Über den Mißbrauch von Mitwirkungsrechten und die Mitwirkungspflichten des Verteidigers im Strafprozeß
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Über den Mißbrauch von Mitwirkungsrechten und die Mitwirkungspflichten des Verteidigers im Strafprozeß
Schriften zum Prozessrecht, Vol. 157
(2000)
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$a"Es ist eine heilige Forderung der Gerechtigkeit, daß der dem juristisch durchgebildeten Anklagebeamten gegenüber fast wehrlose Angeklagte in allen Nicht-Bagatell-Fällen der Verteidigung nicht ermangele."$z Dieses Binding-Zitat hat Dahs seinem Verteidigerhandbuch vorangestellt. Die Wirklichkeit sieht vergleichsweise düster aus. Engagierte Strafverteidigung wird in Deutschland leicht der Komplizenschaft gleichgestellt. In der Vergangenheit schlug sich das in erster Linie in der Diskussion um den $aMißbrauch$z von Verteidigerrechten nieder. Neuerdings wird in der Rechtsprechung zusätzlich das Bestreben deutlich, Mitwirkungspflichten des Verteidigers im Bereich tradiert richterlicher Verantwortung zu knüpfen. Marksteine dieser Entwicklung sind zwei höchstrichterliche Entscheidungen: zum einen die Ernennung des Verteidigers zum Beweisantragspfleger des Beschuldigten in BGHSt 38, 111 ff.; zum anderen die bekannte Widerspruchslösung in BGHSt 38, 214 ff.Grüner stellt der Behandlung dieser Problemstellungen zunächst grundsätzliche Überlegungen über die Rolle des Verteidigers im Strafprozeß voran. Dessen Parteistellung als Prozeßsubjektsgehilfe des Beschuldigten schließt die Wahrnehmung anderer öffentlicher Interessen aus. Gleichermaßen wendet sich Grüner dagegen, den Verteidiger aus seiner Stellung als standesrechtlich gebundenes Organ der Rechtspflege zu lösen. Bei der Aufarbeitung und Analyse der Mißbrauchsproblematik zeigt sich allerdings, daß die rechtsanwaltliche Organstellung und die darauf bezogenen Vorschriften des anwaltlichen Standesrechts zur Konturierung des verbotenen Verteidigerhandelns nicht bestimmt genug sind. Weil der reformierte Straßprozeß auch als Kampf ums Recht strukturiert ist, dienen weiterhin die prozeßrechtlichen Vorschriften nur vereinzelt der Mißbrauchsabwehr. Das wirkt sich sogar auf die Anwendung typischer "Verteidigerdelikte" wie der Strafvereitelung aus. Letztlich wird der Bereich verbotenen Verteidigerhandelns nur von den allgemeinen Strafgesetzen bestimmt. Erst recht finden Mitwirkungspflichten des Verteidigers für ein funktionstüchtiges bzw. justizförmiges Verfahren außerhalb seiner Parteistellung im geltenden Recht keinen Anhalt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 13 | ||
Erster Teil: Die rechtliche Doppelstellung des Verteidigers als Prozeßsubjektsgehilfe und Organ der Rechtspflege | 15 | ||
A. Der Verteidiger als Prozeßsubjektsgehilfe des Beschuldigten | 15 | ||
I. Historischer Hintergrund | 16 | ||
II. Subjektstellung des Beschuldigten als Leitidee | 18 | ||
III. Strukturierung der Verteidigerfunktionen | 21 | ||
1. Subjektstellung und prozessuale Autonomie | 21 | ||
2. Subjektstellung und dialektische Wahrheit | 24 | ||
3. Konsequenzen für den Verteidiger | 27 | ||
