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Leisner, W. (2001). Krise des Gesetzes. Die Auflösung des Normenstaates. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50581-4
Leisner, Walter. Krise des Gesetzes: Die Auflösung des Normenstaates. Duncker & Humblot, 2001. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50581-4
Leisner, W (2001): Krise des Gesetzes: Die Auflösung des Normenstaates, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-50581-4

Format

Krise des Gesetzes

Die Auflösung des Normenstaates

Leisner, Walter

(2001)

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Abstract

Das Gesetz ist die zentrale Kategorie unseres rechtlichen Denkens. Seine geistigen Wurzeln kommen aus den Tiefenschichten des Religiösen und wirken bis heute in naturwissenschaftlichen und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. In der freiheitlichen Demokratie ist die Norm des Rechts Grundlage, wenn nicht Wesen des Staates: Nicht Menschen herrschen - Gesetze gelten.

Doch dieses Gesetz läuft in eine tiefe Krise. Sie bedroht die Gewaltenteilung und den Rechtsstaat: Einerseits geht den staatlichen Gesetzen ihre alte Majestät der unverbrüchlichen Geltung verloren, in Normfluten, Überkomplikation, Experimentiernormierungen - zum anderen erscheinen sie dennoch immer weniger geeignet, eine rasch sich wandelnde Wirklichkeit abzubilden. Zwischen der Kritik schwächelnder Bestreitbarkeit und fortschrittshemmender Überstarre werden nicht die Gesetze, es wird »das Gesetz« zum Problem.

Der Verfasser will die Gründe dieser Entwicklung aufzeigen und ihre vielfachen Erscheinungsformen zusammenordnen. Sie reichen von der Grundsätzlichkeit einer Freiheit, die sich auch der Gesetzesbindung nicht unterwerfen will, bis zu einer »Normvervielfältigung« in immer weniger übersichtlicher Auslegung; mit ihr schieben sich Verwaltung und Gerichtsbarkeit als »Gesetzgebungs-Fortsetzer« zwischen Parlament und Bürger. Vor allem schwächt sich die Gesetzesunterworfenheit einer regierungsgebundenen Verwaltung ab, welche Parlamentsgesetze vorbereitet, sich mit den Verordnungen ihre eigenen Gesetze gibt und im Verwaltungsakt das oft so entscheidende »erste Wort« spricht; darin wandelt sich der Rechtsstaat.

