Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius
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Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Vol. 42
(2002)
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Seit den 1930er Jahren wird Hugo Grotius (1583-1645) in der Literatur regelmäßig als Begründer des völkerrechtlichen politischen Asyls genannt. In seinem Werk »De Iure Belli ac Pacis Libri Tres« (kurz: IBP) soll er erstmals ein Recht auf politisches Asyl formuliert haben. Als Beleg wird auf IBP, Buch II, Kapitel 2, § XVI verwiesen, wo es heißt, daß Vertriebenen dauernder Aufenthalt nicht verweigert werden soll, wenn sie sich der bestehenden Staatsmacht unterwerfen.Die Autorin fragt, inwieweit Grotius tatsächlich das moderne, politische Asyl begründet hat. Elke Tießler-Marenda belegt, daß die genannte Textstelle nicht im Zusammenhang mit politischem Asyl, sondern mit der Debatte über die Eroberung der Neuen Welt, über die Freiheit der Meere sowie Reise-, Niederlassungs- und Handelsfreiheit steht. Die Zuwanderung Fremder wird dabei unter dem Gesichtspunkt potentieller Schädlichkeit für den Aufnahmestaat behandelt. Eroberer und Kolonialisten wie die Spanier stellen eine Gefahr dar und haben deshalb kein Einwanderungsrecht. Als Gegenbeispiel dienen Vertriebene, die sich in einer Notlage befinden und eine neue Heimat suchen. Wenn sie sich der vorhandenen Staatsmacht unterwerfen, sollen sie aufgenommen werden. Auch in Grotius' sonstigen Ausführungen in IBP sind Staatsinteressen der Maßstab für die Aufnahme Fremder: Da ein Bevölkerungsverlust durch Auswanderung zumeist als nachteilig galt, bedeutet es demnach einen strafbaren Rechtsverstoß, fremde Untertanen gegen den Willen ihres Herkunftslandes aufzunehmen. Einzig die Aufnahme von Exilanten und Vertriebenen ist völkerrechtlich unbedenklich, da ihr Heimatstaat an ihrem Bleiben erkennbar kein Interesse hat. Zur Auslieferung von (politischen) Verbrechern, die in ein anderes Land geflohen sind, hat Grotius entgegen der Darstellung in der Literatur folglich eine restriktive Meinung: Trotz Berufung auf Asyl sind sie auszuliefern, da sonst der Strafanspruch des verfolgenden Staates verletzt würde.Die Autorin zeigt, daß Grotius in seinen Überlegungen sowohl zur Asylgewährung wie auch zur Einwanderung staatliche Interessen in den Vordergrund stellt. Deshalb darf nur eingewandert werden, wenn dem Aufnahmestaat dadurch kein Schaden droht. Aus diesem Grund lehnt er Asyl für politisch (Straf-)Verfolgte explizit ab.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
Einleitung | 17 | ||
Kapitel 1: Zum Forschungsstand | 28 | ||
I. Das moderne völkerrechtliche Asyl | 28 | ||
II. Geschichte des Asyls und deren Darstellung in der Literatur | 32 | ||
1. Die Herkunft des Wortes Asyl | 33 | ||
2. Ursprünge | 34 | ||
3. Vorklassische Antike (1450–550 v. Chr.) | 35 | ||
4. Altgriechische und hellenistische Zeit (600–168 v. Chr.) | 38 | ||
5. Römische Republik und Kaiserzeit (500 v. Chr. – 400 n. Chr.) | 43 | ||
6. Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter (40–600 n. Chr.) | 49 | ||
7. Frühes bis hohes Mittelalter (500–1300 n. Chr.) | 52 | ||
8. Spätes Mittelalter (1300–1500 n. Chr.) | 58 | ||
9. Spanisches Zeitalter (1500–1648 n. Chr.) | 60 | ||
10. Zusammenfassung | 61 | ||
III. Grotius’ Asylbegriff in der Literatur | 64 | ||
Kapitel 2: Grotius’ Epoche, Leben und Werk | 75 | ||
I. Das spanische Zeitalter 1500–1648 | 75 | ||
II. Das konfessionelle Zeitalter | 76 | ||
III. Entdeckungsfahrten, Kolonialismus und die Entstehung des klassischen Völkerrechts | 81 | ||
IV. Grotius – Leben und Werk | 85 | ||
