Ersatz fiktiver Kosten nach Allgemeinem Schadensrecht?
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Ersatz fiktiver Kosten nach Allgemeinem Schadensrecht?
Eine Untersuchung zu § 249 Satz 2 BGB
Schriften zum Bürgerlichen Recht, Vol. 216
(1998)
Additional Information
Book Details
Pricing
Abstract
Zu den bis heute umstrittenen und auch von der Rechtsprechung eher dezisionistisch als dogmatisch bewältigten Fragen des Allgemeinen Schadensrechts gehört der Ersatz fiktiver Kosten. Das Bild, das die Rechtsprechung bietet, ist ungewöhnlich verworren: Der V. Zivilsenat des BGH lehnt den Ersatz in seinem Zuständigkeitsbereich, also für Grundstücke, völlig ab; der VI. Zivilsenat hingegen verneint ihn zwar seit etwa 12 Jahren bei Körperverletzungen, gewährt ihn hingegen - in Übereinstimmung mit der wohl h.M. in der Literatur - bei Beschädigungen von Kraftfahrzeugen. Neben dieser dogmatischen Verworrenheit - immerhin werden die unterschiedlichen Entscheidungen jeweils auf § 249 Satz 2 BGB gestützt - enthält die Thematik, wie der jüngst ins Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Entwurf eines »Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften« (BR-Drucks. 265/98) zeigt, eine aktuelle rechtspolitische Komponente.Das Hauptanliegen des Autors ist, frei von rechtspolitischen (Spar)Zwängen, den Sach- und Personenschaden wieder auf eine einheitliche dogmatische Grundlage zu stellen, ohne jedoch den Gesichtspunkt der Praktikabilität zu vernachlässigen. Damit steht sie in dem für schadensrechtliche Untersuchungen typischen Spannungsfeld zwischen abstrahierender Massenlösung und individueller Interessenvarianz.Der Kern der Problematik des Ersatzes fiktiver Kosten liegt in der Alternative von »Dispositionsfreiheit« und »Zweckbindung« bei § 249 Satz 2 BGB. Der Verfasser entwickelt unter Berücksichtigung des »Herstellungsprinzips« und vor allem durch Analyse und Bewertung der betroffenen Interessen eine modifizierte Form der Zweckbindungstheorie. Im Gegensatz zur klassischen Zweckbindungstheorie, welche die Zweckbindung des Anspruchs aus § 249 Satz 2 BGB mittels einer Anbindung des Anspruchs an die zur Schadensbeseitigung getätigten Aufwendungen erzielt, wird bei der modifizierten Zweckbindungstheorie die Zweckbindung des Anspruchs mittels privatautonomer Selbstbindung des Geschädigten erreicht. Die modifizierte Zweckbindungstheorie läßt sich somit auf die Formel bringen »von der Dispositionsfreiheit über den Ersatzbetrag zur Dispositionsfreiheit über die Herstellungsart selbst«. Die im Titel gestellte Frage »Ersatz fiktiver Kosten nach Allgemeinem Schadensrecht?« ist sonach zu verneinen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Kapitel 1: Einführung in Problem und Methode | 17 | ||
I. Ersatz fiktiver Kosten – unterschiedlicher Diskussionsverlauf beim Sach- und Personenschaden | 17 | ||
II. Ersatz fiktiver Kosten – Terminologie und Problemstellung | 19 | ||
1. Terminologie | 19 | ||
2. Problemstellung | 21 | ||
III. Der Einfluß der kollektiven Ausgleichssysteme auf die Problematik des Ersatzes fiktiver Kosten | 23 | ||
1. Der Einfluß des § 67 VVG | 24 | ||
2. Der Einfluß des § 116 I SGB X | 25 | ||
IV. Ersatz fiktiver Kosten – Dispositionsfreiheit oder Zweckbindung? | 30 | ||
1. Die Dispositionsfreiheit des Geschädigten | 31 | ||
