Die Durchsetzung der Genfer Abkommen von 1949 in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten auf Grundlage ihres gemeinsamen Art. 1
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Die Durchsetzung der Genfer Abkommen von 1949 in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten auf Grundlage ihres gemeinsamen Art. 1
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Vol. 132
(2001)
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Abstract
Gegenstand der Arbeit ist der gemeinsame Art. 1 der vier Genfer Abkommen von 1949, der die Vertragsstaaten verpflichtet, die Abkommen »unter allen Umständen einzuhalten und ihre Einhaltung durchzusetzen«. Ziel war zu ermitteln, inwieweit diese Norm als Rechtsgrundlage für eine Durchsetzung des humanitären Rechts in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten herangezogen werden kann. Hieran besteht großer Bedarf, da seit Ende des zweiten Weltkriegs die meisten bewaffneten Auseinandersetzungen innerstaatlicher Natur waren, deren Zahl im letzten Jahrzehnt zudem nahezu explosionsartig anstieg. Eine wesentliche Vorschrift für die völkerrechtliche Regelung dieser Auseinandersetzungen ist der gemeinsame Art. 3 der Genfer Abkommen, der humanitäre Minimalanforderungen enthält, die während eines solchen Konflikts zu beachten sind. Bedauerlicherweise wird selbst gegen diese Mindeststandards häufig verstoßen, weswegen ihre Durchsetzung durch andere Staaten um so wichtiger ist. Im Rahmen der Arbeit konnte erstmals nachgewiesen werden, daß Art. 1 hierfür eine Rechtsgrundlage bietet.Da dieser Norm bislang verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt wurde, war sie zunächst im Zusammenhang mit internationalen bewaffneten Konflikten zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, daß Art. 1 an einer bewaffneten Auseinandersetzung unbeteiligte Staaten ermächtigt und verpflichtet, das humanitäre Recht gegenüber den Kriegsparteien durchzusetzen. Hierzu dürfen die Adressaten des Art. 1 auf repressive Maßnahmen zurückgreifen, die sogar Repressalien umfassen können. Des weiteren ist eine Durchsetzung der Abkommen mittels Hilfe, Kontrolle und Prävention zulässig. Artikel 1 ist jedoch nicht nur auf internationale Auseinandersetzungen anwendbar, sondern auch auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte im Sinne des gemeinsamen Art. 3. Entsprechend sind die Vertragsstaaten befugt, die Beachtung des humanitären Rechts auch in diesen Konflikten durchzusetzen. Bemerkenswert ist, daß die Durchsetzung sowohl gegenüber der staatlichen als auch der nichtstaatlichen Konfliktpartei erfolgen kann, da beide als Kollektiv an Art. 3 gebunden sind. Hinsichtlich der Auswahl der dabei zulässigen Durchsetzungsmaßnahmen bestehen keine wesentlichen Unterschiede zu internationalen bewaffneten Kontlikten, wie eine Auswertung der jüngeren Staatenpraxis bestätigt.Diese Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Helmuth-James-von-Moltke-Preis der Deutschen Gesellschaft für Wehrrecht und Humanitäres Völkerrecht e. V.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
Einleitung | 19 | ||
Teil I: Darstellung des Art. 1 | 21 | ||
