Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat
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Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat
Eine verfassungsgeschichtliche Untersuchung des richterlichen Prüfungsrechts in Deutschland unter Einbeziehung der französischen Entwicklung
Schriften zur Verfassungsgeschichte, Vol. 64
(2001)
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Abstract
Das sogenannte richterliche Prüfungsrecht (gleichbedeutend: konkrete Normenkontrolle) ist unter dem Grundgesetz nicht mehr umstritten. Art. 100 Abs. 1 GG setzt ein entsprechendes Prüfungsrecht jedes Richters voraus und monopolisiert lediglich die Normverwerfungskompetenz beim Bundesverfassungsgericht. In der allgemeinen Auffassung erscheint das richterliche Prüfungsrecht als unverzichtbares Element, ja sogar als Vollendung des modernen Verfassungsstaates. Doch ganz so selbstverständlich, wie man als deutscher Verfassungsjurist meinen könnte, ist die Verbindung von Verfassungsstaat und richterlichem Prüfungsrecht nicht. Andere westliche Demokratien wie Frankreich und Großbritannien kennen kein entsprechendes Rechtsinstitut repressiver richterlicher Normenkontrolle. Um so spannender erscheint die Frage, welchen Weg die immer enger zusammenwachsende europäische Staatengemeinschaft, die Europäische Union als werdender Verfassungsstaat, gehen sollte.Die Autorin will zur Beantwortung dieser Frage einen Beitrag leisten, indem sie nicht nur die Entstehung und Ausformung des richterlichen Prüfungsrechts in der deutschen Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart verfolgt, sondern auch die französische Entwicklung in die Überlegungen einbezieht und schließlich eine vergleichende Bewertung der unterschiedlichen Normenkontroll-Modelle vornimmt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Ausgangspunkt der Untersuchung | 15 | ||
I. Rechtsstaatlichkeit und gerichtliche Normenkontrolle | 16 | ||
II. Methodik | 18 | ||
III. Gegenstand und zeitlicher Rahmen der Untersuchung | 19 | ||
Erstes Kapitel: Richterliche Normenkontrolle im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation | 23 | ||
I. Das Heilige Römische Reich zwischen Staat, Staatenbund und völkerrechtlichem Verein | 24 | ||
II. Rechtsgrundlagen richterlicher Prüfung im Heiligen Römischen Reich | 25 | ||
1. Jurisdictio und Normenkontrolle | 26 | ||
2. Römisches Staatsrecht | 28 | ||
a) Jurisdictio und Territorialherrschaft | 28 | ||
b) Jurisdictio und Kaiserrecht | 29 | ||
3. Subjekte, Maßstab und Gegenstände richterlicher Normenkontrolle im Alten Reich | 30 | ||
a) Das Reichskammergericht als Kontrollorgan | 30 | ||
b) Zur Stellung des Richters im Hl. Römischen Reich | 31 | ||
III. Arten richterlicher Prüfung im Heiligen Römischen Reich | 33 | ||
1. Reichsgerichte | 34 | ||
a) Prüfung von Reichsrecht | 34 | ||
b) Prüfung von Landesrecht | 36 | ||
2. Territorialgerichte | 37 | ||
IV. Richterliche Normenkontrolle im Heiligen Römischen Reich: Eine vorläufige Bewertung | 39 | ||
1. Reichshoheit und Landeshoheit | 39 | ||
2. Die Gerichte als Teilhaber der Jurisdictio im vorabsolutistischen Territorialstaat | 40 | ||
3. Normenkontrolle als Mittel zur Wahrung überkommener Herrschaftsstrukturen | 41 | ||
Zweites Kapitel: Der deutsche Konstitutionalismus | 42 | ||
I. Der (aufgeklärte) Absolutismus als Wegbereiter des Konstitutionalismus | 43 | ||
II. Die Französische Revolution als Katalysator | 44 | ||
III. Staatliche Integration durch Verfassungsgebung und richterliche Normenkontrolle | 44 | ||
IV. Grundlagen richterlicher Normenkontrolle in den Verfassungsurkunden des deutschen Konstitutionalismus | 46 | ||
1. Die Verfassungen der Rheinbundzeit | 46 | ||
2. Die Zeit des Deutschen Bundes (1814/1815–1848) | 47 | ||
a) Das Königreich Bayern | 47 | ||
b) Das Großherzogtum Baden | 50 | ||
c) Das Königreich Württemberg | 51 | ||
d) Kurhessen | 53 | ||
e) Vorläufige Würdigung | 57 | ||