Viele Gesetze sind eine Verfassungsnotwendigkeit in der Demokratie. Eine Chance hat diese, wenn sich ihre ausufernde Regelungsmacht zurücknimmt; nur dann kann das (übrig-)bleibende Gesetz seine Ordnungskraft bewahren. Andernfalls führt der Weg in ein neues Gewaltsystem von disparaten Einzelbefehlen in Gesetzesform bis zum Ordre de Mufti.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 5
Inhaltsverzeichnis 7
A. Fragestellungen – Dimension des Problems: Bedeutung und Gefährdung des Gesetzes 13
I. Vom Recht zum Gesetz 13
1. Das Gesetz – Grundbegriff allen Rechts 13
2. Der Niedergang des ungeschriebenen Rechts 14
3. „Gesetz“ – das regimeübergreifende „gute“ Wort 19
a) Das Gesetz – ein „gutes Wort“ für skeptische Juristen 19
b) Und ein „gutes Wort“ für die Gesetzesunterworfenen 20
c) Ein staatsformübergreifender Begriff 22
4. Die Wurzeln der „Güte des Gesetzes“ 23
a) Die historische Gewöhnung ans Gesetz 24
b) Die religiösen Wurzeln des „Gesetzes als guter Begriff“ 28
c) Von den wissenschaftlichen Wurzeln der Güte des Gesetzesbegriffs 32
5. „Gesetz“ – ein „guter Begriff“ aus politischer Entscheidung in der Demokratie 34
a) Die gesetzgebende Gewalt als die Erste im Staat 34
b) Alle Gewalt unter dem Gesetz 35
c) Gesetzgebung – durch höchstes Gesetz geregelt 36
d) Gesetz – Ausdruck der Mehrheit, Mittelpunkt der Demokratie 37
e) Die Verfestigung des Gesetzes in der Staatsgrundnorm der Rechtsstaatlichkeit 38
II. Und gerade ein höchster Rechtsbegriff in der Krise 40
1. Die Problemdimension: Einheit des Gesetzesbegriffes – Bedrohung durch jede Gesetzeskrise 40
2. „Das Gesetz“ – vielfach gefährdet 41
3. Gesetzeskrise – Majestätsverletzung 42
B. Die inneren Schwächen des Gesetzes – dogmengeschichtliche Betrachtungen 44
I. Relativierende Entwicklungen im Bereich der Gesetzgebung selbst 44
1. Verfassung als Gesetz – Beginn der Gesetzeskrise 45
2. Das Öffentliche Recht: Hoheitsrecht als Verlust der Gesetzeshoheit 50
3. Der Vorbehalt des Gesetzes: das Gesetz als kleine Münze 54
II. Verwaltung: Vom Gesetz als Schranke zum Gesetz als Instrument 58
1. Vom Gesetz als Einschränkung zum Gesetz als Grundlage der Verwaltungstätigkeit 59
2. Herrschaft der Verwaltung über das Gesetz 61
3. Verordnung gegen Gesetz 65
4. Das Privileg der Verwaltungsakte: vorläufige Selbstbefreiung von der Gesetzesbindung 73
5. Das Gesetz als Verwaltungsinstrument: Notwendige Relativierung durch Planungsgesetze 78
6. Gesetz nach Verwaltungsinterpretation 84
III. Die Richter gegen das Gesetz 88
1. Der Richter – von jeher Gegenpol des Gesetzes 89
2. Konstitutionalismus: „Richterliche Unabhängigkeit gegen Gesetz“ 91
3. Die Entwicklung der Aktionsformen von „Judikative gegen Gesetz“ 95
4. Die Richter – „wesentlich Verfassungsrichter“ – gegen das Gesetz im Namen höheren Rechts 101
IV. Die Freiheit – Ursprung und Verstärkung der Gesetzeskrise 107
1. Das Gesetz – „freiheitsimmanent“? 107
a) „Freiheit nur durch Gesetz“? 108
2. Freiheitsdynamik sprengt Gesetzesbindung 111
a) Die Geschichte der Freiheit – eine Historie von Dynamik 111
b) Freiheit – eine Dogmatik verschiebbarer Grenzen 113
c) Die Unmöglichkeit „gesetzesförmiger Freiheit“ 115
3. Freiheit: immer mehr, bis zum „Ende der Gesetze“ 117
a) Gesetz: Tendenz nach Null 117
b) Gesetze: notwendiges Übel ohne Legitimationskraft 117
c) Vom nicht-notwendigen Gesetz 118
d) Die lex imperfecta – eine Auflösungserscheinung des Gesetzes – Zusammenleben in Selbstbindung 119
e) Anarchie – vom unnötigen zum bösen Gesetz 122
C. Die Unbeständigkeit des Gesetzes 123
