Forum non conveniens
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Forum non conveniens
Richterliche Beschränkung der Wahl des Gerichtsstandes im deutschen und amerikanischen Recht
Schriften zum Internationalen Recht, Vol. 73
(1996)
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Abstract
In internationalen Rechtsstreitigkeiten kann der Kläger regelmäßig zwischen verschiedenen Gerichtsständen wählen. Die Wahl des Klägers wird zugunsten des Forums ausfallen, das für ihn mit Blick auf den Prozeßausgang am günstigsten ist. Bei der Gerichtswahl des Klägers stehen dementsprechend anwendbares Prozeß- und Sachrecht im Vordergrund. In der Regel werden die Interessen des Beklagten und der Allgemeinheit mit Bezug auf einen bestimmten Gerichtsort nicht berücksichtigt, was zu unliebsamen Folgen führen kann. So ist es möglich, daß der Ort, an dem sich der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt zugetragen hat, der Lageort von Beweismitteln, oder aber der Wohnsitz des Beklagten weit von dem Ort entfernt ist, an dem der Rechtsstreit ausgetragen wird. Insbesondere in Produkthaftungsfällen ist zu beobachten, daß der Kläger lieber den verfahrenstechnisch ungeeigneten Gerichtsort wählt, an dem das ihm günstigste Recht Anwendung findet, als das Gericht des Schadensortes oder das Gericht, das die lex fori als Sachrecht anwenden könnte. So werden entsprechende Verfahren unweigerlich verkompliziert. Die Last, die mit solchen Verfahren einhergeht, tragen die Staaten, deren Gerichte bei bestimmten Rechtsstreitigkeiten notorisch klägerfreundlich sind. Sie werden in erhöhtem Maße Prozesse an sich ziehen - unabhängig von der Eignung ihrer Gerichte zur konkreten Streitentscheidung. Um sicherzustellen, daß ein Gericht im konkreten Fall zur Streitentscheidung geeignet ist, ist es wünschenswert, die Gerichtsstandswahl des Klägers einzuschränken. Die US-amerikanischen Gerichte greifen zu diesem Zweck auf die Lehre vom forum non conveniens zurück, die einem angerufenen Gericht erlaubt, seine an sich gegebene Zuständigkeit nicht auszuüben, wenn es der Auffassung ist, daß dem Kläger ein eindeutig besser geeignetes Gericht zugänglich ist. Dem deutschen Recht ist die forum non conveniens-Lehre unbekannt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, ob es wünschenswert ist, die forum non conveniens-Lehre zu übernehmen.Im ersten Teil der Arbeit werden Entwicklung, Funktion und Inhalt der amerikanischen forum non conveniens-Lehre anhand der Rechtsprechung der amerikanischen Bundesgerichte dargestellt. Untersucht werden zu diesem Zwecke insbesondere die bundesgerichtlichen forum non conveniens-Entscheidungen. Der Piper Aircraft-Entscheidung des Supreme Court von 1981 und ihren weitreichenden Auswirkungen werden besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Anschließend folgt eine Bewertung der amerikanischen forum non conveniens-Lehre. Im zweiten Teil der Arbeit wird zunächst untersucht, inwieweit die Funktion der forum non conveniens-Lehre im deutschen internationalen Zuständigkeitsrecht auf andere Art und Weise als durch eine Generalklausel eine Entsprechung findet. Im Anschluß daran wird die Frage nach dem Nutzen einer forum non conveniens-Generalklausel de lege ferenda für das deutsche Recht erörtert.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
Einleitung | 21 | ||
A. Problem | 21 | ||
B. Gang der Darstellung | 22 | ||
