Die Begnadigung in vergleichender Perspektive
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Die Begnadigung in vergleichender Perspektive
Rechtsphilosophische, verfassungs- und strafrechtliche Probleme
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 97
(1996)
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Abstract
Die Arbeit behandelt die Begnadigung in rechtsvergleichender Perspektive. Mit einer detaillierten und systematischen Darstellung der Regelungen und der Literatur in vier Rechtsordnungen (Deutschland, Italien, Frankreich, Griechenland) werden die vier Schwerpunkte der Gnadendiskussion rekonstruiert: Die Rechtsnatur der Gnadenentscheidungen; die rechtlichen Grenzen der Kompetenz; die Motivation der Gnadenentscheidungen; die Frage des Kompetenzträgers. Diese Probleme werden vor dem Hintergrund großer Themen des Rechts reflektiert; umfangreiche Analysen über die Gewaltenteilung, die Zwecke des Strafrechtssystems, die Gerechtigkeit, den politischen Charakter des Rechts, die Struktur des parlamentarischen Systems und die Funktion des Staatsoberhauptes erlauben es, über die Grenzen der Gnadenliteratur hinaus zu gehen und etablierte Meinungen in zentralen Gnadenfragen zu widerlegen. Abschließend wird die symbolische Funktion der Begnadigung auf rechtsphilosophischer Ebene diskutiert; die Arbeit zeigt, daß das Gnadeninstitut in seiner Darstellung durch das Schrifttum ein intrasystematisches Element der Legitimierung des Strafrechts bildet, indem es als zusätzliche "Richtigkeitsgarantie" der Bestrafung fungiert. Aus einer Systematisierung der Daten über die Gnadenpraxis ergibt sich jedoch, daß diese Garantie keine reale Entsprechung hat.Die Klärung juristischer Probleme der Gnadenkompetenz einerseits und die Analyse des symbolischen Stellenwerts der Begnadigung andererseits sind wesentliche Leistungen der Arbeit in einem vom neueren Schrifttum unverdienterweise vernachläßigten Bereich.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 17 | ||
Α. Einleitung | 23 | ||
I. Definitionen und Kontroversen | 24 | ||
II. Methodische Fragen | 28 | ||
1. Aus der Geschichte lernen? | 28 | ||
2. Die Frage der Rechtsauslegung | 33 | ||
a) Ziel der Rechtsauslegung | 34 | ||
b) Die Ebenen der Rechtsauslegung | 40 | ||
aa) Die Rekonstruktionsebene | 41 | ||
bb) Die Ebene der systematischen Auslegung | 41 | ||
cc) Die Ebene der Kritik | 51 | ||
III. Gegenstand und Gang der Untersuchung | 53 | ||
1. Die deduktive Methode | 53 | ||
2. Gegenstand und Modus der Rechtsvergleichung | 54 | ||
3. Notwendigkeit und Risiken der Vielschichtigkeit | 55 | ||
B. Die Rechtsnatur der Gnadenentscheidung | 56 | ||
I. Die allgemeine Ratlosigkeit und ihre Ursachen | 56 | ||
II. Das Prinzip der Gewaltenteilung. Begriffliche Bestimmung der Funktionenunterscheidung und -trennung | 58 | ||
1. Von der politischen Mehrdeutigkeit zur rechtlichen Fixierung der Gewaltenteilung | 58 | ||
2. Die verfassungsrechtliche Verankerung der Gewaltenteilung | 60 | ||
3. Einheit und Funktionen der Staatsgewalt | 63 | ||
4. (Um-)Deutungsversuche der Gewaltenteilung | 67 | ||
5. Die Gewaltenteilung als Theorie der Funktionenunterscheidung und -trennung | 72 | ||
a) Funktionenunterscheidung | 74 | ||
b) Funktionen(träger)trennung | 77 | ||
