Die Pairing-Vereinbarung
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Die Pairing-Vereinbarung
Beiträge zum Parlamentsrecht, Vol. 40
(1997)
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Abstract
Gegenstand der Arbeit ist die Frage, ob die sogenannte Pairing-Vereinbarung nicht nur ein geeignetes und rechtmäßiges, sondern auch notwendiges Mittel ist, um die Folgen erzwungener Abwesenheit von Volksvertretern auszugleichen. Danach nimmt ein Abgeordneter infolge der Abwesenheit eines Kollegen der politisch gegenüberstehenden Fraktion an einer Abstimmung freiwillig nicht teil. Die Bundestagsmitglieder sowie das rechtswissenschaftliche Schrifttum betrachten ein Pairing als eine rein freundschaftliche Vereinbarung unter Kollegen, die sich kennen. Die Arbeit wirft aber erstmalig die Frage auf, ob eine rechtliche Pflicht zum Eingehen eines Pairings bei erzwungener Abwesenheit von Abgeordneten existiert, um Mehrheitsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Die Antwort bietet das demokratische Prinzip des Grundgesetzes. Nach diesem müssen die in einem Parlament vom Volk gewählten Kräfteverhältnisse im Zeitpunkt einer Abstimmung von den Mandatsträgern zwingend betrachtet werden. Im Fall der erzwungenen Abstimmungsabstinenz kann eine verzerrte Kräftekon- stellation entstehen, die auf den Volkswillen nicht zurückführbar ist. Ein Abgeordneter darf zudem nicht aufgrund einer internationalen Verpflichtung oder einer Krankheit daran gehindert werden, sein freies Stimmrecht wahrzunehmen. Auch infolge des freien Mandats muß dafür Sorge getragen werden, daß der Einfluß eines Abgeordneten auf ein Abstimmungsergebnis erhalten bleibt und nicht mit der Abwesenheit zwangsläufig untergeht. Hierbei geht die Arbeit aber auch auf die rechtliche Zulässigkeit anderer Möglichkeiten ein, Zufallsabstimmungen mit Zufallsergebnissen zu verhindern. Im Mittelpunkt stehen das Nachrückverfahren, die Stimmrechtsdelegation und die Briefabstimmung für Parlamentarier. Die Arbeit gelangt zu dem Ergebnis, daß Mandatsträger mit einer Pairing-Vereinbarung nicht ihre Abgeordnetenpflichten verletzen, sondern vielmehr einer verfassungsrechtlichen Pflicht nachkommen. Auch die besonders relevanten Befangenheitsvorschriften auf kommunaler Ebene dürfen nicht zu einer Mehrheitsverschiebung im Gemeinderat führen. Es besteht eine Rechtspflicht zum Pairing.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Einleitung | 19 | ||
1. Teil: Herkunft und Entwicklung | 22 | ||
A. Britischer Ursprung | 22 | ||
I. Anfänge im House of Commons | 22 | ||
II. Beispiele aus der Abstimmungspraxis | 25 | ||
III. Abwesenheitsgründe | 27 | ||
IV. Verfahren | 28 | ||
1. Natur des Verfahrens | 28 | ||
2. Ablauf im einzelnen | 30 | ||
V. Sonstige Organe | 32 | ||
1. Ausschüsse des Unterhauses | 32 | ||
2. House of Lords | 33 | ||
VI. Bewertung | 34 | ||
B. Etablierung in anderen Parlamenten | 35 | ||
I. Vereinigte Staaten | 35 | ||
1. Beginn im Repräsentantenhaus | 36 | ||