Erster Teil: Forum non conveniens im amerikanischen Recht | 23 | ||
§ 1 Das jurisdiction-System der amerikanischen Gerichte | 23 | ||
A. Jurisdiction und ihre Grundlage im amerikanischen Recht | 23 | ||
I. Power | 24 | ||
II. Minimum Contacts und long-arm statutes | 26 | ||
1. Die International Shoe-Entscheidung | 26 | ||
2. Folgen der International Shoe-Entscheidung | 27 | ||
3. Weitere Entwicklung der Rechtsprechung des Supreme Court | 28 | ||
III. Zusammenfassung | 31 | ||
B. Ermessen bei der Bestimmung und Ausübung von jurisdiction | 32 | ||
I. Traditionelle Lehre | 32 | ||
II. Moderne Lehre | 34 | ||
C. Forum non conveniens | 35 | ||
I. Inhalt | 36 | ||
II. Funktion | 37 | ||
III. Nebenfolge | 37 | ||
IV. Verhältnis der Lehre zu den jurisdiction-Regeln | 39 | ||
§ 2 Entwicklung der Lehre vom forum non conveniens | 41 | ||
A. Schottland | 41 | ||
B. England | 42 | ||
C. USA | 47 | ||
I. Frühes Stadium | 47 | ||
II. Der Gilbert-Fall | 48 | ||
III. Der Piper Aircraft-Fall | 51 | ||
IV. 28 U.S.C. § 1404 (a) | 54 | ||
V. Das Recht der Einzelstaaten | 56 | ||
§ 3 Voraussetzungen der Klagabweisung wegen forum non conveniens | 57 | ||
A. Bundesrecht als Maßstab | 57 | ||
B. Jurisdiction | 60 | ||
C. Alternatives Forum | 60 | ||
I. Verfügbarkeit eines alternativen Forums | 61 | ||
II. Geeignetheit des alternativen Forums | 62 | ||
1. Geeignetheit und anwendbares Sachrecht | 63 | ||
2. Geeignetheit und anwendbares Prozeßrecht | 64 | ||
3. Stellungnahme | 66 | ||
III. Fehlen eines alternativen Forums | 66 | ||
D. Anwendung der forum non conveniens-Lehre nicht ausgeschlossen | 67 | ||
I. Vorrang von 28 U.S.C. § 1404 (a) | 67 | ||
II. Gesetzliche Schranken | 68 | ||
III. In rem jurisdiction über unbewegliches Vermögen | 70 | ||
§ 4 Begriff der Inconvenience | 70 | ||
A. Prüfungsmaßstab | 70 | ||
B. Private Interessen | 72 | ||
I. Nationalität | 72 | ||
1. Verfassungsrechtliche Erwägungen | 72 | ||
2. Ausländischer Kläger | 73 | ||
3. Amerikanischer Kläger | 75 | ||
4. Ausländischer Beklagter | 76 | ||
5. Amerikanischer Beklagter | 77 | ||
6. Ausländischer Kläger und Beklagter | 78 | ||
II. Wohnsitz | 78 | ||
III. Handlungsort | 80 | ||
IV. Verfügbarkeit von Beweismitteln | 81 | ||
1. Erheblichkeit des Beweismittels | 81 | ||
2. Einzelne Beweismittel | 82 | ||
3. Pretrial Discovery | 84 | ||
V. Zeitige Antragstellung | 84 | ||
VI. Verfahrenskonzentration | 85 | ||
1. Impleader | 85 | ||
2. Lis Pendens Alibi | 86 | ||
VII. Durchsetzbarkeit | 87 | ||
VIII. Gerichtsstandswahl | 88 | ||
1. Derogation | 89 | ||
2. Prorogation | 89 | ||
IX. Wechsel des anwendbaren Rechts | 90 | ||
1. Rechtsprechung | 90 | ||
2. Kritik der Literatur | 93 | ||
3. Stellungnahme | 94 | ||
X. Andere Faktoren | 94 | ||
C. Öffentliche Interessen | 95 | ||
I. Anwendbares Recht | 95 | ||
II. Interessen des Gerichtsstaates | 97 | ||
III. Öffentliche Lasten | 99 | ||
D. Zusammenfassung | 101 | ||
§ 5 Ermessen des Gerichts | 102 | ||
A. Vermutung zugunsten der klägerischen Forumwahl | 102 | ||
B. Schranken des Ermessens | 105 | ||
I. Schranken bezüglich des Abwägungsvorgangs | 106 | ||
II. Schranken bezüglich des Abwägungsergebnisses | 108 | ||
§ 6 Verfahren und dismissal-Entscheidung | 109 | ||
A. Verfahren | 109 | ||
I. Antrag auf Klagabweisung | 109 | ||
II. Sua sponte dismissal | 111 | ||
B. Dismissal Entscheidung | 112 | ||
I. Einfache Klagabweisung | 112 | ||
II. Bedingte Klagabweisung | 112 | ||