6. Die verfassungsrechtliche Gewaltenteilung: weder Essentialismus noch Ausdehnungsfähigkeit (Funktion und Grenzen der "historischen" Betrachtung) | 81 | ||
a) Rechtliche vs. politische Bedeutung des Prinzips | 84 | ||
b) Rechtliche vs. gesellschaftliche Bedeutung des Prinzips | 90 | ||
7. Gewaltenteilung und Rechtsnatur der Begnadigung | 95 | ||
III. Die Begnadigung als Akt sui generis | 98 | ||
1. Die vorgeschlagenen Interpretationen | 98 | ||
2. Kritik | 100 | ||
3. Die Begnadigung als Akt sui generis in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 105 | ||
IV. Die Begnadigung als Akt der gesetzgebenden Funktion | 111 | ||
1. Die vorgeschlagenen Interpretationen | 111 | ||
2. Kritik | 112 | ||
V. Die Begnadigung als Akt der vollziehenden Funktion | 115 | ||
1. Die Begnadigung als Verwaltungsakt (Darstellung und Kritik) | 115 | ||
a) Organizismus | 115 | ||
b) Nominalismus | 117 | ||
c) Der "extreme" Nominalismus | 118 | ||
2. Die Begnadigung als Regierungsakt | 121 | ||
a) Die vorgeschlagenen Interpretationen | 121 | ||
b) Kritik | 123 | ||
VI. Die Begnadigung als Akt der rechtsprechenden | 128 | ||
1. Die vorgeschlagenen Deutungen | 128 | ||
2. Begriff des Judikativaktes | 131 | ||
a) Die vorgeschlagenen Kriterien (Darstellung und Kritik) | 132 | ||
b) Zur "dynamischen" Definition des Judikativaktes: das Kriterium der Praxis | 134 | ||
c) Zur "dynamischen" Definition des Judikativaktes: Korrektureffekt, Assimilierungseffekt und relative Autonomie der Staatsfunktionen | 139 | ||
aa) Korrektureffekt | 139 | ||
bb)Assimilierungseffekt | 143 | ||
cc) Das dialektische Verhältnis zwischen dem Organ und dem Rechtsakt: Die Bedeutung der relativen Autonomie der Staatsfunktionen | 144 | ||
d) Zur "dynamischen" Definition des Judikativaktes: Die rechtsprechenden Effekte | 147 | ||
3. Die judikative Rechtsnatur der Begnadigung | 151 | ||
a) Einleitung | 151 | ||
b) Die Amnestiefunktion im Bereich der Strafrechtspflege | 154 | ||
c) Exkurs: Amnestiefunktion und Funktionsregeln des Bestrafungsprozesses | 157 | ||
d) Schuldfrage und Judikativakt | 160 | ||
e) Rechtsprechende Effekte und Rechtsnatur des Gnadenaktes | 163 | ||
4. Die Konsequenzen der judikativen Rechtsnatur der Gnade: Justitiabilität der Gnadenentscheidungen? | 174 | ||
a) Die Frage der Justitiabilität in Frankreich, Italien und Griechenland | 175 | ||
aa) Die grundsätzliche Unmöglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle | 175 | ||
bb) Die indirekten Formen der Kontrolle | 177 | ||
cc) Die bereits erfolgte (begrenzte) Nachprüfung der Gnadenentscheidungen durch die ordentlichen Gerichte | 179 | ||
b) Die Frage der Justitiabilität in Deutschland | 181 | ||
aa) Die Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 GG | 181 | ||
bb) Die Begnadigung als Akt der "öffentlichen Gewalt" | 182 | ||
cc) Verletzung von Rechten durch den Gnadenakt? | 184 | ||
dd) Gerichtliche Kontrolle und Rechtsnatur der Gnade | 191 | ||
ee) Ergebnis | 193 | ||
5. Abschließende Bemerkungen | 195 | ||
a) Die Behandlung der Frage der Justitiabilität im Schrifttum | 195 | ||
b) Dynamische Gestaltung der Rechtsnatur und Justitiabilität der Gnade | 198 | ||
c) Judikative Rechtsnatur und "politischer" Charakter der Gnadenakte | 199 | ||
