Bereicherungsrecht und Dogmatik
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Bereicherungsrecht und Dogmatik
Zur Kritik an der Dogmatik der §§ 812 ff. BGB aus methodologischer Sicht - zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Dogmatik in der zivilrechtlichen Rechtsfindung
Schriften zum Bürgerlichen Recht, Vol. 260
(2002)
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Abstract
Der Autor beleuchtet das Phänomen einer unüberschaubar gewordenen bereicherungsrechtlichen Dogmatik, das heute zunehmend als Hindernis für Ausbildung und Praxis thematisiert wird. Patrick Gödicke verfolgt keine materielle Neukonzeption, sondern versteht seine Arbeit als Beitrag zu einer methodischen Konsolidierung des Bereicherungsrechts.In der Literatur werden vor allem die Überlegenheit fallorientierter oder systemorientierter Rechtsfindung diskutiert. Dabei bleibt unklar, über wessen Arbeitstechniken - die des Rechtsanwenders oder die des Dogmatikers - eigentlich gesprochen wird. Der Verfasser thematisiert daher zunächst den Wirkungsbereich der Dogmatik. Sie soll nach heutiger Vorstellung eine rationale Rechtsanwendung gewährleisten, womit negativ die Kontrollierbarkeit, positiv die Entlastung der Rechtsanwendung gemeint sind. Zur Kontrollierbarkeit nimmt die Dogmatik eine Ordnung des Rechtsstoffs vor, zur Entlastung entwickelt sie Auslegungsvorschläge für einzelne Rechtssätze.Der Verfasser betrachtet sodann das heutige bereicherungsrechtliche Anspruchssystem, das mit der Nichtleistungskondiktion und dem Gedanken einer offenen Typologie von Kondiktionen zweifelhafte Ordnungskategorien unterschiedlicher Abstraktionsebenen kombiniert, statt mit einer obersten Zweiteilung von Leistung und Eingriff die das Anspruchssystem prägende Dichotomie von Schuldverhältnis und Eigentum fortzuführen. Ebenso problematisch ist es, dem Rechtsanwender zu empfehlen, sich auf Grundstrukturen des Bereicherungsrechts zu konzentrieren oder sich vom Systemdenken ganz abzuwenden. Die damit favorisierten Techniken der Rechtsanwendung liegen zu einem nach wie vor herrschenden Ideal der Subsumtion konträr. Sinnvoll erscheint vielmehr, bewährte Hilfsnormen (z. B. den Leistungsbegriff) beizubehalten, korrigierende Wertungsgesichtspunkte dann aber auch zu ergänzenden Rechtssätzen fortzuentwickeln.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einführung | 15 | ||
Erster Teil: Die Unüberschaubarkeit der bereicherungsrechtlichen Dogmatik | 23 | ||
I. Die heutige Einschätzung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik | 23 | ||
II. Das Spektrum der in der Kritik des Bereicherungsrechts verfolgten Ansatzpunkte | 29 | ||
1. Das Defizit des gesetzlichen Regelungsinstrumentariums | 30 | ||
2. Die Komplexität der mit Hilfe des Bereicherungsrechts zu korrigierenden Vermögensmehrungen | 35 | ||
3. Die zweckmäßige Technik der Rechtsanwendung im Bereicherungsrecht | 38 | ||
a) Der fallorientierte Ansatz | 38 | ||
b) Der systemorientierte Ansatz | 42 | ||
III. Der weitere Gang der Untersuchung | 44 | ||
Zweiter Teil: Zur Bedeutung der Dogmatik in der zivilrechtlichen Rechtsfindung | 47 | ||
Erster Abschnitt: Die heutige Einschätzung der Funktionen juristischer Dogmatik | 48 | ||
I. Der Bedeutungswandel des Begriffs Dogmatik im Laufe der Jahrhunderte | 49 | ||
1. Die dogmatische Methode als Methode der Erfahrungswissenschaften seit Plato | 51 | ||
2. Die Prägung des Sprachgebrauchs durch Christian Wolff und Immanuel Kant | 53 | ||
3. Die Hinwendung der Jurisprudenz zur Praxis im 19. Jahrhundert | 57 | ||
II. Die juristische Dogmatik aus gegenwärtiger Sicht | 60 | ||
1. Das Bild einer pragmatischen Jurisprudenz als Bezugspunkt heutiger Dogmatik | 60 | ||
a) Die Absage an unumstößliche Dogmen | 62 | ||
b) Das Erbe der Interessenjurisprudenz und das Vermächtnis der Begriffsjurisprudenz | 66 | ||
aa) Die Fallentscheidung als Bewertung eines Interessenkonflikts der Lebenswelt | 66 | ||
bb) Das Streben nach rationaler Lenkung der Fallentscheidung | 70 | ||
cc) Zur Methodenkoexistenz in der modernen Jurisprudenz | 75 | ||
2. Die Gewährleistung rationaler RechtsanWendung als Anspruch an die Dogmatik | 79 | ||
a) Die Ordnung des Rechtsstoffs | 79 | ||