I. Die Gesetzesinflation 123
1. Die Normenmasse: Abwertung des Gesetzes 123
a) „Das Gesetz“ – relativiert durch „Die Gesetze“ 123
b) Unendliche Normflut 124
c) Majestätsverlust – Majestätssturz in der lex posterior 125
2. Die Un(er)kennbarkeit der Normen – der Gesetzesstaat als Arkanstaat 126
a) Unübersichtlichkeit – Verlust der Zentralfunktion des Gesetzes 126
b) „Das Gesetz“ in den Händen neuer Priester: Juristen, Spezialisten 126
c) Bürgernähe? – Von der Kenntnisfiktion zur Gesetzeserkundung 127
d) Das unfassbare Gesetz – Entlegitimierung der Demokratie 129
3. Die Gesetzesvervielfältigung – Ende des für alle geltenden Gesetzes 130
a) Keine Bedeutung mehr für „alle Bürger“ 130
b) Vom „gleichen Gesetz“ zum „Gesetz als realitätsnahem Ausnahmenkatalog“ 131
II. Beständigkeitsverlust – das Gesetz als Opfer der Zeit 132
1. Änderungsnotwendigkeit: Folge der Norminflation 132
a) Normenzahl – Änderungsbedarf in Potenz 132
b) Änderungsleichtigkeit – in unbekümmerter Zunahme 133
c) Änderung mal Änderung: Klarstellungen, Systematisierungen, Vernetzungen 134
2. Periodische Gesetzesänderung – Folge oder Ziel? 135
a) Gesetz – das wesentlich Unperiodische 135
b) Novellierung als Fortschritt 136
c) Von der Gesetzgebungsperiode zum „periodischen Gesetz“ – Haushaltsgesetze, Tarifverträge 137
d) Das Jahressteuergesetz – nur eine notwendige Etappe 139
e) Bezifferung und Geldentwertung – Versuchung und Zwang zur „Anpassung“ 140
f) Periodisierung des Gesetzes: eine neues Staatsverständnis 141
3. „Gesetz mit Verfallsdatum“ 143
a) Das Gesetz auf Zeit – im Zuge der Zeit 143
b) Das Zeitgesetz – ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit? 144
c) Zeitgesetz gegen Rechtsstaat 145
4. Experimentiergesetze 148
a) Experimentierklauseln als Zeitgesetze – Zeitgesetze als Experimente 148
b) Experiment: Ausdruck des Gesetzes als Wille und als Erkenntnis 148
c) Experiment: optimierende Staatsunternehmens-Strategie 149
d) Der Geltungsverlust des Gesetzes im Versuch 150
5. Zeitnormen: dann nurmehr Verfassung als Gesetz? 152
III. Gesetzeskomplikation als Unbeständigkeit der Gesetze 154
1. Die „komplizierten Gesetze“ als Krisenerscheinung des Gesetzes – Allgemeines 154
a) Gesetzeskomplexität – eine Gefahr für Normgehorsam, Normgeltung 154
b) Tiefere Gründe der Komplexitätskritik 154
2. Komplizierte Gesetze – beständig und unbeständig zugleich 155
a) Komplizierte Gesetze – konservativ-beständiges Recht 155
b) Schwierige Gesetze: Raum und Anstoß für Neues 156
3. Erklärungs-, Auslegungs-, Veränderungsbedarf 157
a) Von der Erklärung zur Änderung 157
b) Interpretationsbedarf des Schwierigen – Änderungsgelegenheit 158
4. Das komplizierte Gesetz – Ruf nach neuen Normen 159
a) Die „gesetzliche Klarstellung“ – das Ausufern der authentischen Interpretation 159
b) Die Illusion des „Vereinfachungsgesetzes“ 160
c) Spätere Gesetzgebungszustände – noch komplizierter 161
5. Bewältigung der Gesetzeskomplexität – zweifelhafte Verfahren 161
a) Das Gesetz der zunehmenden Komplikation 162
b) Die Bewältigung des „schwierigen Gesetzes“ durch Auflösung der Einheit des Gesetzgebers 163
c) Schwierigkeitsbewältigung durch intellektuelles Bemühen – oder Schwierigkeitsverstärkung? 164
IV. Unbeständigkeit des Gesetzes – ein Schicksal des demokratischen sozialen Rechtsstaats 165
1. Zunehmende Komplexität der Realität 165
2. Unbeständigkeit des Gesetzes – im Namen der Rechtsstaatlichkeit 167
3. Sozialstaatlichkeit – wichtigster Grund für die Unbeständigkeit der Gesetzeslagen 168
a) Schwächerenschutz – Zwang zu dauernder Normänderung 168
