Natur - Mensch - Recht
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Natur - Mensch - Recht
Elemente einer Theorie der Rechtsbefolgung
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 190
(1999)
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Abstract
Vollzugsdefizite im Recht werden als Phänomen inzwischen allgemein zur Kenntnis genommen und problematisiert. "Erfunden" wurde das Vollzugsdefizit im Umweltrecht, aber bei genauerem Hinsehen hat sich auch das Strafrecht schon immer mit Vollzugsdefiziten beschäftigt. Die Kehrseite des Vollzugsdefizits ist die Rechtsbefolgung, die Bereitschaft und Fähigkeit der Bürger, rechtlichen Regeln Folge zu leisten, bzw. ihnen nicht Folge zu leisten. Die handlungs- und strukturtheoretischen Bedingungen der Rechtsbefolgung macht sich der Verfasser zum Problem und versucht, ein komplexes Verständnis für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Recht zu entwickeln.Dabei dienen die empirischen Ergebnisse der Untersuchungen zum umweltrechtlichen Vollzugsdefizit als Ausgangs- und Referenzpunkt der weiteren Überlegungen. Die Ergebnisse zeigen, dass Recht und soziale Praxis voneinander abweichen, Recht nicht einfach "umgesetzt" wird. Sie zeigen aber auch, dass Recht bei den Adressaten nicht unwirksam bleibt, ungehört verhallt, sondern Steuerungserfolge verbuchen kann. Dieses Phänomen ist theoretisch zu erfassen.Nach einer Diskussion der Theorieangebote zum Wirkmechanismus des Rechts rekonstruiert und diskutiert der Verfasser die handlungs- und strukturtheoretischen Grundlagen bei Anthony Giddens und Pierre Bourdieu. Ausgehend von wesentlichen Elementen und Bausteinen dieser Theorien, wird eine Konzeption des Verhältnisses von Recht und Handeln entwickelt. Dabei werden reflexive Ordnung, deren wesentliches Element das Recht ist, und vorbewusste Ordnung, die die Einlagerungen der Struktur im Handeln erfasst, gegenübergestellt. Den verharrenden Momenten der Struktur stehen dynamische, subjektive Elemente im Handeln gegenüber, die Lernprozesse erlauben.Anhand des Verhältnisses von reflexiver und vorbewusster Ordnung, ihrer Übereinstimmung oder Abweichung, wird der Wirkungsgrad der rechtlichen Norm bestimmt. Abschliessend werden die gewonnenen Hypothesen an einigen rechtlichen Beispielen exemplifiziert.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 15 | ||
1. Kapitel: Konzeptionen der Rechtsbefolgung | 27 | ||
A. Das Problem: Vollzugsdefizite im Umweltrecht | 27 | ||
I. Vollzugsdefizit im Wasserrecht - Querschnittsbetrachtungen | 29 | ||
1. Mangelnde Umsetzung rechtlicher Standards | 29 | ||
a) Konstanzer Wasserrecht | 29 | ||
b) Industrieabwässer der Bundesrepublik | 30 | ||
2. Norm - Interaktion - Bargaining | 32 | ||
a) Kommunale „Gegenwehr" | 32 | ||
b) Implementation in Unternehmen | 33 | ||
c) Interaktion im Nordharz | 35 | ||
3. Probleme des Forschungsansatzes | 35 | ||
II. Umweltnormen im Längsschnitt | 38 | ||
III. Recht und Steuerung | 41 | ||
1. Theoretische Konsequenzen der Querschnittsbetrachtungen | 41 | ||
