Zwischen Schicksal und Chance
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Zwischen Schicksal und Chance
Arbeit und Arbeitsbegriff in Großbritannien im 17. und 18. Jahrhundert auf dem Hintergrund der »Utopia« des Thomas More
Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Vol. 52
(1997)
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Abstract
Ziel der vorliegenden Abhandlung ist die Entwicklung eines vorindustriellen Arbeitsbegriffes mittels einer hermneneutischen Methode, die auf das Verständnis dieses Begriffes aus seiner Zeit heraus setzt. Die Begrifflichkeit rund um die Arbeit wird mit stetem Blick auf die konkreten zeitgenössischen Arbeitswelten entwickelt. Historische Darstellung und philosophische Reflexion sind untrennbar miteinander verknüpft. Neben bekannten Philosophen kommen Wirtschaftslobbyisten, politische Schriftsteller und einfache Zeitzeugen zu Wort.Der Rückgriff auf die »Utopia« des Thomas Morus ermöglicht einen differenzierten Blick auf die unterschiedlichen Versuche, der Arbeit rationale Räume zu schaffen, welche die Neuzeit kennzeichnen. Dies gilt sowohl für die soziale Organisation der Arbeit als auch für die Bedeutung von Arbeit als Mittel zur rationalen Aneignung der Wirklichkeit in einer Epoche, die noch ohne Dampfkraft und Elektrizität auskommen mußte. Dabei eröffnen sich immer wieder neue Horizonte und Perspektiven, oft jedoch nur, um sich schon recht bald als Sackgassen zu erweisen.Die Rolle der Arbeit wird im individuellen und im sozialen Leben beleuchtet sowie als Mittel der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur. Arbeit erscheint als abhängige Beschäftigung und als selbständiges Business, als ordnungs- und sozialpolitisches Instrument, als Erziehungsmittel und Ziel von Erziehung sowie als Chance auf Reichtum und Selbstverwirklichung. So facettenreich die Arbeitswelten sind, so polymorph ist der vorindustrielle Arbeitsbegriff.Somit zeigt sich, daß die Perspektive der Industriellen Revolution einer Zeit, in der »industry« noch »Fleiß« statt »Industrie« bedeutet, nicht gerecht wird und daß der Liberalismus Smith'scher Prägung nicht die einzige und unausweichliche Antwort auf die Fragen der Epoche vor 1776 war. Der Blick auf die Wurzeln und die Vorgeschichte des Liberalismus ist gerade angesichts dessen heutiger Renaissance aufschlußreich.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Hinweise zur Textgestaltung | 14 | ||
Einleitung | 15 | ||
A. Von der ‘Utopia’ zum ‘Wohlstand’ – Die Klammer um die Epoche | 19 | ||
Der zeitliche Rahmen | 19 | ||
Agrargesellschaft, Knappheitsgesellschaf | 20 | ||
I. Ansätze und Ausgangspunkte | 23 | ||
1. Der Ansatz der ‘Utopia’ | 25 | ||
Der Status der idealen Insel | 25 | ||
Die Eindimensionalität der utopischen Rationalität und Joseph Halls frühe satirische Kritik daran | 26 | ||
2. Der Ansatz des ‘Wohlstands der Nationen’ | 28 | ||
II. Von der utopischen Rationalität zum liberalen Effizienzdenken | 30 | ||
Natürliches Bedürfnis und freier Konsument | 30 | ||
Vernunft und Brauch | 31 | ||
Kontrolle und Markt | 34 | ||
Verfügbarkeit und Mobilität | 35 | ||
Vermögen und Kapital | 37 | ||
Perfektion und Dynamik | 39 | ||
