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Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit im französischen und deutschen Recht

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Pfefferkorn, F. (2006). Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit im französischen und deutschen Recht. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-52168-5
Pfefferkorn, Fabian. Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit im französischen und deutschen Recht. Duncker & Humblot, 2006. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-52168-5
Pfefferkorn, F (2006): Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit im französischen und deutschen Recht, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-52168-5

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Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit im französischen und deutschen Recht

Pfefferkorn, Fabian

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften, Vol. 49

(2006)

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Abstract

Während der deutsche Strafgesetzgeber verbreiteten Forderungen nach einer Entkriminalisierung leichter Fahrlässigkeit bislang nicht nachgekommen ist, wurde der allgemeine Fahrlässigkeitstatbestand des französischen Code pénal innerhalb kurzer Zeit Gegenstand von zwei Reformen, die das rechtspolitische Ziel verfolgen, eine Reduzierung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu bewirken. Vor allem die jüngste Reform aus dem Jahre 2000, durch die eine eigentümliche Verbindung zwischen Fahrlässigkeitsmaßstab und Kausalbeziehung hergestellt wird, gibt den Anstoß zu Überlegungen hinsichtlich der Lösung von Problemen, die in Deutschland seit einiger Zeit diskutiert werden: Neben der Entkriminalisierung leichter Fahrlässigkeit und der Struktur des Fahrlässigkeitstatbestandes zählt hierzu vor allem die Frage des Rückgriffs auf fahrlässige Erstverursacher.

Fabian Pfefferkorn widmet sich im ersten Teil der Untersuchung den Grundlagen der französischen Fahrlässigkeitsdogmatik, die aus Sicht des deutschen Strafrechts zahlreiche Besonderheiten aufweisen. Im zweiten Teil befasst er sich speziell mit den Reformen der Jahre 1996 und 2000 und ihren Auswirkungen auf die bisherige französische Rechtslage. Im Anschluss hieran wird im dritten - rechtsvergleichenden - Teil der Arbeit der neue Art. 121-3 Abs. 4 CP und dessen komplizierte Abstufung des Fahrlässigkeitsmaßstabes vor dem Hintergrund der deutschen Rechtslage auf der Basis eines funktional restriktiven Fahrlässigkeitsbegriffs einer kritischen Bewertung unterzogen.

