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Schaal, A. (2001). Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50061-1
Schaal, Alexander. Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen. Duncker & Humblot, 2001. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50061-1
Schaal, A (2001): Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-50061-1

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Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen

Schaal, Alexander

Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 134

(2001)

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Abstract

Der Bundesgerichtshof hatte sich in der Lederspray-Entscheidung - BGHSt 37, 106 ff. -, die zu Recht als Leitentscheidung zur strafrechtlichen Produkthaftung angesehen wird, unter anderem mit der Frage der Erfolgszurechnung in dem Geschäftsleitungsgremium eines Unternehmens auseinanderzusetzen, das durch eine auf dem Mehrheitsprinzip beruhende Entscheidung die Endkunden des Unternehmens gesundheitlich geschädigt hatte. Die Folgen des Geschäftsleitungsbeschlusses wurden jedem dafür stimmenden Gremiumsmitglied zugerechnet. Trotz der Evidenz des Ergebnisses ergeben sich bei näherer Betrachtung erhebliche Probleme bei dessen Begründung auf der Basis herkömmlicher Dogmatik. Ein Umstand, der Anlaß zu weitergehenden Untersuchungen gab, weil nicht nur in Unternehmen strafrechtlich relevante Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip gebildet werden, sondern beispielsweise auch in Gemeinderäten, Redakteurskollektiven und Vereinen.

Die Feststellung der Kausalität eines einzelnen Gremiumsmitglieds ist nach der conditio-sine-qua-non-Formel nicht möglich, wenn die Mehrheit für einen fehlerhaften Beschluß größer als erforderlich ist und man somit jede Stimme isoliert wegdenken kann, ohne daß die Mehrheit und damit der Beschluß an sich sowie dessen Folgen für den Verbraucher tangiert werden. Dieses "Versagen" der conditio-Formel kann im Bereich vorsätzlichen Handelns der Gremiumsmitglieder durch Annahme mittäterschaftlicher Tatbegehung ausgeglichen werden. Bei fahrlässigem Verhalten ist dies nach herrschender Ansicht nicht möglich, weil hier mittäterschaftliche Zurechnung ausgeschlossen ist.

