Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen
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Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Mißtrauen
Das Bundesverfassungsgericht in einer Verfassungstheorie zwischen Populismus und Progressivismus
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 751
(1998)
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Abstract
Das Problem der verfassungsgerichtlichen Läuterung der demokratisch unmittelbar legitimierten Ergebnisse des politischen Prozesses ist durch dogmatische oder rein funktionelle Betrachtungen nicht zu lösen. Daher stellt der Autor den Zusammenhang mit dem Bürgerbild im modernen Verfassungsstaat her.Zu diesem Zweck wird zunächst abseits gängiger Analysemuster eine verfassungstheoretische Matrix zwischen den Polen Populismus und Progressivismus vorgestellt. Der deutsche Verfassungsdiskurs, der Recht überwiegend als objektiv und vorfindbar begreift, weist bereits die progressivistische Richtung. Eine Mischung liberalen und pluralistischen Gedankenguts mit utilitaristischen Untertönen läßt den Staat darüber hinaus als integrativ und tugendhaft gegenüber den zentrifugalen gesellschaftlichen Kräften erscheinen, wodurch dem Verfassungsgericht eine prominente Rolle in der protektiven, juridischen Demokratie des progressivistischen Gemeinwesens angetragen wird. Dies reflektiert sich in den herrschenden Theorien von Verfassungsgerichtsbarkeit.Demgegenüber deutet ein zunächst abstrakt erarbeitetes, dann anhand des Grundgesetzes bestätigtes Modell bürgerlicher (politischer) Identität auf die Notwendigkeit gesellschaftlichen erfahrungsgestützten Lernens hin, das nach institutionellen Ermöglichungsbedingungen und einem Ausgleich von Progressivismus und Populismus verlangt. Der Verfassungsgerichtsbarkeit kommt in diesem Rahmen die Aufgabe zu, unakzeptable Präferenzen abzuweisen, worin gerade ihre politikermöglichende Funktion liegt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 19 | ||
Erster Teil: Populismus und Progressivismus als verfassungstheoretische Matrix | 33 | ||
§ 1 Populismus und Progressivismus im Zusammenhang | 36 | ||
I. Populismus | 36 | ||
II. Progressivismus | 37 | ||
§ 2 Populismus und Progressivismus als verfassungstheoretische Kategorien | 40 | ||
I. Populismus | 43 | ||
II. Progressivismus | 47 | ||
§ 3 Populismus und Progressivismus — Problemfelder | 51 | ||
I. Das Problem der Desubjektivierung | 52 | ||
II. Progressivismus und Elitismus | 54 | ||
ΙII. Progressivismus und Civic Republicanism | 55 | ||
IV. Das Problem der Ideologiekritik | 60 | ||
V. Das Problem der Politik-Zentriertheit | 61 | ||
VI. Das Problem der inhärenten Widersprüchlichkeit | 64 | ||
Zweiter Teil: Zur Standortbestimmung der deutschen Diskussion | 67 | ||
§ 4 Grundlegendes zur deutschen Diskussion | 68 | ||
§ 5 Zur Inkohärenz der Kritik (1): Formalistischer Diskurs | 73 | ||
I. Die Form des formalistischen Diskurses | 74 | ||
II. Die Substanz des formalistischen Diskurses | 81 | ||
ΙII. Zur Komplementarität von Form und Substanz des formalistischen Diskurses | 87 | ||
§ 6 Zur Inkohärenz der Kritik (2): Materielle Informiertheit | 96 | ||
§ 7 Zum Verhältnis der Diskurse | 101 | ||
I. Über die Schwierigkeiten im öffentlichen und im Fachdiskurs | 101 | ||
II. Veränderte Umfeldbedingungen | 107 | ||
1. Der Kruzifix-Beschluß und seine Diskussion | 107 | ||
2. Konstruktion und Internationalismus | 109 | ||
Dritter Teil: Bundesverfassungsgericht und pluralistischer Demokratiediskurs | 110 | ||
