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Wesche, S. (2001). Gegenseitigkeit und Recht. Eine Studie zur Entstehung von Normen. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50536-4
Wesche, Steffen. Gegenseitigkeit und Recht: Eine Studie zur Entstehung von Normen. Duncker & Humblot, 2001. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50536-4
Wesche, S (2001): Gegenseitigkeit und Recht: Eine Studie zur Entstehung von Normen, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-50536-4

Format

Gegenseitigkeit und Recht

Eine Studie zur Entstehung von Normen

Wesche, Steffen

Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 206

(2001)

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Abstract

Warum gibt es Normen, ein doch recht unwahrscheinliches Phänomen, mit dem sich Menschen zu etwas »verbinden« (wie Kant formulierte), das ihnen gelegentlich gar nicht recht ist? Der Autor gibt sich in der vorliegenden interdisziplinären Arbeit nicht damit zufrieden, diese Frage durch einen Verweis auf Parlamentarier oder Religionsstifter, auf soziale Gruppen oder die Tradition zu beantworten. Er geht einen Schritt weiter: Wie wirkt sich die Gattungsgeschichte auf das menschliche Verhalten allgemein aus, im besonderen auf normbezogenes Verhalten und hier speziell auf Gegenseitigkeitsnormen und Recht? Und wie verhält sich hierzu der Einfluß menschlicher Kultur und Gesellschaft?

Darwins Evolutions- und Selektionstheorie ist in der Biologie mittlerweile konkurrenzlos. Darüber hinaus entwickelt sie sich zu einem bedeutenden »Paradigma« diverser Disziplinen wie Psychologie, Wissenschaftstheorie, Informatik, Ökonomie oder Spieltheorie. Die evolutionstheoretisch fundierte Analyse menschlichen Verhaltens muß als eines der vielversprechendsten wissenschaftlichen Projekte der nächsten Jahrzehnte gelten. Insbesondere Modelle der Koevolution zwischen Natur und Kultur sind fruchtbar. In Deutschland steckt die Behandlung des Themas jedoch noch in den Kinderschuhen. Statt dessen wird gerne ein Zerrbild der Biologie konstruiert und dann verworfen. Gerade die Rechtswissenschaft müßte freilich ein erhebliches Interesse daran haben, eine adäquate Verhaltenstheorie zu besitzen. Denn das Recht ist durchweg mit Verhaltensphänomenen konfrontiert. Allerdings ist vor Biologismus zu warnen: Normative Schlußfolgerungen können aus der Evolution nicht gezogen werden.

Das Verhaltensprinzip der Gegenseitigkeit erweist sich als Angelpunkt einer Erklärung der Normentstehung. Besonders interessant sind solche Normen, die den Menschen seit Urzeiten begleiten und wichtige Lebensbereiche regeln, wie Tötungs-, Lüge-, Diebstahls-, Inzestverbot, Achtungsgebote oder Goldene Regel. Das Recht wird als Sonderfall sozialer Normierung aufgefaßt. Damit stellt sich auch die Frage, welche Besonderheiten die Entstehung des Rechts auszeichnen.