Dem Autor gelingt es, mittels einer klaren und präzisen Argumentation anschaulich und exemplarisch zu demonstrieren, welche gravierenden Unterschiede im Denk- und Argumentationsstil selbst im Kernbereich der Strafrechtsdogmatik zwischen deutschen und französischen Juristen existieren - Unterschiede, die bei oberflächlicher Betrachtung verborgen bleiben.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 5
Inhaltsübersicht 7
Inhaltsverzeichnis 11
Verzeichnis der französischen Abkürzungen 19
Einleitung 21
I. Die französischen Fahrlässigkeitsreformen vom 13. 5. 1996 und 10. 7. 2000 21
II. Gang der Untersuchung 25
Erster Teil: Grundlagen der französischen Fahrlässigkeitsdogmatik 27
A. Deliktsstruktur, gesetzliche Systematik und Terminologie der Fahrlässigkeit im französischen Strafrecht 27
I. Strukturelemente der Straftat 27
II. Gesetzliche Systematik 29
1. Überblick über die Entwicklung des allgemeinen Fahrlässigkeitstatbestandes (Art. 121 – 3 CP) 29
a) Der Code pénal von 1810 29
b) Der nouveau Code pénal von 1992/1994 30
2. Die Tatbestände der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung 31
a) Grundtatbestände 31
b) Qualifizierte Tatbestände 33
III. Terminologie 35
B. Allgemeine Bewertungs- und Zurechnungsgrundsätze im Rahmen des einfachen Fahrlässigkeitstatbestandes (Art. 121 – 3 Abs. 3 CP) 37
I. Bewertungsgrundsätze strafbarer Fahrlässigkeit 37
1. Das materielle Identitätsprinzip („principe d'identité des fautes civile et pénale") 37
a) Entwicklung und Tragweite des Identitätsprinzips 37
b) Abschwächung infolge zivilrechtlicher Objektivierung 40
2. Die Prinzipien der „appréciation in abstracto" und „appréciation in concreto" 42
3. Die Vorhersehbarkeit des Erfolges 44
II. Haftung für vermutete Fahrlässigkeit 45
1. Das Übertretungsdelikt der „contravention" 46
a) Vorbemerkung: Die „classification tripartite" der Delikte 46
b) Der objektive Charakter der „faute contraventionnelle" 47
aa) Hintergrund und Tragweite der Objektivierung 47
bb) Die Sonderkategorie der „contravention délictuelle" 48
cc) Exkurs: Die Abschaffung der „délits contraventionnels" 49
2. Verantwortung für fremdes Verhalten („responsabilité du fait d'autrin") 51
a) Die Verantwortung des Betriebsleiters 51
aa) Das Kriterium der Organisationsherrschaft 51
bb) Das Erfordernis einer „faute personnelle" 52
b) Einschränkungen der Zurechnung 54
aa) Das Vorliegen einer „délégation de pouvoirs" 54
bb) Das Vorliegen einer „faute (cause) exclusive" 56
III. Kausalität und Erfolgszurechnung in der französischen Fahrlässigkeitsdogmatik 58
1. Einordnung der Kausalität in das Straftatsystem 58
2. Der Kausalitätsbegriff der französischen Rechtsprechung 59
a) Äquivalenz der Bedingungen 59
b) Das Erfordernis eines sicheren Kausalverlaufs 60
c) Normative Einschränkungen der Erfolgszurechnung 63
aa) Exklusives Drittverschulden 63
bb) Schutzzweck der Norm 65
cc) Ungewöhnlicher Kausalverlauf 66
3. Verantwortung für vermutete Kausalität („faute d'imprudence collective") 66
C. Der Tatbestand der bewussten Gefährdung (Art. 121 – 3 Abs. 2 CP) 70
I. Überblick 70
II. Der Begriff des „dol éventuel" 71
1. Das Verhältnis des „dol éventuel" zur „imprévoyance consciente" 71
2. Exkurs: Der Vorsatznachweis in der französischen Rechtsprechung 74
a) Körperverletzungsdelikte 75
b) Tötungsdelikte 80
c) Der Vergiftungstatbestand (Art. 221 – 5 CP) 81
III. Das allgemeine Gefährdungsdelikt (Art. 223 – 1 CP) 82
1. Das „élément matériel" 82
a) Die Übertretung einer Sondernorm 82
b) Die „direkte" Verursachung eines „unmittelbaren" Risikos 83
aa) Literatur 83
bb) Rechtsprechung 85
2. Das „élément moral" 89
a) Das Erfordernis eines abstrakten Übertretungsvorsatzes 89
b) Notwendigkeit eines konkreten Gefährdungsvorsatzes? 90
c) Die Rechtsnatur des Art. 223 – 1 CP 92
Zweiter Teil: Die französischen Fahrlässigkeitsreformen im Einzelnen 95
A. Die Reform vom 13. 5. 1996 (Art. 121 – 3 Abs. 3 CP) 95
