Schuldknechtschaft und Schuldturm
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Schuldknechtschaft und Schuldturm
Zur Personalexekution im sächsischen Recht des 13.-16. Jahrhunderts
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. N. F., Vol. 42
(2004)
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Abstract
Mit "Schuldknechtschaft" und "Schuldturm" behandelt Steffen Breßler Formen der Zwangsvollstreckung gegen den nicht zahlungsfähigen Schuldner, die das vertraute Klischee vom finsteren Mittelalter zu bestätigen scheinen. Hierzu untersucht er die Rechtszustände in dem größten und bedeutendsten partikularen Rechtsraum - dem des sächsischen Rechts. Dieser umfaßte im Spätmittelalter nahezu den gesamten Norden und Osten und in der frühen Neuzeit insbesondere Mitteldeutschland.Nach einführenden wissenschaftsgeschichtlichen und methodenkritischen Ausführungen schreitet der Autor im zweiten Teil das Panorama der Quellen sächsischen Rechts ab. Bei den normativen Quellen spannt sich der Bogen vom Sachsenspiegel, der die Überantwortung des Schuldners in die Hände des Gläubigers beschreibt, bis zu den kursächsischen Konstitutionen von 1572, mit denen der Schuldturm als öffentliches Gefängnis für fraudulente Schuldner eingeführt wird. Innerhalb der Rechtsliteratur sticht vor allem die Buchsche Glosse heraus. Sie erweist sich beim Konflikt der einheimischen Aushändigung des Schuldners an den Gläubiger mit dem kanonischen und römischen Recht als ein Paradebeispiel scholastischer Harmonisierungskunst. Dagegen kritisieren andere einheimische Juristen die Überantwortung als inhumanum et iniquum". Die Zeugnisse aus der Rechtspraxis entstammen einerseits den Präjudizienbüchern des späteren Mittelalters, andererseits der Originalüberlieferung von Magdeburger Schöffensprüchen für Breslau.Steffen Breßler belegt den herausragenden Stellenwert der Privathaft sowie der öffentlichen Haft in einem europäischen Wirtschafts- und Handelszentrum des 15. Jahrhunderts. Im dritten Teil werden schließlich die Ergebnisse der Quellenstudien problemorientiert zusammengeführt. Dabei zeigt sich unter anderem, wie wenig man die mittelalterliche Haft angesichts ihrer zahlreichen Funktionen (vor allem Sicherung, Pression und Strafe) sowie ihrer flexiblen Handhabung als isoliertes und abgrenzbares Rechtsinstitut begreifen kann. Zahlreiche schuldnerschützende Bestimmungen im Rahmen der archaisch anmutenden Privathaft veranlassen ferner dazu, das Bild von der fortschrittlicheren öffentlichen Haft, nichtzuletzt angesichts desolater Zustände in den Gefängnissen, zu hinterfragen. Es erweist sich, daß vor allem die Ausbildung des öffentlichen Gewaltmonopols und die Bedürfnisse des Handels dem Schuldturm zur Durchsetzung verhalfen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Abbildungsverzeichnis | 17 | ||
Abungsverzeichnis | 18 | ||
1. Teil: Einleitung | 21 | ||
§ 1. Gegenstand der Untersuchung | 21 | ||
§ 2. Forschungsgeschichte und Forschungsstand | 29 | ||
A. Bei den „Altteutschen..." - Der Beginn der Forschung | 30 | ||
B. Das weite Feld germanistischer Forschungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts | 35 | ||