A. Allgemeines | 21 | ||
I. Bindungswirkung des Art. 1 | 21 | ||
II. Adressat des Art. 1 | 25 | ||
B. Verpflichtung, das Abkommen unter allen Umständen einzuhalten | 26 | ||
I. Einhaltung des Abkommens | 26 | ||
II. „Unter allen Umständen“ | 29 | ||
1. Begriffsklärung | 29 | ||
2. Dogmatische Begründung | 36 | ||
a) Objektive Verpflichtungen | 36 | ||
b) Jus cogens | 37 | ||
c) Erga omnes contractantes | 38 | ||
aa) Kennzeichen von Verpflichtungen erga omnes | 38 | ||
bb) Auswertung der Genfer Abkommen | 40 | ||
cc) Ausschluß der Eigenschaft erga omnes contractantes | 42 | ||
3. Zwischenergebnis | 47 | ||
III. Zusammenfassung | 47 | ||
C. Verpflichtung, die Einhaltung des Abkommens unter allen Umständen durchzusetzen | 48 | ||
I. Durchsetzung: Allgemeine Begriffsklärung | 48 | ||
II. Anwendbares Recht | 51 | ||
1. Genfer Abkommen | 51 | ||
2. Allgemeines Völkerrecht | 52 | ||
III. „Unter allen Umständen“ | 53 | ||
IV. Verpflichtung oder Ermächtigung | 54 | ||
V. Durchsetzung nach innen | 55 | ||
1. Grundsätzliche Zulässigkeit | 55 | ||
2. Inhalt der Verpflichtung | 56 | ||
a) Staatliche Funktionsträger als Adressaten der Durchsetzungsmaßnahmen | 56 | ||
b) Private als Adressaten der Durchsetzungsmaßnahmen | 61 | ||
c) Würdigung | 66 | ||
VI. Durchsetzung nach außen | 68 | ||
1. Grundsätzliche Zulässigkeit | 68 | ||
2. Normadressat: Einzelner Staat oder Kollektiv | 73 | ||
3. Angesichts unilateraler Durchsetzungsbefugnisse: Einschätzung der Situation | 75 | ||
4. Zulässige Maßnahmen | 76 | ||
a) Durchsetzung im engeren Sinne | 77 | ||
aa) Grundsätzlich zulässige Maßnahmen | 78 | ||
(1) Genfer Abkommen | 78 | ||
(2) Allgemeines Völkerrecht | 80 | ||
(a) Proteste | 80 | ||
(b) Nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen | 81 | ||
(aa) Repressalien | 81 | ||
(α) Grundsätzliche Zulässigkeit von Drittrepressalien | 83 | ||
(β) Zulässigkeit der Drittrepressalien auf Grundlage des Art. 1 | 89 | ||
(bb) Retorsionen | 96 | ||
(cc) Militärische Zwangsmaßnahmen | 96 | ||
bb) Grenzen des jeweils Zulässigen | 98 | ||
(1) Ermächtigung | 98 | ||
(2) Verpflichtung | 102 | ||
(a) Verbot der Mitwirkung an einer Vertragsverletzung | 102 | ||
(aa) Mögliche Teilnahmeformen | 106 | ||
(bb) Weitere Eingrenzung der unzulässigen Mitwirkung | 109 | ||
(b) Positive Pflicht zur Beendigung einer Vertragsverletzung | 112 | ||
(aa) Nachweis einer Verpflichtung zu positiven Maßnahmen | 112 | ||
(bb) Inhalt dieser Verpflichtung | 117 | ||
(α) Reduzierung des Entscheidungsspielraumes | 117 | ||
(β) Absolute Minimalpflichten | 119 | ||
b) Hilfe | 120 | ||
aa) Grundsätzlich zulässige Maßnahmen | 122 | ||
(1) Genfer Abkommen | 122 | ||
(2) Allgemeines Völkerrecht | 123 | ||
(a) Allgemeines humanitäres Initiativrecht | 123 | ||
(aa) Entwicklungen innerhalb des humanitären Rechts | 123 | ||
(bb) Entwicklungen außerhalb des humanitären Rechts | 126 | ||
(b) Darüber hinausgehende Rechte | 128 | ||
(c) Voraussetzungen für Hilfsdienste | 129 | ||
(d) Angebot guter Dienste | 131 | ||
bb) Grenzen | 132 | ||
(1) Ermächtigung | 132 | ||
(a) Existenz und Umfang eines Genehmigungserfordernisses | 132 | ||
(b) Wegfall des Genehmigungserfordernisses | 137 | ||
