Kompetenzkonflikte und Aufgabenverteilung zwischen nationalen und internationalen Gerichten
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Kompetenzkonflikte und Aufgabenverteilung zwischen nationalen und internationalen Gerichten
Erste Bausteine einer Weltgerichtsordnung
Rechtsfragen der Globalisierung, Vol. 5
(2003)
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Abstract
Im Zuge des beschleunigten Internationalisierungsprozesses der letzten Jahrzehnte sind zahlreiche neue überstaatliche Gerichte entstanden, deren Spruchtätigkeit direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Tätigkeit nationaler Gerichte hat. Eine übergreifende Analyse denkbarer Koordinierungsmechanismen und Kollisionslagen fehlt bisher in der Literatur. Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Losgelöst von den Besonderheiten der jeweiligen Materie, legt der Verfasser die Grundstrukturen des Zusammenspiels der verschiedenen nationalen, supranationalen und internationalen Gerichte offen und entwickelt darauf aufbauend erste dogmatische Bausteine einer "Weltgerichtsordnung".Ausgangspunkt sind dabei die bestehenden Systeme, an denen beispielhaft Aufgabenverteilung und Kompetenzkonflikte zwischen nationalen, supranationalen und internationalen Gerichten aufgezeigt werden. Entgegen der nur scheinbar existierenden Vielfalt an Aufgabenverteilungsprinzipien zeigt die Strukturanalyse, dass sich alle bisherigen Prinzipen auf zwei Grundtypen, die Parallelrechtsordnung und die Hierarchierechtsordnung, zurückführen lassen. Diese unterscheiden sich lediglich im Grad der Kompetenzen, die auf eine höhere Ebene verlagert werden, oder in der Intensität der gegenseitigen Verflechtung zwischen den Rechtsordnungen.Aus der vergleichenden Strukturanalyse leitet Carsten Lutz eine Reihe von Grundthesen ab, die bei der Entwicklung einer zukünftigen "Weltgerichtsordnung" beachtet werden müssten, um das internationale Rechtssystem funktionsfähig und effektiv zu erhalten.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
§ 1 Einführung | 19 | ||
I. Der Trend zur Internationalisierung gerichtlicher Verfahren | 19 | ||
II. Der Gang der Untersuchung | 20 | ||
1. Die Strukturanalyse (Erster Teil) | 21 | ||
2. Die Entwicklung von Grundbausteinen einer Weltgerichtsordnung (Zweiter Teil) | 22 | ||
III. Zwei verschiedene Rechtsordnungen als Grundtypen | 23 | ||
1. Die Hierarchierechtsordnung | 23 | ||
a) Erscheinungsformen | 23 | ||
b) Essenzielle Elemente einer Hierarchierechtsordnung | 24 | ||
aa) Die einheitliche Auslegung und Anwendung durch ein „Norminterpretationsverfahren“ | 24 | ||
bb) Der Vorrang der übergeordneten Rechtsordnung durch ein „Normenkontrollverfahren“ | 25 | ||
2. Die Parallelrechtsordnungen | 28 | ||
a) Erscheinungsformen | 28 | ||
aa) Grundrechte | 28 | ||
bb) Völkerstrafrecht | 30 | ||
b) Rechtstheoretische und rechtspraktische Folgeprobleme | 31 | ||
Erster Teil: Grundprinzipien | 33 | ||
§ 2 Die Prinzipien der Vorrangzuständigkeit und der Komplementarität am Beispiel der konkurrierenden Zuständigkeit internationaler und staatlicher Strafgerichte | 33 | ||
I. Bestandsaufnahme | 33 | ||
1. Ausgangsüberlegungen | 33 | ||
2. Das Prinzip der Vorrangzuständigkeit (Das Jugoslawientribunal als ersetzende Strafrechtspflege) | 35 | ||
a) Vorrang für die internationale Instanz | 35 | ||
b) Einschränkung der Vorrangzuständigkeit durch das Prinzip Ne bis in idem | 38 | ||
