Die Europäische Grundrechtecharta im Spannungsfeld der Kompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten
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Die Europäische Grundrechtecharta im Spannungsfeld der Kompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten
Eine Untersuchung am Beispiel von Art. 14 und Art. 16 EuGRC
Schriften zum Europäischen Recht, Vol. 97
(2003)
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Abstract
In der Diskussion um die Europäische Grundrechtecharta spielte die Frage der zentralisierenden Wirkung von Grundrechten eine beachtliche Rolle. Daß die Charta möglicherweise gemeinschaftliche Kompetenzen ausdehnen könnte, wird von den einen begrüßt, da so die europäische Integration vorangetrieben werde. Andere warnen dagegen vor einer schleichenden Verlagerung von Zuständigkeiten und vor staatlichen Souveränitätsverlusten. Die Verfasserin untersucht nun, ob und inwieweit tatsächlich konkrete Wechselwirkungen zwischen den Gewährleistungen der Charta und der gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzordnung bestehen.In einem historischen Vergleich werden zunächst Parallelen zu den Verfassungsdebatten in der Paulskirche 1848, bei der Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 und bei der Gründung des Deutschen Reichs 1871 aufgezeigt. Anschließend untersucht die Autorin, wer die Adressaten der Chartagrundrechte sind. Schwerpunkte liegen hier bei den Problemen der Rechtsfähigkeit der Europäischen Union und der Reichweite der mitgliedstaatlichen Grundrechtsbindung. Die Wechselwirkungen zwischen Grundrechten und Kompetenznormen werden anhand der Unternehmerfreiheit gemäß Art. 16 EuGRC und dem Recht auf Bildung gemäß Art. 14 EuGRC untersucht. Dabei wird zunächst der Inhalt der Gewährleistungen herausgearbeitet.Anschließend wird zum einen ermittelt, ob diese Rechte aufgrund der gegenwärtigen Kompetenzverteilung ins Leere zielen. Zum anderen wird geprüft, ob die Grundrechte die Begründung neuer oder die Verstärkung vorhandener Kompetenzen nach sich ziehen oder bestehende Kompetenzen der Mitgliedstaaten beeinträchtigen. So läuft etwa Art. 14 EuGRC im Hinblick auf seine Leistungsfunktion derzeit leer. Kompetenzverstärkende Wirkung können die Grundrechte z. B. dadurch entfalten, daß sie den Rückgriff auf die Kompetenzergänzungsnorm Art. 308 EGV erleichtern. Mitgliedstaatliche Kompetenzen werden schließlich vor allem durch die Grundrechte in ihrer Wirkung als Schranken-Schranken der Grundfreiheiten begrenzt. Dennoch weist die Autorin im Ergebnis die »Zentralisierungsbedenken« zurück und plädiert für die Aufnahme der Charta in eine Europäische Verfassung.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 3 | ||
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 13 | ||
I. Entstehungsgeschichte und Status der Grundrechtecharta | 13 | ||
II. Bedeutung eines Grundrechtekatalogs im System des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes | 15 | ||
III. Gang der Arbeit | 17 | ||
A. Historischer Vergleich | 19 | ||
I. Die Nationalversammlung in der Paulskirche 1848 | 19 | ||