C. Im Sog der Großtheorien - Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts | 41 | ||
D. Neuere Forschungen? | 46 | ||
§ 3. Institutionengeschichte der Personalexekution als methodisches Problem | 49 | ||
A. Dogmengeschichte heute | 49 | ||
B. Fleisch auf das Gerippe des dogmengeschichtlichen Homunkulus - Zur Methode der früheren Forschungen zur Personalexekution | 50 | ||
I. Systematischer Entwurf einer mittelalterlichen Normenweit | 50 | ||
II. Anachronismen | 52 | ||
III. Beschränkter Quellenhorizont | 53 | ||
C. Eigener methodischer Ansatz | 54 | ||
I. Einzelanalysen | 54 | ||
II. Verdichtung mittels einer Gesamtbetrachtung | 56 | ||
III. Neue Fragen an die Quellen | 57 | ||
2. Teil: Untersuchung der Quellen | 59 | ||
§ 4. Normative Quellen | 59 | ||
A. „Antwarden vor dat gelt" - Das Landrecht des Sachsenspiegels um 1225 | 60 | ||
B. .„.Bestetegen" und „antwerte by der hant" - Weichbildrecht und Weichbildvulgata aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts | 72 | ||
C. „Vreget in, ab he gutliche mit mir gen wolle" - Das Freiberger Stadtrechtsbuchum 1300 | 79 | ||
D. Vom Goslarer Stadtrecht aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts über das Meißener Rechtsbuch nach Distinktionen vom Ende des 14. Jahrhunderts zu Purgoldts Rechtsbuch von 1503/04 | 90 | ||
I. „Nicht uf swinkober adder by profoysen, noch zcu kalt noch zcu warm" - Das Meißener Rechtsbuch nach Distinktionen, seine Wurzeln im Goslarer Stadtrecht sowie seine Rezeption in Purgoldts Rechtsbuch | 92 | ||
II. Eigenheiten in Purgoldts Rechtsbuch und ihre historischen Ursprünge | 104 | ||
1. „Es ist aber anders nach unserme und der Stadt rechte" - Haft beim Fronboten, Verbannung und Überantwortung nach dem Vorbild der Gerichtsläufte zu Eisenach gegen Ende des 14. Jahrhunderts | 104 | ||
2. „.Das her schwere uf dy heiigen, das her über seyne blossen notdurfft nicht habe" - Die Freischwurmöglichkeit nach Vorbild des Schwabenspiegels um 1275 | 109 | ||
E. Zwickauer Rechtsquellen | 113 | ||
I. „Er sol in mit ime heime vuren und sol in setzin in ein rein gemach" - Das Zwickauer Stadtrechtsbuch aus der Mitte des 14. Jahrhunderts | 113 | ||
II. „Von hilf wider die person des schuldigers" - Schuldknechtschaft und Schuldkammer in der Zwickauer Reformation von 1539 | 119 | ||
F. „Abgetan, abrogirt und aufgehoben" - Die kursächsischen Konstitutionen von 1572 | 129 | ||
§ 5. Rechtsliteratur | 146 | ||
A. Der Schuldner als „selven borge" und das „denen laten" durch den Gläubiger im Richtsteig Landrechts Johanns von Buch nach 1325 | 147 | ||
B. Glossen | 153 | ||
I. „Dit recht is wedder alle leges" - Die Buchsche Glosse zum Sachsenspiegel Landrecht um 1325 | 153 | ||
II. „Das wol vil recht wider dis recht sien" - Die Glosse zur Weichbildvulgata aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts | 160 | ||
C. Gerichtsläufte | 168 | ||
I. „Denn man sol niemand vm gelt ewiglichen gefangen halten" - Kilian Königs Processus und Practica der Gerichtsleuffte von 1503/04 | 169 | ||
II. „Sich mit seinen dienst vnd arbeit / der schult loßmachen" - Georg von Rotschitz Processus juris deutsch oder Ordnunge der Gerichtsleuffe von 1529 | 174 | ||
D. „Jure civili" gegenüber „Jure Saxon."- Die Differenzen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts | 180 | ||
