Medea-Morphosen
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Medea-Morphosen
Eine mytho-psychohistorische Untersuchung zur Rolle des Mann-Weiblichen im Kulturprozeß
Sozialwissenschaftliche Schriften, Vol. 24
(1993)
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Abstract
Im Schlußbild von Euripides' "Medea" von 431 v. Chr. erscheint diese, nachdem sie die zukünftige Braut ihres Mannes Jason und ihre eigenen Kinder umgebracht hat, triumphierend mit den Kinderleichen auf einem Drachenwagen in der Luft, Jason ein schmähliches Ende unter den Trümmern seines einst glorreichen Schiffs und nunmehrigen Wracks Argo voraussagend.Nachdem es um diese rachsüchtig-triumphierende Geliebten- und Kindermörderin lange Zeit eher still gewesen ist, erscheint die Gestalt der Medea in unserem Jahrhundert erneut gleichsam auf ihrem Drachenwagen in der Luft.Eine derartige Epiphanie wird unweigerlich in der Literatur eher verspürt als von der Wissenschaft analysiert. Dementsprechend gibt es bisher zwar bereits eine beachtliche Anzahl von zeitgenössischen literarischen "Medeen"- zunächst nur von männlichen, neuerdings aber auch von weiblichen Autoren, jedoch noch keine tiefergehende wissenschaftliche Durchdringung des Phänomens. Anliegen dieser Schrift ist es daher zu zeigen, daß und warum das Thema "Medea" heute tatsächlich wieder in der Luft liegt - das zeitgenössische literarische Erspüren insofern also durchaus auf der richtigen Fährte ist -, und nach den tieferen sozio-psychoanalytischen Gründen für diese erneute Relevanz der rachsüchtig-triumphierenden Medea-Gestalt zu fragen, sowie schließlich nach der voraussichtlichen Richtung, die ihr Drachenwagen wohl diesmal nehmen wird.Als übergreifender methodologischer Ansatz bot sich dabei die Mytho-Psychohistorie an, die am roten Faden der Wandlungen des Medea-Mythos entlang, oder wie es hier heißen soll anband der "Medea-Morphosen", eine sozio- und individualpsychologische Aspekte verbindende, tiefenpsychologisch fundierte Analyse des kulturhistorischen Verlaufs der Geschlechterbeziehung in Antike und Abendland entstehen ließ.- Vorwort: Medea-Faszination heute, S. 5-6
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung: Die Empörung der zeitgenössischen Frau | 13 | ||
Erster Teil: Theorienübersicht | 16 | ||
I. Relevante sozio-psychologische Theorien | 16 | ||
1. Feminismus | 16 | ||
2. Freud | 17 | ||
3. Adler | 20 | ||
4. Horney, Jones | 21 | ||
5. Heutige psychoanalytische Theorien | 23 | ||
6. Die Ergebnisse der foetalen Hormonforschung | 29 | ||
7. Gesucht – eine sozio-psychodynamische Theorie des Geschlechterverhältnisses | 32 | ||
8. Die psychohistorische Entwicklungstheorie Erich Neumanns | 33 | ||
II. Die „Empörung der Medea“ als ein Hauptsymptom der Krise unseres Spätpatriarchats | 37 | ||
1. Der Medea-Mythos als psychohistorischer Leitfaden der Untersuchung | 38 | ||
Zweiter Teil: Medea-Morphosen in der Antike | 43 | ||
A. Medea als die weibliche Wandlungsgestalt des antiken Kulturverlaufs | 43 | ||
B. Die Medea des Euripides und ihr mytho-psychohistorischer Hintergrund | 43 | ||
C. Etymologie des Wortstammes med | 47 | ||
D. Die einzelnen Phasen der Medea-Morphosen | 48 | ||
I. Medea als maternale Stadtgöttin Korinths | 48 | ||
1. Die Transzendenz des Maternats durch den Mutter-Sohn | 52 | ||
2. Die Transzendenz des Maternats durch die Mutter-Tochter | 56 | ||
3. Der Demeter-Kore-Mythos | 58 | ||
