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Die De-Individualisierung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht

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Grunewald, R. (2003). Die De-Individualisierung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50959-1
Grunewald, Ralph. Die De-Individualisierung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht. Duncker & Humblot, 2003. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50959-1
Grunewald, R (2003): Die De-Individualisierung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-50959-1

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Die De-Individualisierung des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht

Grunewald, Ralph

Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 151

(2003)

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Abstract

Der Erziehungsgedanke ist das Leitprinzip des Jugendstrafrechts. Seine Bedeutung ist seit seiner Entstehung umstritten, was gerade in der zur Zeit wieder stattfindenden Debatte deutlich wird. Die Kritik gegen ihn wird aus drei unterschiedlichen Richtungen geführt: historisch, kriminologisch und rechtsdogmatisch. Dem Erziehungsgedanken wird vorgeworfen, daß er im Entstehungskontext unscharf konturiert gewesen sei und letztlich nichts anderes erreichen sollte, als jugendliche Straftäter zu entkriminalisieren. Kriminologisch werden ihm die Befunde der Sanktionsforschung entgegengehalten, die den Schluß nahelegten, Jugendkriminalität sei ein "normales" und nicht interventionsbedürftiges Phänomen. Auch seien die staatlich-präventiven Methoden bislang nicht erfolgreich gewesen. Hieran knüpft nun die juristische Kritik: Der Erziehungsgedanke verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Erziehungsrecht der Eltern und gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Jugendlichen selbst.