Haus und Weltmarkt | 41 | ||
B. Horizonte und Perspektiven menschlicher Arbeit | 44 | ||
I. Arbeit und der menschliche Horizont | 44 | ||
Heilsame Aktivität... | 44 | ||
...oder abstumpfender Alltag? | 46 | ||
David Humes optimistische Fortschrittsperspektive | 48 | ||
Adam Smith und die Kosten des Fortschritts | 50 | ||
II. Business und Beschäftigung – Fleiß und Arbeit: eine Begriffsklärung | 52 | ||
1. Selbständiges Business, abhängige Beschäftigung | 52 | ||
Verordnete Arbeit | 53 | ||
Beschäftigung als neues Mittel der Armenpolitik | 54 | ||
Defoes lehrbuchmäßige Unterscheidung von Business und Beschäftigung | 56 | ||
Der Charakter des Tradesman als Businesstreibendem | 58 | ||
2. Der Fleiß als die Seele der Arbeit | 60 | ||
Mun, Burton und der Rückgriff auf Aristoteles | 60 | ||
Mandevilles Definition des Fleißes | 61 | ||
Fleiß und Erfindungsgabe: Sir James Steuart | 65 | ||
Kapital und Arbeit: Adam Smith und die neuen Kategorien | 66 | ||
III. Das Haus: Ausgangspunkt und Kategorie im Hintergrund | 68 | ||
Das aristotelische Erbe, John Locke und das soziale Verhältnis der Arbeit | 68 | ||
Der ‘Servant’ | 70 | ||
Das Haus und die Republik | 72 | ||
Volkswirtschaftliche Knechte | 73 | ||
IV. Nationaler Reichtum durch Beschäftigung des Volkes | 76 | ||
1. Das Arbeitshaus | 77 | ||
Das Arbeitshaus als Hoffnungsträger | 78 | ||
Das Scheitern des Arbeitshausgedankens | 80 | ||
2. Sir William Petty – Beschäftigungspolitik unter der verwaltenden Vernunft | 83 | ||
Zukunftsorientierte Armenpolitik | 84 | ||
Ökonomische Hebammendienste für Irland | 86 | ||
‘Spare Hands’: übrige oder ungenutzte Hände | 88 | ||
Die Perspektive | 90 | ||
V. Arbeit als individuelle Chance | 91 | ||
1. Arbeit-Geben als Gnadenakt: Thomas Mun | 92 | ||
2. Arbeit als Ware und der Versuch, ihr einen fairen Markt zu schaffen: Hartlibs und Robinsons ‘Office of Addresses’ | 94 | ||
3. Gemeinschaftliche Arbeit als Chance für den Einzelnen | 98 | ||
a) Kampf jeglicher Mittelbarkeit: Gerrard Winstanley | 99 | ||
Das Gesetz Gottes und der Vernunft | 100 | ||
Arbeit als Sozialisationsvollzug: Würde statt individueller Profit | 102 | ||
Eine zukunftweisende Inkonsequenz | 103 | ||
b) Interessengemeinschaft von Kapital und Arbeit: John Bellers’ Colledge of Industry | 104 | ||
Wechselseitige Pflichten | 105 | ||
Wertmaß Arbeit: Interne Geldlosigkeit und Solidarität | 107 | ||
Fleiß und soziale Perspektive | 109 | ||
4. Arbeit als Chance und Verantwortung: Daniel Defoe und der ‘Woollen Trade’ | 111 | ||
Selbstverantwortung am Arbeitsmarkt | 111 | ||
Idylle der Arbeitsamkeit | 114 | ||
Schutz der heimischen Arbeit vor Importen | 115 | ||
Sozialversicherung aus Verantwortungsgefühl | 117 | ||
5. Die Chance im Systemwandel – Steuart und Smith | 119 | ||
Die Erfassung der ökonomischen Situation | 119 | ||
Bestimmungsfaktoren des Arbeitslohnes: Wachstum, Fleiß und Fortschritt | 121 | ||
Arbeit und Kapital; Lohn und Profit | 125 | ||
Der Umgang mit den Folgen der Arbeitsteilung | 127 | ||
Die Perspektive an der Schwelle zum Industriezeitalter | 128 | ||
C. Konkrete Arbeitswelten in den verschiedenen Bereichen der Volkswirtschaft | 131 | ||
