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Seidel, K. (1999). Rechtsphilosophische Aspekte der »Mauerschützen«-Prozesse. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49748-5
Seidel, Knut. Rechtsphilosophische Aspekte der »Mauerschützen«-Prozesse. Duncker & Humblot, 1999. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49748-5
Seidel, K (1999): Rechtsphilosophische Aspekte der »Mauerschützen«-Prozesse, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-49748-5

Format

Rechtsphilosophische Aspekte der »Mauerschützen«-Prozesse

Seidel, Knut

Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 189

(1999)

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Abstract

Die Prozesse gegen DDR-Grenzsoldaten, ihre Befehlshaber sowie gegen Richter und Staatsanwälte der DDR haben eine Kontroverse ausgelöst. Gestritten wird darüber, ob Handlungen bestraft werden können, die in der DDR gerichtlich nicht belangt wurden.

Zu dieser Diskussion leistet die Arbeit einen Beitrag aus rechtsphilosophischer Sicht. Radbruch, Hart und Dworkin bilden die Grundlage der Erörterungen. 1946 formulierte Radbruch anhand der "Radbruchschen Formel" seine Überzeugung, daß die Gesetzmäßigkeit von Handlungen nicht automatisch deren Rechtmäßigkeit begründet. Die "Radbruchsche Formel" ermöglichte die Annahme, die Bestrafung der Gewalttaten des Dritten Reichs sei ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot zu verwirklichen gewesen. In der "Mauerschützen"-Debatte ist diese Annahme gleichfalls weit verbreitet. Theoretisch überzeugt die Radbruchsche Formel nicht. Anhand einer Analyse von Radbruchs Gesamtwerk wird die Frage "Umbruch oder Entwicklung in Radbruchs Rechtsphilosophie?" neu beantwortet.

Einen Radbruch entgegengesetzten Ansatz vertritt Hart. Hier wird gezeigt, daß Hart eine Radbruchs Lösung funktionell gleichwertige Möglichkeit anbietet, gesetzlich legitimierte Taten eines Unrechtsstaats im nachhinein zu ahnden. Wie bei der Beschäftigung mit Radbruch wird auch bei der Vorstellung der Konzeption von Hart deren Konsequenz auf die Rückwirkungsproblematik aufgezeigt.