a) „Dickicht der Behörden" | 41 | ||
b) Politikverflechtung | 42 | ||
c) Autopoetische Kommunikation | 43 | ||
d) Grenzen regulativen Rechts | 44 | ||
2. Fazit und Problemstellung | 45 | ||
3. Theorieangebote | 49 | ||
Β. Subjektiver Juridismus - Das utilitaristische Theorem | 52 | ||
I. Die klassische Argumentation - Hobbes | 52 | ||
II. Die ökonomische Theorie des Rechts - Rechtsbefolgung als Kosten-Nutzen- Kalkül | 57 | ||
III. Neue politische Ökonomie - Die Kritik des Ordnungsrechts | 67 | ||
C. Objektiver Soziologismus | 72 | ||
I. Durkheim - Recht als Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität | 73 | ||
1. Durkheims Fragestellung | 73 | ||
2. Arbeitsteilung und gesellschaftliche Solidarität | 75 | ||
3. Formen der Solidarität und Formen des Rechts | 77 | ||
II. Die Psychoanalyse und die Internalisierung von Werten | 85 | ||
III. Programmierung durch internalisierte Werte - Parsons | 90 | ||
1. Handlung - Norm - Recht | 90 | ||
a) Probleme der Interpretation Parsons | 90 | ||
b) Orientierungsmodi | 93 | ||
c) Normative Muster | 94 | ||
d) Internalisierung von Werten und Normen | 97 | ||
e) Die Handlungstheorie als Grundlage der Systemtheorie | 98 | ||
f) Normative Integration von Handlung und Gesellschaft | 100 | ||
g) Recht und Handlungstheorie | 101 | ||
2. Systemtheorie und Recht | 103 | ||
a) Grundlagen des Systembegriffs | 103 | ||
b) Grundannahmen der späten Systemtheorie | 104 | ||
c) Legitimation der normativen Ordnung durch das kulturelle System | 105 | ||
3. Die Funktionen des Rechts | 107 | ||
a) Recht im Kontext der Systemtheorie | 107 | ||
b) Probleme des objektivistischen Verständnisses von Recht | 108 | ||
D. Rechtsbefolgung und Legitimation | 111 | ||
I. Materiales Natur-und Vernunftrecht | 113 | ||
1. Problemstellung | 113 | ||
2. Lösung - unrichtiges Recht | 114 | ||
3. Konsequenzen für die Rechtsbefolgung | 115 | ||
II. Legitimität durch Legalität | 119 | ||
1. Max Weber: Legalitätsglauben und legitime Herrschaft | 119 | ||
2. Legalitätsglaube und Rechtsbefolgung | 123 | ||
a) Legalitätsglaube und Rationalisierung | 124 | ||
b) Schwächung des Legalitätsglaubens aufgrund traditionaler Vorbehalte gegenüber der modernen Legalität | 126 | ||
3. Legitimation durch Verfahren - Zustimmung der Rollenspieler | 128 | ||
a) Integration des Verfahrensbeteiligten - Gerichtsverfahren | 129 | ||
b) Ambivalenz des Verfahrens | 130 | ||
c) Wahlverfahren | 132 | ||
III. Demokratie - Akzeptanz durch Zustimmung? | 135 | ||
1. Versuch einer Systematisierung | 135 | ||
a) Die liberale Auffassung | 137 | ||
b) Die republikanische Auffassung | 138 | ||
c) Staatsdenken | 140 | ||
d) Verfassungsdenken | 141 | ||
2. Demokratiekonzeption und Rechtsbefolgung | 142 | ||
a) Republikanisches Staatsdenken und Rechtsbefolgung | 142 | ||
b) Liberales Verfassungsdenken und Rechtsbefolgung | 143 | ||
c) Republikanisches Verfassungsdenken und Rechtsbefolgung | 144 | ||
3. Resümee | 148 | ||
2. Kapitel: Re-Produktion der Struktur in der sozialen Praxis | 154 | ||
A. Giddens Theorie der Strukturierung | 154 | ||