§ 8 Klassischer Pluralismus und Neo-Pluralismus | 113 | ||
I. Pluralismus der Pluralismen | 113 | ||
II. Der klassische Pluralismus | 116 | ||
1. Pluralismus und Gruppen | 116 | ||
2. Macht, Ordnung und politisches Handeln | 118 | ||
3. Zur Rolle des Staates | 120 | ||
4. Stabilität durch Konsens | 121 | ||
5. Kontrolle | 123 | ||
6. Abgrenzungen | 125 | ||
7. Anspruch (Deskription / Normativität) | 126 | ||
8. Anthropologische Grundierung: Utilitarismus | 128 | ||
IIΙ. Die Kritik des klassischen Pluralismus und der Neo-Pluralismus | 132 | ||
1. Kulturell-geographische und theoretische Insularität | 132 | ||
2. Macht | 133 | ||
3. Status quo und Partizipation | 133 | ||
4. Konsens und Integration | 134 | ||
5. Weitere Einwände | 137 | ||
6. Absorption durch Neo-Pluralismus | 138 | ||
IV. Deutscher Neo-Pluralismus: Ernst Fraenkel | 141 | ||
1. Zur Rolle des Staates | 142 | ||
2. Die Übernahme anthropologischer Grundierung | 146 | ||
3. Der Verlust der Trennschärfe und das neo-pluralistische Paradoxon | 147 | ||
§ 9 Bundesverfassungsgericht, Pluralismus und Liberalismus | 151 | ||
I. Bundesverfassungsgericht und Pluralismus | 151 | ||
II. Bundesverfassungsgericht, Liberalismus und protektive Demokratie | 157 | ||
IIΙ. Konsequenzen | 161 | ||
1. Unvereinbares wird vereinbar | 161 | ||
2. Soziale Demokratie als juridical democracy | 162 | ||
3. Anthropozentrismus: Liberalismus, Progressivismus und Bundesverfassungsgericht | 164 | ||
Vierter Teil: Konstitutionalismus und Demokratie: Theorien der Verfassungsgerichtsbarkeit | 169 | ||
§ 10 Konstitutionalismus und Demokratie | 172 | ||
I. Zur Grundspannung zwischen Konstitutionalismus und Demokratie | 172 | ||
II. Mehrheitsherrschaft und Utilitarismus | 174 | ||
IIΙ. Zum deutschen Verfassungsdiskurs | 176 | ||
1. Zur demokratisch-funktionalen Grundrechtstheorie | 177 | ||
2. Vielschichtigkeit der Verknüpfungsebenen von Grundrechten und Demokratie | 180 | ||
IV. Zu US-amerikanischen Ausgleichsversuchen | 186 | ||
1. Ronald Dworkin: Zur Reichweite von Demokratie | 188 | ||
2. Stephen Holmes: Zur Funktion von Konstitutionalismus | 194 | ||
V. Verfassungsgerichtsbarkeit als Fokus: Drei Ebenen der Analyse | 199 | ||
§ 11 Theorien der Verfassungsgerichtsbarkeit (1): Deutschland | 204 | ||
I. Bundesverfassungsgerichtliche Methode als Ausgangspunkt | 204 | ||
II. Kompetenzabgrenzungen | 209 | ||
1. Grundlagen der Weimarer Debatte | 209 | ||
2. Kompetenzbestimmungen in der neueren Diskussion | 211 | ||
a) Das Gewaltenteilungsprinzip | 211 | ||
b) Die Political Questions-Doktrin | 212 | ||
c) Der „Grundsatz" des Judicial Self-Restraint | 215 | ||
d) Insbesondere: Die Entgegensetzung von Recht und Politik | 217 | ||
e) Der funktionell-rechtliche Ansatz | 220 | ||
ΙII. Gesamtgesellschaftliche Ansätze | 224 | ||
1. Kapitalismuskritik: Massing, Schlothauer | 226 | ||
a) Otwin Massing | 226 | ||
b) Reinhold Schlothauer | 226 | ||
2. Ideologiekritik: Ladeur, Preuß | 227 | ||
a) Karl-Heinz Ladeur | 227 | ||
b) Ulrich Κ Preuß | 228 | ||
3. Integrationstheorie: Pluralistische Theorien der Verfassungsgerichtsbarkeit (Peter Häberle, Ingwer Ebsen) | 229 | ||
a) Peter Häberle | 230 | ||
b) Ingwer Ebsen | 237 | ||
§ 12 Theorien der Verfassungsgerichtsbarkeit (2): USA | 241 | ||
I. Das „antidemokratische" Modell | 245 | ||
1. Die originalistische Variante (Bork, Rehnquist) | 245 | ||
2. Die politische Variante (Tushnet, Chemerinsky) | 250 | ||
II. Das „demokratische" Modell | 253 | ||
