Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht
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Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Vol. 151
(2005)
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Abstract
Mit der Individualnichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 4 EG steht im Gemeinschaftsrecht für natürliche und juristische Personen eine direkte Klagemöglichkeit gegen Sekundärrechtsakte zur Verfügung. Obwohl der Wortlaut der Norm seit Gründung der Europäischen (Wirtschafts-)Gemeinschaft nie geändert wurde, bestehen über die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Nichtigkeitsklage bis heute Unsicherheiten. Dies gilt im Besonderen für die Frage nach der Anfechtbarkeit normativer Rechtsakte, da in Art. 230 Abs. 4 EG nur Entscheidungen als anfechtbare Rechtsakte genannt sind. Ellen Schulte untersucht die Entwicklung der Rechtsprechung von EuGH und EuG zur Anfechtbarkeit von Verordnungen und Richtlinien einschließlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen des individuellen und unmittelbaren Betroffenseins mit dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung inzwischen Normen generell als taugliche Klagegegenstände ansieht, ohne aber eine dogmatisch überzeugende Begründung hierfür zu geben. Nachdem lange Zeit das Urteil in der Rechtssache Codorniu als wichtigste Entscheidung in diesem Bereich galt, stehen nunmehr die Urteile in den Rechtssachen Jégo-Quéré und UPA im Zentrum der aktuellen Diskussion, die ausführlich dargestellt und kritisch gewürdigt werden. Betrachtet werden Auswirkungen auf das nationale Recht und mögliche Änderungen des Rechtsschutzsystems gegen Normen im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage sowie Forderungen nach einer Grundrechtsbeschwerde.Ausgezeichnet mit dem Förderpreis der Doctores Iuris Kiel für herausragende Dissertationen 2005.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Α. Einleitung | 17 | ||
Β. Normenkontrolle und Individualrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft | 19 | ||
I. Bedeutung der Normenkontrolle unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten | 19 | ||
II. Restriktive Grundhaltung zur Normenkontrolle durch Private | 20 | ||
ΙII. Konzeption normativer Rechtsakte im EG-Vertrag | 23 | ||
1. Verordnungen gemäß Art. 249 Abs. 2 EG | 23 | ||
2. Richtlinien gemäß Art. 249 Abs. 3 EG | 23 | ||
IV. Primärrechtlich vorgesehenes Rechtsschutzsystem gegen Normativakte und inhärente Schwächen | 24 | ||
1. Rechtswegeröffnung auf zentraler Ebene | 25 | ||
a) Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 4 EG | 25 | ||
b) Amtshaftungsklage gemäß Art. 288 Abs. 2 i. V. m. Art. 235 EG | 26 | ||
c) Inzidentkontrolle gemäß Art. 241 EG | 26 | ||
2. Dezentrale Rechtsschutzmöglichkeiten und Einbeziehung der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit gemäß Art. 234 EG | 27 | ||
3. Unzulänglichkeiten der primärrechtlich vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten | 28 | ||
a) Schwächen des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 234 EG | 28 | ||
b) Probleme der Amtshaftungsklage gemäß Art. 288 Abs. 2 i. V. m. Art. 235 EG | 33 | ||
c) Wirkungsweise der Inzidentkontrolle gemäß Art. 241 EG | 35 | ||
C. Entwicklung und Bewertung der Rechtsprechung von EuGH und EuG zum Individualrechtsschutz gegenüber normativen Rechtsakten | 36 | ||