II. Die Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 | 20 | ||
1. Überblick | 20 | ||
2. Gründe für den Verzicht auf Grundrechte | 21 | ||
a) Die Befürworter der Grundrechte im Reichstag | 21 | ||
b) Die Gegner der Grundrechte im Reichstag | 22 | ||
c) Die Haltung der Nationalliberalen | 22 | ||
d) Die Haltung der einzelstaatlichen Regierungen | 23 | ||
e) Die Haltung Bismarcks | 23 | ||
f) Zusammenfassung | 25 | ||
III. Die Reichsgründung 1871 | 25 | ||
1. Überblick | 25 | ||
2. Gründe für den Verzicht auf Grundrechte | 26 | ||
3. Die weitere Entwicklung | 26 | ||
IV. Bewertung der Debatten aus heutiger Sicht | 28 | ||
B. Die Adressaten der Grundrechte | 30 | ||
I. Die Grundrechtsbindung auf europäischer Ebene | 30 | ||
1. Die Bindung der Union nach Art. 6 Abs. 2 EUV | 31 | ||
a) Die Bindung der Europäischen Union als Gesamtgebilde | 31 | ||
aa) Rechtsnatur der Europäischen Union | 32 | ||
(1) Argumente für die Rechtsfähigkeit der Union | 34 | ||
(2) Argumente gegen die Rechtsfähigkeit der Union | 36 | ||
bb) Ergebnis | 40 | ||
b) Die Bindung der Europäischen Gemeinschaften | 40 | ||
aa) Die Adressaten der Grundrechte | 40 | ||
bb) Die Bedeutung der Grundrechtsbindung | 41 | ||
cc) Ergebnis | 42 | ||
c) Die Bindung innerhalb der zweiten und dritten Säule der Union | 42 | ||
aa) Die Adressaten der Grundrechte | 42 | ||
bb) Die Bedeutung der Grundrechtsbindung | 45 | ||
cc) Ergebnis | 46 | ||
d) Die Bindung internationaler Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit | 46 | ||
aa) Die Adressaten der Grundrechte | 46 | ||
bb) Ergebnis | 47 | ||
e) Ergebnis | 47 | ||
2. Die Bindung der Organe und Einrichtungen der Union nach Art. 51 Abs. 1 EuGRC | 48 | ||
a) Die Bindung der Europäischen Gemeinschaften | 48 | ||
b) Die Bindung innerhalb der zweiten und dritten Säule der Union | 48 | ||
c) Die Bindung internationaler Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit | 49 | ||
d) Ergebnis | 49 | ||
3. Ergebnis | 49 | ||
II. Die Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten | 49 | ||
1. Die bisherige Bindung | 50 | ||
a) Durchführung von Gemeinschaftsrecht | 51 | ||
aa) Vollziehung von Verordnungen und unmittelbar anwendbaren Richtlinien | 52 | ||
bb) Umsetzung von Richtlinien | 54 | ||
(1) Umsetzung in nationales Recht | 54 | ||
(2) Ergebnis | 56 | ||
(3) Vollziehung des umgesetzten Rechts | 56 | ||
(4) Ergebnis | 56 | ||
cc) Ergebnis | 56 | ||
b) Einschränkung der Grundfreiheiten | 57 | ||
aa) Die Auffassung des EuGH | 57 | ||
bb) Die Gegenansicht | 58 | ||
cc) Stellungnahme | 59 | ||
dd) Vermittelnde Lösungsvorschläge | 61 | ||
(1) Gemeinschaftsgrundrechte als Mindeststandard | 61 | ||
(2) Abgrenzung in Anlehnung an die Kompetenzverteilung | 63 | ||
(3) Ergebnis | 64 | ||
c) Ergebnis | 64 | ||
2. Die Grundrechtsbindung nach Art. 51 Abs. 1 EuGRC | 65 | ||
a) Auslegung der Grundrechtecharta | 65 | ||
b) Auslegung von Art. 51 Abs. 1 EuGRC | 66 | ||
c) Ergebnis | 70 | ||
3. Ergebnis | 70 | ||
III. Endergebnis | 70 | ||
C. Untersuchung einzelner Grundrechte | 72 | ||
I. Status negativus: Art. 16 EuGRC | 74 | ||