C. Die rechtlichen Grenzen der Gnadenkompetenz | 207 | ||
I. Einleitung | 207 | ||
II. Die ausdrücklich gesetzten Grenzen der Gnadenkompetenz | 213 | ||
1. Schranken ratione materiae | 213 | ||
a) Gnade für "Strafen" | 213 | ||
b) Gnade für Maßregeln der Besserung und Sicherung | 220 | ||
c) Aufhebung von Rechtsfolgen der Verurteilung | 226 | ||
d) Aufhebung der Rechtsfolgen "aller Art" von verhängten Strafen nach der griechischen Verfassung | 227 | ||
e) Die Verbesserung der Rechtsstellung des Verurteilten | 231 | ||
f) "Zustimmung" des Verurteilten? | 231 | ||
g) Gnade im"Einzelfall" | 235 | ||
h) Der räumliche Geltungsbereich der Gnadenkompetenz | 238 | ||
2. Schranken ratione personae | 240 | ||
a) Voraussetzungen für die Begnadigung eines Ministers nach der griechischen Verfassung | 242 | ||
aa) Begnadigung eines "Ministers" | 244 | ||
bb) "Zustimmung" des Parlaments | 246 | ||
cc) Politische Voraussetzungen der Begnadigung zugunsten eines Ministers | 249 | ||
b) Begnadigung des Präsidenten der Republik nach der griechischen Verfassung | 250 | ||
aa) Begnadigung durch den Stellvertreter des Präsidenten? | 251 | ||
bb) Begnadigung durch den neuen Präsidenten | 253 | ||
cc) Zustimmung des Parlaments? | 253 | ||
c) Schranken ratione personae in Frankreich, Italien und Deutschland | 254 | ||
aa) Frankreich | 254 | ||
bb) Italien | 255 | ||
cc) Deutschland | 255 | ||
III. Die indirekt abzuleitenden Grenzen der Gnadenkompetenz | 259 | ||
1. Beschränkung auf "Ausnahmefälle"? | 259 | ||
2. Der Gleichheitssatz als Grenze der Gnadenkompetenz? | 264 | ||
a) Die Bedeutung(en) des Gleichheitssatzes | 264 | ||
b) Gleichheit in der Strafzumessung? | 271 | ||
c) Gleichheit und Gnade | 278 | ||
3. Die Begnadigung als verfassungsrechtlich vorgesehene Ausnahme von dem Gewaltenteilungsprinzip | 283 | ||
a) Zeitliche Schranken der Ausübung der Gnadenkompetenz | 290 | ||
b) Subsidiarität der Gnadenkompetenz? | 295 | ||
c) Verbot der extensiven Auslegung des Gnadenerweises | 304 | ||
d) Das rechtskräftige Urteil als "Grenze" des Gnadenaktes | 304 | ||
e) Verbot eines Widerrufs der Gnadenentscheidung | 310 | ||
f) Gesetzliche Begrenzung der Gnadenkompetenz? | 316 | ||
g) Verbesserung der Rechtsstellung des Verurteilten und Gesetzlichkeitsprinzip | 325 | ||
IV. Ergebnis | 338 | ||
D. Die technische Funktion der Begnadigung im Rahmen des Strafrechtssystems (Gnadenmotivation, -begründung und -praxis) | 341 | ||
I. Die Gnadengründe nach der Lehre und der Rechtsprechung | 341 | ||
1. Mängel der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung | 342 | ||
2. Gnade aus Gründen der Kriminalpolitik | 343 | ||
3. Gnade aus politischen Gründen | 345 | ||
II. Status der Gnadengründe | 346 | ||
1. Ableitungsweise der Gnadengründe | 346 | ||
2. Rechtliche Bedeutung der Gnadengründe | 350 | ||
III. Begründung der Gnadenentscheidung? | 358 | ||
1. Die Frage der Begründung | 358 | ||
2. Notwendigkeit einer Begründung der Gnadenentscheidungen | 360 | ||
3. Folgen und "Hindernisse" einer Begründung der Gnadenentscheidungen | 368 | ||
IV. Die aporetischen Grundlagen der herrschenden Typologie der Gnadengründe | 370 | ||
1. Die Frage der Rationalität der Begnadigung | 370 | ||
2. Gerechtigkeit durch Gnade? | 376 | ||
a) Die Deutungen der Gerechtigkeit | 377 | ||