I. Anfechtbarkeit von Richtlinien durch natürliche und juristische Personen im Wege der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 4 EG | 36 | ||
1. Rechtsprechung von EuGH und EuG zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage gegen Richtlinien | 37 | ||
a) Beschluss des EuGH vom 07. 12. 1988 in der Rechtssache 160/88 - Fedesa und Beschluss des EuGH vom 07. 12. 1988 in der Rechtssache 138/88-Flourez | 37 | ||
b) Urteil des EuGH vom 29. 06. 1993 in der Rechtssache C-298/89 - Gibraltar | 38 | ||
aa) Schlussantrag des Generalanwalts Lenz | 39 | ||
bb) Urteil des Gerichtshofs | 40 | ||
c) Beschluss des EuG vom 29. 10. 1993 in der Rechtssache T-463/93 - GUNA | 41 | ||
d) Beschluss des EuG vom 20. 10. 1994 in der Rechtssache T-99/94 - Asocarne | 42 | ||
e) Beschluss des EuGH vom 23. 11. 1995 in der Rechtssache C-10/95 Ρ - Asocarne | 44 | ||
f) Urteil des EuG vom 17. 06. 1998 in der Rechtssache T-135/96 - UE ΑΡΜΕ | 46 | ||
g) Urteil des EuG vom 27. 06. 2000 in den verbundenen Rechtssachen T-172/98, T-175/98 bis T-177/98 - Salamander | 47 | ||
h) Beschluss des EuG vom 14. Ol. 2002 in der Rechtssache T-84/01 - ACHE | 51 | ||
i) Beschluss des EuG vom 10. 09. 2002 in der Rechtssache T-223/01 - Japan Tobacco | 52 | ||
j) Beschluss des EuG vom 06. 05. 2003 in der Rechtssache T-321/02 - Morin | 55 | ||
2. Würdigung der Rechtsprechung zum Rechtsschutz gegen Richtlinien | 56 | ||
a) Richtlinien als anfechtbare Handlungen | 57 | ||
aa) Gleichsetzung mit Entscheidungen, die an andere Personen gerichtet sind? | 57 | ||
bb) Anfechtbarkeit von Scheinrichtlinien | 59 | ||
cc) Normative Richtlinienbestimmungen | 61 | ||
b) Die Voraussetzung des unmittelbaren Betroffenseins | 62 | ||
aa) Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien | 63 | ||
(1) Gründe für die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien: effet utile und estoppel-Prinzip | 64 | ||
(2) Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien | 65 | ||
(a) Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtung | 66 | ||
(b) Inhaltliche Unbedingtheit | 66 | ||
(c) Hinreichende Bestimmtheit | 67 | ||
(3) Rechtsfolgen der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien | 67 | ||
(a) Vertikale Verhältnisse | 67 | ||
(b) Horizontale Verhältnisse | 69 | ||
(aa) Rechtsprechung des EuGH | 69 | ||
(bb) Stimmen zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien in horizontalen Verhältnissen | 71 | ||
(cc) Neue Tendenz in der Rechtsprechung | 73 | ||
(c) Dreiecksverhältnisse | 75 | ||
bb) Bedeutung des unmittelbaren Betroffenseins in der Rechtsprechung des EuG für die Anfechtbarkeit von Richtlinien und Stellungnahme | 76 | ||
(1) Rückzug auf „formelle" Unmittelbarkeit in der Rechtssache Salamander | 76 | ||
(2) Vorzugswürdigkeit der „materiellen" Unmittelbarkeit auch für Richtlinien | 77 | ||
(a) Wortlaut und telos | 77 | ||
(b) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der formellen Interpretation des unmittelbaren Betroffenseins im Hinblick auf Scheinrichtlinien | 79 | ||
c) Korrelat von privilegierter Klagebefugnis und Verpflichtung bei unmittelbarer Anwendbarkeit? | 81 | ||
3. Zusammenfassung zur Anfechtbarkeit von Richtlinien | 85 | ||
II. Anfechtbarkeit von Verordnungen durch natürliche und juristische Personen im Wege der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 4 EG | 86 | ||