I. Ludwig Fachs: „valde crudele & impium" | 181 | ||
II. Benedikt Reinhard: „inhumanum & iniquum" | 183 | ||
III. Christoph Zobel: „ remedium & immunitas" | 186 | ||
E. Die Überantwortung in Werken von Matthias Coler aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts | 189 | ||
I. „Tarnen lex provineialis ita scripta" - Der Tractatus de processibus executivis | 190 | ||
II. „Valde iniquum sit & crudele" - Die Decisiones Germaniae | 197 | ||
§ 6. Rechtspraxis | 203 | ||
A. Rechtsweisungen und Urteile des Magdeburger Schöffenstuhls in Präjudizienbüchern aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts | 204 | ||
I. Haftung der „bürgen" während der „selbschuldeger" noch „mit der hant geantworth" ist? | 206 | ||
II. Wie man einen „twingen mag", einen „kaufe" von „erbe" zu „Haiden" | 212 | ||
III. Ein „wegevertik gast" will vollstrecken | 217 | ||
IV. Ein vermeintlich geflohener Schuldner behauptet, er habe „vorgoldyn" | 220 | ||
V. Wenn „eyn gast deme andirn mit der hant wirt geantwert" | 225 | ||
VI. „Ich wil keyn pfant noch bürgen nemen" | 229 | ||
VII. Wer muß „gefangene luthe umme scholt beköstigen"? | 232 | ||
VIII. Gläubigerstreit um einen „frey unde ledig" gelassenen Schuldner | 234 | ||
B. Magdeburger Schöffensprüche des 15. und 16. Jahrhunderts | 237 | ||
I. „In der stad hafte" wegen „globde mit gesampter hant vor schult" - Die Sache Creidler gegen Bossen in Magdeburger Schöffensprüchen für Breslau um 1430 | 242 | ||
II. „Jch hab in in meynir gewere und hoffe, dobey zu bleibin" - Zwei Magdeburger Schöffensprüche für Breslau um 1433 in der Sache Kawder gegen Frangkinstein | 249 | ||
III. „Hette ich ym sulche geltschult nicht beczalit, her hette mich doraus nichtin gelossen" - Beweisprobleme in der Sache Antonius von Florenz gen. der Wale gegen Peter Bonczlaw zwischen 1436 und 1452 in Breslau | 257 | ||
IV. „Aws dem allen zu merken ist, das Cuncz Awer Hanns Hessen gefangener nicht gewest ist"- Magdeburger Schöffensprüche für Breslau von 1461 und 1462 | 263 | ||
V. „Beczalen adir mein gefangener sein nach seines briefis lawte" - Skoppe will Crawsche als „pfandt" in einem Magdeburger Schöffenspruch auf eine Breslauer Anfrage vom 11. Dezember 1462 | 274 | ||
VI. Zwei Magdeburger Schöffensprüche zum Verkauf des Schuldners aus der Summa „Der Rechte Weg" | 279 | ||
1. „Das man myr meinen gefangen schuldiger umbe schult, so ichs wegere, nicht abekeufen mag" - Streit zwischen Tharrer und Fruclug um Sonnescheyn im Jahr 1485 | 280 | ||
2. „Und mag mich armen gefangnen seinen schuldiger nymandis obir antworten noch verkewffen" - Die Sache Donewath gegen Bischoff von 1496 | 282 | ||
VII. „Aber alhir nicht gebreuchlich, daß man einen wegen geldtschulde in gefengknuß anhalte vnnd plage" - Hamburger wollen Berendes in öffentliche Haft nehmen lassen in einem Magdeburger Schöffenspruch für den Magdeburger Rat um 1585 | 285 | ||
3. Teil: Zusammenführung der Quellenstudien | 291 | ||
§ 7. Haft in Verbindung mit Schuldangelegenheiten innerhalb des spätmittelalterlichen sächsischen Rechts | 291 | ||
A. Begriffe, Typen und Funktionen | 291 | ||
I. „Antwarden" und „Schuldturn" - Überantwortung und öffentliche Haft | 291 | ||