3. Richterliches Prüfungsrecht in der Verfassungstheorie | 58 | ||
V. Die U. S.-amerikanische Lösung und ihre Rezeption | 59 | ||
1. Der Streit um die Ernennung des Friedensrichters Marbury | 59 | ||
2. Die Verfassung als Begründung und Limitierung der Staatsgewalt | 61 | ||
3. Verfassungsvorrang und richterliche Normenkontrolle | 61 | ||
VI. Die juristische Kontroverse um das richterliche Prüfungsrecht als Spiegelbild gegensätzlicher Verfassungsvorstellungen | 64 | ||
1. Das richterliche Prüfungsrecht in der Praxis des Konstitutionalismus | 64 | ||
2. Staatstheoretische Grundlagen | 65 | ||
a) Die Staatsrechtslehre des monarchischen Prinzips | 65 | ||
b) Die liberal-rechtsstaatliche Auffassung | 66 | ||
c) Der Verfassungsvorrang als rechtspolitisches Desiderat | 73 | ||
3. Die Wirksamkeit der Verordnung zur Änderung des Feuerversicherungsgesetzes von Sachsen-Weimar im Lichte der gegensätzlichen Vorstellungen | 73 | ||
4. Zusammenfassung: Legitimität versus Volkssouveränität | 76 | ||
VII. Das richterliche Prüfungsrecht als Archimedischer Punkt im frühkonstitutionellen Verfassungsgefüge | 76 | ||
1. Die Verfassung als Verteilungsmaßstab subjektiver Beteiligungsrechte | 76 | ||
2. Ständische Mitwirkungsrechte als negative Kompetenznormen | 77 | ||
3. Die Debatte um ein richterliches Prüfungsrecht als Wegbereiterin des Wandels | 78 | ||
Drittes Kapitel: Das richterliche Prüfungsrecht in der Frankfurter Reichsverfassung | 79 | ||
I. Die fehlende Positivierung des richterlichen Prüfungsrechts in der Paulskirchenverfassung | 80 | ||
II. Die Funktion der richterlichen Normenkontrolle in der Konzeption der FRV | 81 | ||
1. Die Verpflichtung der Reichsgewalt auf den Schutz der Verfassung | 82 | ||
2. Das richterliche Prüfungsrecht als unitarisierendes Element im Bundesstaat | 83 | ||
III. Richterliches Prüfungsrecht in der FRV: Eine vertane Chance? | 84 | ||
Viertes Kapitel: Richterliche Normenkontrolle in den Reaktionsjahren am Beispiel des Kurhessischen Verfassungskonflikts | 85 | ||
I. Zur Entstehung des Verfassungskonflikts in Kurhessen | 85 | ||
II. Die Septemberverordnungen und ihre Folgen | 87 | ||
III. Zur Verfassungsmäßigkeit der Steuernotverordnung | 88 | ||
IV. Die Kognitionsbefugnisse des kurhessischen Oberappellationgerichts | 90 | ||
1. Kompetenz oder Beteiligungsrecht | 90 | ||
2. Das richterliche Prüfungsrecht als Fortsetzung der Revolution mit anderen Mitteln | 92 | ||
a) Zur Stellung der Gerichte in Kurhessen | 92 | ||
b) Die ungeklärte Legitimation des Gerichts | 93 | ||
c) Landständischer oder gerichtlicher Verfassungsschutz | 93 | ||
V. Der kurhessische Verfassungskonflikt: Eine vorläufige Würdigung | 94 | ||
Fünftes Kapitel: Das Deutsche Kaiserreich (1871–1918) | 95 | ||
I. Die Souveränitätsfrage im Deutschen Reich | 96 | ||
II. Der staatsrechtliche Positivismus als Korrelat des Bismarckschen Verfassungskompromisses | 97 | ||
III. Das richterliche Prüfungsrecht in der Rechtsprechung des Reichsgerichts vor 1918 | 100 | ||
1. RGZ 9, 232 (1883) | 100 | ||
2. RGZ 15, 27 (1885) | 102 | ||
3. RGZ 24, 1 (1889) | 103 | ||
4. RGZ 40, 68 (1901) und RGZ 48, 84 (1911) | 103 | ||
5. Ergebnis | 104 | ||
IV. Richterliche Normenkontrolle als Wahrung des status quo | 105 | ||
Sechstes Kapitel: Das richterliche Prüfungsrecht in der Weimarer Republik | 106 | ||
I. Die normativen Vorgaben für das richterliche Prüfungsrecht im Verfassungstext | 106 | ||
II. Das richterliche Prüfungsrecht: Verfassungsrecht oder Verfassungspolitik? | 107 | ||
1. Der traditionelle Ansatz | 108 | ||
a) Die Lückentheorie | 108 | ||
b) Der Selbstschutz der Verfassung | 112 | ||
aa) Gewaltenteilungslehren | 112 | ||
bb) Ausfertigungslehren | 113 | ||
cc) Art. 13 II WRV | 115 | ||
dd) Souveränitätslehren | 115 | ||
2. Neue Ansätze | 116 | ||
a) Richard Thoma | 116 | ||
b) Hans Kelsen | 117 | ||
c) Rudolf Smend | 119 | ||
d) Carl Schmitt | 119 | ||
III. Antidemokratisches Denken und Orientierungslosigkeit | 120 | ||