Die Lösung des Problems findet sich nicht, wie zuerst vermutet, auf der Ebene der Kausalität, sondern stellt eine Frage wechselseitiger Zurechnung von Tatbeiträgen bei mittäterschaftlichem Verhalten dar. Mittäterschaft ist entgegen der herrschenden Lehre auch in Fällen fahrlässiger Tatbegehung möglich. Das Dogma von der Ablehnung fahrlässiger Mittäterschaft erweist sich als nicht haltbar. Die Mitglieder eines Gremiums haften für die gemeinsam gefaßten Beschlüsse nicht deshalb, weil jeder von ihnen mit seiner Stimme kausal wird, sondern weil die gemeinsame Beschlußfassung die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge bewirkt und jeder Beteiligte an der Mehrheitsentscheidung für den Beschluß und seine Folgen aus dem Gesichtspunkt mittäterschaftlicher Tatbegehung haftet. Dies gilt für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln gleichermaßen.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
Einführung 15
Teil A: Die Kausalitätsproblematik bei der Gremienentscheidung 22
I. Ursächlichkeit des Einzelverhaltens eines Gremiumsmitglieds bei aktivem Tun 22
1. Lösung nach der Äquivalenztheorie in Verbindung mit der conditio-sine-qua-non-Formel 22
a) Der Erfolg in seiner konkreten Gestalt als Bezugspunkt der Kausalitätsprüfung 24
b) Die conditio-sine-qua-non-Formel und das Problem der Reserveursachen 30
c) Das Vorliegen von Doppelkausalität/alternativer Kausalität 31
aa) Lösung der „Standardfälle“ alternativer Kausalität 33
(1) Ansatz von Traeger 33
(2) Ansatz von Tarnowski 35
(3) Der Ansatz von Traeger und Tarnowski und die Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt 37
(4) Die differenzierende Lösung der Alternativfälle von Spendel 39
bb) Übertragung der bisherigen Überlegungen auf die Gremiumskonstellation 42
(1) Ansatz von Spendel 42
(2) Ansatz von Traeger und Tarnowski 44
2. Lösung nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung 46
a) Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung. Der Versuch, die Unzulänglichkeiten der conditio-sine-qua-non-Formel zu beheben 46
aa) Die Kritik an der conditio-sine-qua-non-Formel 46
bb) Die Feststellung der Kausalität nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung 49
b) Anwendung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung auf die Gremiumsproblematik 52
aa) Ansatz von Engisch 53
bb) Die Konzeption von Puppe 54
3. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse 60
4. Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung als zutreffende Beschreibung des strafrechtlichen Kausalzusammenhangs? 63
a) Anwendbarkeit der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung in Bereichen, in denen detaillierte deterministische Gesetzmäßigkeiten bekannt sind 63
b) Anwendbarkeit der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung in Bereichen, in denen ausformulierte allgemeine Gesetze noch nicht bekannt sind 66
c) Anwendbarkeit der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung in Bereichen, in denen nur probabilistische Gesetzmäßigkeiten formuliert werden können 69
d) Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung und psychische Kausalität 73
e) Die Lösung von Beweisproblemen nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung und der conditio-sine-qua-non-Formel 77
aa) Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung 78
bb) Die conditio-sine-qua-non-Formel 81
f) Zusammenfassung 86
5. Auswirkung der bisher gefundenen Ergebnisse auf die Lösung des Gremiumsproblems 91
a) Alternativfälle, bei denen zwei oder mehrere Personen unabhängig voneinander Bedingungen setzen, die geeignet sind, den Erfolg herbeizuführen 92
b) Übertragung des Ergebnisses auf die Gremiumssituation 96
II. Ursächlichkeit des Einzelverhaltens eines Gremiumsmitglieds bei Unterlassen 99
1. Die Kausalität des Unterlassens 102
2. Anwendung der abgewandelten conditio-sine-qua-non-Formel auf das Unterlassen im Gremium – Darstellung der Problematik 105