I. Der rechtspolitische Hintergrund der Reform 95
II. Die neue Fassung des Art. 121 – 3 Abs. 3 CP 98
1. Die Tragweite der neuen Kriterien 99
a) Überblick 99
b) Die Strafbarkeit der Betriebsleiter 102
2. Die Auswirkungen der Reform auf die Strafbarkeit der Bürgermeister 104
a) Bisherige Rechtslage 105
aa) Die Begründung der Sorgfaltspflichten im Anschluss an die Entscheidung „Cinq-Sept" 105
bb) Vergleich mit der strafrechtlichen Verantwortung eines Betriebsleiters 108
b) Die Rechtsprechung nach der Reform 110
III. Bewertung der Reform 115
B. Die Reform vom 10. 7. 2000 (Art. 121 – 3 Abs. 4 CP) 118
I. Entwurfsstadien 118
1. Der Rapport Massot 118
2. Der Rapport Fauchon 119
3. Die heutige Fassung des Art. 121 – 3 Abs. 4 CP 120
II. Das Merkmal der „(in)direkten" Kausalität gem. Art. 121 – 3 Abs. 4 CP 121
1. Die beiden Modalitäten „nicht direkter" Kausalität: „causalité indirecte" und „causalité médiate" 121
2. Abgrenzung zwischen „direkter" und „indirekter" Kausalität 123
a) Abgrenzungsversuche in der französischen Literatur 123
aa) Das Kriterium der „Adäquanz" 123
bb) Das Kriterium der „physischen Einwirkung" 124
cc) „Schwerpunkt"-Theorie 125
dd) Das Kriterium der „situation intermédiaire" 127
b) Rechtsprechung 127
aa) Bürgermeister, Lehrer, Schulleiter 128
(1) Fußballtor-Fall (Bürgermeister) 128
(2) île d'Ouessant-Fall (Bürgermeister, Lehrer, Schuldirektor) 129
(3) Drac-Fall (Lehrerin, Schuldirektorin) 131
bb) Betriebsleiter 134
cc) Ärzte 135
dd) Sonstige Anwendungsbereiche 136
(1) Straßenverkehr/Falschparken 136
(2) Automechaniker 138
(3) Retterunfall 138
c) Zusammenfassung 139
III. Die beiden qualifizierten Fahrlässigkeitsmodalitäten 139
1. Die Modalität der „faute délibérée" 140
a) Einführung 140
b) Notwendigkeit eines konkreten Gefährdungsbewusstseins? 141
2. Die Modalität der „faute caractérisée" 143
a) Définitions versuche 143
aa) Gesetzgebungsverfahren 143
bb) Literatur 144
cc) Rechtsprechung 145
(1) Fußballtor-Fall 145
(2) Drac-Fall 147
(3) île d'Ouessant-Fall 148
(4) Festumzugs-Fall 149
(5) Arbeitsunfälle 150
(a) Verurteilungen 150
(b) Freisprüche 152
b) Das Merkmal des „Nicht-Übersehen-Könnens" – an der Grenze zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit? 154
aa) Literatur 155
bb) Rechtsprechung 157
c) Zusammenfassung 159
IV. Weitere Auswirkungen der Reform 160
1. Die Strafbarkeit juristischer Personen (Art. 121 – 2 CP 160
a) Einführung 160
b) Die neue Fassung des Art. 121 – 2 Abs. 3 CP 161
aa) Überblick 161
bb) Auswirkungen der Reform auf die Rechtsnatur der strafrechtlichen Verantwortung juristischer Personen? 161
c) Exkurs: Juristische Personen des öffentlichen Rechts 165
2. Der neue Art. 4 – 1 CPP 166
a) Die Schadensersatzklage vor dem Zivilgericht 166
b) Die „action civile" vor dem Strafrichter 169
V. Zwischenergebnis und Überleitung 170
Dritter Teil: Rechtsvergleichende Bewertung des Art 121 – 3 Abs. 4 CP 175
A. Die Definitionen „qualifizierter" Fahrlässigkeit im Code pénal als Grundbedingungen jeglicher strafbaren Fahrlässigkeit? 176
I. Vorüberlegungen: Zur Strafwürdigkeit leichter /unbewusster Fahrlässigkeit 176
1. Darstellung exemplarischer Entkriminalisierungs-Ansätze im deutschen Recht 177
a) Psychologisches Willensschuld-Modell (Köhler) 177
b) Modifiziertes Charakterschuld-Modell (Roth) 180
c) Kriminalpolitisch orientierte Ansätze 182
aa) „In dubio pro reo" wegen statistischer Unvermeidbarkeit leichter Fahrlässigkeit (Stratenwerth) 183
bb) Fehlende Bestimmtheit nicht-evidenter Regelverstöße (Schlüchter 183
cc) Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bei geringfügiger Fahrlässigkeit (Roxin) 184
dd) Rechtfertigende Güterkollision bei „systembedingter" Fahrlässigkeit (Gössel) 187
d) Prozessuale Alternativen? 189
2. Die Behandlung fehlenden Risikowissens in speziellen Fahrlässigkeits- (Zurechnungs-)Modellen 190
a) Fahrlässigkeit als sekundärer Obliegenheitsverstoß (Kindhäuser) 191