1. Scheinverordnungen als anfechtbare Rechtsakte | 86 | ||
2. Nichtigkeitsklage gegen echte Verordnungen | 88 | ||
a) Normativer Rechtscharakter | 89 | ||
b) Beginn der Öffnung zur Anfechtbarkeit normativer Rechtsakte: Antidumpingrecht | 94 | ||
c) Anerkennung der generellen Anfechtbarkeit von Normativakten | 97 | ||
aa) Urteil des EuGH vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89 - Codorniu | 97 | ||
(1) Schlussanträge des Generalanwalts Lenz | 97 | ||
(2) Urteil des Gerichtshofes | 99 | ||
bb) Begründungsmodelle | 99 | ||
(1) Gemeinschaftsgerichte | 99 | ||
(a) Das EuG und die These von den hybriden Rechtsakten | 100 | ||
(b) Gerichtshof | 105 | ||
(2) Literatur | 107 | ||
(a) Argumentation Röhls | 107 | ||
(b) Stellungnahme | 109 | ||
(c) Vorschlag Lengauers | 111 | ||
(d) Standpunkt Cremers | 112 | ||
3. Zusammenfassung zur Anfechtbarkeit von Verordnungen | 112 | ||
ΙII. Das individuelle Betroffensein | 114 | ||
1. Geschlossener Personenkreis als hinreichendes Kriterium? | 115 | ||
2. Rechtspositionen im Verfahren | 118 | ||
3. Normierte Pflicht zur Berücksichtigung der Situation des Klägers | 120 | ||
4. Wirtschaftliche Stellung oder spezifische Rechte des Klägers | 127 | ||
a) Wirtschaftliche Stellung | 127 | ||
b) Spezifische Rechte | 130 | ||
5. Zusammenfassung zur Interpretation des individuellen Betroffenseins in der Rechtsprechung | 133 | ||
6. Stimmen aus der Literatur zum Erfordernis der Individualität | 134 | ||
7. Eigener Ansatz | 139 | ||
D. Problematische Fälle im gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystem | 143 | ||
I. Rechtsschutz gegen Sekundärrechtsakte ohne Durchführungsmaßnahmen | 143 | ||
II. Effektiver Rechtsschutz als rechtzeitiger Rechtsschutz | 146 | ||
1. Vorläufiger Rechtsschutz auf Gemeinschaftsebene | 146 | ||
2. Vorläufiger Rechtsschutz auf mitgliedstaatlicher Ebene | 147 | ||
3. Vorwirkungen von Normen | 149 | ||
ΙII. Sonderfall: Rechtsschutz für „staatliche Stellen" gegen unmittelbar anwendbare Richtlinien | 151 | ||
E. Jüngste Entwicklungen zum Individualrechtsschutz gegen normative Rechtsakte zwischen zentraler und dezentraler Rechtswegeröffnung | 153 | ||
I. Neue Diskussion der Gemeinschaftsgerichte zur Reform des Rechtsschutzes | 153 | ||
1. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 21. 03. 2002 in der Rechtssache C-50/00 Ρ - UPA | 154 | ||
a) Strukturelle Schwächen des Vorabentscheidungsverfahrens | 154 | ||
b) Keine subsidiäre Klagebefugnis | 155 | ||
c) Keine umfassende Dezentralisierung | 156 | ||
d) Konsequenz: Neue Interpretation der Individualität | 156 | ||
2. Urteil des EuG vom 03. 05. 2002 in der Rechtssache T-177/01 - Jégo-Quéré | 159 | ||
a) Klageberechtigung nach der Plaumann-Formel | 159 | ||
b) Rechtsschutzgewährung durch andere Verfahren | 160 | ||
c) Änderung der Rechtsprechung zur individuellen Betroffenheit | 160 | ||
3. Urteil des EuGH vom 25. 07. 2002 in der Rechtssache C-50/00 Ρ - UPA | 161 | ||
4. Urteil des EuGH vom 01. 04. 2004 in der Rechtssache C-263/02 Ρ - Jégo-Quéré | 162 | ||
II. Würdigung | 163 | ||
1. Zur Frage nach einer Auffangzuständigkeit der Gemeinschaftsgerichte | 163 | ||
a) Der Aspekt anderweitiger Rechtsschutzmöglichkeiten vor nationalen Gerichten in früheren Verfahren und den aktuellen Urteilen | 163 | ||
b) Zu den Argumenten der Ungleichbehandlung und Kompetenzüberschreitung | 167 | ||
2. Grenzen der Dezentralisierung | 168 | ||