Kapitel 3: Quellenbasis | 93 | ||
Kapitel 4: Ius naturae et gentium bei Grotius | 104 | ||
I. Ius naturae in IBP | 106 | ||
1. Die Quelle des ius naturae | 106 | ||
2. Die Unveränderlichkeit des ius naturae und sein Verhältnis zum ius divinum | 109 | ||
3. Inhalt und Erweisbarkeit des ius naturae | 117 | ||
a) Der direkte und der indirekte Beweis des ius naturae | 117 | ||
b) Die naturrechtliche Grundlage des ius civile | 118 | ||
c) Die naturrechtliche Grundlage des Privatrechts | 120 | ||
d) Die Grundlagen des Staates | 120 | ||
4. Kein absoluter Vorrang des ius naturae | 122 | ||
5. Zusammenfassung | 124 | ||
II. Ius gentium | 125 | ||
1. Das vorgrotianische ius gentium | 126 | ||
2. Ius gentium in IBP | 132 | ||
a) Ius belli ac pacis und Kriegsbegriff in IBP | 134 | ||
b) Das Verhältnis von ius naturae, ius gentium voluntarium und ius gentium in IBP | 138 | ||
3. Grotius’ ius gentium-Begriff und das moderne Völkerrecht | 143 | ||
Kapitel 5: Dauernder Wohnsitz für Vertriebene | 146 | ||
I. IBP, lib. II, cap. 2, § XVI: Perpetua habitatio für expulsi | 146 | ||
II. Einreise und perpetua habitatio in IBP | 147 | ||
1. „De his quae hominibus communiter competunt“ | 147 | ||
2. IBP, lib. II, cap. 2, § XXIII: de Molina contra de Vitoria | 151 | ||
a) De Vitoria und die Einreise-, Niederlassungs- und Handelsfreiheit der Spanier in der neuen Welt | 156 | ||
aa) Das Recht der Einreise und des Aufenthalts | 158 | ||
bb) Handelsfreiheit | 161 | ||
cc) Nutzung gemeinschaftlicher Güter und Aneignungsrecht | 161 | ||
b) De Molinas Kritik an de Vitoria | 163 | ||
c) De Vitorias Rechtfertigung der Kolonisierung Amerikas durch die Spanier und die Abwehrrechte der indianischen res publicae nach de Molina | 165 | ||
3. Die Entstehung des Sondereigentums und die res communes in IBP | 169 | ||
a) Der ursprüngliche Eigentumserwerb | 169 | ||
b) Die Besitzergreifung | 171 | ||
c) Die Freiheit der Meere | 172 | ||
d) Zusammenfassung | 174 | ||
4. Das ius commune ad res: Der berechtigte Gemeingebrauch | 176 | ||
a) Das Notfallrecht | 177 | ||
b) Utilitas innoxia – Die unschädliche Nutzung fremden Eigentums | 178 | ||
aa) Freie Ein- und Durchreise für Menschen und Waren und Freiheit des Handels | 179 | ||
bb) Befristeter Aufenthalt | 183 | ||
cc) Perpetua habitatio und die Besiedelung ungenutzter Gebiete | 185 | ||
5. Das ius commune ad actus: Das Recht zu bestimmten Handlungen | 194 | ||
a) Handlungen, die immer erlaubt sind | 195 | ||
b) Handlungen, die beschränkt werden können | 197 | ||
III. Das ius commune, die Eroberung der neuen Welt und perpetua habitatio für expulsi | 200 | ||
Kapitel 6: IBP, lib. III, cap. 20, § XLI: Die Aufnahme fremder Untertanen | 207 | ||
I. Die Aufnahme von Auswanderern | 209 | ||
II. Die Aufnahme von exsules | 210 | ||
III. Die Aufnahme von entlaufenen Sklaven und versklavten Kriegsgefangenen | 211 | ||
IV. Zusammenfassung | 216 | ||
Kapitel 7: IBP, lib. II, cap. 21, § III ff.: Die Auslieferung von Verbrechern | 219 | ||
I. IBP, lib. II, cap. 21: „De poenarum communicatione“ | 219 | ||
II. IBP, lib. II, cap. 21, § III: Strafanspruch und Strafbefugnis | 220 | ||
III. Die Vollstreckung der Strafe | 224 | ||
1. Die Pflicht zu strafen oder auszuliefern | 224 | ||
2. Einschränkung der Auslieferungspflicht | 228 | ||
a) ἱκεσία und Asyl | 228 | ||
b) Ausweisung statt Auslieferung | 233 | ||
c) Die Beschränkung der Auslieferung auf bestimmte Verbrechen | 234 | ||
3. Haftung des Zufluchtsstaates bei Nichtauslieferung | 236 | ||
IV. Zusammenfassung | 239 | ||
Kapitel 8: Ergebnisse | 242 | ||
Quellenverzeichnis | 253 | ||
Literaturverzeichnis | 261 | ||
Sachwortverzeichnis | 288 |