3. Das Prinzip der Komplementarität (Der Internationale Strafgerichtshof als ergänzende Strafrechtspflege) | 39 | ||
a) Vorrang für nationale Gerichte | 39 | ||
b) Eingeschränkte Überprüfung nationaler Gerichtsentscheidungen | 41 | ||
4. Entscheidungskompetenz und Beweislast. | 41 | ||
II. Strukturanalyse | 44 | ||
1. „Normenumsetzungs-“ und „Prozessführungspflicht“ durch komplementäre Zuständigkeit | 44 | ||
2. Die rechtsgestaltende Funktion der Vorrangzuständigkeit | 46 | ||
3. Interpretationskonkurrenz zwischen den Rechtsordnungen | 48 | ||
4. Koordination der konkurrierenden oder parallelen Zuständigkeit | 49 | ||
§ 3 Das Prinzip der Aufgabenparallelität am Beispiel der bundesdeutschen Verfassungsgerichte | 50 | ||
I. Bestandsaufnahme | 50 | ||
1. Konkurrenzsituationen durch wachsende Bedeutung der Landesverfassungsbeschwerde | 50 | ||
2. Aufgabenparallelität von Landes- und Bundesverfassungsbeschwerde | 51 | ||
a) Die Aufgabenteilung bei der Überprüfung von Akten der Landesstaatsgewalt | 51 | ||
b) Kompetenzerweiterung der Landesverfassungsgerichte bei der Anwendung von Bundesrecht | 53 | ||
3. Folgeprobleme der Aufgabenparallelität | 55 | ||
a) „Rechtswegverdoppelung“ durch faktischen Hinzugewinn einer Instanz | 55 | ||
b) Rückkopplungen zwischen Bundes- und Landesverfassungsgericht | 55 | ||
aa) Rückkoppelung auf der Normebene | 56 | ||
bb) Begrenzte Überprüfungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts | 57 | ||
cc) Parallelisierung der Rechtsprechung durch Art. 100 Abs. 3 GG? | 57 | ||
dd) Freiwillige Rechtsprechungssynchronisierung | 58 | ||
II. Strukturanalyse | 59 | ||
1. Verzahnung und Wechselbeziehungen zwischen den Parallelrechtsordnungen | 59 | ||
2. Umfassende Parallelrechtsordnung als Garant verfahrensrechtlicher Mindeststandards | 60 | ||
3. Typische Probleme der Aufgabenparallelität | 61 | ||
4. Steuerbares Abhängigkeitsverhältnis | 61 | ||
5. Rechtsprechungsdelegation an die untergeordnete Parallelrechtsordnung | 63 | ||
§ 4 Das Prinzip der Instanzerweiterung am Beispiel der internationalen Menschenrechtsgerichtshöfe | 64 | ||
I. Bestandsaufnahme | 64 | ||
1. Verfahren | 64 | ||
a) Der neue ständige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) | 64 | ||
b) Der Menschenrechtsausschuss des IPBürgR | 65 | ||
2. Beschränkung des Prüfungsgegenstands auf die jeweilige Parallelrechtsordnung | 66 | ||
3. Normenkontrolle staatlichen Rechts | 67 | ||
4. Konfliktvermeidungsstrategien | 68 | ||
a) Zwischen BVerfG und EGMR | 68 | ||
b) Zwischen EGMR und MR-Ausschuss | 69 | ||
aa) „una via electa“ (Art. 35 EMRK) – Koordination durch Vorbehalt | 70 | ||
bb) „pendente lite“ (Art. 5 Abs. 2 FP) – Der MR-Ausschuss als „Superrevisionsinstanz“ | 70 | ||
II. Strukturanalyse | 71 | ||
1. Das Phänomen hierarchisch strukturierter Parallelrechtsordnungen | 71 | ||
2. Die Aufgabenverteilung bei der Normenkontrolle staatlichen Rechts | 75 | ||
3. Wechselseitige Abhängigkeit der Zulässigkeitsvoraussetzungen | 75 | ||
4. Überkomplexität des derzeitigen nationalen und internationalen Grundrechtsschutzes | 76 | ||
§ 5 Das Prinzip des institutionalisierten Dialogs: Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG | 79 | ||
I. Bestandsaufnahme | 79 | ||
1. Die Besonderheiten des Vorlageverfahrens | 79 | ||
a) Vorlageverfahren statt hierarchischer Strukturen. | 80 | ||