4. Verteidiger und Legitimation durch Verfahren | 29 | ||
a) Wahrheit und soziale Wirklichkeit | 31 | ||
b) Die Rechtskraft des unwahren Sachurteils | 36 | ||
c) Gerechtigkeit und Legitimation des Verfahrens | 40 | ||
B. Der Verteidiger als Organ der Rechtspflege | 41 | ||
I. Vorbehalte gegen den Verteidiger im inquisitorischen Strafprozeß | 42 | ||
II. Freie Advokatur und freie Verteidigung | 46 | ||
C. Die Doppelstellung des Verteidigers als Grundsatzproblem | 47 | ||
I. Der Alternativentwurf Verteidigung | 51 | ||
1. Unklare prozessuale Konzeption | 52 | ||
2. Zur Geltung des anwaltlichen Standesrechts | 54 | ||
II. Die eingeschränkte Organtheorie von Beulke | 58 | ||
1. Eingeschränkte Organtheorie und anwaltliches Standesrecht | 58 | ||
2. Mitwirkung des Verteidigers und öffentliches Interesse | 59 | ||
3. Der Verteidiger als Komplize des Beschuldigten | 63 | ||
4. Die zusätzlichen öffentlichen Interessen im einzelnen | 64 | ||
a) Das öffentliche Interesse an der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland | 64 | ||
b) Das öffentliche Interesse an der Effektivität der Strafrechtspflege | 66 | ||
c) Das öffentliche Interesse an der Effektivität der Verteidigung | 68 | ||
5. Abschließende Wertung | 72 | ||
III. Das Vertragsprinzip von Lüderssen | 73 | ||
1. Zur Überlagerung strafprozessualer Wertungsmaßstäbe im Mandatsverhältnis | 74 | ||
2. Zum Standesrecht als öffentlich-rechtliche Komponente im Mandatsverhältnis | 78 | ||
3. Abschließende Wertung | 79 | ||
D. Zusammenfassung Erster Teil | 80 | ||
Zweiter Teil: Die Mißbrauchsproblematik – Der Verteidiger als Spießgeselle des Beschuldigten oder als Gehilfe des Gerichts | 82 | ||
A. Die Mißbrauchsproblematik als Zentralbegriff in Rechtsprechung und Rechtspolitik | 85 | ||
B. Prozessuale Gegenmacht – Soziale Gegenmacht als kritische Masse der Mißbrauchsproblematik | 90 | ||
I. Die widersprüchliche Prozeßstruktur | 91 | ||
II. Anwaltliches Standesrecht als Einbruchstelle staatlicher Restriktion | 93 | ||
III. Akzeptanz des Verteidigers als Helfer inquisitorischer Wahrheitsfindung | 94 | ||
IV. Keine Akzeptanz des Verteidigers als soziale und prozessuale Gegenmacht | 96 | ||
1. Die Kommunistenprozesse der Weimarer Zeit und der frühen Bundesrepublik | 97 | ||
2. Die RAF-Prozesse | 100 | ||
C. Versuch einer systematischen Lösung | 106 | ||
I. Mißbrauchsproblematik als strafprozessuale Problemstellung | 107 | ||
1. Vorüberlegung: Prozeß als Kampf ums Recht | 108 | ||
2. Prozeßimmanente Grenzen prozessualer Mißbrauchsabwehr | 110 | ||
3. Zur Reichweite prozessualer Wertungsmaßstäbe | 116 | ||
II. Keine eigenständige Bedeutung der Verteidigerdelikte | 119 | ||
1. Prozeßordnungswidrigkeit als versteckt strafrechtlicher Maßstab der Verteidigerdelikte | 120 | ||
2. Prozeßhandlung als maßgebliches Abgrenzungskriterium | 122 | ||
a) Abgrenzungsfunktion | 124 | ||
b) Zuordnungsfunktion | 127 | ||
III. Das anwaltliche Standesrecht als Instrument gegen mißbräuchliches Verteidigerverhalten | 133 | ||
1. Organstellung und Sachlichkeitsgebot als standesrechtlicher Mißbrauchsvorbehalt | 134 | ||