2. Die klassischen Zweckbindungstheorien | 32 | ||
3. Der aktuelle Meinungsstand | 33 | ||
V. Methode und Gang der Untersuchung | 34 | ||
1. Ausdifferenzierung des Schadensbegriffs? | 35 | ||
2. Fallgruppenbildung und topische Kasuistik | 36 | ||
3. Das Rechtsprinzip als „erste Prämisse“, als „starting point“ der Rechtsfortbildung | 37 | ||
a) Der „Grundsatz der Dispositionsfreiheit“ und das „Postulat der Zweckbindung“ als Rechtsprinzipien | 38 | ||
b) Trennung von externer (= Richtigkeit der Prämisse) und interner Rechtfertigung (= logische Denkoperation) | 39 | ||
c) Das Problem der Prinzipienkollision | 42 | ||
4. Gang der Untersuchung | 43 | ||
Kapitel 2: Die judizielle Konzeption: Dispositionsfreiheit und Zweckbindung | 45 | ||
I. Phase (1): Vorbereitung und Grundlegung der Dispositionsfreiheit | 45 | ||
1. Die „objektive Bemessung“ des „erforderlichen Geldbetrags“ i.S.d. § 249 S. 2 BGB – BGHZ 54, 82 | 45 | ||
2. Ersatz fiktiver Mehrwertsteuer bei der Eigenreparatur eines Kfz – BGHZ 61, 56 | 50 | ||
3. Ersatz von Finanzierungskosten – BGHZ 61, 346 | 52 | ||
4. Die Risikoverteilung in § 249 S. 1 und S. 2 BGB – BGHZ 63, 182 | 54 | ||
5. Zusammenfassung der Ergebnisse | 56 | ||
II. Phase (2): Grundsatzurteil zur Dispositionsfreiheit – BGHZ 66, 239 | 57 | ||
1. Sachverhalt | 58 | ||
2. Etablierung des „Grundsatzes der Dispositionsfreiheit“? Das Begründungskonzept in BGHZ 66, 239 | 59 | ||
3. Ersatz fiktiver Reparaturkosten trotz Veräußerung der beschädigten Sache | 62 | ||
4. Dispositionsfreiheit und das „Vermögensumschichtungsargument“ | 64 | ||
5. Dispositionsfreiheit und das „Gleichbehandlungsargument“ | 67 | ||
6. Dispositionsfreiheit und das „Praktikabilitätsargument“ | 68 | ||
7. Einschränkungen des „Grundsatzes der Dispositionsfreiheit“ | 70 | ||
8. Zusammenfassung der Ergebnisse | 72 | ||
III. Phase (3): Sondermeinung des 5. Senats? – BGHZ 81, 385 | 73 | ||
1. Unterschiedliche Behandlung von Kraftfahrzeug- und Grundstückschaden? BGHZ 81, 385 contra BGHZ 66, 239 | 73 | ||
2. Bestätigung der Sondermeinung durch das Urteil vom 5.3.1993 – BGH NJW 1993, 1793 | 77 | ||
3. Zusammenfassung der Ergebnisse | 79 | ||
IV. Phase (4): Einschränkung der Dispositionsfreiheit durch Kostenvergleich und Wirtschaftlichkeitsgebot | 79 | ||
1. Berechnungsgrundsätze für den Kostenvergleich – VersR 1985, 593 und VersR 1985, 865/963 | 79 | ||
a) „Zweites Gleichbehandlungsargument“ als Replik des 6. Senats – VersR 1985, 593 | 79 | ||
b) Faustformel: Reparaturkosten plus Minderwert = Wiederherstellungskosten abzüglich Restwert | 81 | ||
c) Zusammenfassung der Ergebnisse | 83 | ||
2. Modifizierungen des Kostenvergleichs – BGHZ 115, 364 und BGHZ 115, 375 | 84 | ||
a) Die Rolle des Restwerts im Kostenvergleich | 85 | ||
b) Von der einfachen Kostenrechnung zum Gesamtkostenvergleich | 88 | ||
3. Abstrakte oder konkrete Restwertberechnung? – BGH VersR 1992, 457 | 88 | ||
4. Abstrakt-objektives oder konkret-subjektives Integritätsinteresse? – BGH VersR 1992, 710 | 92 | ||
a) Kriterientrias: objektiver Maßstab – subjektsbezogene Schadensbetrachtung – diverse Billigkeitserwägungen | 92 | ||
b) Das schadensrechtliche Bereicherungsverbot – ein Argument nur für die Restwertbestimmung? | 95 | ||
c) Nachweis des Integritätsinteresses durch Eigenreparatur oder Fremdreparatur? | 96 | ||