3. Grundlage des Rechtsschutzauftrags an die Mitgliedstaaten | 171 | ||
4. Zur Interpretation der individuellen Betroffenheit durch Generalanwalt Jacobs und das EuG | 173 | ||
a) Interpretationsoffenheit des individuellen Betroffenseins | 174 | ||
b) Neuinterpretation zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken? | 176 | ||
c) Zweckmäßigkeit des Rechtsschutzsystems | 177 | ||
5. Verbleibendes Problem: Handlungen allgemeiner Geltung als anfechtbare Rechtsakte | 182 | ||
IIΙ. Konsequenzen der Dezentralisierung des Rechtsschutzes gegen Normativakte | 185 | ||
1. Rechtswegeröffnung vor den nationalen Gerichten | 185 | ||
a) Nationale Rechtsbehelfe und gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation | 185 | ||
b) Schaffung neuer Rechtsbehelfe? | 188 | ||
2. Auswirkungen auf das Vorabentscheidungsverfahren | 189 | ||
3. Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch mitgliedstaatliche Gerichte | 192 | ||
IV. Verbleibende Rechtsschutzlücken? | 193 | ||
F. Ausblick: Möglichkeiten der Gestaltung des Rechtsschutzes gegenüber normativen Rechtsakten de lege ferenda | 195 | ||
I. Forderungen nach einer Grundrechtsbeschwerde | 195 | ||
1. Anwendungsbereich und Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Grundrechtsbeschwerde | 196 | ||
a) Zuständigkeit des EuGH | 196 | ||
b) Angreifbarer Akt | 197 | ||
c) Beschwerdebefugnis | 199 | ||
d) Subsidiarität der Grundrechtsbeschwerde | 200 | ||
2. Gestaltung des Verfahrens | 200 | ||
3. Systematische Stellung | 201 | ||
4. Stellungnahme | 201 | ||
a) Zu dem Anwendungsbereich und den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Grundrechtsbeschwerde | 202 | ||
aa) Zuständigkeit und Beschwerdebefugnis | 202 | ||
bb) Angreifbarer Akt und Subsidiarität | 202 | ||
b) Zur Gestaltung des Verfahrens | 206 | ||
c) Zur systematischen Stellung | 207 | ||
II. Änderung und Erweiterung des Individualrechtsschutzes gegen Normativakte im Rahmen der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 4 EG | 208 | ||
1. Ergebnisse des Verfassungskonvents im Hinblick auf die Zukunft der Nichtigkeitsklage | 208 | ||
2. Stellungnahme und eigener Ansatz | 211 | ||
a) Genereller Verzicht auf das Kriterium der individuellen Betroffenheit im Sinne der Plaumann-Formel | 211 | ||
aa) Praktische Nachteile des Kriteriums der individuellen Betroffenheit | 211 | ||
bb) Zweifelhafte Funktion des Kriteriums der individuellen Betroffenheit | 212 | ||
b) Einheitliches Rechtsschutzkonzept und funktionale Rechtswegzuweisung | 213 | ||
aa) Mögliche Funktionen dezentralisierten Rechtsschutzes | 215 | ||
(1) Dezentralisierung des Rechtsschutzes in anderen Rechtsschutzsystemen | 215 | ||
(a) Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8 a, 23, 90 ff. BVerfGG | 215 | ||
(b) Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK | 218 | ||
(2) Aufgaben und Funktionsgrenzen der mitgliedstaatlichen Gerichte bei der Gewährung von Rechtsschutz gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Normativakten | 220 | ||
(a) Objektive Sinnlosigkeit der Inanspruchnahme der dezentralen Rechtsschutzebene | 221 | ||
(b) Verweis auf den dezentralen Rechtsweg ist für den Betroffenen subjektiv unzumutbar | 224 | ||
bb) Zusammenfassung: Konsequenzen für die Nichtigkeitsklage de lege ferenda | 225 | ||
G. Schlussbetrachtung | 228 | ||
Literaturverzeichnis | 229 | ||
Sachwortregister | 239 |