II. Medea als königliche Vater-Tochter in Korinth | 61 | ||
1. Die kulturelle Fruchtbarkeit des Barbarischen | 62 | ||
III. Medea als lunare Zauberin in der mykenischen Heldenzeit | 64 | ||
1. Der Heldenmythos als Brücke zwischen Helden- und Ritterzeit | 67 | ||
2. Die Fakten des Argonauten-Mythos | 68 | ||
3. Ent-Fremdung Medeas nach Aia | 70 | ||
4. Das Goldene Vließ als Symbol unabhängiger Männlichkeit | 71 | ||
5. Der Drache als Symbol kämpferischer Weiblichkeit | 74 | ||
6. Der Traum der Medea | 79 | ||
IV. Medea als un-heimliche Hexe im Frühpatriarchat | 84 | ||
1. Erfolgloser Empörungsversuch | 87 | ||
V. Der Medea-Komplex im Hochpatriarchat | 89 | ||
1. Die hochpatriarchale Frau als schweigende Kultur-Trägerin | 90 | ||
2. Pindars Medea | 92 | ||
3. Die hochpatriarchale Realität der Medea-Frau | 93 | ||
4. Definition des Medea-Komplexes | 96 | ||
5. Die Symptome des Medea-Komplexes | 99 | ||
6. Verdeckte Racheübertragung auf die Kinder | 102 | ||
VI. Die erfolgreiche Empörung der Medea im Spätpatriarchat | 107 | ||
1. Die Selbst-Demontage des Hochpatriarchats | 108 | ||
a) Das Entgegenkommen in der mittäglichen kulturellen Wendezeit | 110 | ||
2. Die Emanzipation der griechischen Frau | 115 | ||
3. Die Emanzipation der römischen Frau | 120 | ||
a) Der II. Punische Krieg als Wende zum römischen Spätpatriarchat | 124 | ||
b) Die Aufhebung der Lex Oppia | 128 | ||
4. Verwirklichung des „Traums der Medea“ jetzt? | 133 | ||
a) Unfruchtbare „Stockung“ | 134 | ||
b) Vergebliche Restaurationsversuche der Guten Alten Zeit | 137 | ||
VII. Medea als Bona Dea im Rahmen der „Zweiten Kindheit“ | 143 | ||
1. Caesarismus als erneute Landeskindschaft | 145 | ||
a) Brot und Spiele als Danaer-Geschenk | 147 | ||
b) Die Philosophie des „ohne mich“ | 150 | ||
c) Finales Amusement | 152 | ||
2. Kindliche „religio“ zur Großen Mutter | 154 | ||
a) Vom Wissen zum Glauben | 157 | ||
b) Die Rückkehr der Göttinnen | 163 | ||
c) Muttergöttin gegen Mutterlosigkeit | 165 | ||
3. Bona Me-Dea | 168 | ||
a) Ovids Medea als barbarisch-wirkmächtige Wandlungsgestalt | 170 | ||
b) Erneuernde Wandlung in der mitternächtlichen kulturellen Wendezeit | 173 | ||
c) Steigernde Wandlung der religio zum Christentum | 175 | ||
d) Begeisterung der Medea-Frauen für das Christentum | 178 | ||
e) Asketische Übermoral gegen emanzipatorische Unmoral | 180 | ||
f) Vollendung und Aufhebung der Emanzipation | 183 | ||
VIII. Zwischenbilanz | 186 | ||
Dritter Teil: Medea-Morphosen im Abendland | 188 | ||
A. Übereinstimmungen und Unterschiede | 188 | ||
B. Die einzelnen Phasen der Medea-Morphosen | 189 | ||
I. Die Medea-Frau im Anarchat | 189 | ||
II. Die Medea-Frau im „Dark Age“ | 192 | ||
1. Traum der Medea II | 194 | ||
2. Die frühmittelalterliche Frau als Nonne, Grundbesitzerin und Herrscherin | 197 | ||
3. „Weg vom Fenster“ ab dem Hochmittelalter | 203 | ||
III. Die Medea-Frau im Frühpatriarchat | 205 | ||
1. Der abendländische Drachenkampf-Mythos | 206 | ||
a) Der St. Georgs-Mythos | 210 | ||
b) Christliche Askese und Abwertung der Frau | 212 | ||
c) Gotisch-scholastische Spaltung des Frauenbildes | 213 | ||
d) Praktische Verschlechterung der Stellung der Frau | 220 | ||
e) Faustische Scheinlösungen der gotischen Repression | 222 | ||
2. Häretische Empörungsversuche | 226 | ||
a) Hexen-Identifikationen | 230 | ||
b) Prä-Naissance der Virago | 232 | ||
3. Die Medea-Frau auf dem Scheiterhaufen | 235 | ||