Dworkin setzt mit Hart unter anderen Vorzeichen die Diskussion fort, die Hart mit Radbruch begonnen hat. Es wird deutlich, daß Dworkin zwar eine differenziertere, aber im Ergebnis keine andere Antwort auf die Frage nach der Rechtsgeltung gibt als Hart. Aus Dworkins Rechtsphilosophie folgt keine eigenständige Bestätigung der Ergebnisse von Radbruchs Nachkriegsrechtsphilosophie. Am Schluß erweist sich, daß für die strafrechtliche Bewältigung des DDR-Systemunrechts der Gesetzgeber hätte handeln müssen, wie Hart es vorschlägt.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 5
Inhaltsverzeichnis 7
Einleitung 11
Erstes Kapitel: § 27 DDR-GrenzG 17
I. Der Ausgangspunkt 17
II. Die gegenwärtige Diskussion 21
1. Positivrechtliche Grundlagen 21
a) Die Anwendbarkeit des DDR-Rechts 21
b) Geltung des DDR-Rechts nach innerstaatlichen Grundsätzen 23
2. Tatbestandliche Voraussetzungen von § 27 DDR-GrenzG im einzelnen 27
a) Die Handlungseröffnung für die Grenzsoldaten 27
b) Formal-legale Handhabung des § 27 DDR-GrenzG 29
c) Anknüpfung an Wortlaut und „Staatspraxis" der DDR 35
d) Staatspraxis der DDR und Radbruchsche Formel 37
e) Staatspraxis der DDR und „menschenrechtsfreundliche" Interpretation 49
f) Die Frage der Erforderlichkeit von Strafe 52
3. Die empiristische Handhabung des DDR-Rechtssystems 52
a) Wirkliches Staatswesen 52
b) Verhältnis zum übergesetzlichen Recht 56
c) Strafbedürfnis nach dieser Ansicht 60
Zweites Kapitel: Radbruchs Rechtsidee unter dem Einfluß der dualistischen Weltsicht 61
I. Die dualistische Weltsicht 61
1. Radbruchs „bleibende Grundlage" 61
2. Lasks Rechtsphilosophie und der Neukantianismus 65
a) Der Wertbegriff 65
b) Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft 67
3. Radbruchs Rechtsphilosophie als Kulturphilosophie des Rechts 69
a) Radbruchs „vier Haltungen" 69
b) Rechtsphilosophie als Wertphilosophie 74
II. Radbruchs Rechtsidee 74
1. Die Funktion der Rechtsidee 74
2. Das erste Element der Rechtsidee: Gerechtigkeit 75
a) Gerechtigkeit als Gleichheit 75
b) Gerechtigkeit und Rechtsbegriff 79
3. Das zweite Element der Rechtsidee: Zweckmäßigkeit 80
a) Die Wertbegründung des Rechts 80
b) Radbruchs Wertrelativismus 88
4. Das dritte Element der Rechtsidee: Rechtssicherheit 97
5. Antinomien und Einheit der Rechtsidee 99
a) Radbruchs Antinomienlehre 99
b) Die Einheit der Rechtsidee 103
Drittes Kapitel: Rechtspositivismus und Naturrecht, Verpflichtung durch das Recht und Rechtsgeltung 107
I. Rechtspositivismus und Naturrecht im Werk Radbruchs 107
1. Radbruchs Wandel 107
a) Radbruchs eigene Stellungnahme 107
b) Radbruch im Urteil seiner Interpreten 112
2. Trennungsthese und Verbindungsthese 115
II. Rechtsgeltung und die Idee rechtlicher Verpflichtung 118
1. Radbruchs Rechtsgeltungslehre 118
a) Die juristische Geltungslehre 118
b) Die historisch-soziologische Geltungslehre 126
c) Die philosophische Geltungslehre 127
2. Die Rechtsidee als Bewertungsschema 138
III. Rechtsphilosophie Radbruchs und „Mauerschützen"-Debatte 140
1. Eignung der Radbruchschen Rechtsphilosophie zur Bewertung der Diskussion 140
2. Normerfordernisse und das hermeneutische Problem 142
a) Rechtsbegriff und Rechtsstaat 142
b) Rechtswissenschaft und Fremdrechtsordnung 146
Viertes Kapitel: Radbruchs Nachkriegsrechtsphilosophie 153
I. Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht 153
1. Die Radbruchsche Formel in ihrer Zeit 153
a) Andere Entwürfe 153
b) Erfolgsgründe 156
2. Umbruch oder Entwicklung in Radbruchs Werk? 159
a) Von der Trennungsthese zur Verbindungsthese 159
b) Akzentverschiebung und Fortentwicklung 162
3. Die Radbruchsche Formel 165
a) Die Mehrdeutigkeit des Formelbegriffs 165
b) Gesetzliches Unrecht der ersten und der zweiten Kategorie 167
c) Formelverständnis in Lehre und Rechtsprechung 169
d) Argumente gegen die zweite Kategorie des gesetzlichen Unrechts 174
e) Argumente gegen die erste Kategorie des gesetzlichen Unrechts 176
II. Theoretische Fragen 179
1. Das übergesetzliche Recht: Naturrechtssystem oder Geltungsgrenze? 179
a) Radbruchs Widersprüche 179
b) Die Umkehrung der Geltungsvermutung 184
2. Die Funktionsneubestimmung der Rechtsidee 186
3. Die Materialisierung der Rechtsidee und deren Grenzen 190
a) Zweckmäßigkeit 190
b) Gerechtigkeit 193
III. Praktische Probleme 196
1. Das gesetzliche Unrecht und seine Folgen 196
a) Die Wehrlosigkeitsthese 196
b) Übergesetzliches Recht nach dem Ende des Unrechtsstaats 199
2. Übergesetzliches Recht und § 27 DDR-GrenzG 205
Fünftes Kapitel: Das Regelmodell der Rechtsordnung und das Prinzipienargument 209
I. Hart 209
1. Das Rechtssystem als Einheit von primären und sekundären Regeln 209
a) „Weiteres Rechtskonzept" versus „engeres Rechtskonzept" 209
b) Der Regelbegriff 211
c) Primäre und sekundäre Regeln 213
2. Rechtsgeltung bei Hart 216
a) Status und Inhalt der Erkenntnisregel 216
b) Regelmäßiges und regelgemäßes Handeln 218
c) Die Weite der Erkenntnisregel 221
d) Minimalinhalt des Naturrechts als Korrektiv der Erkenntnisregel? 222
3. Konsequenzen des weiteren Rechtsbegriffs 225
a) Die Idee der Verpflichtung bei Hart 225
b) Harts Einwände gegen den engeren Rechtsbegriff 226
II. Dworkin 231
1. Nutzen und Herkunft des Prinzipienarguments 231
a) Die Ergänzung des Unrechtsarguments durch das Prinzipienargument 231
b) Dworkins Rechtsphilosophie und der Rechtspositivismus 232
2. Dworkins Positivismuskritik in „Taking Rights Seriously" 235
a) Das „Gerüst des Positivismus" nach Dworkin 235
b) Dworkins Gegenentwurf 238
3. Die Idee der Verpflichtung und der Rechtsgeltung bei Dworkin 245
a) Dworkins Kritik an Hart 245
b) Die Idee der Verpflichtung bei Dworkin 246
c) Die Lösung von der Verpflichtung und die Frage der Rechtsgeltung 249
d) Die Rechtsgeltung im Rahmen der interpretativen Theorie des Rechts 253
4. Dworkins Rechtsphilosophie und die „Mauerschützen"-Debatte 256
III. Weiterer Rechtsbegriff und Strafbarkeit 257
1. Konstitutiv-rückwirkende Strafbarkeitsbegründung 257
2. Gesetzgeber und weiterer Rechtsbegriff 262
Ergebnis 265
Literaturverzeichnis 279
Sachwortverzeichnis 309