b) Schwächerenschutz – Aufgabe der Gesetzgebung? 169
c) Sozialstaatlicher Schwächerenschutz – eine unverrückbare politische Vorgabe 170
4. Demokratie – Staatsform des unbeständigen Gesetzes 171
V. Fazit: Verlust der „Gesetzeskraft“ 173
D. Die Überstarrheit des Gesetzes – die Norm als Störungsfaktor realitätsgerechter Entwicklung 175
I. Flexibilität – ein neues Kulturideal des Rechts 175
1. Das Gesetz zwischen traditionalistischer und progressiver Kritik – Flexibilitätsmangel: die Zweite Front der Gesetzeskritik 177
2. Das Gesetz: ein Aufstau in der Zeit 178
3. Das Gesetz – stets zu spät 179
4. Keine Synthese von Schwäche und Starrheit des Gesetzes 181
5. Die Verfassung – Synthese von Starrheit und Flexibilität der Normen? 182
II. Wirtschaftlich-technologische Entwicklung und Gesetzesstarrheit 184
1. Wettbewerb – „im Werden“ ein Gegenbegriff zur Gesetzesstatik 184
2. Naturwissenschaftlich-technischer Fortschritt: gegen das Gesetz oder an ihm vorbei 189
3. Die Überlegenheit der gesetzesfreien über die Gesetzeswirtschaft 194
III. Bürokratie: Folge und Personifizierung des überstarren Gesetzes 196
1. Bürokratiekritik – eine Basisbewegung gegen Vergesetzlichung 196
2. Bürokratiekritik als Gesetzeskritik 197
3. Parkinsons Gesetz – Folge der Gesetze 201
4. Das „Selbstüberdauern des Gesetzes“ – in Bürokratie 202
IV. Planungen in Gesetzesform – nicht Flexibilisierung, sondern Erstarrung 203
1. Planung durch Gesetz: Ein Sündenfall der Normendogmatik 203
2. Das Planungsgesetz als Form der Betonierung 206
3. Das Planungsgesetz als Superstatik 208
V. Das Haushaltsgesetz: Finanzstarre in Kameralistik 209
1. Gesetzesform als Gesetzespervertierung 209
2. Das Haushaltsgesetz als Erstarrung der Staatsfinanzen 211
a) Das Haushaltsgesetz als zeitlicher Machtaufstau 211
b) Der Weg vom Haushaltsgesetz in die wirtschaftsverstarrende Kameralistik 213
3. Bürokratie und Haushaltsgesetz – Spirale normativer Verstarrung 215
E. Ausblick: Dauerkrise des Gesetzes oder Übergang zu neuen Formen der Machtausübung 217
I. Die Krise des Gesetzes – eine Verfassungsnotwendigkeit in der Demokratie 217
1. Die Krisenphänomene Schwäche und Starrheit des Gesetzes – gegenseitig bedingt 217
2. Die Staatsgrundentscheidung der Demokratie – Grundlage des Gesetzes und seiner Krise 218
II. Mehr Gesetze – mehr Krise 220
1. Das Fortlaufen der Gesetze 220
2. Das Gesetz – Beruhigung der steigenden Machtängste der Demokratie: Machtmissbrauch und Machtkorruption 221
3. Der Zug in die Schwäche 222
III. Ausweichen in gesetzesfreie Staatstätigkeit – Verwaltung als Bewältigung der Gesetzeskrise? 222
IV. Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat – Judikative als Heilmittel gegen Gesetzeskrise? 224
1. Verfassungsgerichtsbarkeit: Korrektur von Gesetzen, nicht der Gesetzgebung 225
2. Gesetzesöffnungen zur Gerichtsbarkeit: Generalklauseln, Beurteilungskontrollen 226
3. Case Law gegen Gesetzeskrise 229
4. Exkurs: Ausweichen in „andere Gesetze“, der Entwicklung, der Wissenschaft? 229
V. Eine Chance der Gesetzeskrise: mehr Bürgerfreiheit? 232
1. Keine Bürgerfreiheit im Gesetzesdickicht 232
2. ... es sei denn, in Freiheit zur Gesetzesumgehung 234
3. Ende der „Freiheit durch Gesetz“ 235
VI. Am Ende der „gesetzgebenden Gewalt“ 236
VII. Auf dem Weg in ein neues Gewaltsystem – vom Gesetz zum Ordre de Mufti 238
1. Die „Befehlswerdung“ der Macht 238
2. Vom Gesetz zum „System punktueller Befehle“ 240
3. Eine historische Rückwendung – zum „Naturzustand“? 240
Sach- und Personenverzeichnis 243