V. Phase (5): Grundsatzurteil zur Zweckbindung – BGHZ 97, 14 | 98 | ||
1. Die Ausgangsentscheidung: „Stärkungsmittelfall“ – VersR 1958, 176 | 99 | ||
a) Das „Verzögerungsargument“ | 99 | ||
b) Das „Arm-Reich-Argument“ | 101 | ||
c) Das „Mißbrauchsargument“ | 101 | ||
2. Die flankierende Entscheidung: Der „Narbenfall“ – BGHZ 63, 295 | 102 | ||
3. Begründungskonzept in BGHZ 97, 14: Abgrenzung des Personenzum Sachschaden | 104 | ||
a) Der Umkehrschluß aus dem „Vermögensumschichtungsargument“ | 105 | ||
b) Das „Umgehungsargument“ | 106 | ||
c) Zwischenergebnis | 108 | ||
4. Bestätigung des zweiten „Grundsatzurteils“ durch den 9. Senat – NJW 1992, 3096 | 108 | ||
VI. Erste Zwischenbilanz: Bewertungen und Tendenzen | 110 | ||
1. Der „Grundsatz der Dispositionsfreiheit“ – ein dogmatischer Torso | 110 | ||
2. Tendenz zum konkret-subjektiven Maßstab | 111 | ||
3. Gelungene Etablierung des „Grundsatzes der Dispositionsfreiheit“? | 111 | ||
Kapitel 3: Die Protokolle der Zweiten Kommission (Prot. I 296 / 297) als Basis der „Dispositionsfreiheit“? | 113 | ||
I. Das Streitentlastungsargument | 115 | ||
II. Das An-Vertrauensargument | 117 | ||
III. Das Abkoppelungsargument contra erweiterter Herstellungsbegriff | 119 | ||
IV. Zweite Zwischenbilanz: das Scheitern der historisch-dogmatischen Grundlegung der Dispositionsfreiheit | 126 | ||
Kapitel 4: Das Herstellungsprinzip und der Ersatz fiktiver Kosten | 128 | ||
I. Restitution oder Kompensation? | 128 | ||
1. Das Restitutionsprinzip als Leitprinzip des Gesetzes | 128 | ||
2. Die historische Entwicklung des § 249 S. 2 BGB: vom reinen Geldersatzanspruch zum modifizierten Herstellungsanspruch | 131 | ||
3. Vom „modifizierten Herstellungsanspruch“ zum „zweckgebundenen Herstellungsanspruch“ | 138 | ||
II. Wandlungen des Herstellungsbegriffs | 142 | ||
1. Herstellung des Zustands (= Reparatur und Ersatzbeschaffung) oder Herstellung der Sache (= Reparatur)? | 142 | ||
a) Der faktische Herstellungsbegriff des historischen Gesetzgebers | 142 | ||
b) Der wirtschaftliche Herstellungsbegriff der Rechtsprechung | 144 | ||
c) Die Entwicklung des Herstellungsbegriffs in der Literatur | 148 | ||
d) Zwischenergebnis | 155 | ||
2. Der erweiterte Herstellungsbegriff: Ersatzbeschaffung durch Neubeschaffung bei gleichzeitigem Überkompensationsausgleich | 155 | ||
III. Herstellungsprinzip und Interesse | 159 | ||
1. Der Interessenbegriff | 159 | ||
2. Die Interessen des Geschädigten bei der Abwicklung eines Sachschadens | 163 | ||
a) Die Interessen bei der Herstellung durch Reparatur: Affektions-, Integritäts- und Wertinteresse | 164 | ||
b) Die Interessen bei der Herstellung durch Ersatzbeschaffung: Integritäts- und Wertinteresse | 171 | ||
c) Das Interesse bei nicht durchgeführter Herstellung: Wertinteresse | 175 | ||
3. Die Interessen des Geschädigten bei der Abwicklung eines Körper- bzw. Gesundheitsschadens | 177 | ||
a) Die Interessen bei einer durchgeführten Heilung: Integritäts- und Affektionsinteresse (1. Komponente) | 177 | ||
b) Das Interesse bei nicht durchgeführter Heilung: Affektionsinteresse (2. und 3. Komponente) | 179 | ||
IV. Dritte Zwischenbilanz: die Zusammenfassung der historischen und dogmatischen Grundlagen | 180 | ||
1. Restitutionsprinzip als Leitprinzip des Gesetzes | 180 | ||