2. Ausdehnung auf den Senat | 37 | ||
3. Verfahren | 39 | ||
a) Quellen und Natur des Verfahrens | 39 | ||
b) Ablauf im einzelnen | 41 | ||
aa) Live-Pairing | 41 | ||
bb) General- und Specific Pairing | 43 | ||
4. Bewertung | 45 | ||
II. Kanada | 47 | ||
III. Weitere Staaten | 49 | ||
IV. Frankreich | 51 | ||
V. Vergleichende Betrachtung | 51 | ||
C. Auftreten in deutschen Parlamenten | 53 | ||
I. Frankfurter Nationalversammlung | 53 | ||
II. Deutscher Bundestag | 55 | ||
1. Entwicklung vor dem Hintergrund der bisherigen Mehrheitsverhältnisse | 55 | ||
a) Erste Präzedenzien | 55 | ||
b) Insbesondere: Die 8. Wahlperiode | 56 | ||
c) Fortgang bis heute | 59 | ||
d) Ablauf des Verfahrens | 60 | ||
aa) Zustandekommen | 60 | ||
bb) Inhalt, Wirkung und Beendigung | 62 | ||
2. Charakterisierung und Einordnung des Verfahrens | 64 | ||
a) Absprache der Parlamentarischen Geschäftsführer | 64 | ||
aa) Abstrakt-generelle Vereinbarungen als verfassungsrechtliche Verträge? | 65 | ||
bb) Konkret-individuelle Vereinbarungen als verfassungsrechtliche Verträge? | 67 | ||
cc) Interfraktionelle Vereinbarungen als informelle Normen | 69 | ||
dd) Abgrenzung zum parlamentarischen Gewohnheitsrecht und Parlamentsbrauch | 71 | ||
b) Absprachen einzelner Abgeordneter | 73 | ||
III. Landesparlamente | 74 | ||
IV. Würdigung der Literatur | 75 | ||
1. Stimmen der ersten Gruppe und erste Kritik | 75 | ||
2. Stimmen der zweiten Gruppe und erste Kritik | 78 | ||
3. Zum Problemumfeld | 79 | ||
2. Teil: Bedürfnis nach Pairing | 84 | ||
A. Tatsächliche Relevanz | 84 | ||
I. Bundesebene | 84 | ||
1. Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages | 84 | ||
a) Einzelne Abwesenheitsgründe | 84 | ||
aa) Krankheiten | 84 | ||
bb) Doppelmandate sowie Mitgliedschaften in Organisationen und Gremien | 85 | ||
cc) Sonstiges zum Zeitbudget des Abgeordneten | 87 | ||
b) Bisherige Mehrheitsverhältnisse | 89 | ||
c) Erforderliche Abstimmungsmehrheiten | 90 | ||
2. Ausschüsse | 90 | ||
II. Landesebene | 91 | ||
III. Kommunalebene | 93 | ||
B. Beurteilung der vorübergehenden Veränderung von Mehrheitsverhältnissen aufgrund erzwungener Abstimmungsabstinenz | 93 | ||
I. Bundesebene | 93 | ||
1. Das demokratische Prinzip des Grundgesetzes | 93 | ||
a) Der anzuwendende Maßstab | 93 | ||
b) Die formal-prozedurale Komponente | 94 | ||
aa) Auswirkungen der mittelbaren Demokratie | 94 | ||
bb) Die Wahl und ihre grundgesetzlich garantierte Funktion | 97 | ||
cc) Entfallen der Wahlfunktion durch Abstimmungsabstinenz | 100 | ||
c) Der demokratisch-egalitäre Wahlrechtsgrundsatz der Erfolgswertgleichheit | 103 | ||
aa) Herleitung und Anforderungen | 103 | ||
bb) Ausnahme aus zwingenden Gründen | 104 | ||
d) Der demokratisch-egalitäre Wahlrechtsgrundsatz und die Mandatsausübungsgleichheit | 106 | ||
aa) Das allgemeine und gleiche Stimmrecht des Abgeordneten | 106 | ||
bb) Ausnahme aus zwingenden Gründen | 107 | ||
e) Das freie Stimmrecht des Abgeordneten | 109 | ||