b) Wahrung der Rechtseinheit innerhalb der Hierarchierechtsordnung ohne hierarchische Strukturen. | 80 | ||
2. Das Verfahren | 81 | ||
a) Die Verzahnungsfunktion: Strikte Aufgabenteilung | 81 | ||
b) Mittelbare Normenkontrolle der untergeordneten Rechtsordnung | 83 | ||
c) Kein Rechtsbehelf bei Verletzung der Vorlagepflicht | 84 | ||
aa) Sanktionen innerhalb des nationalstaatlichen Rechts | 85 | ||
bb) Auflösung der Gleichordnung durch Einführung eines Rechtsmittels zum EuGH | 87 | ||
cc) Mittelweg: Renvoi dans l’intérêt de la loi | 87 | ||
II. Strukturanalyse | 90 | ||
1. Einfache Realisierbarkeit durch strenge Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes | 90 | ||
2. Effizienzgesichtspunkte des institutionalisierten Dialogs | 91 | ||
3. Stufenlose Annäherung des Vorlageverfahrens an ein klassisches Gerichtssystem | 92 | ||
4. Das Problem der Verfahrensverlängerung | 93 | ||
§ 6 Das Prinzip des „ruhenden Kompetenzvorbehalts“ als Wesensmerkmal des Konflikts zwischen BVerfG und EuGH | 95 | ||
I. Bestandsaufnahme | 95 | ||
1. Die Verortung des Konflikts – Quis iudicabit? | 95 | ||
2. Das „Kooperationsverhältnis“ – Von „Solange I“ zum Bananenmarktbeschluss | 98 | ||
II. Strukturanalyse | 101 | ||
1. Das „Kooperationsverhältnis“ als ruhender Kompetenzvorbehalt | 101 | ||
2. Das Phänomen der „hinkenden Hierarchierechtsordnung“ | 103 | ||
§ 7 Das Prinzip des „umgekehrten Kooperationsverhältnisses“ als Teilaspekt des Konflikts zwischen EGMR und EuGH | 106 | ||
I. Bestandsaufnahme | 106 | ||
1. Konflikt zweier regionaler Rechtsordnungen | 106 | ||
2. „Umgekehrtes Kooperationsverhältnis“ oder Primat des EGMR | 107 | ||
II. Strukturanalyse | 111 | ||
1. Kompetenzkonflikte zwischen internationalen Organisationen | 111 | ||
2. Konflikt zwischen effektiver Sicherung der Grundrechte und Integrationsoffenheit | 112 | ||
3. Konflikt internationaler Rechtssysteme mit regionalen oder internationalen Menschenrechtsschutzsystemen | 114 | ||
4. Das „umgekehrte Kooperationsverhältnis“ zur pragmatischen Entschärfung von Konfliktsituationen | 116 | ||
§ 8 Die Prinzipien der Gleichrangigkeit und der Unterordnung | 117 | ||
I. Bestandsaufnahme | 117 | ||
1. Die konkurrierenden Auslegung völkerrechtlicher Verträge | 117 | ||
2. Hierarchische Strukturen zwischen internationalen Organisationen | 118 | ||
II. Strukturanalyse | 122 | ||
1. Konfliktvermeidung zwischen gleichrangigen internationalen Rechtssystemen | 122 | ||
2. Die unvollständige Hierarchierechtsordnung | 123 | ||
§ 9 Zusammenfassung des Ersten Teils | 125 | ||
Zweiter Teil: Grundbausteine einer Weltgerichtsordnung | 127 | ||
§ 10 Vergleichende Strukturanalyse der Aufgabenverteilungsprinzipien | 127 | ||
I. Systematisierung und Weiterentwicklung der Aufgabenverteilungsprinzipien | 127 | ||
1. Die verschiedenen Verknüpfungselemente innerhalb einer Hierarchierechtsordnung | 129 | ||
a) Die Aufgabenverteilung innerhalb des Norminterpretationsverfahrens | 129 | ||
aa) Das Prinzip der eigenständigen Norminterpretation | 129 | ||
(1) Die Nachteile | 131 | ||
(2) Der Gedanke der gegenseitigen Bindungswirkung (stare decisis) | 133 | ||
(3) Die Idee des „Gemeinsamen Senats“ | 134 | ||
bb) Das Prinzip der vorauseilenden Rechtsprechungssynchronisierung (l’interprétation conforme) | 135 | ||
cc) Das Prinzip des institutionalisierten Dialogs (fakultatives Verfahren) | 137 | ||
