»Bébé préjudice« und »Kind als Schaden«
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»Bébé préjudice« und »Kind als Schaden«
Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Haftung für neues Leben in Deutschland und Frankreich
Schriften zum Internationalen Recht, Vol. 131
(2002)
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Abstract
Der Streit um den Ersatz des Unterhaltsschadens nach unerwünschter Geburt eines Kindes hat in den zurückliegenden 30 Jahren die Gerichte in fast allen westlichen Ländern beschäftigt. Die enormen Fortschritte auf dem Gebiet der Geburtsmedizin und ein liberalisiertes Abtreibungsstrafrecht haben den Kinderwunsch zunehmend planbar gemacht. Entsprechend stellt sich länderübergreifend die Frage nach Schadensersatzansprüchen, wenn die Pläne der Eltern durch ein sorgfaltswidriges Verhalten des Arztes durchkreuzt werden: Das unerwünschte Kind wird vom Schicksals- zum Rechtsfall.Der Autor widmet sich in der vorliegenden Untersuchung den Lösungsvorschlägen in der deutschen und französischen Auseinandersetzung. Er stellt sowohl die Entscheidungen der Gerichte (z. B. das vielzitierte »Arret Perruche« der Cour de cassation) als auch die Vorschläge in der Literatur kurz dar, ordnet die Lösungsvorschläge in den Kontext der Arzthaftung ein und würdigt sie kritisch. Thomas Winter legt dar, dass die unterschiedlichen Ergebnisse ihre Ursache nicht in abweichenden dogmatischen Grundlagen finden, sondern er macht deutlich, dass die verschiedenen Lösungen in beiden Ländern weniger rechtlich als vielmehr moralisch begründet werden. Er unternimmt den Versuch, die unterschiedliche Behandlung des Problems in Deutschland und Frankreich durch (rechts-)kulturelle Eigenheiten zu erklären.Der Autor gelangt zu dem Ergebnis, dass in beiden Ländern die Lösung der Frage nach dem Kind als Schaden dort nicht mehr überzeugt, wo die konsequente Anwendung schadensersatzrechtlicher Prinzipien zugunsten weltanschaulich begründeter Überzeugungen aufgegeben und das Letztentscheidungsrecht der Eltern in Frage gestellt wird. Die Arbeit versteht sich als eigener, juristisch begründeter Standpunkt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion. Insbesondere die Teile C und D versprechen jedoch auch dem juristischen, an den Fragen des biowissenschaftlichen Fortschritts interessierten Laien gewinnbringende Lektüre.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 8 | ||
Inhaltsverzeichnis | 10 | ||
Α. Die nicht nur juristische Diskussion um das Kind als Schaden | 14 | ||
I. Von glücklicher Geburt und wrongful birth | 14 | ||
II. Die Diskussion um das Kind als Schaden als Paradigma haftungsrechtlicher Folgen (bio-)wissenschaftlichen Fortschritts | 20 | ||
III. Die Kind als Schaden Problematik jenseits disziplinärer und nationaler Grenzen und Beschränkungen | 23 | ||
B. Das Kind als Schaden im System der Arzthaftung und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung | 26 | ||
I. Die Einordnung der Kind als Schaden Problematik in das System der Arzthaftung | 26 | ||
1. Die Pflichtverletzung des Arztes | 28 | ||
a) Die Haftungsbegründung nach deutschem Recht | 28 | ||
aa) Vertragliche Haftungsbegründung | 28 | ||
bb) Deliktsrechtliche Haftungsbegründung | 33 | ||
b) Die Haftungsbegründung nach französischem Recht | 35 | ||
aa) Vertragliche Haftungsbegründung | 35 | ||
bb) Deliktsrechtliche Haftungsbegründung | 43 | ||
2. Der Schaden von Eltern und Kind | 45 | ||
a) Schadensersatz als Rechtsfolge ärztlicher Pflichtverletzung | 47 | ||
aa) Deutsches Recht | 47 | ||
bb) Französisches Recht | 48 | ||
b) Der Schaden der Eltern | 49 | ||
aa) Kosten der misslungenen ärztlichen Behandlung | 49 | ||
bb) Kosten und Einbußen durch einen weiteren Eingriff | 50 | ||
cc) Kosten und Einbußen durch das Kind | 51 | ||
dd) Kosten für das Kind | 53 | ||
ee) Körperliche und seelische Verletzungen | 53 | ||
c) Der Schaden des Kindes | 55 | ||
3. Der Ursachenzusammenhang zwischen ärztlichem Fehl verhalten und elterlichem und kindlichem Schaden | 56 | ||
a) Das ärztliche Fehlverhalten als conditio sine qua non elterlicher und kindlicher Einbußen | 57 | ||
b) Der Schaden von Eltern und Kind als adäquat kausale Folge ärztlichen Fehlverhaltens | 61 | ||
c) Die Vermeidung der elterlichen Unterhaltspflicht als Zweck des ärztlichen Handelns | 62 | ||
aa) Die deutsche Lehre vom Schutzzweck der Norm bzw. des Vertrages | 62 | ||
bb) Versuche einer wertenden Kausalbetrachtung im französischen Recht | 66 | ||
4. Unterbrechung des Kausalzusammenhangs und Mitverschulden: Wegfall oder Minderung des Schadensersatzanspruchs aufgrund eigener Willensentscheidung der Eltern | 68 | ||