3. Die Lösung des Bundesgerichtshofes in der Lederspray-Entscheidung 107
a) Der zugrundeliegende Sachverhalt 107
b) Die Argumentation des Bundesgerichtshofes 108
c) Kritik 109
aa) Kumulative Kausalität des Unterlassens? 110
bb) Mehrfachkausalität (alternative Kausalität) des Unterlassens? 114
4. Lösung nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung (ohne Rückgriff auf die modifizierte conditio-sine-qua-non-Formel) 118
a) Unterlassenskausalität wegen Verantwortlichkeit für das Fehlen einer „negativen Bedingung“ des Erfolges? 119
b) Kritik 121
aa) Kausalität bei hinreichenden Bedingungen? 121
bb) Anwendung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung auf das Unterlassen 122
5. Die Sonderbehandlung von Rettungsgeschehen unter Beteiligung Dritter 125
a) Der Zusammenhang zwischen kumulativer Kausalität von Unterlassungen und drittvermitteltem Rettungsgeschehen 125
b) Die Ansicht von Puppe 127
c) Der von Kahlo vorgeschlagene Lösungsweg 128
d) Kritik 129
6. Unterlassenskausalität und Garantenpflicht 133
7. Die Risikoerhöhungslehre als Zurechnungsgrundlage beim unechten Unterlassungsdelikt 137
a) Die Entwicklung der Risikoerhöhungslehre im Zusammenhang mit dem sogenannten Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim fahrlässigen (Begehungs-)Erfolgsdelikt 138
b) Die Übertragung des Risikoerhöhungsgedankens auf das Unterlassungsdelikt 140
c) Die Anwendung der Risikoerhöhungslehre auf die Gremiumskonstellation Ex ante- und ex post-Betrachtung 143
aa) Die Bestimmung der Risikoerhöhung ex ante 145
bb) Die Bestimmung der Risikoerhöhung ex post 146
d) Die Integration der Risikoerhöhungslehre in das wissenschaftstheoretische Kausalitätsmodell – Risikoerhöhung als Subsumption unter probabilistische Gesetzmäßigkeiten 148
aa) Anwendungsbereich der Risikoerhöhungslehre beim Unterlassungsdelikt 150
(1) Wahrscheinlichkeitsaussagen bei lückenhaften Sachverhaltsfeststellungen 150
(2) Wahrscheinlichkeitsaussagen bei Vorgängen, über die deterministische Zusammenhänge nicht bekannt sind 151
bb) Abgrenzbarkeit von Bereichen, in denen prinzipiell nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind 152
cc) Der Risikoerhöhungsgedanke als adäquate Lösung von Zurechnungsfragen 155
(1) Das Arbeiten mit probabilistischen Zusammenhängen beim Begehungsdelikt 156
(2) Die Anwendung probabilistischer Gesetzmäßigkeiten beim Unterlassensdelikt 158
dd) Folgerungen aus den bisher gefundenen Erkenntnissen: Die Ablehnung der Risikoerhöhungslehre 159
8. Zusammenfassung und Ergebnis 161
Teil B: Mittäterschaftliche Zurechnung des Einzelverhaltens im Gremium 164
I. Problemstellung: Mittäterschaftliche Zurechnung zur Lösung der Schwierigkeiten bei der Einzelverantwortlichkeit der Gremiumsmitglieder für die Folgen ihres Verhaltens im Gremium 164
1. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des einzelnen Gremiumsmitglieds für sein Verhalten im Gremium – Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse 164
2. Begründung weitergehender strafrechtlicher Verantwortlichkeit durch mittäterschaftliche Zurechnung 167
3. Differenzierte Behandlung der Mittäterschaftsfragen nach Vorsatz / Fahrlässigkeit sowie Begehungsdelikt / Unterlassungsdelikt 167
II. Mittäterschaftliches Zusammenwirken bei vorsätzlichem Verhalten der Gremiumsmitglieder 169
1. Mittäterschaft bei aktivem Tun 169
a) Problemdarstellung 169
b) Ist Kausalität des einzelnen Beteiligten Voraussetzung für das Vorliegen von Mittäterschaft? 173
aa) Die Ausführungshandlung des Mittäters als Anknüpfungspunkt seiner Ursächlichkeit für den Erfolg 174
(1) Die Fälle additiver Mittäterschaft 175
(2) Die Fälle alternativer Mittäterschaft 177
(3) Arbeitsteilige Verwirklichung zusammengesetzter Delikte 177
bb) Die psychische Kausalität des Mittäters für die Mitwirkung des Tatgenossen als Anknüpfungspunkt des Kausalerfordernisses bei mittäterschaftlichem Handeln 178
(1) Fälle fraglicher psychischer Kausalität bei additiver Mittäterschaft 180