I. Dualität der Struktur - Re-Produktion und Handeln | 156 | ||
1. Sprache - Handeln - Praxis | 157 | ||
2. Intention und Handeln | 160 | ||
3. Handeln und Unbewusstes | 164 | ||
II. Das Konzept der Alltagsroutinen - Garant der Reproduktion | 166 | ||
1. Grundbegriffe des psychischen Apparats | 166 | ||
a) Unbewusstes und Bewusstes | 166 | ||
b) Praktisches und diskursives Bewusstsein | 167 | ||
2. Fundierungen: Lebenswelt und Seinsgewissheit | 169 | ||
a) Routinisierungen in der Lebensweltanalyse | 170 | ||
(1) Lebens weit | 170 | ||
(2) Wissensvorrat | 172 | ||
(3) Erfahrung und Relevanz | 174 | ||
(4) Routinesituationen | 175 | ||
(5) Gewohnheitswissen | 176 | ||
b) Probleme | 178 | ||
3. Alltagsroutinen und Sicherheitsbedürfnis | 181 | ||
III. Alltagsroutinen in der Interaktion | 183 | ||
1. Takt und (soziale) Regeln | 183 | ||
2. Rolle und soziale Regel | 186 | ||
3. Sozial-und Systemintegration | 188 | ||
B. Struktureller Zwang - Kreatives Handeln - Regeln | 194 | ||
I. Freiheit und struktureller Zwang | 194 | ||
1. Beschränkung - Macht - Freiheit | 197 | ||
2. Reflexive Systemreproduktion und praktisches Bewusstsein | 201 | ||
Exkurs: Reflexivität der Moderne | 204 | ||
3. Raum-Zeit-Geographie | 205 | ||
II. Strukturreproduktion und kreatives Handeln | 207 | ||
1. Wissen um die Ressourcenverteilung | 208 | ||
2. Kreatives Handeln - eine andere Konzeption der Freiheit | 209 | ||
3. Probleme der doppelten Hermeneutik | 212 | ||
III. Regeln und Lernprozesse | 215 | ||
1. Differenzierungen des Regel-Begriffs | 215 | ||
a) Das Problem des Regel-Befolgens (Wittgenstein) | 216 | ||
b) Implikationen der sozialen Technik | 220 | ||
c) Werte und Technik | 222 | ||
2. Kritik: Recht und Regeln | 223 | ||
a) Gesetz und Regellernen | 223 | ||
b) Struktureller Zwang und Sanktion | 226 | ||
3. Strukturen jenseits von Wissen und Routinen | 227 | ||
C. Elemente einer „Theorie der Praxis" - Pierre Bourdieu | 229 | ||
I. Zwischen Strukturalismus und Existentialismus | 230 | ||
1. Kritik des Objektivismus | 230 | ||
a) Kritik der objektivistisch-strukturalistischen Linguistik | 231 | ||
b) Althusser | 232 | ||
c) Lévi-Strauss | 234 | ||
d) Bourdieus Kritik | 234 | ||
e) Soziale Praktiken und Unbewusstes | 236 | ||
2. Regelbefolgung | 237 | ||
3. Kritik des Subjektivismus | 238 | ||
II. Struktur und Praxis - der Kontext der Habitus-Theorie | 241 | ||
1. Ökonomie und Strategie - die Entwicklung der Begriffe | 241 | ||
2. Die französische Gesellschaft - die drei Formen des Kapitals | 244 | ||
a) Die verschiedenen Arten des Kapitals | 244 | ||
b) Der Gleichklang von Kapitalverteilung und Lebensstil | 247 | ||
3. Ökonomie der Felder | 250 | ||
III. Habitus | 251 | ||
1. Unterschiedliche Dimensionen des Habitus | 252 | ||
a) Geschmack - die individuelle Dimension des Habitus | 252 | ||
b) Hexis - die körperliche Einübung des Habitus | 253 | ||
c) Praktischer Sinn - Orientierung in der Ökonomie des Feldes | 255 | ||
2. Habitus - inkorporierte Struktur | 258 | ||