a) Die spätmittelalterliche Hexen-Theologie | 236 | ||
b) Die Psychodynamik des Hexenwahns | 239 | ||
c) Die Unzeitgemäßheit der Medea-Sagas | 245 | ||
IV. Die Medea-Frau im neuzeitlichen Hochpatriarchat | 246 | ||
1. Absoluter Patriarchalismus | 248 | ||
a) Modernes Weltbild und Hexenjagd | 251 | ||
b) Calvinistischer Puritanismus als Motor der neuzeitlichen Weltmaschine | 253 | ||
c) Corneilles Medea | 257 | ||
2. Der Medea-Komplex II | 258 | ||
a) Rousseau als Ideologe der natürlichen Inferiorität der Frau | 258 | ||
b) Die Ideal-Frau als Heimchen am Biedermeier-Herd | 260 | ||
c) Die Symptome des Medea-Komplexes | 263 | ||
d) Die Verhexung der Mutterbeziehung | 266 | ||
e) Die Angst-Lust vor der „femme fatale“ | 267 | ||
V. Empörung der Medea-Frau II und männliches Entgegenkommen im Spätpatriarchat | 270 | ||
1. Die Wurzeln | 270 | ||
a) Geist der Aufklärung und „Entgegenkommen“ | 272 | ||
b) De Sade als sado-masochistischer Vorläufer des Entgegenkommens | 274 | ||
c) Das Entgegenkommen bei Goethe und der Romantik | 277 | ||
d) Grillparzers Medea | 279 | ||
e) Bachofens „Mutterrecht“ | 280 | ||
f) Das Entgegenkommen des Dandy gegenüber seiner „Nora“ | 282 | ||
g) Der I. Weltkrieg als äußere Wende zum Spätpatriarchat | 284 | ||
2. Befreiende Selbst-Demontage des Männlichen | 285 | ||
a) Hysterische Wiederkehr des Verdrängten | 286 | ||
b) Panische Angst vor einem „weiter so“ | 287 | ||
c) Verweiblichung an allen Fronten | 288 | ||
d) Die „vaterlose“ Gesellschaft | 291 | ||
3. Gegenläufige Befreiung der klitoridalen Frau | 294 | ||
a) Auf dem Weg zur mutterlosen Gesellschaft | 294 | ||
b) Feministische Zukunftsentwürfe | 297 | ||
Vierter Teil: Quo vadis? | 303 | ||
I. Renaissance des Patriarchats oder gar eines Maternats? | 304 | ||
II. Verwirklichung des „Traums der Medea“ heute? | 306 | ||
1. Androgynie als spätzeitlich-unfruchtbare Devolution | 309 | ||
III. Auf dem Weg zur „Zweiten Kindheit“ | 314 | ||
1. Neo-Caesarismus | 315 | ||
a) „Brot und Spiele“ heute | 315 | ||
b) Visuelle Ent-Bildung | 317 | ||
c) Lauter werdender Ruf nach dem „Über-Vater“ | 321 | ||
d) Ein neuer Augustus als Betreiber der „Muttermaschine“? | 324 | ||
2. Mutter-Göttin gegen Mutter-Maschine | 326 | ||
a) Renaissance der „religio“ zum mutter-göttlichen Ursprung | 327 | ||
b) Wiederum: Vom Wissen zum Glauben | 329 | ||
c) Das Nicht-mehr-wissen-Wollen des „New Age“ | 332 | ||
d) Der „Gaia“-Mythos | 333 | ||
e) Von der mystischen Wissenschaft zur trans-wissenschaftlichen Mystik | 335 | ||
3. Die Panik des „New Age“ | 338 | ||
a) Abbitte gegenüber der Großen Göttin | 340 | ||
b) Das spirituelle „Wickelkind“ der mutterlosen Gesellschaft | 342 | ||
c) Das „Peter-Pan“-Syndrom | 345 | ||
d) Peter-panische Ausfüllungsversuche | 347 | ||
e) Mutter-religio als ultima irratio | 351 | ||
f) Aus Spiel wird Ernst | 355 | ||
g) New Age-Spiritualität als Old Age-Gnosis | 356 | ||
h) Der spirituelle Todestrieb der „Zweiten Kindheit“ | 358 | ||
4. Bona Me-Dea II | 360 | ||
a) Robert v. Ranke-Graves Medea als „barbarische“ Wandlungsgestalt | 360 | ||
b) Von der zerstörerischen Rache zur kulturumwandelnden Sterbehilfe | 363 | ||
c) Umrisse einer kulturellen Wiedergeburt in mitternächtlicher Wendezeit | 365 | ||
d) Allah ist groß? | 366 | ||
Ausblick: „Traum der Medea“ nur ein Traum? | 369 | ||
Ergebnis: Medea als allzeitige Kultur-Wandlungs-Gestalt | 372 | ||
Bibliographie | 375 |