Ausgezeichnet mit dem Reinhold-und-MariaTeufel-Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 7
Inhaltsübersicht 11
Inhaltsverzeichnis 13
Tabellen 18
Schaubilder 18
Teil I: Einführung 19
A. Normentstehung und Normbegriff 19
1. Zusammenhänge von Normbegriff, Normentstehung, Recht und Verhalten 19
2. Geselligkeit, Konflikte und mangelnde Erwartungssicherheit 23
3. Normativität, Normbedarf und normative Erwartung 25
4. Wettbewerb, Konflikt und externe Effekte 27
5. Ökonomisches Verhaltensmodell und das Menschenbild im Recht 28
6. Funktion, Anerkennung und „Geltung" von Normen 32
7. Konfliktnormen und Sanktionen 37
8. Konfliktnormen, Konventionen, Verteilungsnormen 39
9. Begriff der Konfliktnorm 42
10. Verhaltensunsicherheit als normbildender Faktor 45
11. Gegenseitigkeit 46
12. Sein und Sollen 50
B. Gene, Kultur, Koevolution 52
C. Methode und Forschungsstand 56
1. Systematisches Vorgehen 56
2. Evolutionismus im 19. Jahrhundert 57
3. Recht und Evolution in der neueren Forschung 60
4. Normentstehungstheorien außerhalb der Rechtswissenschaft 69
5. Interdisziplinarität 71
6. Zum Gang der Arbeit 74
Teil II: Grundlegende Konzepte der evolutionären Verhaltenstheorie 76
A. Charles Darwins Theorie 76
1. Evolution und natürliche Auslese 77
2. The survival of the mediocre 83
3. Darwin und der „moral sense" 87
Β. Neodarwinismus 90
1. Gene und Genselektion 90
2. Verwandtschaftsselektion und Gesamtfitneß 96
3. Soziobiologie 97
4. Die Wirkweise genetischer Programme (Epigenese) 100
5. Tierische Instinkte und menschliche Flexibilität 102
6. Genetische Verhaltensdisposition 104
C. Kritische Diskussion 106
1. Zu Neodarwinismus und Selektionstheorie 106
a) Unwissenschaftlichkeit? 107
b) Adaptationismus und Optimalismus 109
2. Zum Konzept der Vererbung 112
3. Sind Disposition und Determinierung erschöpfende Alternativen? 115
4. Methodenprobleme der Analyse sozialer Phänomene 115
a) Verstehen vs. Erklären 116
b) Holismus (Emergentismus) vs. methodologischer Individualismus 116
c) Die Werthaltigkeit der Gesellschaftswissenschaften 118
5. Leib und Seele, Intentionalität, Bewußtsein und das menschliche Gehirn 119
6. Vergleichende Verhaltensforschung und menschliche Spezifika 125
7. Sozialdarwinismus? 128
8. Zusammenfassung 131
Teil III: Theorie der Koevolution 132
A. Methodenfragen 132
1. Funktionalismus, ultimate und proximate Verursachung 132
2. Formaler evolutionstheoretischer Funktionalismus 135
3. Vielfaltig realisierte Funktionen und kulturell mitgestaltete Phänomene 139
4. Das Problem des Reduktionismus 144
a) Biologismus 144
b) Sozial wissenschaftlicher Reduktionismus 147
c) Theorie der Koevolution als Sozial- und Naturwissenschaft 148
B. Kulturevolution 149
1. Kultur und Tradigenese 149
2. Soziales Lernen und kulturelle Evolution 152
3. Sprache und Tradigenese 158
4. Wechselseitige Anpassung von Natur und Kultur 161
5. Kulturelle Autoselektion und versteckte Anpassungen 163
C. Koevolution 166
1. Funktionsbezüge von Kultur zu Natur 166
2. Das tabula-rasa-Argument 169
3. Exkurs zu Willensfreiheit und Sonderstatus des Menschen 171
4. Die genetische Beeinflussung kultureller Inhalte 175
a) Evolutionäre Erfordernisse in der Koevolution 175
b) Ontogenese, Phylogenese, Lernfilter, Denkmodule und Daumenregeln 178
c) Die durchschnittliche Passung von Kultur und Sprache 184
d) Der Zusammenhang kultureller und evolutionärer Maßstäbe 187
e) Einige Einwände 192