II. „Mit arbeide" - Schuldknechtschaft, bloße Privathaft und freie Abarbeitung | 298 | ||
III. „Sin pant vor dat gelt" - Funktionen | 302 | ||
B. Vergleich mit anderen Formen der Vollstreckung und Sicherung | 306 | ||
I. „Vollstreckung" und „Arrest" - Noch unbekannte Kategorien | 306 | ||
II. Pfändung und Fronung - Was war die „eigentliche Form der Execution"? | 308 | ||
III. Konkurs - Die Überantwortung als Entwicklungshemmnis? | 311 | ||
IV. Einlager, Schmähbriefe und Schandbilder - Schichtspezifische Mittel? | 312 | ||
V. Verbannung - Die „kleine Schwester" der Haft | 316 | ||
VI. Geistliche Gerichtsbarkeit - Eine Alternative für den Gläubiger? | 319 | ||
C. Überantwortung und „straff" | 320 | ||
D. Überlegungen zu den Forschungsbegriffen | 326 | ||
§ 8. Die Menschen im Verfahren | 330 | ||
A. „Cleger" | 330 | ||
B. „Antworter" | 335 | ||
C. Familie und Freunde | 342 | ||
D. Richter, Fronbote und weitere Gerichtspersonen | 345 | ||
§ 9. Der Weg in die Schuldhaft | 350 | ||
A. „Swe so scult vor gerichte vorderet op enen man" - In Schuldsachen vor Gericht | 350 | ||
I. Die „scult" | 350 | ||
II. Die vertragliche Schuldhaft als „Haftungsgeschäft"? - Zur Lehre von „Schuld und Haftung" | 354 | ||
III. Der Beweis - Schlüssel des mittelalterlichen Verfahrens | 356 | ||
B. „Der he gelden nicht ne mach noch borgen setten" - Nichterfüllung und fehlende Sicherheiten | 360 | ||
I. Erfiillungsgebote und-fristen | 360 | ||
II. Belegenheit - Die mittelalterliche Freiheitsgarantie | 363 | ||
III. Bürgen | 364 | ||
IV. Die cessio bonorum und die Gründe fur die Zahlungsunfähigkeit | 367 | ||
C. „De richtere seal eme den man antwarden vor dat gelt" - Die Überantwortung | 369 | ||
D. „Den seal he halden" - Die Haft | 371 | ||
I. Privathaft | 371 | ||
II. Öffentliche Haft | 375 | ||
E. „Untlopt he eme" - Flucht | 378 | ||
F. „De wile he eme nicht vergulden hevet" - Beendigung und Folgen | 382 | ||
§ 10. Vergleichende Querschnitte | 386 | ||
A. Die Quellengruppen im Vergleich | 386 | ||
I. Normative Quellen | 386 | ||
1. Inhalt und Stil | 386 | ||
2. Verflechtungen und Veränderungen | 390 | ||
II. Frühe sächsische Rechtsliteratur | 391 | ||
1. Forschungsprobleme | 391 | ||
2. Umgang der gelehrten Juristen mit der Diskrepanz zwischen gemeinem und sächsischem Recht | 392 | ||
III. Rechtspraxis | 395 | ||
1. Aktualität und Effektivität der Personalexekution | 395 | ||
2. Magdeburger Recht und am Empfängerort Breslau gelebtes Recht | 398 | ||
B. Räumliche Differenzierungen | 401 | ||
I. Blick nach innen: Gab es die sächsische Personalexekution? | 401 | ||
1. „Ubi mercatura floret" - Stadt und Land | 401 | ||
2. Lokale Buntheit und gemeines sächsisches Recht | 405 | ||
II. Blick über die Grenzen: Ist die Personalexekution im sächsischen Recht ein Sonderfall? | 406 | ||
C. Zeitliche Schnitte | 422 | ||
I. „Entwicklungen"? | 422 | ||
II. Warum setzte sich die öffentliche Haft durch? | 425 | ||
§ 11. Schlußbetrachtung | 431 | ||
Quellen-und Literaturverzeichnis | 436 | ||
A. Quellen | 436 | ||
I. Ungedruckte Quellen | 436 | ||
II. Gedruckte Quellen | 437 | ||
B. Literatur und Hilfsmittel | 445 | ||
Personen- und Sachverzeichnis | 471 |