1. Inhalt der Gewährleistung | 74 | ||
a) Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit | 74 | ||
aa) Grammatische Auslegung | 74 | ||
bb) Teleologische Auslegung | 75 | ||
cc) Systematische Auslegung | 78 | ||
(1) Berufsfreiheit nach Art. 15 EuGRC | 78 | ||
(a) Die Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH | 78 | ||
(b) Die unternehmerische Freiheit in der Rechtsprechung des EuGH | 81 | ||
(c) Ergebnis | 83 | ||
(2) Abgrenzung zwischen Art. 15 und 16 EuGRC | 84 | ||
dd) Historische Auslegung | 85 | ||
(1) EuGH-Entscheidungen zur Berufsfreiheit | 85 | ||
(2) EuGH-Entscheidungen zur Vertragsfreiheit | 86 | ||
(3) Art. 4 Abs. 1 und 2 EGV | 87 | ||
ee) Ergebnis | 87 | ||
b) „Anerkennung“ der unternehmerischen Freiheit | 88 | ||
aa) Grammatische Auslegung | 88 | ||
bb) Systematische Auslegung | 88 | ||
cc) Teleologische Auslegung | 89 | ||
c) „Nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“ | 90 | ||
aa) Systematische Auslegung | 90 | ||
(1) Weitere Chartagrundrechte | 91 | ||
(2) Abgrenzung zu Art. 52 Abs. 1 EuGRC | 92 | ||
(a) Gemeinschaftsrecht | 92 | ||
(b) Einzelstaatliche Rechtsvorschriften | 94 | ||
(c) Einzelstaatliche Gepflogenheiten | 95 | ||
(d) Grenzen der Befugnis zur Schutzbereichsgestaltung | 96 | ||
bb) Teleologische Auslegung | 99 | ||
cc) Ergebnis | 99 | ||
2. Wechselwirkungen zwischen Grundrechtsbindung und Kompetenzverteilung | 101 | ||
a) Begrenzte Wirkung des Grundrechts infolge der Kompetenzverteilung | 101 | ||
aa) Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten | 101 | ||
bb) Kompetenzverteilung im Bereich des Wirtschaftsrechts | 102 | ||
cc) Ergebnis | 103 | ||
b) Begründung neuer Gemeinschaftskompetenzen | 104 | ||
aa) Implied-powers-Lehre | 105 | ||
bb) Art. 308 EGV | 106 | ||
cc) Ergebnis | 107 | ||
c) Beeinträchtigung bestehender Kompetenzen der Mitgliedstaaten | 108 | ||
aa) Grundrechte als materielle Kompetenzausübungsschranken | 109 | ||
(1) Vollziehung von Verordnungen und unmittelbar anwendbaren Richtlinien | 109 | ||
(2) Umsetzung von Richtlinien | 110 | ||
(3) Einschränkung der Grundfreiheiten | 111 | ||
(a) Beurteilung staatlicher Dienstleistungsmonopole nach deutschem Recht | 113 | ||
(b) Beurteilung staatlicher Dienstleistungsmonopole nach Gemeinschaftsrecht | 115 | ||
(c) Ergebnis | 118 | ||
(4) Ergebnis | 118 | ||
bb) Entgegenstehende Chartavorschriften | 119 | ||
(1) Die Gestaltungsbefugnis der Mitgliedstaaten nach Art. 16 EuGRC | 119 | ||
(2) Die eingeschränkte Grundrechtsbindung nach Art. 51 Abs. 1 EuGRC | 119 | ||
(3) Ergebnis | 120 | ||
d) Ergebnis | 120 | ||
3. Endergebnis zu Art. 16 EuGRC | 121 | ||
II. Status positivus: Art. 14 EuGRC | 122 | ||
1. Inhalt der Gewährleistung | 123 | ||
a) Sachlicher Schutzbereich | 123 | ||
aa) Recht auf Bildung nach Art. 14 Abs. 1, 1. Alt. EuGRC | 123 | ||
(1) Abgrenzung zu Art. 14 Abs. 1, 2. Alt. EuGRC | 123 | ||
(2) Art. 2 S. 1 EMRK/1. ZP | 125 | ||
(3) Ergebnis | 126 | ||
bb) Recht auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung nach Art. 14 Abs. 1, 2. Alt. EuGRC | 126 | ||
