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Ollinger, T. (1997). Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht. von den Anfängen bis zur Paulskirchenverfassung. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49127-8
Ollinger, Thomas. Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht: von den Anfängen bis zur Paulskirchenverfassung. Duncker & Humblot, 1997. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49127-8
Ollinger, T (1997): Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht: von den Anfängen bis zur Paulskirchenverfassung, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-49127-8

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Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht

von den Anfängen bis zur Paulskirchenverfassung

Ollinger, Thomas

Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Vol. 22

(1997)

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Abstract

Die Arbeit beschreibt die historische Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht. Unter einem Richtervorbehalt versteht man das Erfordernis obligatorischer vorgängiger richterlicher Entscheidung über die Zulässigkeit von Verhaftungen. Es wird versucht nachzuweisen, daß die Wurzeln des Richtervorbehalts nicht in der englischen Habeas-Corpus-Akte von 1679 zu suchen sind, sondern viel weiter zurückreichen.

Im Mittelalter gab es vor allem in flandrischen, zunächst aber auch in deutschen und französischen Stadtrechten Garantien gegen willkürliche Verhaftungen, die einem Richtervorbehalt entsprachen. Während diese Rechte in Frankreich und Deutschland wieder verschwanden, konnten sie sich in Flandern weitgehend erhalten.

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts verstärkte sich in England der Konflikt zwischen Parlament und Krone, als dessen wichtigstes Zwischenergebnis die Habeas-Corpus-Akte von 1679 gelten kann. Sie gibt jedem Verhafteten das Recht, ein Gericht anzurufen. Es handelt sich aber dabei nicht um einen Richtervorbehalt, da die richterliche Entscheidung weder obligatorisch noch vorgängig ist. Im 18. Jahrhundert entfaltete sich dann der Gedanke der Gewaltenteilung, in dessen Konsequenz die Ablehnung einer Verhaftungsbefugnis für den Herrscher und die Exekutive lag.

Trotz vielfacher Forderungen fand der Richtervorbehalt keine Aufnahme in die französische Menschenrechtserklärung. In den Niederlanden und in Belgien hingegen kam es seit Anfang des 19. Jahrhunderts zu weitreichenden verfassungsrechtlichen Absicherungen des Richtervorbehalts. die auch auf die Anlehnung an eigene Rechtstraditionen zurückzuführen sind.