a) Strukturierende Struktur | 258 | ||
b) Strukturierte Struktur | 260 | ||
(1) Konditionierung und äußere Zwänge | 260 | ||
(2) Symbolische Ordnung | 262 | ||
(3) Dispositionen; Klassifikationsschemata | 264 | ||
c) Die Formen der Aneignung des Habitus | 266 | ||
3. Kritische Würdigungen | 268 | ||
a) Einordnungen | 268 | ||
b) Strukturdeterminismus? | 268 | ||
(1) Das epistemologische Argument | 270 | ||
(2) Das Argument des oversocialized man | 271 | ||
(3) Lernprozesse und die Veränderung des Habitus | 273 | ||
(4) Reflexiv-rationale Steuerung | 274 | ||
c) Resümee | 275 | ||
3. Kapitel: Theorie der Rechtsbefolgung | 279 | ||
A. Vorbewusste Ordnung - reflexive Ordnung: Begriffsklärungen | 279 | ||
I. Elemente einer Theorie der Rechtsbefolgung in den Werken von Bourdieu und Giddens | 280 | ||
II. Vorbewusste Ordnung | 287 | ||
1. Ordnung struktureller Zwänge | 289 | ||
2. Symbolische Ordnung | 291 | ||
a) Normativ-ethische Muster | 292 | ||
b) Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata | 292 | ||
Exkurs: Klassifikationsschemata und die Konstruktion des Gegenständlichen | 293 | ||
c) Allgemeine Verfahrensschemata | 300 | ||
3. Einheit und Dichotomie der vorbewussten Ordnung | 303 | ||
III. Reflexive Ordnung | 313 | ||
Exkurs: Rechtsbegriff der reflexiven Ordnung | 316 | ||
B. Divergenz und Konvergenz - der Wirkmechanismus des Rechts | 324 | ||
I. Widersprüche zwischen den Ordnungen | 324 | ||
1. Reflexivität: Interpretation und Überschreiten der vorbewussten Ordnung | 325 | ||
2. Die Verarbeitung von Widersprüchen in der reflexiven Ordnung | 328 | ||
3. Widersprüche in der vorbewussten Ordnung | 330 | ||
a) Nachhinken der reflexiven Ordnung | 330 | ||
b) Vorauseilen der reflexiven Ordnung | 331 | ||
c) Hegemonie und Abweichung | 333 | ||
II. Divergenz - Konvergenz - Lernprozesse | 334 | ||
1. Konvergenz | 335 | ||
2. Divergenz | 338 | ||
a) Steuerung abweichenden Verhaltens | 339 | ||
b) Umsteuerung sozialer Praktiken | 341 | ||
3. Lernprozesse | 344 | ||
III. Vorbewusste Ordnung und rationale Strategien | 352 | ||
1. Interesse und vorbewusste Ordnung | 352 | ||
2. Nebeneinander von reflexiver und vorbewusster Ordnung | 360 | ||
3. Vorbewusste Ordnung und Vorverständnis | 363 | ||
a) Probleme der rechtsmethodologischen Orthodoxie | 363 | ||
b) Theorie der Praxis der Normanwendung | 367 | ||
c) Vorbewusste Ordnung und Vorverständnis | 373 | ||
C. Divergenz und Konvergenz in verschiedenen Rechtsgebieten | 376 | ||
I. Konvergenzen: Zivilrecht | 377 | ||
II. Divergenzen: Sozialstaatliche Rechte | 382 | ||
III. Divergenzen: Umweltrecht | 388 | ||
1. Aspekte der vorbewussten Ordnung im Hinblick auf die natürliche Umwelt | 390 | ||
a) Erweiterte Produktion und Stoffverbrauch | 390 | ||
b) „Freier" Naturverbrauch und Natur als Feind | 399 | ||
2. Durchschlagen der vorbewussten Ordnung - Beispiele aus dem Umweltrecht | 405 | ||
a) Eingriffsregelung | 405 | ||
b) Die Symbolik des Goldfisches | 415 | ||
3. Synthese | 424 | ||
Literaturverzeichnis | 430 | ||
Personen- und Sachwortverzeichnis | 449 |