2. Das Lügeverbot als standesrechtlicher Mißbrauchsvorbehalt | 137 | ||
3. Schützende Funktion des anwaltlichen Standesrechts | 142 | ||
IV. Sonderproblem: Weisungsgebundenheit des Verteidigers | 145 | ||
1. Weisungsgebundenheit und standesrechtliche Wertungsmaßstäbe | 147 | ||
2. Weisungsgebundenheit und prozessuale Wertungsmaßstäbe | 149 | ||
a) Problemfälle: Beweisantrag-Ablehnungsantrag | 150 | ||
b) Subjektstellung-Subjektsdefizit als Bezugspunkte der Weisungsgebundenheit | 151 | ||
c) Subjektstellung des Beschuldigten und Weisungsgebundenheit | 153 | ||
d) Subjektsdefizit und Weisungsgebundenheit | 157 | ||
e) Keine Einschränkungen der Weisungsgebundenheit des Verteidigers | 163 | ||
V. Zusammenfassung Zweiter Teil | 164 | ||
Dritter Teil: Die Mitwirkungspflichten des Verteidigers – Der Bundesgerichtshof auf dem Weg zum unparteilichen Parteiprozeß | 167 | ||
A. Der Verteidiger als Garant einer funktionsfähigen Hauptverhandlung | 171 | ||
I. Der Vergleich mit bisher diskutierten Mitwirkungspflichten | 171 | ||
II. Der Verteidiger als Beweisantragspfleger des Beschuldigten | 176 | ||
1. Beweisantragspflegschaft als Richterrechtspolitik | 178 | ||
2. Unzulässigkeit der Beweisantragspflegschaft nach geltendem Recht | 179 | ||
III. Mitwirkungs- und Übernahmepflicht: Der Pflichtverteidiger als Staats-Anwalt | 182 | ||
1. Verschärfung der Mitwirkungs- und Übernahmepflicht im staatlichen Interesse durch den Bundesgerichtshof | 184 | ||
2. BVerfGE 9, 36 ff.: Pflichtverteidigung und staatliche Fürsorge | 188 | ||
3. BVerfGE 39, 238 ff.: Pflichtverteidigung und Verfahrenssicherung | 192 | ||
4. Grenzen von Mitwirkungs- und Übernahmepflicht nach geltendem Recht | 198 | ||
B. Der Verteidiger als Garant eines justizförmigen Verfahrens | 201 | ||
I. Dogmatik der unselbständigen Beweisverwertungsverbote und Widerspruchslösung | 205 | ||
1. Die dogmatischen Grundlagen unselbständiger Beweisverwertungsverbote | 206 | ||
2. Widerspruchslösung und richterliche Aufklärungspflicht | 209 | ||
a) Richterliche Aufklärungspflicht und Heilung von Verfahrensfehlern | 209 | ||
b) Keine rechtlichen Anknüpfungspunkte für die Widerspruchslösung als Ausnahmemodell zur richterlichen Aufklärungspflicht | 211 | ||
3. Die Abwägungslehre als inquisitorische Umgehungskonstruktion | 217 | ||
II. Rügeverlust durch zurechenbares Parteiverhalten und Mitwirkungspflichten des Verteidigers | 220 | ||
1. Spannungsverhältnis zwischen Recht und richterlicher Definitionsmacht | 221 | ||
2. Zur Verzichtbarkeit von Verfahrensnormen | 225 | ||
a) Verzichtbarkeit und Amtsaufklärungspflicht | 226 | ||
b) Belehrungspflichten und Benachrichtigungspflichten als unverzichtbare Verfahrensnormen | 229 | ||
c) Verzicht und Verwirkung als Tatbestände des Rügeverlusts | 232 | ||
3. Revisionsrechtliche Mitwirkungspflichten des Verteidigers und Rügeverlust | 236 | ||
a) Faktische Übertragung der Belehrungspflichten auf den Verteidiger | 240 | ||
b) Faktischer Rügeverlust durch Beweislast | 244 | ||
C. Zusammenfassung Dritter Teil | 246 | ||
Literaturverzeichnis | 248 | ||
Sachwortverzeichnis | 273 |