Wie in Frankreich aber in weit geringerem Ausmaß als dort, hatte es im 18. Jahrhundert auch in Deutschland Verhaftungen auf Anordnung des Herrschers gegeben. Kritik hiergegen kam nur vereinzelt und relativ spät auf: auch die Reichsjustiz konnte trotz bemerkenswerter Ansätze keine dauerhafte Abhilfe schaffen. Verhaftungsgarantien, die die deutschen Verfassungen und Prozeßordnungen seit 1815 boten, wurden durch Polizei- und Exekutivpraxis weitgehend unterminiert. Mit der Verabschiedung der Paulskirchenverfassung kam es schließlich zur Aufnahme des Richtervorbehalts bei Verhaftungen in das deutsche Verfassungsrecht.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 9
Inhaltsverzeichnis 11
Abkürzungsverzeichnis 17
§ 1 Einleitung 21
I. Thematische Begrenzung 23
II. Zeitliche Begrenzung 28
III. Räumliche Begrenzung 31
§ 2 Das Verhaftungsrecht in römischer Republik und Kaiserzeit 32
I. Republik 32
1. Verhaftungspraxis 32
2. Rechtsgrundlagen der Verhaftung 34
3. Möglichkeiten des Schutzes gegen Verhaftungen 34
II. Kaiserzeit 36
1. Wandel in der Gerichtsverfassung 36
2. Verhaftungspraxis und ihre Rechtsgrundlage in der Kaiserzeit 37
3. „Richtervorbehalte“ in den Quellen 38
§ 3 Mittelalterliche Verhaftungsgarantien 41
I. Zum früh- und hochmittelalterlichen Strafverfahren 41
1. Allgemeines 41
2. Zum Verhaftungsrecht 42
3. Weiterer Gang der Untersuchung 44
II. Verhaftungsgarantien im deutschsprachigen Raum 44
1. Die Offizialisierung des Verfahrens 45
a) Das Rügeverfahren 45
b) Religionsdelikte und Verbrechen wider die Obrigkeit 47
c) Die Landfriedensbewegung 47
d) Bekämpfung der landschädlichen Leute 49
e) Fiskalische Interessen; christlicher Armenschutz; städtische Schwurgemeinschaft 50
f) Der Einfluß des gelehrten Rechts 52
g) Zusammenfassung 55
2. Die Materialisierung der Beweismittel 56
a) Die Entwicklung des Handhaftverfahrens 57
b) Die Bedeutung der Offizialisierung für die Veränderung der Beweismittel 58
c) Einflüsse des gelehrten Rechts 59
d) Die „Renaissance des 12. Jahrhunderts“ 59
3. Veränderungen in Prozeßstruktur und Verhaftungspraxis 61
a) Entstehung eines Vorverfahrens 61
b) Wandel der Verhaftungspraxis 64
4. Die Ausbildung von Verhaftungsfreiheiten 65
a) Verhaftungsgarantien gegen amtliche Verfolgung 66
b) Verhaftungsgarantien bei amtlicher Verfolgung 70
c) Der Tübinger Vertrag von 1514 74
III. Die Entwicklung in Frankreich 76
1. Vom Akkusations- zum Inquisitionsprozeß 76
2. Die Einführung der Staatsanwaltschaft 80
3. Verfahrensgliederung; Professionalisierung; Zentralisierung 81
4. Verhaftungsgarantien 84
IV. Die Entwicklung in Flandern 88
1. Beginn der amtlichen Verfolgung 88
2. Der Inhalt der städtischen Freiheiten 93
a) Schutz vor Verfolgung durch subalterne Beamte 93
b) Die Kontrolle durch Schöffen 94
aa) Die Festnahme auf frischer Tat 94
bb) Die Festnahme im „Normalfall“ 95
3. Der Souveräne Baljuw als Inquisitionsrichter 96
V. Das Auseinanderdriften der Entwicklung 99
1. Frankreich 99
2. Deutschland und Flandern 100
a) Gemeinsame Ausgangslage 100
b) Tendenzen zur Auflösung der Funktionentrennung 101
c) Die weitere Entwicklung in Flandern 103
d) Die weitere Entwicklung in Deutschland 104
3. Ergebnisse 110
§ 4 Mittelalterliche Verhaftungsgarantien in anderen Staaten 112
I. Magna Charta und englischer Strafprozeß des Hochmittelalters 112
1. Die Privatanklage (appeal) 114
2. Verfolgung auf frischer Tat (hue and cry) 115
3. Das Jury-Verfahren nach den Reformen Heinrichs II. 116
4. Öffentliche Strafverfolgung vor den Reformen Heinrichs II. 117
5. Die Verhaftungsgarantien der Magna Charta 118
II. Die Ungarische Goldene Bulle 121
III. Verhaftungsfreiheiten in Spanien 122
§ 5 Der Richtervorbehalt in den Kodifikationen des 16. Jahrhunderts 126
I. Frankreich 126
II. Deutschland 130
1. Der Wandel der Funktion von Richtern und Schöffen 130
a) Die Ermessensfreiheit des Inquirenten im deutschen Verfahren 130