b) Die "gerechte" Gnade | 389 | ||
V. Versuch einer neuen Klassifizierung der Gnadengründe | 394 | ||
1. Gnadengründe und Strafrechtssystem | 394 | ||
a) Die Orientierung der Gnadengründe an den Regeln des Strafrechtssystems | 394 | ||
b) Aufbau und Zwecke des Strafrechtssystems | 400 | ||
c) Ableitung der Gnadengründe aus den Zwecken des Strafrechtssystems | 406 | ||
d) Gnadenordnungen und Gnadengründe | 411 | ||
e) Ergebnis | 417 | ||
2. Gnade und Individualisierung der Strafe: Die spezialpräventive Begnadigung | 418 | ||
a) Allgemeines | 418 | ||
b) Gnade und gerichtliche Strafaussetzung | 421 | ||
c) Kollektive Gnadenakte | 426 | ||
d) Bedingte Gnade | 436 | ||
e) Amnestierende Gnade | 444 | ||
3. Gnade aus generalpräventiven Gründen | 446 | ||
a) Fälle einer Begnadigung infolge einer "ungerechten" Verurteilung | 446 | ||
b) Die positive Generalprävention als Begnadigungsgrund | 450 | ||
4. Die "politische" Gnade | 452 | ||
a) Theoretische Bestimmung der politischen Funktion der Gnade | 452 | ||
b) Die institutionell politische Gnade | 465 | ||
c) Die generalpräventiv bedingte politische Gnade | 465 | ||
d) Die rein politische Gnade | 472 | ||
e) Die parteipolitische Gnade | 480 | ||
VI. Gnadenstatistik und technische Funktion der Gnade: Fragestellungen und Stand der Forschung | 483 | ||
1. Bestimmung der Zwecke einer statistischen Untersuchung | 483 | ||
2. Die vorhandenen Daten | 487 | ||
3. Ergebnis | 495 | ||
E. Die Träger der Gnadenkompetenz | 497 | ||
I. Das Gnadenorgan in den untersuchten Rechtsordnungen | 497 | ||
1. Deutschland | 497 | ||
2. Italien | 507 | ||
3. Griechenland | 508 | ||
4. Frankreich | 509 | ||
II. Die Gnadenentscheidung im parlamentarischen System | 511 | ||
1. Gnade als Ermessensentscheidung des Staatsoberhauptes (präsidiale Auslegung) | 512 | ||
2. Gnadenentscheidung als Ergebnis des Einvernehmens zwischen Staatsoberhaupt und Regierung (Zusammenarbeitsauslegung) | 515 | ||
3. Gnade als Entscheidungskompetenz der verantwortlichen Regierung (ministeriale Auslegung) | 518 | ||
a) Die Lehrmeinungen | 518 | ||
b) Das parlamentarische System | 519 | ||
c) Parlamentarisches System und Gnadenkompetenz in Deutschland, Italien und Griechenland | 525 | ||
d) Parlamentarisches System und Gnadenkompetenz in Frankreich | 535 | ||
III. Rechtfertigung der herrschenden "präsidialen"Auslegung? | 541 | ||
F. Die symbolische Funktion der Begnadigung | 546 | ||
I. Einleitung | 546 | ||
1. Die metajuristische Ebene | 547 | ||
2. Die symbolisch-ideologische Ebene | 549 | ||
II. Der Gnadendiskurs als Symptom der Legitimierungsfunktion der Begnadigung | 553 | ||
1. Der Gnadendiskurs | 553 | ||
2. Die Legitimierungsfunktion der Begnadigung | 562 | ||
III. Organisatorische Voraussetzungen und Folgen der Legitimierungsfunktion | 575 | ||
1. Einleitung | 575 | ||
2. Die symbolische Stellung des Staatsoberhauptes | 576 | ||
3. Gnade und Staatsoberhaupt | 586 | ||
IV. Exkurs: Die patriarchalische Gnade | 592 | ||
1. Die Gnade der Kirche | 592 | ||
2. Die Gnade des Ehemanns | 594 | ||
V. Ausblick: Die Zukunft des Gnadeninstituts | 595 | ||
1. Die schädliche Gnade | 595 | ||
2. Die omnipräsente Gnade | 597 | ||
3. Die "wirkliche" Gnade | 600 | ||
Literaturverzeichnis | 605 |