Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung | 89 | ||
(3) Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung | 90 | ||
bb) Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung | 90 | ||
c) Unfallverhütungsvorschriften als Rechtsakte sui generis mit Rechtswirkung in Analogie zu § 5 Abs. 4 TVG | 92 | ||
aa) Voraussetzungen einer Analogie | 92 | ||
bb) Unfallverhütungsvorschriften als Rechtsakte sui generis mit Wirkung gem. § 5 TVG analog? | 93 | ||
III. Unfallverhütungsvorschriften als Satzungsrecht | 96 | ||
1. Begriff, Formen und Träger der Selbstverwaltung | 96 | ||
a) Begriff der Selbstverwaltung | 96 | ||
b) Formen der Selbstverwaltung | 97 | ||
c) Selbstverwaltungsträger | 98 | ||
aa) Körperschaften des öffentlichen Rechts | 98 | ||
bb) Anstalten des öffentlichen Rechts | 99 | ||
cc) Organisation der gewerblichen Berufsgenossenschaften und deren Qualifikation als öffentlich-rechtliche Körperschaften | 100 | ||
2. Selbstverwaltung in der Sozialversicherung | 103 | ||
a) Verfassungsrechtliche Absicherung der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung? | 103 | ||
b) Grenzen der Autonomie – Grundrechtsbindung und Gesetzesvorbehalt | 105 | ||
c) Demokratische Legitimation der Selbstverwaltung | 106 | ||
d) Kontrolle der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltungsträger durch Mitwirkungsvorbehalte und staatliche Aufsicht | 106 | ||
aa) Mitwirkungs- und Genehmigungsvorbehalte | 107 | ||
bb) Staatliche Aufsicht über Selbstverwaltungsträger | 109 | ||
(1) Rechtsaufsicht | 109 | ||
(2) Fachaufsicht | 110 | ||
e) Versuch einer Definition der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung | 111 | ||
f) Materielle Selbstverwaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung | 112 | ||
aa) Autonomie im Organisationsbereich – innere Selbstverwaltung | 112 | ||
bb) Autonomie im Bereich der Unfallverhütung – äußere Selbstverwaltung | 113 | ||
3. Charakterisierung des Satzungsrechts | 114 | ||
a) Anforderungen an Satzungen | 114 | ||
aa) Grundlagen der Satzungsautonomie | 114 | ||
bb) Satzungsgewalt und Gesetz | 116 | ||
cc) Mitgliedschaftliche Legitimation der Satzungsgewalt | 117 | ||
b) Unfallverhütungsvorschriften als Satzungsrecht – Abgrenzung zu Rechtsverordnungen | 117 | ||
aa) Abgrenzung Satzung – Rechtsverordnung | 117 | ||
bb) Unfallverhütungsvorschriften als Satzungsrecht | 119 | ||
F. Die Außenseiterproblematik in Satzungen | 121 | ||
I. Außenwirkung als konstitutives Merkmal der Satzung | 121 | ||
II. Beispiele für Außenwirkung von Satzungsrecht | 122 | ||
1. Ausklammerung der gemeindlichen Satzungen | 122 | ||
2. Beispiele für Satzungsrecht mit Außenwirkung | 123 | ||
III. Unterscheidung zwischen Reflexwirkung und echter Außenwirkung | 124 | ||
1. Darstellung | 124 | ||
2. Kritische Würdigung | 125 | ||
IV. Bisherige Lösungsansätze der Bestimmung zulässiger Außenseiterbindung | 126 | ||
V. Alternativer Lösungsvorschlag | 130 | ||
1. Keine Differenzierung innerhalb der Außenwirkung | 130 | ||
2. Sachnähe als unabdingbare Voraussetzung für Autonomieerweiterung | 131 | ||
3. Staatliche Ermächtigung und deren Grenzen | 131 | ||
a) Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage | 131 | ||
aa) Gesetz als Ermächtigungsgrundlage | 132 | ||
bb) Verfassung als Ermächtigungsgrundlage – Beispiel der Hochschulautonomie | 132 | ||
b) Grenzen der Ermächtigung und Berücksichtigung der Außenseiterrechte (in der Ermächtigungsgrundlage) | 133 | ||
aa) Normierungspflicht des Gesetzgebers bei „wesentlicher“ Außenseiterwirkung – Eingriffsintensität als Entscheidungsmerkmal | 134 | ||
bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und seine Beachtung bei der Außenseiterwirkung | 135 | ||
4. Wechselwirkung der Ermächtigungsgrundlage mit demokratischer Komponente – Mitwirkungsmöglichkeit der Außenseiter bei der Satzungsgebung | 137 | ||
5. Mitwirkungsvorbehalte und staatliche Aufsicht als Außenseiterschutz | 138 | ||
a) Mitwirkungsvorbehalte | 138 | ||
b) Staatliche Aufsicht als Außenseiterschutz | 139 | ||
6. Wertende Gesamtbetrachtung | 139 | ||
G. Übertragung des alternativen Lösungsansatzes auf die Unfallverhütungsvorschriften | 141 | ||
I. Lösungsansätze in der Literatur | 141 | ||
1. Bindung kraft Versicherungsverhältnis | 141 | ||
2. Versicherte als Mitglieder der Berufsgenossenschaften? | 142 | ||
II. Alternativer Lösungsansatz: Beachtung der Grundsätze einer wirksamen Außenseitereinbeziehung in der Unfallversicherung | 143 | ||
1. Sachnähe der Berufsgenossenschaft zur Aufgabe der Unfallverhütung | 143 | ||
2. Die Ermächtigungsgrundlage in § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII | 144 | ||
a) § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII und der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes | 145 | ||
b) § 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII als den Versicherten gegenüber verhältnismäßige Regelung | 147 | ||
3. Mitwirkungsmöglichkeit der Außenseiter bei Erlaß der Unfallverhütungsvorschriften | 148 | ||
4. Genehmigungsvorbehalt und staatliche Aufsicht | 150 | ||
a) Genehmigungsvorbehalt | 150 | ||
b) Staatliche Aufsicht | 151 | ||
5. Gesamtbetrachtung | 151 | ||
H. Problem der Friedenswahlen | 152 | ||
I. Begriff und Bedeutung | 152 | ||
II. Verfassungsrechtliche Problematik – keine Rechtfertigung in Art. 9 Abs. 3 GG | 153 | ||
1. Verfassungsrechtliche Problematik der Friedenswahlen | 153 | ||
2. Rechtfertigung von Friedenswahlen durch die besondere Stellung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der Sozialversicherung – Art. 9 Abs. 3 GG | 157 | ||
III. Auswirkungen auf die Rechtsbindung | 158 | ||
Zusammenfassung | 160 | ||
Literaturverzeichnis | 164 | ||
Sachwortverzeichnis | 172 |