b) „Altdeutsches“ und „modernes“ Richterbild 132
c) Das Eindringen der neuen Vorstellung in Deutschland 134
d) Die Grundlinien einer Reform des Verfahrens 135
2. Die Umsetzung der Reformvorstellungen in der Carolina und in der Literatur des 16. Jahrhunderts 137
a) Die Carolina 137
b) Die Literatur des 16. Jahrhunderts 141
III. Flandern und die Niederlande 143
1. Verhaftungsgarantien bei Wielant und Damhouder 145
a) Wielants „Practijcke Criminele“ 145
b) Damhouders „Praxis Rerum Criminalium“ 149
c) Folgerungen 151
2. Verhaftungsgarantien unter Philipp II. 152
a) Die politische Situation 152
b) Die Kriminalordonnanzen Philipps II. von 1570 153
aa) Verhaftungsgarantien in der Kriminalordonnanz 154
bb) Verhaftungsgarantien in der Ordonnanz über den Stil 156
cc) Bewertung der Ordonnanzen von 1570 158
aaa) Die Qualität des Richtervorbehalts 158
bbb) Die ordonnantiën im Vergleich 160
IV. Zusammenfassender Vergleich 161
§ 6 Verhaftungsrecht in England seit dem Spätmittelalter 164
I. Der Aufstieg der Friedensrichter und ihrer Verhaftungsbefugnisse 164
1. Die Entstehung der Friedensrichter 164
2. Der Wandel des Vorverfahrens 166
3. Die allgemeine Verhaftungsbefugnis der Friedensrichter 169
4. Veränderungen im 18. und 19. Jahrhundert 172
II. Verhaftungsbefugnisse anderer Organe 173
1. Verhaftungsrechte von Privatpersonen 174
2. Verhaftungsbefugnisse von Exekutivorganen 174
III. Ergebnisse 179
§ 7 Der Einfluß des Herrschers auf Verhaftungen und seine Begrenzung 181
I. Die landesherrliche Prärogative in Frankreich 183
1. Der König als Richter 183
2. Die lettres de cachet 185
3. Absolutistische Staatstheorie als Grundlage der justice retenue des Königs 186
II. Die königliche Prärogative in England 188
1. Die königliche Prärogative im Mittelalter 188
2. Erweiterung der Prärogative durch die Tudors 190
3. Die theoretische Untermauerung der Prärogative durch die Stuartkönige 193
III. Gewaltenbegrenzung, Gewaltenverschränkung, Gewaltenteilung 196
1. Gewaltenbegrenzung durch Abschaffung der absoluten Prärogative 196
2. Gewaltenverschränkung durch Kontrollinstrumentarien: Das Habeas-Corpus-Recht und seine Grenzen 199
a) Die Entstehung des Habeas-Corpus-Rechts 199
b) Die Grenzen von Habeas Corpus 206
3. Der Kampf gegen die Verhaftungsbefugnis der Exekutive: die Durchsetzung der Gewaltenteilung 211
a) Zur Entwicklung der Gewaltenteilung 211
b) Die Integration der Rechtsprechung in die Theorie der Gewaltenteilung 214
c) Die Umsetzung der neuen Vorstellungen in die englische Praxis 218
aa) Eingriffsbefugnisse der Exekutive im Bereich des Presserechts 218
bb) Die Fälle Wilkes und Entick 220
cc) Die Bedeutung dieser Entscheidung für den Richtervorbehalt 223
IV. Die Herausbildung materieller Eingriffsvoraussetzungen in England und seinen amerikanischen Kolonien 225
1. Materielle Eingriffsbegrenzungen in England 225
2. Die Entwicklung in Amerika 228
a) Der Kampf gegen General Warrants und Writs of Assistance 228
b) Gründe der amerikanischen Entwicklung 230
c) Die Umsetzung der Forderungen in den amerikanischen Rechteerklärungen 232
d) Das Verhältnis des Vierten Zusatzartikels zum Richtervorbehalt 234
§ 8 Französische Revolution und Napoleonische Zeit 238
I. Reformvorstellungen in der vorrevolutionären Zeit 239
1. Ansätze zur Reform des ordentlichen Verfahrens 239
a) Voltaire 239
b) Beccaria 241
2. Bestrebungen zur Zurückdrängung der justice retenue und zur Abschaffung der lettres de cachet 242
a) Montesquieu 242
b) Frühe Proteste der Parlements gegen die lettres de cachet 244
c) Malesherbes 246
d) Mirabeau 247
e) Die Forderungen in den cahiers de doléances 249
II. Verhaftungsgarantien in der Revolutionszeit 252
1. Die Beratungen der Nationalversammlung und die déclaration des droits 252
2. Einfachgesetzliche Verhaftungsgarantien durch die Nationalversammlung 257