2. Der Herstellungsbegriff: „Betätigung des Integritätsinteresses“ | 181 | ||
3. Herstellungsprinzip und Interesse: Trennung von Schaden und Interesse | 182 | ||
Kapitel 5: Die modifizierte Zweckbindungstheorie – Rechtsfortbildung im Spannungsfeld kollidierender Prinzipien | 184 | ||
I. Die erforderlichen Kosten i.S.d. § 249 S. 2 BGB | 185 | ||
II. Schadensersatz oder Aufwendungserstattung? Die Rolle des Aufwendungsbegriffs in der schadensrechtlichen Dogmatik zu § 249 S. 2 BGB | 187 | ||
1. Der Anspruch aus § 249 S. 2 BGB – ein Erstattungsanspruch? | 189 | ||
2. Vorschußthese oder Bedarfsschadenstheorie als Ausweg? | 193 | ||
3. Der Einfluß des Aufwendungsbegriffs auf Schadensverständnis und Schadensart | 197 | ||
4. Zwischenergebnis | 205 | ||
III. Schadensrechtliches Bereicherungsverbot – Ausgleichsprinzip – Differenzhypothese | 206 | ||
1. Das schadensrechtliche Bereicherungsverbot – die negative Zielbestimmung des Schadensrechts | 207 | ||
2. Das Ausgleichsprinzip – die positive Zielbestimmung des Schadensrechts | 209 | ||
3. Die Differenzhypothese – ein technisches Vergleichs- und Berechnungsverfahren zur Schadensermittlung? | 211 | ||
IV. Die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten nach § 249 S. 2 BGB | 214 | ||
1. Die Rechtsnatur: Ersetzungsbefugnis – Wahlschuld (§ 262 BGB) – elektive Konkurrenz? | 215 | ||
2. Von der Ersetzungsbefugnis zum umfassenden Gestaltungsrecht | 216 | ||
3. Ergebnis: „Dispositionsfreiheit“ hinsichtlich des Ob und Wie der Schadensbeseitigung | 223 | ||
V. Unmöglichkeit der Herstellung – das Verhältnis von § 249 S. 2 BGB zu § 251 I 1. Var. BGB | 224 | ||
1. Verstoß gegen die „Konzeption des Gesetzes“? | 224 | ||
2. Die Unmöglichkeit der Herstellung und das Gestaltungsrecht des Geschädigten | 227 | ||
a) Objektive Unmöglichkeit und subjektives Unvermögen | 227 | ||
b) Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit | 228 | ||
VI. Der fehlgeschlagene Herstellungsversuch | 233 | ||
1. „Grundsatz der Dispositionsfreiheit“ | 233 | ||
2. Die klassische Zweckbindungstheorie | 237 | ||
3. Das Gestaltungsrecht des Geschädigten im Schadensabwicklungsverhältnis | 238 | ||
VII. Der Ersatz fiktiver Kosten und die objektive Wertordnung des Grundgesetzes | 240 | ||
1. Die Dispositionsfreiheit als „Eigentumsfreiheit mit anderen Mitteln“, Art. 14 GG? | 241 | ||
2. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, Art. 2 Ι, II i.V.m. Art. 1 I GG | 244 | ||
VIII. Schadensabwicklung als Enttäuschungsverarbeitung | 247 | ||
1. Bildung von Erwartungsstrukturen | 247 | ||
2. Abwicklung von Enttäuschungen | 248 | ||
IX. Das Effizienzprinzip – die ökonomische Analyse des Schadensrechts | 253 | ||
1. Das Effizienzprinzip und die Ersetzungsbefugnis nach § 249 S. 2 BGB | 255 | ||
2. Das Effizienzprinzip und das Wirtschaftlichkeitspostulat | 257 | ||
3. Das Effizienzprinzip und die verschiedenen Schadensabwicklungskonzepte | 258 | ||
Kapitel 6: Die Gestaltungsrechte im gesetzlichen Schadensabwicklungsverhältnis | 259 | ||
I. Das Gestaltungsrecht des Geschädigten, § 249 S. 2 BGB | 261 | ||
II. Das Gestaltungsrecht des Schädigers, § 251 II BGB | 263 | ||
III. Ersatz fiktiver Kosten nach Allgemeinem Schadensrecht? | 266 | ||
Literaturverzeichnis | 270 | ||
Sachwortverzeichnis | 281 |