b) Fahrlässigkeit als Unterlassen pflichtgemäßer Vorkehrungen (Zielinski 193
c) Fahrlässigkeit als Kenntnis eines „Risikosyndroms" (Struensee) 197
d) Fahrlässigkeit als Auffangtatbestand zur Normstabilisierung (Koriath) 199
3. Das kognitiv-psychologische Veranlassungsmodell Duttges 201
a) Überblick 201
b) Stellungnahme 205
4. Zwischenergebnis 210
II. Bewertung der beiden qualifizierten Fahrlässigkeitsdefinitionen in Art. 121 – 3 CP im Hinblick auf einen straftatbestandlich restriktiven Fahrlässigkeitsbegriff 211
1. Vorbemerkung: Die Modalität der bewussten Gefährdung („mise en danger délibérée") gemäß Art. 121 – 3 Abs. 2 CP 212
2. Die Modalität der bewussten Sondernormübertretung („faute délibérée") gemäß Art. 121 – 3 Abs. 4 CP 213
a) Das Verhältnis zwischen Regelverletzung und Folgen Verantwortung 214
b) Die Bedeutung einer Regelverletzung für die Schwere der Fahrlässigkeit 218
3. Die Modalität der „charakterisierten" Fahrlässigkeit („faute caractérisée") gemäß Art. 121 – 3 Abs. 4 CP 219
a) Der Begriff der „faute caractérisée" 220
b) Die „objektiv-individualisierende" Struktur des Fahrlässigkeitsunrechts 222
aa) Vorüberlegung: Individualisierung des Unrechtsmaßstabs 222
bb) Das objektiv zu hohe Risiko als generalisierender Bezugspunkt des Fahrlässigkeitsunrechts 225
(1) Empirische Tragweite des Risikobegriffs 225
(2) Normative Tragweite des Risikobegriffs 226
cc) Das Merkmal des „Nicht-Übersehen-Könnens": Vergleich mit Duttges Veranlassungskriterium 230
4. Zusammenfassung 232
B. Das Kriterium der „Unmittelbarkeit" als sachlicher Grund für einen abgestuften Fahrlässigkeitsmaßstab? 233
I. Empirische Tragweite des Unmittelbarkeitskriteriums 233
1. Das begriffslogische Verhältnis zwischen „mittelbarer" und „unmittelbarer" Kausalität 234
2. Möglichkeit einer normativ-erweiternden Auslegung des Unmittelbarkeitskriteriums? 235
3. Nachfolgendes menschliches Verhalten 238
a) Nachfolgende Handlungen 238
aa) Handlung eines Dritten oder des Verletzten 238
bb) Handlungen des Taters 240
b) Nachfolgendes Unterlassen 241
aa) Unterlassen durch einen Dritten oder den Verletzten 241
bb) Unterlassen durch den garantenpflichtigen Täter 243
4. Zwischenergebnis 244
II. Normative Tragweite des Unmittelbarkeitskriteriums 244
1. Verwirklichung der „Adäquanztheorie"? 245
2. Reduzierte Vorhersehbarkeit des Erfolges? 246
3. Reduzierte Beherrschbarkeit des Kausalverlaufs? 248
4. Zusammenfassung 251
III. Modifizierte Zurechnungsmaßstäbe bei mittelbarer Kausalität in der deutschen Dogmatik – Das Prinzip der Eigen Verantwortung 251
1. Deliktisches Anschlussverhalten 253
a) Pauschale Regressverbotslösungen 253
aa) Regressverbot bei nachfolgendem Vorsatzdelikt 253
bb) Regressverbot bei fahrlässigen Anschlussgefährdungen 255
b) Flexible Zurechnungslösungen 255
aa) Die Grenzen des Eigenverantwortungsprinzips 255
bb) Risikokenntnis bzw. „Sinnbezug" als Zurechnungsgrund? 258
(1) Die Ansätze von Frisch und Lenckner 258
(2) Stellungnahme 261
2. Beschränkung des Fahrlässigkeitsmaßstabs bei vorwerfbarer Selbstgefahrdung? 264
a) Regressverbot bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung 265
b) Das „kraft überlegenen Sachwissens besser erfasste Risiko" 266
aa) Der Ansatz des BGH 266
bb) Die Interpretation durch das BayObLG 267
cc) Stellungnahme 268
(1) Konstellationen eigenverantwortlich-bewusster Selbstgefährdung 268
(2) Vorwerfbar-unbewusstes Fehlverhalten des Verletzten 271
C. Bewertung exemplarischer Fälle aus der französischen Rechtsprechung zu Art. 121 – 3 Abs. 4 CP vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse 272
I. Zusammenfassung der Ergebnisse 272
II. Bewertung der Rechtsprechung 273
1. Fußballtor-Fall 273
2. île d'Ouessant-Fall 276
3. Drac-Fall 277
4. Arbeitsunfälle 278
Gesamtergebnis 281
Literaturverzeichnis 284
I. Literatur zum französischen Recht 284
II. Literatur zum deutschen Recht 290
Sachverzeichnis 312