I. Die Landwirtschaft | 132 | ||
1. Die ökonomische Situation | 133 | ||
Produktivität und Subsistenzwirtschaft | 134 | ||
Größere Produktionseinheiten und Spezialisierung | 136 | ||
2. Landwirtschaft als an sich wertvolle Tätigkeit | 139 | ||
II. Die Schiffahrt | 144 | ||
Kapital, Arbeit und Qualifikation | 144 | ||
Defoes Projekt einer Vermittlungsstelle | 145 | ||
Die Berufsrealität | 147 | ||
III. Handwerk und Industrie | 153 | ||
1. Arbeit zwischen Kunst und Norm | 154 | ||
2. Größe und Struktur des Handwerksbetriebes: Arbeitswelt im Wandel | 157 | ||
Arbeit außer Haus: Das Baugewerbe | 158 | ||
Arbeit im Haus: Meister und Lehrling | 159 | ||
3. Die Suche nach neuen Strukturen: Bellers und Crowley | 161 | ||
a) Organisation von Arbeitswelt im Colledge of Industry | 162 | ||
b) Das Fabrikgesetzbuch von Crowleys Eisenwerken | 165 | ||
Die Fabrik | 165 | ||
Der Eintritt in eine eigene Welt | 166 | ||
Qualitätsstandards: Kontrolle, Anleitung und Verantwortung | 168 | ||
Hohe Anforderungen an die Loyalität der Arbeiter | 171 | ||
Crowleys ‘Regierungsziel’: Gerechtigkeit und ein blühendes Volk | 173 | ||
Geistliche und soziale Versorgung: Die Geschlossenheit der Arbeitswelt | 175 | ||
IV. Der Handel | 178 | ||
1. Der Konflikt zwischen Produktion und Handel | 178 | ||
Die Monopole | 179 | ||
Die Weber gegen die Ostindische Kompanie: Der Höhepunkt des Konfliktes | 180 | ||
2. Die Funktionen des Handels | 183 | ||
Kritik am Handel als der Instanz der Ausschließlichkeit: Gerrard Winstanley | 183 | ||
Inventur der Vermittler: Sir William Petty | 186 | ||
Die Chance im Gefüge wechselseitiger Abhängigkeiten: Defoes Lob des Zwischenhandels | 187 | ||
Der Außenhandel als Ort des Fleißes: John Locke | 188 | ||
Fernhandel als Wissensvermittler: Francis Bacon und die Royal Society | 190 | ||
Der Kaufmann als Vermittler des Fortschritts: David Hume | 192 | ||
V. Vermittlung und Geldwesen | 194 | ||
1. Das Geld in der Welt des Tradesman | 195 | ||
Die konkrete Bedeutung von Wucher und Kredit | 195 | ||
Der Schuldner: moralische Pflichten und Perspektive | 197 | ||
Die fremde Welt des Geldes | 198 | ||
2. Was ist Geld? Zwei mögliche Antworten | 199 | ||
John Locke | 199 | ||
Adam Smith | 201 | ||
VI. Akademiker | 203 | ||
1. Mediziner | 204 | ||
2. Klerus und Juristen | 206 | ||
Utopische Direktheit statt zum Mißbrauch einladende Vermittlung | 206 | ||
Revolutionäre Kritik an den Stützen eines verhaßten Systems | 208 | ||
Winstanleys Kampf gegen ‘Pfaffentrug und Advokatenlist’ | 209 | ||
Von der grundsätzlichen zur pragmatischen Betrachtungsweise: Petty und Smith | 211 | ||
VII. Dienstboten | 213 | ||
Unproduktive Arbeit | 213 | ||
Knecht als Teil des Hauses | 215 | ||
VIII. Der Bettel | 217 | ||
Erfassung und Kriminalisierung | 217 | ||
Business Bettel | 219 | ||
IX. Konsum und Muße: Gegenpol und Ziele der Arbeit | 220 | ||
‘Suffsistenz’: Alkohol als einziger Fluchtweg aus einem perspektivlosen Arbeitsalltag | 221 | ||
Luxus und Verschwendung: vom Laster zur Nachfrage | 223 | ||
Neues Konsumverhalten | 225 | ||
Unfähigkeit zur Muße? | 226 | ||
X. Krieger und Sklaven | 228 | ||
1. Das Kriegswesen | 229 | ||
Von der Kriegsmacht zur Handelsmacht: Bacon und Hume | 230 | ||
