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Vormünder des Volkes?

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Stollberg-Rilinger, B. (1999). Vormünder des Volkes?. Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49470-5
Stollberg-Rilinger, Barbara. Vormünder des Volkes?: Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches. Duncker & Humblot, 1999. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49470-5
Stollberg-Rilinger, B (1999): Vormünder des Volkes?: Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-49470-5

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Vormünder des Volkes?

Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches

Stollberg-Rilinger, Barbara

Historische Forschungen, Vol. 64

(1999)

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Abstract

Die landständischen Verfassungen in den Territorien des frühneuzeitlichen Reiches sind von der historischen Forschung gern als Vorläufer des modernen Parlamentarismus aufgefaßt worden. Diese Deutung war von dem Bemühen um demokratisch-rechtsstaatliche Traditionsstiftung geleitet; für sie schien zu sprechen, daß die vormodernen Landstände schon von den Zeitgenossen als »Repräsentanten der Untertanen« bezeichnet worden waren. Im Gegensatz zu dieser älteren Auffassung wird hier die These vertreten, daß ein begrifflicher Bruch das ältere Verständnis ständischer Repräsentation von dem des 19. und 20. Jahrhunderts trennt - ein revolutionärer Bruch, den man allerdings schon im frühen 19. Jh. zu verschleiern oder zu überbrücken suchte, indem man die eigenen Reformforderungen mit der Legitimität eines unvordenklichen Alters versah. Die Verfassungsdebatte der Revolutionszeit wurde vielfach als historische Debatte um Ursprung, Alter und wahres Wesen der landständischen Verfassungen geführt. Die Entwicklung der Geschichtsschreibung über die Landstände seit dem frühen 19. Jahrhundert ist nicht losgelöst von diesen verfassungspolitischen Umständen ihrer Entstehungszeit zu begreifen. Die Rekonstruktion dieser Zusammenhänge ist daher unter anderem als Beitrag zur Selbstreflexion der historiographischen Begrifflichkeit zu verstehen.

Anhand der Verwendung des Repräsentationsbegriffs seit dem 17. Jh. läßt sich nachzeichnen, wie das traditionelle herrschaftsständisch-korporative Prinzip politischer Partizipation allmählich ausgehöhlt wurde. Im Gehäuse der hergebrachten Formen machten sich neue Inhalte breit. Die Staatsrechtler meinten mit landständischer Repräsentation bis weit ins 18. Jh. noch vor allem, daß den Ständen die Kompetenz zukomme, ihr korporatives Handeln der Gesamtheit der Untertanen - unabhängig von deren Willen - verbindlich zuzurechnen und sie darauf zu verpflichten. Gegen Ende des 18. Jhs. wurde dieses Verhältnis von Grund und Folge im Vorgang der Repräsentation umgekehrt: Nun meinte man mit landständischer Repräsentation, daß die Stände vom Volk abgeleitete Rechte ausübten und dem Willen des Volkes Ausdruck verliehen oder doch verleihen sollten. Ging es bei dem älteren Repräsentationsbegriff um die korporative Handlungsfähigkeit der Stände selbst, so postulierte der neue die politische Handlungsfähigkeit der nicht-privilegierten Untertanen. Die Tatsache, daß die Landstände dem neuen Anspruch aufgrund ihrer Struktur kaum entsprechen konnten, wurde nun zum Ansatzpunkt der Kritik und führte zu Reformvorschlägen, die die herrschaftlich-korporative Struktur der Landstände mehr oder weniger offen in Frage stellten. Die Französische Revolution löste in verschiedenen Territorien eine Welle neuer Partizipationsforderungen aus. Sie legte zum einen das Legitimationsdefizit der Landstände bloß, machte die traditionellen Landtage aber zum anderen zum Gegenstand aktueller Reformhoffnungen. Am Beispiel der Konflikte in einzelnen Territorien zeigt sich indessen, daß die Landtage im Rahmen der Reichsverfassung aus sich selbst heraus kaum reformfähig waren.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort V
Inhaltsverzeichnis VII
I. Einleitung: „Wahre Volksrepräsentanten“ oder „partikulare Interessenvertreter“? 1
1. Die Problemlage vom 19. Jahrhundert bis heute 1
2. Die Landstände zwischen 1648 und 1806 – zum verfassungsgeschichtlichen Rahmen 22
3. Die Landstände in der Theorie zwischen 1648 und 1806 – zu den theoretischen Disziplinen und öffentlichen Diskursformen 28
4. Vorgehensweise 44
II. Die landständische Verfassung zwischen Souveränitätstheorie und Territorialstaatsrecht 46
1. Die absolutistische Herausforderung – „Discurs von Land-Ständten“ (1709) 46
2. Die Antwort des Territorialstaatsrechts – David Georg Strube 56
III. Landstände und korporative Repräsentation in der Reichspublizistik 77
1. Landstände als Herrschaftsstände, Bürger oder Untertanen 77
2. Repräsentation in der Korporationstheorie 81
3. Landständische Repräsentation als formales Zurechnungsprinzip 92
4. Landständische Repräsentation als vormundschaftliche Fürsorge 103
IV. Landstände und Repräsentation im Naturrecht 111
1. Repräsentation und Herrschaft 112
2. Der Ort der Landstände im Naturrecht 115
3. Landständische Repräsentation als Volksvertretung kraft Mandats 120
V. „Virtual representation“ und „représentation de la nation“ 127
1. Die angelsächsische Repräsentationsdebatte 130
2. Die französische Repräsentationsdebatte 140
VI. „Landständische Renaissance“? Forderungen nach Landtagsreform in deutschen Territorien 152
1. Lüttich 155
2. Württemberg 159
3. Bayern 164
4. Kursachsen 169
5. Kurhannover 172
6. Hildesheim 177
7. Die habsburgischen Erbländer 181
8. „Ständische Renaissance“? – eine Bilanz der Reformversuche 185
VII. Drei Reformkonzepte der landständischen Repräsentation 189
1. Reform im Geist der Reichspublizistik – Häberlin 190
2. Reform im Geist Montesquieus und der englischen Mischverfassung – Justi und Schlözer 200
3. Reform im Geist der aufgeklärten Bürokratie – Hertzberg und Sonnenfels 220
VIII. Der Streit um die Geschichte der landständischen Verfassung und die Abwehr der Reformkonzepte 234
1. Reichsstände, Landstände und germanische Freiheit 234
2. Landstände und demokratische Eigentümergenossenschaft: Justus Möser 241
3. Die „teutsche Freiheit“ als Argument der Reform: Johann Ludwig Ewald 250
4. „Repräsentation des Eigentums“: Adolf Felix Heinrich Posse 258
5. „Die Stände sind das Volk“: Johann Christian Majer 267
6. „Landed interest“ oder Landaktien: Ludwig Timotheus Spittler und August Wilhelm Rehberg 275
IX. Das nachrevolutionäre Naturrecht und die Landstände: Andreas Ludolph Jacobi und Wilhelm Joseph Behr 285
X. Was heißt landständische Repräsentation? – Ergebnisse 298
Literaturverzeichnis 305
Personenregister 361