a) Unterbrechung des Kausalzusammenhangs durch Geschlechtsverkehr der Eltern | 69 | ||
b) Verlust der Ersatzansprüche aufgrund der Verweigerung eines (erneuten) Schwangerschaftsabbruchs | 70 | ||
c) Verlust der Ersatzansprüche wegen verweigerter Freigabe des Kindes zur Adoption | 72 | ||
d) Verlust der Ersatzansprüche wegen späterer Aufnahme des Kindes als Wunschkind („Damaskuserlebnis") | 73 | ||
5. Befund der dogmatischen Betrachtungen | 74 | ||
II. Die Lösung der Kind als Schaden Problematik in der deutschen und französischen höchstrichterlichen Rechtsprechung | 76 | ||
1. Der Anspruch der Eltern | 77 | ||
a) Deutsche Lösung | 77 | ||
b) Französische Lösung | 80 | ||
2. Der Anspruch des geschädigten Kindes | 83 | ||
a) Deutsche Lösung | 83 | ||
b) Französische Lösung | 84 | ||
C. Der Schadensersatzanspruch im Widerstreit zwischen haftungsrechtlichen Grundsätzen und übergeordneten (Rechts-)Prinzipien | 87 | ||
I. Die Vereinbarkeit des Schadensersatzanspruches mit den Zwecken des Haftungsrechts | 88 | ||
1. Die Anknüpfung an das Fehlverhalten des Arztes (Schädiger) | 89 | ||
a) Zivilrechtliche Bestrafung ärztlicher Sorgfaltswidrigkeit | 89 | ||
b) Präventive Verhaltenssteuerung ärztlichen Handelns | 90 | ||
2. Der Ersatzanspruch aus der Perspektive von Eltern und Kind (Geschädigte) | 93 | ||
a) Ausgleich elterlicher und kindlicher Einbußen | 93 | ||
b) Versorgung bei familiärer Not | 96 | ||
II. Die Vereinbarkeit des Schadensersatzanspruchs mit übergeordneten (Rechts-) Prinzipien | 97 | ||
1. Methoden zur Berücksichtigung übergeordneter (Rechts-)Prinzipien | 98 | ||
a) Die verfassungskonforme Auslegung des deutschen Schadensrechts | 99 | ||
b) Das französische Merkmal eines rechtmäßigen Schadens („dommage légitime") | 100 | ||
2. Der Einfluss übergeordneter (Rechts-)Prinzipien auf die Lösung der Kind als Schaden Problematik | 104 | ||
a) Auswirkungen einer schadensersatzrechtlichen Lösung auf ärztliches Verhalten und gesellschaftliche Prozesse | 105 | ||
aa) Die Notwendigkeit einer Haftung als Voraussetzung der Qualitätssicherung ärztlicher Versorgung | 106 | ||
bb) Die Befürchtung einer „lebensfeindlichen Einstellung" des Arztes gegenüber dem Ungeborenen | 107 | ||
(1) Präkonzeptionelle Haftungsanknüpfung | 108 | ||
(2) Postkonzeptionelle Haftungsanknüpfung | 109 | ||
cc) Die Befürchtung verfehlter Signalwirkung auf die Gesellschaft | 112 | ||
dd) Gewährleistung elterlicher Entscheidungsfreiheit | 116 | ||
b) Existenz des Kindes versus Gewährleistungsanspruch auf der Grundlage nichtverhinderter Entstehung | 116 | ||
aa) Der Versuch einer Auflösung im (Verfassungs-)Recht ( - deutscher Weg-) | 118 | ||
(1) Die Haftung für neues Leben auf der Schnittstelle zwischen Schuld-und Familienrecht | 119 | ||
(2) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes als Hinderungsgrund elterlichen Unterhaltsersatzes | 122 | ||
(3) Schweigen des Haftungsrechts vor der Würde des Kindes | 126 | ||
bb) Der Versuch einer Auflösung jenseits des Rechts ( - französischer Weg-) | 130 | ||
(1) Beobachtungen | 130 | ||
(2) Kritik | 136 | ||
(3) Erklärungsversuche | 138 | ||
(4) Würdigung | 151 | ||
D. Der Schadensersatzanspruch des geschädigten Kindes | 153 | ||
I. Der Schadensersatzanspruch des Kindes im Widerstreit der Interessen | 153 | ||
1. Das Bedürfnis für einen eigenen Schadensersatzanspruch des Kindes | 154 | ||
a) Lebenslange Versorgung des Kindes unabhängig vom Schicksal seiner Eltern | 154 | ||
b) Der Schluss vom elterlichen auf den kindlichen Schaden | 155 | ||
2. Die Handlung des Arztes als Verletzung der Interessen und Rechte des Kindes | 157 | ||
a) Die ärztliche Pflichtwidrigkeit als Verletzung des Kindes an seiner Gesundheit | 158 | ||
b) Die ärztliche Pflichtwidrigkeit als Verletzung des Kindes in seinem Persönlichkeitsrecht | 159 | ||
II. Die Feststellung eines Schadens als zentrales Problem der Ansprüche aus wrongful life | 160 | ||
1. Die Suche nach einer Vergleichsgrundlage zur Ermittlung eines Schadens des Kindes | 160 | ||
a) Die hypothetische Nichtexistenz als Alternative zum Leben des geschädigten Kindes | 160 | ||
b) Die Suche nach einer alternativen Vergleichsgrundlage | 162 | ||
2. Die Ambivalenz „humaner" Argumentation | 165 | ||
a) Die Befürchtung einer sich ausbreitenden Eugenik | 166 | ||
b) Die Privilegierung des unerwünscht geborenen Kindes | 168 | ||
c) Der Respekt vor der Person des Kindes | 169 | ||
3. Der Schaden des Kindes jenseits des rechtlich Fassbaren | 171 | ||
E. Schlussbetrachtung | 173 | ||
Literaturverzeichnis | 176 | ||
Sachverzeichnis | 194 |