5. Die kulturelle Beeinflussung des Genoms 195
D. Umfeldbedingungen evolutionärer Angepaßtheit 196
1. Fehlanpassung 196
2. Veraltete Anpassungen 200
E. Zusammenfassung 208
Teil IV: Koevolutionäre Verhaltenstheorie 214
A. Der Nahbereich: Verwandtensolidarität 217
B. Der Mittelbereich: Gegenseitigkeit, Betrug und Konkurrenz 219
1. Grundlagen der Spieltheorie 219
2. Reziproker Altruismus 221
3. Evolutionäre Spieltheorie 223
4. Die Versuchung des Betrugs 224
5. Variationen des Gefangenendilemmas 228
a) Verwandte Spieler 232
b) Bekannte Spieldauer und Rückwärtsinduktion 233
c) Mehrpersonen-Dilemma 234
d) Koalitionenbildung 236
e) Irrtum und Täuschung 237
f) Differenzierung der Auszahlungsmatrix 238
g) Begrenzte Ressourcen und kollektive Güter 239
6. Doppelte Moral und Ausblendung des Eigennutzes 242
7. Längerfristige Reziprozität 245
8. Vertrauen und guter Ruf 247
a) Mangelnde Neuverhandlungsstabilität und menschlicher Gewohnheitscharakter 248
b) Funktionen des Vertrauens 250
c) Indirekte Reziprozität 252
9. Emotionale Strategien der Prosozialität 258
a) Lust, Unlust und konkretere Gefühle 258
b) Emotionale Selbstbindung 261
c) Grenzen des Rationalismus 263
10. Gewissen, Schuldgefühle und besonders gut versteckte Anpassungen 265
a) Nutzen für Dritte und „erweiterter Phänotyp" 268
b) Nutzen der Gewissensbisse 270
c) Das Risiko der Prosozialität 271
C. Der Fernbereich: Gruppenabgrenzung 273
1. Reziproker Gruppenegoismus 273
2. Ausgrenzung und Konformismus 276
3. Weltumspannende Sympathie? 279
D. Kritische Diskussion 281
1. Selbstlosigkeit und Egoismus 282
a) Wo bleibt die Gerechtigkeit? 282
b) Wird Selbstlosigkeit auf Egoismus reduziert? 283
2. Wie universal ist Verhalten, und was folgt daraus? 286
3. Zum Verwandtschaftsbegriff 288
E. Zusammenfassung und Ausblick 293
Teil V: Die Entstehung von Normen und Recht 300
A. Die Evolution der Normativität 300
1. Nicht-normative Verhaltenssteuerung 300
2. Die allgemeine Funktionalität von Normen 301
3. Protonormen bei nicht-menschlichen Primaten 303
B. Normbedarf und -entstehungsbedingungen 306
1. Normen im wechselseitigen Interesse: Das allgemeine Gesetz der Entstehung von Konfliktnormen 307
2. Universale Konfliktgefahren – universale Normen 308
3. Besonderheiten bei Nahbereichsnormen 312
4. Konkrete Gegenseitigkeit 313
a) Vergeltungsprinzip 314
b) Goldene Regel 316
5. Ungleiche Macht als Entstehungsbedingung von Normen 321
a) Sicherung koevolutionärer Ungleichheit durch allgemeine Normen 321
b) Anerkennung und Anwendung ungleicher Normen 323
c) Die Entstehung von Gleichheitsnormen 326
d) Reziproke Hierarchie und Egalitarismus 327
e) Staatsentstehung 331
6. Fernbereichsnormen? 334
a) Normative Gruppenabgrenzung 334
b) Menschenrechte und moralischer Universalismus 337
7. Kosten und Nutzen des Eintretens für Normen 339
C. Normbefolgung 341
1. Gründe für Befolgung und Mißachtung von Normen 342
a) Befolgung 342
b) Mißachtung 345
2. Die Objektivierung der Normgeltung 349
3. Einflüsse des gesellschaftlichen Umfelds 354
4. Sanktionskosten und ihre Auswirkung auf die Entstehung von Normen 357
D. Besonderheiten der Rechtsentstehung 359
1. Verrechtlichung von Sozialnormen 359
2. Gesetzesflut 365
3. Gerichtliche und „alternative" Konfliktbeilegung 367
4. Verhaltensneigungen und Recht 370
5. Zum sog. Rechtsgefühl 374
E. Zusammenfassung 377
Literaturverzeichnis 382
Personen- und Sachverzeichnis 421