dd) Zwingendes Vorlageverfahren als Mindestvoraussetzung einer Hierarchierechtsordnung | 138 | ||
ee) Das Prinzip der internen Kontrolle | 139 | ||
ff) Das Prinzip der nachträglichen Kontrolle: Der „Renvoi dans l’intérêt de la loi“ | 140 | ||
(1) Aufgabe der strikten Aufgabenteilung | 140 | ||
(2) Die retardierende Wirkung | 143 | ||
gg) Das Prinzip der Nichtvorlagebeschwerde | 143 | ||
hh) Die Schwachstelle der Rechtsanwendung | 145 | ||
b) Die Aufgabenverteilung innerhalb des Normenkontrollverfahrens | 145 | ||
aa) Normenkontrolle durch das untergeordnete Gericht | 147 | ||
bb) Aufgeteilte Zuständigkeiten | 147 | ||
cc) Eingeschränkte Normenkontrolle durch das internationale Gericht | 148 | ||
dd) Normenkontrolle durch das internationale Gericht | 148 | ||
ee) Bewertung | 148 | ||
2. Die verschiedenen Verknüpfungselemente zwischen Parallelrechtsordnungen | 151 | ||
a) Das Prinzip der Aufgabenparallelität | 152 | ||
b) Das Prinzip der relativen Subsidiarität | 154 | ||
c) Das Prinzip der freiwilligen Rechtsprechungssynchronisierung | 157 | ||
d) Überprüfung verfahrensrechtlicher Mindeststandards | 159 | ||
e) Das Prinzip der Komplementarität | 160 | ||
f) Das Prinzip des institutionalisierten Dialogs: Vorlageverfahren bei wort- oder inhaltsgleichen Normen | 162 | ||
g) Sanktion der Nichtvorlage | 163 | ||
h) Das Prinzip der Vorrangzuständigkeit | 163 | ||
i) Das Prinzip der Instanzerweiterung (hierarchisch strukturierte Parallelrechtsordnungen) | 165 | ||
3. Beliebige Kombinierbarkeit der Einzelelemente (Baukastenprinzip) | 166 | ||
II. Kompetenzkonflikte (Zusammenfassung) | 166 | ||
1. Kompetenzkonflikte durch Reservezuständigkeiten | 167 | ||
2. Kompetenzkonflikte durch Inkompatibilität von Zuständigkeitsnormen | 168 | ||
§ 11 Eigener Ansatz: Bausteine einer Weltgerichtsordnung | 169 | ||
I. These: Durchsetzung der Hierarchierechtsordnung als Grundform | 169 | ||
II. These: Notwendigkeit einer eindeutigen Regelung des Vorrangverhältnisses | 172 | ||
III. These: Die Utopie einer weltweit geltenden Hierarchierechtsordnung | 172 | ||
IV. These: In der Regel keine Auslegung oder Anwendung einer fremden Rechtsordnung durch internationale Gerichte | 173 | ||
V. These: Unerlässlichkeit tief greifender Veränderungen des nationalen Rechtsmittelsystems auf Grund vermehrter Einbeziehung internationaler Spruchkörper | 174 | ||
1. Verkürzung des nationalen Rechtswegs auf maximal zwei Instanzen | 174 | ||
2. Das endgültige Urteil als „gemeinsames Produkt“ aller beteiligten Gerichte | 179 | ||
3. Die Zulassungsberufung als Lösungsweg bei Beibehaltung des dreistufigen nationalen Gerichtsaufbaus | 180 | ||
VI. These: Überlastungsschutzmechanismen sind für die internationalen Instanzen nötig | 181 | ||
1. Vertikale Ressourcenverteilung | 183 | ||
2. Modifizierter Renvoi „dans l’intérêt de la loi“ als Alternative zu einem Vorlageverfahren | 186 | ||
VII. These: Implosion der Rechtspflege durch Zunahme internationaler Rechtssysteme | 188 | ||
1. Koppelung jedes internationalen Rechtssystems an ausschließlich ein Grundrechtsschutzsystem | 189 | ||
2. Gesamtzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs – ein rechtspolitischer Ausblick | 191 | ||
§ 12 Gesamtbetrachtung und Ergebnis | 194 | ||
Anhang: Zusammenstellung der angesprochenen Rechtsvorschriften | 200 | ||
Literaturverzeichnis | 207 | ||
Stichwortverzeichnis | 229 |