3. Verhaftungsgarantien in der Verfassung von 1791 259
a) Die Verhaftungsbefugnis der officiers de police 260
b) Die Verhaftungsbefugnis des Parlaments 263
c) Befugnisse zur vorläufigen und vorübergehenden Festnahme 263
d) Zusammenfassende Bewertung 265
4. Änderungen nach 1791 266
a) Der girondistische Entwurf von 1793 266
b) Die Jakobinerverfassung von 1793 267
c) Die Direktoratsverfassung von 1795 267
d) Der code des délits et des peines von 1795 268
III. Die Entwicklung unter der Regierung Napoleons 269
1. Die Verfassung von 1799 269
2. Veränderungen in einfachen Gesetzen 271
3. Der code d’instruction criminelle von 1811 273
a) Das Amt des juge d’instruction 273
b) Der procureur impérial und seine Befugnisse beim flagrant délit 275
c) Bewertung 276
IV. Veränderungen in nachnapoleonischer Zeit 279
V. Vorbilder der französischen Regelungen 280
VI. Zusammenfassung 285
§ 9 Die belgischen und niederländischen Verfassungen 287
I. Die politische Situation in den Niederlanden vom 16. zum 18. Jahrhundert 287
II. Verhaftungsrecht in der Republik der Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert 289
1. Das angewendete Strafverfahrensrecht 289
2. Politische Verhaftungen 290
3. Der Verfassungsentwurf von 1796 292
III. Die Verfassung von 1798 294
IV. Verfassungen unter dem Einfluß Napoleons 297
1. Die Verfassung von 1801 297
2. Die Verfassungen von 1805 und 1806 298
V. Die Verfassungen des Königreichs der Niederlande 299
1. Der Verfassungsentwurf von 1814 299
2. Die Verfassung von 1815 300
3. Spätere Verfassungen 302
VI. Die belgische Entwicklung 303
VII. Zusammenfassung 306
§ 10 Die weitere Entwicklung in Deutschland seit Mitte des 18. Jahrhunderts 307
I. Einleitung 307
II. Verhaftungsrecht und -praxis des Herrschers im Absolutismus 309
1. Verhaftungen ohne Verfahren unter Karl Eugen von Württemberg 311
a) Der Fall Pirker 312
b) Die Verhaftung Johann Jacob Mosers 312
c) Die Fälle Huber und Rieger 315
d) Schubarts Verhaftung 315
2. Das Verhaftungsrecht des Herrschers im friderizianischen Preußen 317
a) Der Müller-Arnold-Prozeß 318
b) Svarez’ Kronprinzenvorträge und der Entwurf zum allgemeinen Gesetzbuch 319
c) Der Fall Zerboni 323
3. Rechtsschutz gegen Verhaftungen durch die Reichsgerichte 325
a) Der Fall der Koblenzer Delegation 327
b) Bewertung 331
4. Folgerungen 333
a) Die Herleitung des landesherrlichen Verhaftungsrechts 333
b) Kontrolle durch die Reichsgerichte und ständische Organe 335
c) Keine Forderung nach einem Richtervorbehalt 336
d) Mögliche Ursachen der deutschen Entwicklung 337
III. Verhaftungsgarantien in den ersten deutschen Verfassungen und Verfassungsentwürfen 342
1. Dohms Verfassungsentwurf für Aachen 342
2. Weitere Verfassungsentwürfe der neunziger Jahre 347
3. Preußische Verfassungsentwürfe auf dem Wiener Kongreß 349
4. Verhaftungsgarantien im süd- und mitteldeutschen Konstitutionalismus 351
IV. Verhaftungsgarantien in den Prozeßordnungen vor 1848 354
1. Aufgeklärt-absolutistische Prozeßordnungen und Entwürfe 355
2. Das bayerische Strafgesetzbuch von 1813 358
3. Reformbestrebungen in der Literatur 359
4. Die Stafprozeßreformen in Württemberg, Baden und Preußen 362
a) Die württembergische Strafprocess-Ordnung von 1843 363
b) Die badische Strafprocessordnung von 1845 364
c) Preußen 365
5. Zusammenfassung 366
V. Unterminierung der prozessualen Sicherungen durch Polizeirecht und Exekutivpraxis 367
VI. Verhaftungsgarantien in der Paulskirchenverfassung 371
1. Der Entwurf des Verfassungsausschusses 372
2. Die Beratungen in der Nationalversammlung 374
a) Der Grundsatz des Richtervorbehalts 374
b) Die Begründung des Richtervorbehalts 376
c) Die Diskussion um vorläufige Kompetenzen für die Polizei 378
d) Verhältnis zwischen Verhaftungsgrundrecht und Prozeßorganisation 379
e) Die endgültige Fassung des Verhaftungsgrundrechts 381
§ 11 Zusammenfassung 383
Quellen und Schrifttum 385