b) Die Herausarbeitung von Vorschlägen zur Auslegung und Anwendung von Normen | 82 | ||
3. Die Perspektive der Rechtsprechung auf die Dogmatik | 85 | ||
III. Dogmatik und juristische Methodenlehre | 90 | ||
Zweiter Abschnitt: Der Prozeß der Rechtsfindung im Zivilrecht | 92 | ||
I. Zur Beschränkung der Betrachtung auf das Zivilrecht | 93 | ||
II. Der Anspruch als Instrument der Fallösung im Zivilrecht | 97 | ||
1. Die Lehre vom Anspruchsaufbau | 98 | ||
2. Anspruchsnormen und Hilfsnormen | 99 | ||
3. Horizontaler und vertikaler Verbund von Hilfsnormen | 100 | ||
III. Verstehen und Anwenden des Rechtssatzes | 101 | ||
1. Das Verstehen des Rechtssatzes | 101 | ||
a) Die Situation des Interpreten als Voraussetzung des Verstehens | 102 | ||
b) Die Begründung der Rechtsfolge durch den Tatbestand als Gegenstand des Verstehens | 104 | ||
2. Das Anwenden des Rechtssatzes | 107 | ||
a) Das Aufstellen der Anspruchshypothese | 107 | ||
b) Die Anwendung des Tatbestandsmerkmals (als Anwendung im engeren Sinne) | 108 | ||
aa) Das Subsumtionsmodell der Rechtsanwendung | 108 | ||
bb) Subsumtion aufgrund einfacher Wertung und Subsumtion aufgrund Abwägung von Gründen | 111 | ||
IV. Auswählen, Verstehen und Anwenden von Rechtssätzen | 113 | ||
Dritter Abschnitt: Das Wirksamwerden der Dogmatik in den einzelnen Stufen der Rechtsfindung | 115 | ||
I. Die Ordnungskraft der Dogmatik für das Auswählen von Rechtssätzen | 118 | ||
1. Ordnung und System des Zivilrechts | 118 | ||
2. Die Ordnung des Auswählens von Anspruchsnormen | 122 | ||
a) Das rechtsfolgenorientierte System der Anspruchsinhalte | 124 | ||
b) Das tatbestandsorientierte System der Rechtsverhältnisse im BGB | 125 | ||
c) Das äußere System der Ansprüche | 129 | ||
3. Die Ordnung des Auswählens von Hilfsnormen | 131 | ||
a) Die Lehre vom Anspruchsaufbau | 133 | ||
b) Die Einteilung in lebensweltlich zusammengehörige Regelungskomplexe | 134 | ||
c) Die Voranstellung allgemeiner Regelungen | 134 | ||
4. Das Entgleiten einer Ordnungskraft der Dogmatik beim Auswählen außergesetzlicher Hilfsnormen | 136 | ||
II. Die Bedeutung der Dogmatik für das Verstehen der Rechtssätze | 140 | ||
1. Die in der Rechtsfindung zum Einsatz kommenden Techniken des Verstehens | 140 | ||
a) Die zentrale Bedeutung der Einbeziehung von Falltypen und Hilfsnormen | 141 | ||
b) Das Verstehen des Tatbestandsmerkmals, demonstriert am Beispiel des erlangten „etwas" i. S. d. § 812 I 1 BGB | 143 | ||
2. Die Bedeutung der Dogmatik für die Herausbildung und Fortentwicklung von Rechtssätzen | 146 | ||
a) Das Aufgreifen eines Arbeitens mit Falltypen und Hilfsnormen | 147 | ||
aa) Das Herstellen von Ahnlichkeitsbeziehungen zwischen Fällen als Ausgangspunkt der Entwicklung von Rechtssätzen | 147 | ||
bb) Falltyp und Hilfsnorm als unterschiedliche Entwicklungsstufen von Rechtssätzen | 152 | ||
b) Der Blick der Dogmatik auf den künftigen Gang der Rechtsfindung | 155 | ||
c) Zur Verbindlichkeit von Dogmatik | 156 | ||
III. Zur Entwicklung von Dogmatik - „Gute" und „schlechte" Dogmatik? | 159 | ||
1. Die Entwicklung von Dogmatik im Spannungsfeld deduktiver und induktiver Methoden der Rechtsfindung | 159 | ||
2. Zum Scheitern von Dogmatik | 162 | ||
IV. Resümee | 164 | ||
Dritter Teil: Ansätze zu einer methodischen Konsolidierung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik | 168 | ||
Erster Abschnitt: Bereicherungsrecht und zivilrechtliches Anspruchssystem | 171 | ||
I. Die Reichweite einer Orientierung bereicherungsrechtlicher Systembildung an den Rechtsfolgen der bereicherungsrechtlichen Anspruchsnormen | 173 | ||
1. Der primäre Inhalt bereicherungsrechtlicher Ansprüche | 173 | ||
2. Die Erweiterung und Beschränkung des Inhalts bereicherungsrechtlicher Ansprüche nach §§ 818 ff. BGB | 174 | ||
II. Die Ausrichtung bereicherungsrechtlicher Systembildung am Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung | 176 | ||
1. Zur Tragweite des Versuchs einheitlicher Anspruchsbegründung | 177 | ||
a) Der Ausgleichsgedanke als oberstes Prinzip des Bereicherungsrechts? | 177 | ||
b) Das ungerechtfertigte Sich-Bereichern als eigenständiger vom Recht aufgegriffener Interessenkonflikt? | 181 | ||