(2) Die sukzessive Mittäterschaft 180
(3) Die sogenannte „parallele Mittäterschaft“ 182
(4) Dogmatische Einwände gegen das Erfordernis psychischer Kausalität des Mittäters für das Verhalten seiner Komplizen 184
c) Lösungsansätze zur Begründung der additiven Mittäterschaft 186
aa) Die Ansicht Herzbergs 186
bb) Der Ansatz Roxins 188
cc) Der Ansatz Gössels 189
dd) Der Ansatz Denckers 190
ee) Zusammenfassung 191
d) Die Lösung der Gremiumssachverhalte 192
aa) Fälle abgesprochenen Abstimmungsverhaltens 192
bb) Fälle nicht im Vorfeld abgesprochenen Abstimmungsverhaltens 193
e) Die Bewältigung der Mehrheitsentscheidung durch den Bundesgerichtshof in der Lederspray-Entscheidung 196
2. Mittäterschaft bei Unterlassen 201
a) Die beiden Grundkonstellationen der Mittäterschaft beim Unterlassungsdelikt 201
aa) Mittäterschaft von mehreren Garanten, die alleine zur Erfolgsabwendung in der Lage wären 201
bb) Mittäterschaft von Garanten, die nur durch gemeinschaftliches Handeln zur Erfolgsabwendung in der Lage sind 202
(1) Die Begründung des BGH 203
(2) Pflichtdeliktslehre 204
(3) Tatherrschaftsgesichtspunkte 206
b) Kausalität als Voraussetzung der Mittäterschaft? 207
III. Mittäterschaftliches Zusammenwirken bei fahrlässigem Verhalten der Gremiumsmitglieder 209
1. Mittäterschaft bei fahrlässigem aktiven Tun 210
a) Die Ablehnung der Mittäterschaft durch die h.M. 210
aa) Das Argument, fahrlässige Mittäterschaft sei im Fahrlässigkeitsbereich wegen des Einheitstäterprinzips überflüssig 210
bb) Das Argument, Mittäterschaft erfordere einen gemeinsamen Tatplan und damit Vorsatz 211
b) Die Möglichkeiten Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich konstruktiv zu begründen 213
aa) Die Zurechnung durch das Prinzip „Gesamttat“ – Die Ansicht Denckers 213
bb) Der von Struensee vertretene subjektive Tatbestand des Fahrlässigkeitdelikts als Anknüpfungspunkt für die Begründung von Mittäterschaft 215
cc) Die von Otto vertretene Ansicht zur Begründung fahrlässiger Mittäterschaft 218
dd) Die Begründung fahrlässiger Mittäterschaft mit der Pflichtdeliktslehre – Die Ansicht Roxins 220
c) Die sachliche Berechtigung mittäterschaftlicher Zurechnung im Fahrlässigkeitsbereich 221
aa) Mittäterschaft nur bei auf den Erfolg gerichtetem Verhalten? 221
bb) Das Problem der uferlosen Haftungsausdehnung durch fahrlässige Mittäterschaft 223
cc) Die Gremiumskonstellation im besonderen 228
d) Gesetzliche Anhaltspunkte einer mittäterschaftlichen Verantwortlichkeit für einen fahrlässig herbeigeführten Erfolg 229
aa) Mittäterschaft beim erfolgsqualifizierten Delikt 229
bb) Mittäterschaft bei den „eigentlichen“ Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen 236
cc) Die Übertragbarkeit der beim erfolgsqualifizierten Delikt und bei der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination vorgefundenen Grundsätze auf das fahrlässige Erfolgsdelikt 239
e) Die Lösung der Gremiumsproblematik mit der Figur der fahrlässigen Mittäterschaft 242
aa) Anwendung der herausgearbeiteten Lösungsmöglichkeiten auf die Gremiumskonstellation 242
bb) Argumente für fahrlässige Mittäterschaft in der Lederspray-Entscheidung des Bundesgerichtshofs 244
2. Mittäterschaft bei fahrlässigem Unterlassen 248
a) Die gemeinsame Untätigkeit aufgrund eines Unterlassungsbeschlusses 248
b) Untätigkeit der Mitglieder eines Gremiums, ohne daß es zu einem Gremiumsbeschluß kommt 250
aa) Die praktische Relevanz der nicht ausdrücklich abgesprochenen Untätigkeit von Gremiumsmitgliedern 252
bb) Begründung mittäterschaftlicher Haftung, die nicht von der Absprache der Gremiumsmitglieder abhängt 253
(1) Die rein „normative Begründung“ der Mittäterschaft 253
(2) Begründung mittäterschaftlicher Zurechnung durch die Annahme einer besonderen gemeinschaftlichen Garantenpflicht 255
(3) Begründung der Gemeinschaftlichkeit durch die Besonderheiten der Aufgabenwahrnehmung in Gremien 256
Zusammenfassung und Ergebnis 259
Literaturverzeichnis 264
Sachwortverzeichnis 273