1. Das Modell der aufgeklärten Präferenzen (Bickel, Ackerman) | 253 | ||
2. Das Partizipations-orientierte Modell (Ely) | 256 | ||
3. Das Rechte-orientierte Modell (Dworkin u.a.) | 262 | ||
§ 13 Beiträge der Theorien zur dritten Analyseebene | 265 | ||
Fünfter Teil: Gedanken zum Menschenbild: Politisches Handeln, Identität, Solidarität,Konflikt und Institutionalismus | 273 | ||
§ 14 Politisches Handeln und Pluralismus bzw. Tauschtheorie | 276 | ||
§ 15 Politisches Handeln und institutionalistische Theorie | 280 | ||
I. Politisches Handeln | 283 | ||
II. Normen und Identitäten | 284 | ||
III. Liberalismus, Kommunitarismus und Institutionalismus | 288 | ||
§ 16 Konsequenzen aus dem institutionalistischen Modell | 293 | ||
I. Einheit, Vielfalt und der Staat | 294 | ||
II. Das Projekt der Erziehung | 299 | ||
1. Zum „Ob" eines didaktischen Elementes | 301 | ||
2. Zum „Wie" eines didaktischen Elementes | 303 | ||
3. Das Problem eines fehlenden demokratischen Fundaments | 309 | ||
4. Zum Umfang staatlichen Engagements | 311 | ||
5. Exkurs zur Zivilgesellschaft | 314 | ||
a) Karl Albrecht Schachtschneiders „Republiklehre" | 315 | ||
b) Radikale Demokratie: Ulrich Rödel, Günter Frankenberg und Helmut Dubiel | 316 | ||
c) System und Lebenswelt: Jürgen Habermas, Jean Cohen und Andrew Arato | 318 | ||
d) Kompatibilität von funktionaler Differenzierung der Gesellschaft und Zivilgesellschaft? — Zivilgesellschaft als associative democracy oder als Begleitsemantik der Inklusion | 322 | ||
6. Konsequenzen | 327 | ||
§ 17 Menschenbild, Omnikompetenz und Grundgesetz | 330 | ||
I. Walter Lippmann, Philip Converse und der omnikompetente Bürger | 331 | ||
II. Menschenbild und Grundgesetz | 338 | ||
1. Menschenbild des Grundgesetzes? | 341 | ||
2. Bezugsgrößen des grundgesetzlichen Menschenbildes | 343 | ||
3. Insbesondere: Kantische Einflüsse | 346 | ||
4. Pessimistisches und Optimistisches zum Menschenbild | 350 | ||
a) „Pessimistische" Ambivalenz | 352 | ||
b) „Optimistische" Ambivalenz | 355 | ||
5. Grundgesetzliches Menschenbild und institutionalistische Theorie | 362 | ||
Sechster Teil: Verringerte verfassungsgerichtliche Kontrolle direkter Demokratie als Testfall des Populismus? | 368 | ||
§ 18 Romer v. Evans und verfassungsgerichtliche Kontrolle direkter Demokratie in den Vereinigten Staaten | 373 | ||
I. Direkte Demokratie in den USA | 373 | ||
II. Kontrolle direkter Demokratie? | 374 | ||
ΙII. Colorado Amendment 2 und Romer v. Evans | 376 | ||
IV. Skizze von Argumenten für und wider direkte Demokratie und Konsequenzen für verfassungsgerichtliche Kontrolle | 381 | ||
§ 19 Verfassungsgerichtsbarkeit als bejahte counter-majoritarian institution : Falsches Bewußtsein und Umgang mit dem Bösen | 387 | ||
I. Falsches Bewußtsein und Umgang mit dem Bösen | 387 | ||
II. Counter-majoritarianism als Positivum | 392 | ||
1. Das Nebeneinander von Populismus und Progressivismus: Kontrolle und lernender Souverän | 393 | ||
2. Exkurs: Zur Zweischneidigkeit von Verantwortlichkeit | 398 | ||
a) Zur Psychologie von Verantwortlichkeit | 400 | ||
b) Deliberation und Handlung | 402 | ||
c) Lang- und Kurzfristigkeit | 403 | ||
d) Personeller Verantwortungsbereich | 404 | ||
e) Ergebnis- versus Handlungsverantwortlichkeit | 406 | ||
f) Persönliche Verantwortlichkeit als Komplexitätsreduktion | 407 | ||
g) Warum Verantwortlichkeit? | 408 | ||
3. Verfassungsrechtsprechung als knappes Gut? Counter-majoritarianism und Dialog | 410 | ||
Zusammenfassung | 418 | ||
Literaturverzeichnis | 423 | ||
Sachregister | 463 |