2. Leistung und Eingriff als Leittypen des als „ungerechtfertigte Bereicherung" erfaßten Interessenkonflikts | 186 | ||
a) Bereicherung durch die Leistung eines anderen | 187 | ||
b) Bereicherung in sonstiger Weise auf Kosten eines anderen | 191 | ||
III. Das „Dreipersonenverhältnis" als Erweiterung der rechtlichen Perspektive auf die Bewertung mehrerer Zweipersonenverhältnisse | 195 | ||
1. Dreipersonenverhältnis und Zweipersonenverhältnisse | 197 | ||
2. Die Darstellungspraxis zu den Dreipersonenkonstellationen in der Literatur zum Bereicherungsrecht | 198 | ||
3. Zur Nichtleistung als Interessenkonflikt - Die Dreipersonenkonstellationen und die beiden Grundtypen der Bereicherung | 203 | ||
IV. Zum gesetzlichen Schuldverhältnis i.w.S. aus ungerechtfertigter Bereicherung als Quelle von Ansprüchen in Zwei- und Dreipersonenkonstellationen | 207 | ||
1. Zur Vorstellung vom Schuldverhältnis i.w.S. als Quelle schuldrechtlicher Ansprüche bei gesetzlichen Schuldverhältnissen | 207 | ||
2. Die inhaltliche Ausrichtung auch des Schuldverhältnisses i.w.S. der ungerechtfertigten Bereicherung an den beiden Leittypen der Bereicherung | 210 | ||
Zweiter Abschnitt: Die bereicherungsrechtliche Dogmatik zwischen systemorientierten und fallorientierten Ansätzen einer Konsolidierung | 213 | ||
I. Die Unüberschaubarkeit des Bereicherungsrechts: Ein bloßes Darstellungsproblem? | 214 | ||
II. Die Besinnung auf Grundprinzipien und Grundstrukturen des Bereicherungsrechts | 217 | ||
1. Wielings Plädoyer für eine streng wissenschaftliche Darstellung des Bereicherungsrechts: Wiederbelebung wahrer Dogmatik? | 217 | ||
2. Prinzipiell-systematische Rechtsfindung nach Bydlinski | 219 | ||
3. Weitere Ansätze der Literatur | 222 | ||
III. Die Kontroverse um die bereicherungsrechtliche Dogmatik im Spannungsfeld deduktiver und induktiver Methoden der Rechtsfindung | 226 | ||
1. Die Ordnungskraft der Dogmatik und die Orientierung des Bereicherungsrechts am Ideal syllogistischer Rechtsfindung | 226 | ||
2. Abwendung vom Systemdenken im Bereicherungsrecht? | 230 | ||
a) Fallorientierte Wertungen als Topoi der Argumentation | 231 | ||
b) Bewegliches Systemdenken im Bereicherungsrecht | 234 | ||
c) Bereicherungsrecht als Billigkeitsrecht | 240 | ||
3. Die Öffnung der Dogmatik für eine induktive Bearbeitung des Bereicherungsrechts durch Einbeziehung fallorientierter Wertungen | 241 | ||
a) Die Distanz gegenüber der alleinigen Einbeziehung fallorientierter Wertungen | 241 | ||
b) Die Einbeziehung von Wertungsgesichtspunkten in eine Neuordnung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik durch Canaris | 244 | ||
aa) Die Kritik von Canaris am Leistungsbegriff als dogmatischem Zentralkriterium des Bereicherungsrechts | 245 | ||
bb) Der kondiktionsauslösende Mangel als neues dogmatisches Zentralkriterium des Bereicherungsrechts nach Canaris | 249 | ||
Dritter Abschnitt: Zur Gewichtung systemorientierter und fallorientierter Methoden der Rechtsfindung in der Entwicklung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik | 255 | ||
I. Die Bedeutung systemorientierter Methoden der Rechtsfindung für die Anwendung des Bereicherungsrechts | 257 | ||
II. Die Bedeutung fallorientierter Methoden der Rechtsfindung für die Entwicklung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik | 259 | ||
1. Zur Schwäche einer systemorientierten Entwicklung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik | 260 | ||
2. Zur Orientierung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik am Fall als Entwicklungsmoment eines Systems von Rechtssätzen | 261 | ||
a) Die Fallorientierung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik in der Vergangenheit | 262 | ||
b) Möglichkeiten der Fallorientierung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik in der Zukunft | 268 | ||
aa) Zur Bedeutung der Kritik bewährter Rechtssätze für eine Fortentwicklung der Dogmatik | 268 | ||
bb) Zur Ergänzung bewährter Rechtssätze durch Hilfsnormen niedrigerer Abstraktionsstufe | 272 | ||
III. Resümee | 278 | ||
Ausblick - Juristische Dogmatik und europäische Rechtskultur | 285 | ||
Literaturverzeichnis | 290 | ||
Personenregister | 306 | ||
Sachregister | 310 |