Ralph Grunewald setzt sich mit jedem der genannten Kritikpunkte detailliert auseinander. Die Entstehungsgeschichte des Erziehungsgedankens wird auf dem geisteswissenschaftlichen und juristischen Hintergrund des 19. Jahrhunderts abgebildet. Hier kann der Verfasser zeigen, daß der Erziehungsgedanke als individualisierendes ("duales") Interventionsinstrument gedacht war, mit dem auf die individuellen Bedürfnisse und Defizite des jungen Menschen reagiert werden soll. Diese Ausrichtung ist im Verlauf der kriminologischen Entwicklung verloren gegangen. Die (Fehl)Rezeption der Etikettierungsansätze haben hierzu ebenso beigetragen wie die einseitige Betrachtung der Ergebnisse der Sanktionsforschung. Auch die verfassungsrechtliche Kritik läßt sich nicht halten. Denn gerade in diesem Abschnitt kann deutlich gemacht werden, wie sehr das Erziehungsprinzip mit dem Menschenbild und anderen elementaren Verfassungsgütern harmoniert und mehr noch von ihnen gefordert wird. Im Ergebnis zeichnet Grunewald ein präzises Bild des Erziehungsgedankens und verdeutlicht die Auswirkungen der De-Individualisierung exemplarisch an Normen des JGG.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 5
Inhaltsverzeichnis 7
Einleitung 13
I. Problemstellung 13
II. Gliederung der Untersuchung 18
Erster Teil: Die Geschichte des Erziehungsgedankens im JGG 20
Erstes Kapitel: Entstehungsbedingungen des Erziehungsgedankens im 19. Jahrhundert 20
I. Einführung 20
II. Überblick über die geschichtliche Entwicklung 21
III. Staatspolitische Bedingungen 22
1. Liberalismus und Wohlfahrtsstaat 23
2. Erziehung als Staatsaufgabe 26
IV. Soziale Bedingungen 28
1. Jugend als eigenständige Entwicklungsphase 28
2. Die Jugendbewegung 32
3. Die „soziale Frage“ der Jugend 35
V. Die Neuordnung des Strafrechts durch den Schulenstreit 38
1. Einführung 38
2. Die Aufklärung 40
3. Die Entwicklung der Straftheorie bei Kant und dem deutschen Idealismus 42
4. Positivismus und moderne Schule 51
a) Einführung 51
b) Die Entwicklung der „positiven“ Philosophie 51
c) Die Entstehung der Kriminologie 53
d) Franz von Liszt und sein zweckbezogenes Interventionsprogramm 54
e) Zusammenfassende Gegenüberstellung 60
VI. Erziehungswissenschaftliche Entwicklung 61
1. Der neuhumanistische Bildungsgedanke 62
a) Das Bildungsideal der Aufklärung 63
b) Das Bildungsideal der Romantik 63
c) Die Entstehung des Neuhumanismus 65
2. Die „Tatschule“ und der positivistische Bildungsbegriff 67
VII. Ergebnis der Gegenüberstellung 72
Zweites Kapitel: Klassifizierung des Erziehungsgedankens im JGG von 1923 74
I. Entstehung des dualen Erziehungsgedankens 75
1. Die strafrechtliche Situation zur Zeit des RStGB von 1871 und die Internationale Kriminalistische Vereinigung 75
2. Die Jugendgerichtsbewegung 78
3. Der Dualismus des Erziehungsgedankens 80
a) Terminologie 81
b) Einflüsse der modernen Schule – der anleitende Interventionstypus 83
aa) Die Ursachen der Jugendkriminalität 84
bb) Das Interventionsprogramm der modernen Schule 86
c) Das Interventionsprogramm der klassischen Schule 93
d) Ergebnis der Gegenüberstellung 102
aa) Der Dualismus 102
bb) Vermittelnde Positionen 104
II. Die Konkretisierung des Dualismus in der Gesetzgebung 106
1. Die ersten Gesetzesvorschläge 106
a) Die Vorschläge Aschrotts 107
b) Die Vorschläge Schmölders 108
c) Die Vorschläge der IKV 110
d) Beurteilung der Vorschläge 115
2. Entwicklung bis zum JGG von 1923 116
3. Der Straf- und Erziehungsgedanke im JGG vom 1.7.1923 125
a) Das „gesetzmäßige Leben“ als Erziehungsziel 125
b) „Ausreichen“ von Erziehungsmaßregeln 127
c) Gestaltung des Jugendstrafvollzugs 131
III. Resümee der historischen Entwicklung 135
1. Zusammenfassung der Strömungen 135
2. Der Erziehungsgedanke als kriminalpolitische Funktion 138
IV. Das Dilemma von Strafe und Erziehung 140
Drittes Kapitel: Der duale Erziehungsgedanke im RJGG 43 144
I. Das Erziehungsziel im Nationalsozialismus 145
II. Der Jugendarrest als idealistisch geprägte Maßnahme 146
III. Die unbestimmte Verurteilung 151
IV. Fazit der historischen Entwicklung 153
Zweiter Teil: Auswirkungen der Entwicklung der Kriminologie auf das Verständnis des Erziehungsgedankens 155
Viertes Kapitel: Die De-Individualisierung des Erziehungsgedankens 155
I. Der individualisierende Erziehungsgedanke 155
II. Die Entstehung der „kritischen“ Kriminologie 157
1. Das Erziehungsideal eines „kritischen Kritikers“ 157
2. Der Labelling-Approach 161
a) Die Entwicklung des Labelling-Approach 162
b) Auswirkungen auf die Kriminologie 164
c) Auswirkungen auf das Jugendstrafrecht 166
aa) Diversionsbestrebungen 166
bb) Jugend als Kontrollparadigma 167
III. Kritik am wissenschaftlichen Konzept des Labelling-Approach 169
1. Empirische Gesichtspunkte 169
2. Rezeptionsschicksal des Labelling-Approach 171
a) Die Kritik der Rezeptionsprotagonisten – Haferkamp 172
b) Die Kritik Bohnsacks 173
c) Die Kritik aus marxistisch-ideologischer Perspektive 176
d) Fazit 176
3. Integrationsversuche von Ätiologie und Labelling 177
4. Auswirkungen auf den Erziehungsgedanken 178
Fünftes Kapitel: Auswirkungen der empirischen Forschung auf das Verständnis des Erziehungsgedankens 180
I. Vorstellungen von Verteilung und Verlauf von Jugendkriminalität 180
1. Die Ubiquitätsthese 180
2. Episodenhaftigkeit von Jugenddelinquenz 182
II. Effizienz staatlicher Reaktionen auf Jugendkriminalität 187
1. Ineffektivität jugendstrafrechtlicher Sanktionen 187
2. Auswirkungen auf den Erziehungsgedanken 189
3. Kritische Betrachtung 190
a) Kritik an der Durchführung der Untersuchungen 190
b) Kritik am Forschungsdesign der Untersuchungen 191
III. Die Erziehungswirklichkeit bei den Jugendrichtern 194
IV. Fazit 198
Dritter Teil: Die juristisch-dogmatische Transformation der Kritik am Erziehungsgedanken 200
Sechstes Kapitel: Rechtsstaatliche Einschränkungen des Erziehungsgedankens 200
I. Bestimmtheitsgebot 200
II. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit 203
Siebentes Kapitel: Grundrechtsverletzungen 208
I. Das Schlechterstellungsverbot (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG) 208
II. Der Schutz des Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 GG) 214
1. Umfang des elterlichen Erziehungsrechts 215
2. Verstoß gegen die Subsidiaritätsklausel 216
3. Das dynamische Erziehungsverständnis des Grundgesetzes 218
III. Eingriffe in Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG 218
Achtes Kapitel: Auswirkungen der De-Individualisierung auf die Rechtsanwendung 225
I. Konkretisierung der Erziehungskritik an einzelnen Normen 225
1. § 43 JGG: Umfang der psycho-sozialen Ermittlungen 225
a) Einfluß der Kritik am Erziehungsgedanken 225
b) Auswirkungen der De-Individualisierung 226
2. § 16 JGG: Jugendarrest 228
a) Einfluß der Kritik am Erziehungsgedanken 228
b) Auswirkungen der De-Individualisierung 229
3. § 71 JGG: Vorläufige Anordnungen über die Erziehung 232
a) Einfluß der Kritik am Erziehungsgedanken 232
b) Auswirkungen der De-Individualisierung 233
4. § 11 Abs. 2 JGG: Änderung, Befreiung und Laufzeitverlängerung von Weisungen 235
a) Einfluß der Kritik am Erziehungsgedanken 235
b) Auswirkungen der De-Individualisierung 235
II. Der Erziehungsgedanke in der Rechtsprechung 237
1. Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen 238
2. Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld 240
3. Stellungnahme 242
Neuntes Kapitel: Die de-individualisierende Reform(ul)ierung des Erziehungsgedankens 245
I. Politische Vereinnahmung des Erziehungsgedankens 245
II. Neuordnung des Jugendstrafrechts 249
1. Jugendhilferechtliche Ausprägung 250
2. Rechtsstaatlich-formale Ausprägung des Jugendstrafrechts 251
a) Konnexitätslockerung 251
b) Neo-Klassizistische Bestrafungskonzepte 253
3. Reformulierung des Erziehungsgedankens 254
4. Verfahrensspaltung 257
III. Systematisierende Stellungnahme 258
1. Jugendhilferechtliche Lösung 258
2. Rechtsstaatlich-formale Lösung 259
3. Reformulierung des Erziehungsgedankens 262
4. Exkurs: Erziehung und Spezialprävention 263
Schlußbetrachtung 266
I. Zusammenfassung 266
II. Ausblick 270
Literaturverzeichnis 274
Personen- und Sachverzeichnis 290