cc) Recht auf unentgeltliche Teilnahme am Pflichtschulunterricht nach Art. 14 Abs. 2 EuGRC | 127 | ||
dd) Ergebnis | 128 | ||
b) Funktionen des Grundrechts | 128 | ||
aa) Recht auf Bildung und auf unentgeltliche Teilnahme am Pflichtschulunterricht nach Art. 14 Abs. 1, 1. Alt. und Abs. 2 EuGRC | 129 | ||
bb) Recht auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung nach Art. 14 Abs. 1, 2. Alt. EuGRC | 132 | ||
cc) Ergebnis | 133 | ||
2. Wechselwirkungen zwischen Grundrechtsbindung und Kompetenzverteilung | 133 | ||
a) Kompetenz zur Gewährleistung der Rechte aus Art. 14 Abs. 1 und 2 EuGRC | 134 | ||
aa) Kompetenzverteilung im Bereich des Bildungswesens | 134 | ||
(1) Art. 149 und 150 EGV | 134 | ||
(a) Befugnisse der Gemeinschaft | 134 | ||
(b) Maßnahmen | 136 | ||
(2) Art. 40 EGV: Arbeitnehmerfreizügigkeit | 137 | ||
(3) Art. 47 (i.V.m. Art. 55) EGV: Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit | 139 | ||
(4) Art. 12 EGV | 139 | ||
(5) Kompetenznormen aus anderen Politikbereichen | 140 | ||
(6) Art. 308 EGV | 141 | ||
(7) Ergebnis | 143 | ||
bb) Kompetenz der Gemeinschaft zur Gewährleistung der Rechte aus Art. 14 Abs. 1 und 2 EGV | 144 | ||
(1) Recht auf Bildung und auf unentgeltliche Teilnahme am Pflichtschulunterricht nach Art. 14 Abs. 1, 1. Alt. und Abs. 2 EuGRC | 144 | ||
(a) Teilhaberechtliche Funktion | 144 | ||
(b) Leistungsrechtliche Funktion | 145 | ||
(aa) Art. 149 EGV | 145 | ||
(bb) Art. 40 EGV | 146 | ||
(cc) Art. 308 EGV | 147 | ||
(dd) Ergebnis | 148 | ||
(2) Recht auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung nach Art. 14 Abs. 1, 2. Alt. EuGRC | 148 | ||
(3) Ergebnis | 149 | ||
cc) Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 14 Abs. 1 und 2 EuGRC | 149 | ||
(1) Vollziehung und Umsetzung von Gemeinschaftsrecht | 149 | ||
(2) Einschränkung der Grundfreiheiten | 150 | ||
(3) Ergebnis | 151 | ||
dd) Ergebnis | 151 | ||
b) Begründung neuer Gemeinschaftskompetenzen | 151 | ||
aa) Implied-powers-Lehre | 152 | ||
bb) Art. 308 EGV | 154 | ||
(1) Art. 14 EuGRC als Zielbestimmung i.S. von Art. 308 EGV | 154 | ||
(a) Auslegung von Art. 308 EGV | 154 | ||
(b) Auslegung von Art. 14 EuGRC | 156 | ||
(2) Übertragung der Schranken des Art. 149 EGV auf Art. 308 EGV | 158 | ||
(3) Ergebnis | 159 | ||
cc) Ergebnis | 159 | ||
c) Beeinträchtigung bestehender Kompetenzen der Mitgliedstaaten | 160 | ||
aa) Grundrechte als materielle Kompetenzausübungsschranken | 161 | ||
(1) Vollziehung und Umsetzung von Gemeinschaftsrecht | 161 | ||
(2) Einschränkung der Grundfreiheiten | 161 | ||
bb) Unbenannte Rechtsakte der Gemeinschaft | 163 | ||
(1) Inhalte und Bindungswirkung | 164 | ||
(2) Rechtsgrundlagen | 166 | ||
cc) Ergebnis | 168 | ||
d) Ergebnis | 168 | ||
3. Endergebnis zu Art. 14 EuGRC | 170 | ||
D. Schluß | 171 | ||
I. Zusammenfassung der Ergebnisse | 171 | ||
II. Bewertung der Charta | 172 | ||
1. Auswirkungen der Grundrechte auf die Kompetenzverteilung | 173 | ||
2. Auswirkungen der Kompetenzverteilung auf die Grundrechte | 176 | ||
3. Ergebnis | 177 | ||
Literaturverzeichnis | 179 | ||
Sachverzeichnis | 188 |