III. Einzelne Bedingungen | 113 | ||
IV. Stellungnahme | 116 | ||
§ 7 Rechtsmittelverfahren | 118 | ||
A. Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung | 118 | ||
B. Überprüfungsmaßstab | 120 | ||
§ 8 Diskussion | 122 | ||
A. Kritik an der forum non conveniens-Lehre | 122 | ||
I. Rechtsunsicherheit | 122 | ||
II. Mangelhafte Rechtsmittelfähigkeit | 124 | ||
III. Auswirkungen der forum non conveniens-Lehre | 125 | ||
IV. Rechtspolitische Erwägungen | 126 | ||
V. Systematische Einwände | 128 | ||
B. Stellungnahme | 128 | ||
I. Mängel der gegenwärtigen Lehre | 128 | ||
1. Benachteiligung des Klägers | 128 | ||
2. Vergleich zu 28 U.S.C. § 1404 (a) | 130 | ||
II. Strengerer Prüfungsmaßstab | 130 | ||
Zweiter Teil: Forum non conveniens im deutschen Recht | 132 | ||
§ 9 Ansätze zur Problemlösung im deutschen Recht | 132 | ||
A. Vorüberlegung | 132 | ||
I. Die örtliche Zuständigkeit als Grundlage für die internationale Zuständigkeit | 132 | ||
II. Besonderheiten der internationalen Zuständigkeit | 133 | ||
B. Internationale Übereinkommen | 135 | ||
I. Übereinkommen über die internationale Zuständigkeit | 135 | ||
1. EuGVÜ und LuganoÜ | 136 | ||
a) Ausschluß exorbitanter Gerichtsstände – Art. 3 EuGVÜ | 137 | ||
b) Ausschließliche Zuständigkeiten – Art. 16 EuGVÜ | 139 | ||
aa) Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ | 140 | ||
bb) Art. 16 Nr. 2–5 EuGVÜ | 143 | ||
c) Gerichtsstandsvereinbarungen – Art. 17 EuGVÜ | 145 | ||
d) Anderweitige Rechtshängigkeit – Artt. 21 ff. EuGVÜ | 146 | ||
2. Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA) | 149 | ||
3. Andere Abkommen | 150 | ||
II. Übereinkommen zum IPR | 150 | ||
C. Innerstaatliche Regelungen | 151 | ||
I. Ansätze im Zuständigkeitsrecht | 152 | ||
1. Freiwillige Gerichtsbarkeit | 152 | ||
a) § 47 FGG | 152 | ||
b) Rechtsprechung | 152 | ||
2. Gleichlauftheorie | 155 | ||
3. Wesensfremde Zuständigkeit | 158 | ||
4. Auslegung und ungeschriebene Tatbestandsmerkmale | 159 | ||
a) Das BGH-Urteil zu § 23 ZPO | 159 | ||
b) Der Begriff des “hinreichenden Inlandsbezuges” | 162 | ||
5. Rechtsmißbrauch | 164 | ||
6. Anderweitige Rechtshängigkeit | 165 | ||
7. Gerichtsstandsvereinbarungen | 166 | ||
a) Prorogation | 166 | ||
b) Derogation | 167 | ||
II. Klage auf Unterlassen einer Klage – Counter Injunction | 168 | ||
D. Zwischenergebnis | 169 | ||
§ 10 Ergänzende Generalklausel | 169 | ||
A. Bedarf an einer Generalklausel | 169 | ||
I. Fallbeispiele | 169 | ||
1. Fallbeispiel – § 32 ZPO | 169 | ||
2. Fallbeispiel – § 29 ZPO | 170 | ||
3. Fallbeispiel – § 27 ZPO | 170 | ||
4. Fallbeispiel – § 20 ZPO | 171 | ||
II. Bewertung | 171 | ||
B. Argumente zugunsten einer Generalklausel | 172 | ||
I. Flexibilität und Einzelfallgerechtigkeit | 172 | ||
II. Begünstigung alternativer Gerichtsstände | 173 | ||
III. Problemlose Einfügung in das gegenwärtige Zuständigkeitssystem | 174 | ||
C. Einwände gegen eine Generalklausel | 176 | ||
I. Rechtsunsicherheit | 176 | ||
II. Gebot des gesetzlichen Richters | 178 | ||
III. Justizgewährungsanspruch | 179 | ||
IV. Schranken des EuGVÜ und Lugano Übereinkommen | 182 | ||
1. Grundsätzliche Unzulässigkeit der forum non conveniens-Lehre im Rahmen der Übereinkommen | 182 | ||
2. Drittstaatenproblematik | 184 | ||
D. Schlußbemerkung | 187 | ||
Literaturverzeichnis | 191 | ||
Verzeichnis der amerikanischen Entscheidungen | 206 | ||
Sachregister | 216 |