Volksmiliz, Bürgerarmee oder stehendes Heer? | 233 | ||
2. Die Sklaverei | 238 | ||
Philosophische Begriffsdefinition nach John Locke | 238 | ||
Utopische Sklaverei als Strafe mit erzieherischer Komponente | 240 | ||
Die fürsorgliche Sklaverei Sir James Steuarts | 242 | ||
Fakten zur amerikanischen Negersklaverei | 244 | ||
Koloniale Sklaverei unter dem Banner der Freiheit und LockesVerfassungsentwurf für Carolina | 246 | ||
Die Selbstverständlichkeit der Negersklaverei | 248 | ||
Arbeitsbedingungen und Rentabilitätsrechnungen | 251 | ||
Kampf gegen die Sklaverei auf biblischer Grundlage: Samuel Sewall | 253 | ||
Kampf gegen die Sklaverei auf moralisch-vernünftiger Grundlage: John Wesley | 255 | ||
Die Absage an die Sklaverei auf der Grundlage ökonomischen Interesses: Adam Smith | 258 | ||
D. Schicksal und Chance in der Auseinandersetzung mit der Natur | 261 | ||
I. Der Fluch | 261 | ||
Die Anatomie des Fluches | 261 | ||
Variationen und Relevanzverlust | 263 | ||
II. Zwei Optionen: Bacon und Locke | 265 | ||
Paradies oder Naturzustand? Eine wichtige Vorentscheidung | 265 | ||
Die unterschiedlichen Anxsatzpunkte | 267 | ||
Lockes Primat der Moral | 269 | ||
Bacons Primat tätiger Naturerkenntnis | 271 | ||
III. Die Option des Forschers | 273 | ||
Winstanleys Variante | 273 | ||
Forschung: Die Musterehe von Kraft und Verstand | 275 | ||
Die Royal Society, eine Gemeinschaft freier Forscher | 277 | ||
Bacons Anspruch | 279 | ||
Bacons Utopie Neu Atlantis | 281 | ||
IV. Die Gestaltung der menschlichen Natur mittels Erziehung | 283 | ||
1. Erziehung zum Verständnis – John Brinsley | 285 | ||
Das Ziel: Verständnis | 286 | ||
Die Methode: Spielerischer Wettbewerb und die Zergliederung von Fragen | 287 | ||
2. Operatives Wissen und Persönlichkeitsbildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Hartlib, Dury und Bellers | 288 | ||
Ingenieure für die neue Republik | 289 | ||
Hartlibs Plan einer Armenschule und die reale Situation | 292 | ||
Bellers’ Colledge of Industry: Die große Integration | 294 | ||
3. Erziehung zur Souveränität – John Locke | 297 | ||
Arbeit zur Vermittlung des Realitätsbezugs | 298 | ||
Arbeit, Spiel, Ausgleich | 299 | ||
4. Erziehung der Knechte – Bernard Mandeville | 301 | ||
5. Reparaturarbeiten an den Opfern der Arbeitsteilung – Adam Smith | 302 | ||
V. Die Option des Benutzers | 304 | ||
1. Die Entzauberung der Natur | 304 | ||
Land und Leute, betrachtet mit den Augen des Nutzers: Defoes Tour durch England | 305 | ||
Naturgestaltung: Zweierlei Maß mangels Orientierung | 308 | ||
2. Die Stellung des Menschen, der sich selbst besitzt | 310 | ||
Lockes Eigentumslehre im Kontext | 310 | ||
Die Rolle des Fleißes | 312 | ||
Von Locke zu Smith | 313 | ||
3. Die demographische Komponente: Sir James Steuart | 315 | ||
4. Der Neue Fluch | 318 | ||
Mehr oder Nichts | 319 | ||
Adam Smith und die List der Natur | 320 | ||
Der Preis des Fortschritts | 322 | ||
Schluß | 326 | ||
Illusion, Vision und Perspektive in der behandelten Epoche | 327 | ||
Die moderne Perspektive und die Folgen eines gewandelten Arbeitsbegriffes | 329 | ||
Literaturverzeichnis | 331 | ||
Register | 339 |