1. Das Reichsgericht und die Gesetzesbindung | 120 | ||
2. Die Weimarer Staatsrechtslehre | 122 | ||
3. Der Sieg anti-demokratischen Denkens | 122 | ||
Siebtes Kapitel: Das richterliche Prüfungsrecht im nationalsozialistischen Staat | 124 | ||
I. Richterliche Normenkontrolle als Mittel zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung | 126 | ||
1. Die Entscheidung RGZ 142, 56 (1933) | 126 | ||
2. Die Behandlung vor-nationalsozialistischen Rechts bis zur Entscheidung RGZ 152, 390 (1936) | 127 | ||
II. Formelle Prüfung im Kompetenz- und Zuständigkeitschaos des Hitler-Staates | 129 | ||
III. Anpassung und Kontinuität | 130 | ||
Achtes Kapitel: Die Entwicklung der richterlichen Normenkontrolle in Frankreich | 132 | ||
I. Richterliche Normenkontrolle im Ancien Régime | 133 | ||
II. Die Vergöttlichung des (Parlaments-)Gesetzes | 134 | ||
III. Die weitere Entwicklung des richterlichen Normenkontrollrechts bis zur Verfassung der V. Republik | 137 | ||
1. Der Sénat conservateur im Ersten Empire (1799/1804–1815) | 137 | ||
2. Der Sénat des Zweiten Empire (1852–1870) | 138 | ||
3. Die III. Republik (1875–1940) | 139 | ||
a) „La loi n’ est pas l’expression de la volonté générale“ | 139 | ||
b) „Le gouvernement des juges et la lutte contre la législation sociale“ | 141 | ||
4. Die IV. Republik (1946–1958) | 142 | ||
IV. Das richterliche Prüfungsrecht in der französischen Verfassungsgeschichte: Eine vorläufige Bilanz | 142 | ||
Neuntes Kapitel: Das Richterliche Prüfungsrecht in der deutschen und französischen Verfassungsgeschichte – eine Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse | 143 | ||
I. Das richterliche Prüfungsrecht in der deutschen Verfassungsgeschichte | 143 | ||
1. Richterliche Teilhabe an der Jurisdictio und Schutz wohlerworbener Rechte | 144 | ||
2. Staat und Gesellschaft als Gegensatzpaar | 145 | ||
3. Die Identität von Mehrheitswille und Recht | 146 | ||
4. Der totale Staat | 147 | ||
II. Das richterliche Prüfungsrecht in der französischen Verfassungsgeschichte | 148 | ||
III. Richterliche Normenkontrolle in Deutschland und Frankreich: Verbindendes und Trennendes | 149 | ||
Zehntes Kapitel: Die Entwicklung des richterlichen Prüfungsrechts im gegenwärtigen Verfassungsrecht Deutschlands und Frankreichs | 152 | ||
I. Ausgewählte Probleme der konkreten Normenkontrolle in Deutschland | 153 | ||
1. Die Kontrolle „vorkonstitutionellen“ Rechts | 153 | ||
a) Die Deliktshaftung Minderjähriger | 154 | ||
b) Die Selbstentlastung des Bundesverfassungsgerichts | 155 | ||
c) Die richterliche Anpassung alten Rechts an die neue Verfassung | 156 | ||
2. Die Rechtsfolgenbestimmung verfassungswidriger Gesetze | 157 | ||
a) Normvertretende Vollstreckungsanordnungen | 157 | ||
b) Normändernde Tenorierung | 158 | ||
aa) Teilnichtigkeit | 158 | ||
bb) Die Vermeidung der Nichtigerklärung | 160 | ||
cc) Die Vereinbarkeit nach Maßgabe der Gründe | 160 | ||
c) Verfassungsvorrang und Nichtigkeitsfolge | 161 | ||
3. Das Bundesverfassungsgericht und die europäische Integration | 162 | ||
a) Das Rangverhältnis zwischen Grundgesetz und europäischem Gemeinschaftsrecht | 163 | ||
aa) Die Rechtsprechung des EuGH | 163 | ||
bb) Zustimmung durch das BverfG | 164 | ||
b) Vom Hüter der Verfassung zum Bewahrer deutscher Eigenstaatlichkeit | 164 | ||
4. Altes und Neues in der Normenkontrollrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 165 | ||
II. Das französische Modell einer präventiven abstrakten Normenkontrolle als Alternative | 166 | ||
III. Verfassungsgerichtliche Normenkontrolle in der pluralistischen Demokratie: Eine vergleichende Bewertung des deutschen und des französischen Modells | 168 | ||
Schlußwort | 171 | ||
Zusammenfassung in Thesen | 173 | ||
I. Deutsche Verfassungsgeschichte | 173 | ||
II. Französische Verfassungsgeschichte | 174 | ||
III. Das gegenwärtige Verfassungsrecht Deutschlands und Frankreichs im Vergleich | 174 | ||
Literaturverzeichnis | 175 | ||
Personen- und Sachwortverzeichnis | 204 |