2. Prinzip der Verfassungsorgantreue | 111 | ||
a) Herleitung und Anwendung auf das Verhältnis Parlamentsmehrheit und Opposition | 112 | ||
b) Wirkungsweise und spezifischer Nutzen | 116 | ||
c) Oppositionsverhalten | 117 | ||
d) Verhalten der Regierungsfraktionen | 120 | ||
II. Landesebene | 120 | ||
III. Kommunalebene | 121 | ||
IV. Auswirkungen eines Pairings | 124 | ||
C. Die Alternativen | 125 | ||
I. Bundes-, Landes- und Kommunalebene | 125 | ||
1. Einsetzen eines Nachrückers | 125 | ||
a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit | 126 | ||
aa) Prinzip der Unvertretbarkeit | 126 | ||
bb) Unmittelbarkeit der Wahl | 127 | ||
cc) Gleichheit der Wahl | 129 | ||
dd) Freies Mandat | 130 | ||
b) Erste Gegenüberstellung | 130 | ||
2. Delegation des Stimmrechts auf andere Abgeordnete | 131 | ||
a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit | 132 | ||
aa) Unmittelbarkeit der Wahl | 132 | ||
bb) Gleichheit der Wahl | 133 | ||
b) Erste Gegenüberstellung | 133 | ||
3. Briefwahl und Briefabstimmung | 134 | ||
4. Sonstige Möglichkeiten | 136 | ||
II. Kommunalebene | 137 | ||
1. Verfassungskonforme Auslegung der Befangenheitstatbestände | 137 | ||
2. Ersatzvornahme der Rechtsaufsichtsbehörde | 138 | ||
3. Teil: Rechtmäßigkeit und Praktikabilität des Pairings | 140 | ||
A. Bisherige Praxis des freiwilligen Pairings auf Bundes- und Landesebene | 140 | ||
I. Absprache der Parlamentarischen Geschäftsführer im Ältestenrat | 140 | ||
1. Freies Mandat | 140 | ||
a) Ausübung unzulässigen Fraktionszwangs | 141 | ||
b) Ausdruck zulässiger Fraktionsdisziplin | 145 | ||
2. Pflicht zur Wahrnehmung des Mandats | 147 | ||
3. Pflicht zur Publikation | 153 | ||
a) Parlamentarische Praxis | 153 | ||
b) Verfassungsrechtliche Begründung | 154 | ||
c) Grenzen der Verhandlungsöffentlichkeit | 157 | ||
4. Drohende Beschlußunfähigkeit | 159 | ||
II. Absprache der einzelnen Abgeordneten | 161 | ||
1. Zustimmungspflichtigkeit und freies Mandat | 162 | ||
2. Loyalitätspflicht | 163 | ||
III. Effektivität des freiwilligen Pairings | 164 | ||
B. Rechtspflicht zum Pairing | 165 | ||
I. Freies Mandat | 165 | ||
1. Entziehbarkeit der Abstimmungsbefugnis | 165 | ||
2. Einschränkung des Stimmrechts durch die Gewissensgebundenheit des Abgeordneten | 167 | ||
3. Verfassungsimmanente Schranken | 168 | ||
a) Das demokratische Prinzip des Grundgesetzes | 168 | ||
aa) Vorliegen einer Kollision | 168 | ||
bb) Ausgleichsverfahren der praktischen Konkordanz | 169 | ||
cc) Das Erforderlichkeitsprinzip | 170 | ||
(1) Mildere Mittel zum Ausgleich erzwungener Abstimmungsabstinenz | 170 | ||
(2) Gleiche Geeignetheit der Mittel | 171 | ||
dd) Das Optimierungsgebot | 173 | ||
b) Prinzip der Verfassungsorgantreue | 177 | ||
II. Formalisierte Statusgleichheit | 178 | ||
III. Rechtspolitische Argumente | 178 | ||
C. Kommunalebene | 181 | ||
I. Pflichtverletzung | 181 | ||
II. Freies Mandat | 184 | ||
Zusammenfassung | 186 | ||
Literaturverzeichnis | 191 | ||
Stichwortverzeichnis | 214 |