(2) Verpflichtung | 140 | ||
c) Kontrolle | 143 | ||
aa) Grundsätzlich zulässige Maßnahmen | 144 | ||
(1) Genfer Abkommen | 144 | ||
(2) Allgemeines Völkerrecht | 146 | ||
bb) Grenzen | 146 | ||
(1) Ermächtigung | 146 | ||
(2) Verpflichtung | 149 | ||
d) Prävention | 149 | ||
aa) Grundsätzlich zulässige Maßnahmen | 149 | ||
(1) Genfer Abkommen | 149 | ||
(2) Allgemeines Völkerrecht | 150 | ||
bb) Grenzen | 151 | ||
(1) Ermächtigung | 151 | ||
(2) Verpflichtung | 151 | ||
D. Zusammenfassung | 152 | ||
Teil II: Darstellung des Art. 3 | 154 | ||
A. Definition nicht-internationaler bewaffneter Konflikte | 155 | ||
I. Textlicher Befund aus den Abkommen | 155 | ||
II. Vorarbeiten zu den Genfer Abkommen von 1949 | 159 | ||
1. Rahmenbedingungen der Verhandlungen | 159 | ||
2. Verlauf der Verhandlungen | 162 | ||
3. Bewertung | 167 | ||
III. Nachfolgende Praxis | 170 | ||
IV. Expertenkommissionen des IKRK | 171 | ||
V. Auffassung der völkerrechtlichen Rechtsprechung | 173 | ||
VI. Auffassung der Literatur | 174 | ||
VII. Würdigung | 175 | ||
B. Normadressaten | 176 | ||
I. Verpflichtung beider Konfliktparteien | 176 | ||
II. Verpflichtung der nichtstaatlichen Konfliktpartei als Kollektiv | 180 | ||
Teil III: Anwendbarkeit des Art. 1 auf Art. 3 | 183 | ||
A. Grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 1 auf Art. 3 | 183 | ||
B. Auswirkungen der Anwendbarkeit des Art. 1 auf Art. 3 | 188 | ||
I. Berechtigung dritter Staaten, das humanitäre Recht durchzusetzen | 188 | ||
1. Adressat der Durchsetzungsmaßnahmen | 188 | ||
a) Staat | 189 | ||
b) Andere Konfliktpartei | 193 | ||
2. Konkrete Durchsetzungsmaßnahmen | 203 | ||
a) Gegenüber dem Staat | 204 | ||
aa) Durchsetzungsmaßnahmen im engeren Sinne | 204 | ||
(1) Ermächtigung | 204 | ||
(2) Verpflichtung | 208 | ||
(a) Unterlassungspflicht | 208 | ||
(b) Handlungspflicht | 209 | ||
bb) Hilfe | 210 | ||
cc) Kontrolle | 215 | ||
dd) Prävention | 217 | ||
b) Gegenüber der anderen Konfliktpartei | 219 | ||
aa) Durchsetzungsmaßnahmen im engeren Sinne | 219 | ||
(1) Ermächtigung | 219 | ||
(2) Verpflichtung | 222 | ||
(a) Unterlassungspflicht | 223 | ||
(b) Handlungspflicht | 226 | ||
bb) Hilfe | 226 | ||
cc) Kontrolle | 233 | ||
dd) Prävention | 234 | ||
II. Auswirkungen für die Beteiligten an einer internen Auseinandersetzung | 235 | ||
1. Staatliche Konfliktpartei | 235 | ||
2. Nichtstaatliche Konfliktpartei | 236 | ||
Teil IV: Würdigung | 238 | ||
A. Eigener Beitrag des Art. 1 zur verbesserten Durchsetzung des humanitären Rechts | 238 | ||
B. Weiterentwicklung des Art. 1 | 239 | ||
I. Ausweitung der Sorgfaltspflichten beim Handel mit konventionellen Waffen | 240 | ||
II. Transzendierende Wirkung des Art. 1 | 243 | ||
1. Erweiterung der Regelungsmaterie: Art. 1 als Querschnittsnorm | 243 | ||
2. Erweiterung des Regelungsziels: Konfliktverhinderung | 245 | ||
a) Negative Maßnahmen | 246 | ||
b) Positive Maßnahmen | 250 | ||
III. Erweiterung der Pflichten der Vertragsstaaten gegenüber privaten Akteuren | 252 | ||
IV. Ausblick | 258 | ||
C. Stärken und Schwächen des Art. 1 | 259 | ||
Literaturverzeichnis | 261 | ||
Sachwortverzeichnis | 280 |